Urteil des BGH vom 24.06.2015

Unternehmen, Einkaufszentrum, Widerklage, Miete

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z R 7 8 / 1 4
vom
24. Juni 2015
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird unter Zu-
rückweisung der weitergehenden Beschwerde die Revision gegen
das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe
vom 6. Juni 2014 insoweit zugelassen, als die Berufung der Be-
klagten gegen ihre Verurteilung in der Hauptsache zur Zahlung
von mehr als 7.221,16
€ nebst Zinsen hieraus sowie gegen die
Abweisung der Widerklage in Höhe von 75.517,96
€ nebst Zinsen
hieraus zurückgewiesen worden ist.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil im
Kostenpunkt und im Umfang der zugelassenen Revision aufgeho-
ben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 100.803
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Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restmiete aus einem
Gewerberaummietverhältnis in Anspruch, die Beklagte begehrt widerklagend
Schadensersatz.
Zwischen den Parteien bestand ein im Jahr 2001 geschlossener Mietver-
trag über einen in einem Einkaufszentrum gelegenen Ladenraum zum Betrieb
eines Fachgeschäfts für Silberschmuck. Der Vertrag enthielt unter anderem
eine Regelung, nach der die Beklagte zur monatlichen Zahlung eines Werbe-
kostenzuschusses verpflichtet sein sollte. Ab März 2010 befand sich auf einem
der an das Einkaufszentrum angrenzenden Plätze eine Großbaustelle zur Er-
richtung einer U-Bahn.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Mietrückstände in Höhe von rund
40.000
€ geltend gemacht. Die Beklagte hat sich hiergegen unter anderem da-
mit verteidigt, dass die Großbaustelle zu einer erheblichen Staubentwicklung
geführt habe, durch die der Mietgebrauch eingeschränkt und die Miete gemin-
dert gewesen sei. Außerdem sei die Vertragsklausel zum Werbekostenzu-
schuss unwirksam. Schließlich hat die Beklagte unter anderem einen Scha-
densersatzanspruch in Höhe von 93.582,25
€ geltend gemacht. Dieser Betrag
stelle den an ihrer Auslageware durch die Staubentwicklung verursachten
Schaden dar, für den die Klägerin aufzukommen habe. Dies hat die Beklagte
zum einen damit begründet, dass die Klägerin das Angebot des die Großbau-
stelle betreibenden Unternehmens, vor die Eingänge des Einkaufszentrums
einen so genannten Schmutztunnel mit Filteranlagen zu bauen, nicht ange-
nommen habe. Zum anderen habe sie auch eigene Schutzmaßnahmen unter-
lassen. Mit einem Teilbetrag dieses Schadensersatzanspruchs in Höhe von
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€ hat die Beklagte die Aufrechnung gegen die Klageforderung erklärt.
Den Restbetrag von 75.517,96
€ hat sie neben weiteren Ansprüchen im Wege
der Widerklage geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klausel zur Zahlung des Werbekostenzuschus-
ses für wirksam erachtet, wegen der Staubentwicklung eine Minderung der Mie-
te um 20 % angenommen und das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs
verneint. Es hat der Klage daher in Höhe von 25.285,45
€ nebst Zinsen stattge-
geben und die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beru-
fung der Beklagten - soweit für vorliegendes Verfahren noch von Interesse -
zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die
Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544
Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils und insoweit
zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht einen entscheidungs-
erheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG, soweit
dieses den Schadensersatzanspruch verneint hat, der auf die Nichtannahme
des behaupteten Angebots, Schmutztunnel mit Filteranlagen zu errichten, ge-
stützt ist.
a) Die Beklagte hatte behauptet, sie habe in einem während des Beru-
fungsverfahrens erfolgten Telefongespräch mit dem Mitarbeiter J. des die Groß-
baustelle betreibenden Unternehmens von diesem erfahren, dass das Unter-
nehmen das besagte Angebot der Vermieterin unterbreitet habe. Nach Einver-
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nahme dieses Mitarbeiters ist das Oberlandesgericht jedoch zu dem Ergebnis
gelangt, der Zeuge habe das behauptete Angebot nicht bestätigt.
Darüber hinaus hatte die Beklagte die eigene Mitarbeiterin F. als Zeugin
benannt, die das Telefonat mitgehört habe. Diese Zeugin hat das Oberlandes-
gericht mit der Begründung nicht vernommen, es könne als wahr unterstellt
werden, dass sie das Telefonat mitangehört habe. Dass sie einen anderen In-
halt des Telefonats bekunden könne, als ihn der Zeuge ausgesagt habe, sei
nicht behauptet. Schließlich hat das Oberlandesgericht auch die Vernehmung
der von der Beklagten ebenfalls als Zeugin benannten Amtsvorgängerin C. des
einvernommenen Zeugen abgelehnt. Denn dass diese die Vorgängerin gewe-
sen sei, sei unbestritten und nicht entscheidungserheblich.
