Urteil des BGH vom 27.01.2010

Leitsatzentscheidung zu Wesentliche Veränderung, Befristung, Abänderungsklage, Einkünfte, Kinderbetreuung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 100/08 Verkündet
am:
27. Januar 2010
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1573 Abs. 5 a.F., 1577 Abs. 1, 1578, 1578 b; ZPO 323
Hat das Gericht dem unterhaltsberechtigten Ehegatten im Vorprozess keine
zusätzlichen Erwerbseinkünfte fiktiv zugerechnet und damit nach § 1577 Abs. 1
BGB zugleich entschieden, dass er seiner Erwerbsobliegenheit genügt hat, ist
diese Feststellung auch im Abänderungsverfahren maßgebend. Der Unterhalts-
verpflichtete kann deshalb nicht einwenden, der Unterhaltsberechtigte erleide
bei Aufnahme der ihm obliegenden Erwerbstätigkeit keinen ehebedingten Nach-
teil, weshalb eine Befristung des Unterhalts aus diesem Gesichtspunkt aus-
scheidet. Etwas anders gilt nur, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine wesentli-
che Veränderung der Verhältnisse dargetan hat, die eine solche Obliegenheit
im Nachhinein begründen könnte.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 - XII ZR 100/08 - OLG Braunschweig
AG Helmstedt
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2010 durch den
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Schilling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Familiensenats des Oberlan-
desgerichts Braunschweig vom 20. Mai 2008 wird auf Kosten des
Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltsurteils, mit dem er
zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt an die Beklagte, seine geschiedene
Ehefrau, verurteilt worden ist.
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Aus der 1980 geschlossenen Ehe der Parteien stammen zwei Kinder, die
1983 und 1987 geboren sind. Die Beklagte ist gelernte Erzieherin und arbeitete
in diesem Beruf bis zur Geburt ihres ersten Kindes. Die Beklagte nahm nach
der Scheidung im Jahr 1997 eine Beschäftigung als Bäckereiverkäuferin auf,
die sie auch heute noch ausübt. Sie machte gegenüber dem Kläger zunächst
keinen nachehelichen Unterhalt geltend, da sie sich nach der seinerzeit ange-
wandten Anrechnungsmethode keinen Unterhalt versprach.
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- 3 -
Nachdem der Senat seine Rechtsprechung geändert hatte und die Ein-
künfte der Beklagten nunmehr im Wege der Differenzmethode zu berücksichti-
gen waren, erhob die Beklagte im Mai 2003 Klage auf nachehelichen Unterhalt.
Mit Urteil vom 25. Mai 2005 wurde der Kläger zur Zahlung eines laufenden mo-
natlichen Unterhaltes von 421 € für die Zeit ab Juni 2003 verurteilt.
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Mit seiner im März 2006 anhängig gemachten Abänderungsklage hat
sich der Kläger, der zwischenzeitlich eine neue Ehe eingegangen war, seit 2007
aber wieder geschieden ist, auf die mittlerweile eingetretene wirtschaftliche
Selbständigkeit seiner beiden Kinder berufen. Zudem hat er geltend gemacht,
er habe monatliche Darlehensraten von 1.421 € für eine von ihm genutzte Im-
mobilie zu bezahlen; ferner müsse der Unterhaltsanspruch der Beklagten befris-
tet werden.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Be-
rufungsgericht "im Hinblick auf die Frage der Befristung" zugelassene Revision
des Klägers, mit der er seine Abänderungsklage weiter verfolgt.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende Au-
gust 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem
Zeitpunkt eingeleitet worden ist (Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR
50/08 - zur Veröffentlichung bestimmt).
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I.