b) Indem das Oberlandesgericht den auf die Vernehmung der beiden
Zeuginnen F. und C. gerichteten Beweisanträgen nicht nachgekommen ist, hat
es den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Zeugin F. sei nur dafür be-
nannt, dass sie selbst das Telefonat mitangehört habe, ist nicht haltbar. Viel-
mehr ergibt sich aus dem entsprechenden Parteivortrag, dass sie auch den be-
klagtenseits behaupteten Inhalt des Telefonats - also die Mitteilung des Mitar-
beiters J., es habe das behauptete Angebot gegeben - bestätigen sollte. Ihre
Benennung war die Reaktion auf die schriftliche Mitteilung des J. an das Ge-
richt, er habe zu dem Beweisthema "
Hat die … angeboten einen Schmutztunnel
zu errichten?" keinerlei Kenntnisse, zumal er erst ab dem 15. November 2011
bei dem Unternehmen tätig gewesen sei und die Baumaßnahmen vor dem Ein-
kaufszentrum zu diesem Zeitpunkt schon sehr weit fortgeschritten gewesen
seien. Das Telefonat selbst stellte er hingegen nicht in Abrede. Danach ergab
der Beweisantrag allein einen Sinn, wenn er sich auf den Inhalt des Gesprächs
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bezog und zum Gegenstand hatte, dass der Zeuge J. tatsächlich (also entge-
gen seinen schriftlichen und ggf. auch späteren mündlichen Angaben) die be-
haupteten Äußerungen abgegeben hatte.
Ohne Erfolg wendet die Klägerin in der Erwiderung zur Nichtzulassungs-
beschwerde ein, die Zeugin F. habe ohnehin nur das von der Beklagten Ge-
sprochene, ohne Verletzung der Vertraulichkeit des gesprochenen Worts aber
nicht die Aussagen des Zeugen mitanhören können. Das Oberlandesgericht hat
die Ablehnung des Beweisantrags nicht darauf gestützt, dass Erkenntnisse der
Zeugin F. zum Inhalt des Telefonats auszuschließen wären. Mit Blick darauf,
dass gegebenenfalls auch das Mitanhören der Worte nur eines Gesprächspart-
ners Rückschlüsse auf den Gesprächsinhalt zulassen, wäre eine solche Be-
gründung ohnehin kaum tragfähig gewesen.
bb) Als ebenso unvertretbar stellt sich dar, dass das Berufungsgericht die
Zeugin C. (Amtsvorgängerin des Zeugen J.) nicht vernommen hat. Sie wurde in
demselben Schriftsatz wie die Zeugin F. benannt. Schon nach dem dargestell-
ten Ablauf mit der schriftlichen Mitteilung des J. zum Beginn seiner Tätigkeit für
das Unternehmen kann keinem Zweifel unterliegen, dass sich die Benennung
nicht (nur) auf ihre Eigenschaft als Amtsvorgängerin, sondern auf das behaup-
tete Angebot bezog. Im Übrigen hatte die Beklagtenseite in einem weiteren
Schriftsatz - auf den die Nichtzulassungsbeschwerde auch mit Recht verweist -
ausgeführt, weil es sich um die Vorgängerin des J. handele, gehe die Beklagte
davon aus, "dass ihr das Angebot an die Klägerin aus eigener Kenntnis be-
kannt" sei.
cc) Mit seiner schon nicht den äußeren Wortlaut, keinesfalls aber den
Sinn des entsprechenden Beklagtenvorbringens erfassenden Wahrnehmung
hat sich das Berufungsgericht in nicht mehr nachvollziehbarer Weise dem we-
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sentlichen Kern dieses Vortrags verschlossen und damit gegen Art. 103 Abs. 1
GG verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGH Beschluss vom 14. Juni 2010
- II ZR 143/09 - ZIP 2010, 1669 Rn. 13 mwN).
c) Dieser Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht
auszuschließen, dass der Beklagten mittels der Aussagen der beiden Zeugin-
nen der Nachweis ihrer Behauptung gelingt, der Vermieterin sei von dem die
Großbaustelle betreibenden Unternehmen die Einrichtung von die Staubeinwir-
kungen verhindernden Maßnahmen angeboten worden, was die Vermieterin
jedoch ausgeschlagen habe. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus,
dass bei einer solchen Sachlage ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in
Betracht käme. Ein solcher könnte nicht nur aus dem vom Oberlandesgericht
erwähnten § 280 Abs. 1 BGB, sondern auch aus § 536 a Abs. 1 Alt. 2 BGB fol-
gen, weil die Klägerin dann den Eintritt des Mietmangels - erhebliche Staubbe-
lastung des angemieteten Raums - zu vertreten haben könnte. Wie wohl auch
das Oberlandesgericht erkannt hat, käme es in diesem Fall nicht auf einen Ver-
zug der Klägerin mit der Mangelbeseitigung an (§ 536 a Abs. 1 Alt. 3 BGB).
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2. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen wendet, dass
das Berufungsgericht die Vertragsklausel zum Werbekostenzuschuss für wirk-
sam gehalten und einen auf das klägerische Unterlassen eigener Sicherungs-
maßnahmen gegen den Staub gestützten Schadensersatzanspruch verneint
hat, ist sie hingegen zurückzuweisen. Die Rechtssache hat insoweit weder
grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisi-
onsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer weitergehenden Begründung
hierzu sieht der Senat gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.
Dose
Klinkhammer
Günter
Botur
Guhling
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 31.08.2012 - 7 O 72/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.06.2014 - 10 U 21/12 -
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