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Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
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Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe § 323 Abs. 2 ZPO der Gel-
tendmachung einer zeitlichen Begrenzung ihres nachehelichen Unterhaltsan-
spruches nicht entgegen. Zwar sei die Tochter im Mai 2005 bereits volljährig
und in der Berufsausbildung gewesen und der Sohn im Dezember 2005 volljäh-
rig geworden. Zudem seien die Parteien bereits seit acht Jahren geschieden
und die Beklagte seit der Scheidung vollschichtig als Bäckereiverkäuferin tätig
gewesen. Ob aufgrund dieser Umstände bereits im Mai 2005 absehbar gewe-
sen sei, wie sich der berufliche Werdegang der Beklagten entwickeln werde und
ob die ehebedingten Nachteile verbleiben würden, könne jedoch dahinstehen,
da das Amtsgericht in seinem Urteil vom 25. Mai 2005 folgendes ausgeführt
habe: "Eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs ist derzeit nicht vor-
zunehmen, da die bei der Klägerin lebenden gemeinschaftlichen Kinder zum
einen noch minderjährig und zum anderen noch nicht wirtschaftlich selbständig
sind. Erst nach einer völligen wirtschaftlichen Verselbständigung der Kinder wä-
re eine zeitliche Begrenzung und Herabsetzung des eheangemessenen Unter-
halts nach § 1578 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht zu ziehen." Die hiergegen ge-
richtete Berufung des hiesigen Klägers und dortigen Beklagten sei durch Be-
schluss des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2005 nach § 522 ZPO zurück-
gewiesen worden, so dass seinerzeit eine zeitliche Begrenzung nicht durch-
setzbar gewesen sei. Die im Urteil des Amtsgerichts genannten Voraussetzun-
gen lägen jetzt vor, da der Sohn am 18. Dezember 2005 volljährig geworden sei
und seit dem 1. September 2005 eine Ausbildung mit einer ausreichenden Aus-
bildungsvergütung absolviere.
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Im Ergebnis zutreffend habe das Amtsgericht festgestellt, dass der der
Höhe nach unstreitige Aufstockungsunterhaltsanspruch der Beklagten nicht
nach § 1578 b BGB zeitlich zu befristen sei.
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Allein die Ehedauer vermöge nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, der der Gesetzeswortlaut des neu gefassten § 1578 b
BGB entspreche, die Begrenzung und Befristung eines nachehelichen Unter-
haltsanspruchs nicht mehr auszuschließen. Vielmehr sei zu berücksichtigen,
inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten
seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile könnten sich vor
allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kin-
des, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während
der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
Im vorliegenden Fall habe die Beklagte so erhebliche ehebedingte beruf-
liche Nachteile erlitten, dass ein dauerhafter unterhaltsrechtlicher Ausgleich zu-
gunsten der Beklagten gerechtfertigt sei.
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Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten habe diese im Jahr
1972 die Realschule beendet. Nach einem zweijährigen Vorpraktikum habe sie
sodann für zweieinhalb Jahre die Fachschule für Sozialpädagogik besucht so-
wie ein halbjähriges Anerkennungspraktikum abgeleistet. Nach Abschluss ihrer
Ausbildung im Jahre 1977 sei die Beklagte sodann für sechs Jahre in ihrem
erlernten Beruf als Erzieherin bis zur Geburt der Tochter 1983 tätig gewesen.
Dabei habe sie zuletzt in einem Kindergarten mit einem Gehalt in Anlehnung an
die BAT-Besoldung gearbeitet. Dass die Beklagte sodann während der Ehe
nicht mehr erwerbstätig gewesen sei, sei ihr unterhaltsrechtlich nicht vorzuwer-
fen, sondern sei jedenfalls mit Billigung des Klägers geschehen.
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Nach der Ehescheidung habe die Beklagte ab August 1997 durchgängig
als Bäckereiverkäuferin gearbeitet. Sie werde wie eine gelernte Verkäuferin mit
einem Stundenlohn von 9,78 € brutto bezahlt.
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Dass die zum Zeitpunkt der Ehescheidung 41 Jahre alte Beklagte nicht
wieder in ihren erlernten Beruf zurückgekehrt sei, sei ihr unterhaltsrechtlich
nicht vorwerfbar. Es sei senatsbekannt, dass gerade in den Jahren nach der
Grenzöffnung ein erheblicher Überschuss an gelernten Erzieherinnen bestan-
den habe, so dass die Beklagte nach vierzehnjähriger Unterbrechung und an-
gesichts ihres Alters nur geringe Chancen gehabt hätte, als Erzieherin wieder
eingestellt zu werden. Hinzu komme, dass der Beklagten seinerzeit kein Unter-
haltsanspruch zugestanden habe und der Kläger daher von ihrer Entscheidung,
als Verkäuferin tätig zu sein, unterhaltsrechtlich nicht betroffen gewesen sei.
Der der Höhe nach unstreitige Aufstockungsunterhalt von monatlich
421 € entspreche ziemlich genau der Differenz zwischen dem von der Beklag-
ten nunmehr erzielten Einkommen (dessen Durchschnitt in etwa dem Tariflohn
von monatlich 1.104,44 € netto gleichkomme) und dem Einkommen, das sie
ohne die von den Parteien praktizierte "Hausfrauenehe" und die Kinderbetreu-
ung hätte erzielen können (1.575,73 € netto). Der Kläger verfüge demgegen-
über nach seinem Vorbringen über wesentlich höhere Einkünfte von ca. 2.500 €
netto. Unterhalt für die beiden Kinder müsse er nicht mehr zahlen, ebenso we-
nig für seine zweite Ehefrau. Der Kläger habe hierzu in der mündlichen Ver-
handlung vor dem Senat erklärt, er sei inzwischen erneut geschieden, seine
zweite Ehefrau mache aber keinen Unterhalt geltend. Soweit der Kläger be-
haupte, er trage Darlehensverbindlichkeiten von insgesamt 1.421 € ab, habe er
dies trotz Bestreitens seitens der Beklagten nicht belegt, gegebenenfalls wäre
auch ein Wohnwert zu berücksichtigen.
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Da bei der Erwerbsbiografie der Beklagten aufgrund der von den Partei-
en während der Ehe praktizierten Aufgabenverteilung und der Kinderbetreuung
ehebedingte Nachteile auf Dauer bestünden, sei auch in Anbetracht der beider-
seitigen wirtschaftlichen Verhältnisse ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch
nicht unbillig.
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II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis
stand.
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1. Soweit das Berufungsgericht ausweislich der Entscheidungsgründe
die Revision "im Hinblick auf die Frage der Befristung" zugelassen hat, fehlt es
an einer zulässigen und damit wirksamen Einschränkung der Revision. Bei der
Herabsetzung und Befristung des Unterhaltes nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB
handelt es sich um Einwendungen, die Grund und Höhe des Unterhalts betref-
fen und sich im vorliegenden Fall nicht auf einen abgrenzbaren Teil des Streit-
gegenstandes beziehen. Anders als in einem im Urteil enthaltenen Ausspruch
der Befristung ist bei deren Ablehnung eine Eingrenzung des Streitgegenstands
schon in zeitlicher Hinsicht nicht möglich (Senatsurteil vom 27. Mai 2009
- XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 - Tz. 16).
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2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich
der Kläger gemäß § 323 Abs. 2 ZPO in zulässiger Weise im Abänderungsver-
fahren auf eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs berufen kann.
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Ob das Berufungsgericht dabei allerdings entsprechend dem amtsge-
richtlichen Urteil aus dem Vorprozess auf die - mittlerweile eingetretene - Selb-
ständigkeit der gemeinsamen Kinder abstellen durfte, obgleich sich seit dem
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vorausgegangenen Verfahren die für eine Befristung des Unterhaltsanspruchs
gemäß § 1573 Abs. 5 BGB a.F. bzw. § 1578 b BGB maßgeblichen Verhältnisse
ersichtlich nicht wesentlich verändert haben, ist zweifelhaft. Die Frage bedarf
jedoch keiner Beantwortung, weil die Zulässigkeit der Abänderungsklage be-
reits aus einer Änderung der Senatsrechtsprechung folgt.
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Eine wesentliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse i.S. von
§ 323 Abs. 2 ZPO kann sich auch auf einer Änderung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof ergeben (Senatsurteil BGHZ
171, 206 = FamRZ 2007, 793 - Tz. 36). Eine solche Änderung liegt hier vor. Die
Rechtsprechung des Senats hat sich mit Urteil vom 12.
), also nach Abschluss des Vorprozesses, dahin
geändert, dass es schon bei der nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. anzustellenden
Billigkeitsabwägung nicht mehr vorrangig auf die Dauer der Ehe ankam, son-
dern auf dem Unterhaltsberechtigten entstandene ehebedingte Nachteile (Se-
natsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 - Tz. 60).
Auf das Fehlen solcher Nachteile hat der Kläger seine Abänderungsklage letzt-
lich vorwiegend gestützt.
3. Das Berufungsgericht hat der Abänderungsklage im Ergebnis zu Re-
cht den Erfolg versagt.
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a) Soweit das Oberlandesgericht allerdings meint, der streitgegenständli-
che Aufstockungsunterhaltsanspruch sei der Höhe nach unstreitig, sind seine
Ausführungen nicht frei von Bedenken. Denn der Kläger hat sich in dem Abän-
derungsverfahren auf von ihm abzutragende Darlehensverbindlichkeiten beru-
fen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass die Beklagte die Tilgung des
Darlehens nicht insgesamt bestritten hat, sondern lediglich den Umstand, dass
der Kläger das Darlehen allein abzahlt. Schließlich bestehen Bedenken gegen
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die Feststellung, dass der Kläger die Darlehensverbindlichkeiten nicht belegt
habe, da er immerhin entsprechende Kontoauszüge zur Akte gereicht hat. So-
fern das Berufungsgericht hier davon ausgegangen sein sollte, dass die Konto-
auszüge allein unzureichend seien, hätte ein entsprechender Hinweis nahe ge-
legen.
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Die Tatsache, dass der Kläger Darlehensverbindlichkeiten zu bedienen
hat, ist - jedenfalls dem Grunde nach - geeignet, das Einkommen des Klägers
zu mindern und damit zugleich den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhält-
nissen gemäß § 1578 BGB herabzusetzen. Jedoch beruht die angefochtene
Entscheidung nicht auf den vorgenannten Feststellungen. Denn das Beru-
fungsgericht hat die Darlehensverbindlichkeiten im Ergebnis zu Recht unbe-
rücksichtigt gelassen.
aa) Soweit der Kläger seine Abänderungsklage mit den Darlehensver-
bindlichkeiten begründen will, ist sie bereits gemäß § 323 Abs. 2 ZPO unzuläs-
sig.
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Gemäß § 323 Abs. 2 ZPO ist die Klage nur insoweit zulässig, als die
Gründe, auf die sie gestützt wird, erst nach dem Schluss der mündlichen Ver-
handlung, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung
von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen, entstanden sind und
durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Hierbei handelt
es sich um eine besondere Prozessvoraussetzung, die im Rahmen der Zuläs-
sigkeit von Amts wegen (auch) in der Revisionsinstanz zu überprüfen ist (vgl.
Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. § 557 Rdn. 3 und Rdn. 6).
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Obgleich die Beklagte schon in erster Instanz vorgetragen hatte, dass die
vom Kläger eingewandten Darlehensverbindlichkeiten bereits vor Abschluss
des vorangegangenen Unterhaltsprozesses vorhanden gewesen seien, hat der
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Kläger nicht dargetan, seit wann die - nunmehr im Abänderungsverfahren gel-
tend gemachten - Darlehensverbindlichkeiten bestehen.
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bb) Im Übrigen hat der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger
nicht näher zu den Umständen der Darlehensaufnahme vorgetragen. Deshalb
kann nicht festgestellt werden, ob die monatlichen Zahlungen bei der Bedarfs-
ermittlung nach § 1578 BGB im Rahmen der wandelbaren ehelichen Lebens-
verhältnisse überhaupt berücksichtigungsfähig wären, etwa weil die Eingehung
der Darlehensverbindlichkeiten unumgänglich gewesen bzw. nicht leichtfertig
erfolgt ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411 - Tz. 26;
BGHZ 175, 182 = FamRZ 2008, 968 - Tz. 43 und vom 23. November 2005
- XII ZR 51/03 - FamRZ 2006, 387, 388; Wendl/Staudigl/Gerhardt Das Unter-
haltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rdn. 616). Außerdem
dürfte - worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat - mit dem Im-
mobiliendarlehen zu Gunsten des Klägers ein Wohnvorteil einhergehen, zu
dessen Höhe der Kläger aber ebenso wenig vorgetragen hat.
b) Das Berufungsurteil ist auch nicht zu beanstanden, soweit es dem
Umstand, dass der Kläger erneut geheiratet hat, unterhaltsrechtlich keine Be-
deutung beigemessen hat.
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Zwar kann sich nach der geänderten und seit der Entscheidung vom
30. Juli 2008 (BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911) ständigen Rechtspre-
chung des Senats (BGHZ 179, 196 = FamRZ 2009, 411 und Urteil vom 1. Ok-
tober 2008 - XII ZR 62/07 - FamRZ 2009, 23) der Unterhaltsbedarf des Unter-
haltsberechtigten im Wege der Dreiteilung verringern, wenn der Unterhalts-
pflichtige erneut geheiratet hat und damit einer weiteren Unterhaltspflicht unter-
liegt. Das Berufungsgericht hat indes festgestellt, dass die zweite Ehefrau, von
der der Kläger mittlerweile ebenfalls geschieden ist, keinen Unterhalt geltend
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macht. Die Scheidung erfolgte nach dem vom Berufungsurteil in Bezug ge-
nommenen Vortrag des Klägers bereits im Jahr 2007. Da die Dreiteilung ent-
sprechend der geänderten Rechtsprechung frühestens für die Zeit ab Januar
2008 in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2009 - XII ZR
65/09 - FamRZ 2010, 111 - Tz. 18), können etwaige der Scheidung vorausge-
gangene Unterhaltsansprüche seiner zweiten Ehefrau im hier streitgegenständ-
lichen Zeitraum von April 2006 an mithin keine Auswirkungen auf den für die
Beklagte maßgeblichen Bedarf nach § 1578 BGB gehabt haben.
c) Schließlich hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Re-
vision stand, soweit das Berufungsgericht eine Befristung des Aufstockungsun-
terhaltsanspruchs abgelehnt hat.
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aa) Zwar hätte das Berufungsgericht hinsichtlich der Befristung bezogen
auf die jeweiligen Zeiträume vor und nach Inkrafttreten des Unterhaltsrechtsän-
derungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) zum 1. Januar
2008 zwischen der Anwendung des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. und § 1578 b BGB
an sich differenzieren müssen. Dass es dies unterlassen hat, wirkt sich jedoch
nicht zum Nachteil des Klägers aus, da beide Normen von gleichen Vorausset-
zungen ausgehen.
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Der Kläger hat einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht ab Rechtshängig-
keit seiner Abänderungsklage begehrt. Rechtshängigkeit ist bereits im April
2006 eingetreten. Eine etwaige schon vor Januar 2008 eintretende Befristung
des Unterhaltsanspruchs kann sich gemäß § 36 Nr. 7 EGZPO insoweit nur
nach altem Recht und damit nach § 1573 Abs. 5 BGB a.F. richten. Soweit eine
Befristung ab Januar 2008 zu erwägen ist, ist demgegenüber § 1578 b BGB
maßgeblich. § 1578 b BGB hat die vom Senat für § 1573 Abs. 5 BGB a.F. an-
gewandten Kriterien für eine Befristung des Unterhalts im Rahmen des Aufsto-
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ckungsunterhalts jedoch lediglich gesetzlich klargestellt (Senatsurteil vom
18. November 2009 - XII ZR 65/09 - FamRZ 2010, 111 - Tz. 60; siehe auch Se-
natsurteile vom 25. Juni 2008 - XII ZR 109/07 - FamRZ 2008, 1508 - Tz. 12 f.
und vom 16. April 2008 - XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 - Tz. 35 f.). Des-
halb entspricht § 1578 b BGB - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt
hat - der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB a.F.
bb) Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht schließlich auch
entschieden, dass die Beklagte hinsichtlich ihres Erwerbseinkommens einen
ehebedingten Nachteil erlitten hat, der einer Befristung entgegensteht.
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(1) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 2
Satz 1 BGB zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsan-
spruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus
den nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend anzuwendenden Ge-
sichtspunkten für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den ange-
messenen Lebensbedarf nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB. Danach ist bei
der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des
nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe
Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Un-
terhalt zu sorgen. Wie schon nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573
Abs. 5 BGB a.F. (siehe etwa Senatsurteile vom 12. April 2006 - XII ZR 240/03 -
FamRZ 2006, 1006, 1007 und vom 14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ
2008, 134 - Tz. 20) schränken solche ehebedingten Nachteile regelmäßig auch
nach der Neufassung des § 1578 b BGB die Möglichkeit einer Befristung und
Begrenzung des nachehelichen Unterhalts ein (Senatsurteil vom 16. April 2008
- XII ZR 107/06 - FamRZ 2008, 1325 - Tz. 36). Derartige Nachteile können sich
nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Er-
ziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushalts-
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- 13 -
führung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe
ergeben (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009,
1990 - Tz. 13 und vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207
- Tz. 35). Sowohl nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1573 Abs. 5 BGB
a.F. als auch nach der daran orientierten Neufassung des
liegen ehebedingte Nachteile vor, wenn die Gestaltung der Ehe, insbesondere
die Arbeitsteilung der Ehegatten, die Fähigkeit eines Ehegatten, für seinen Un-
terhalt zu sorgen, beeinträchtigt hat (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ
2009, 406 - Tz. 32). Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten
Einschränkung seiner Erwerbstätigkeit - wie hier - lediglich Einkünfte, die den
eigenen angemessenen Unterhaltsbedarf nach § 1578 b BGB nicht erreichen,
scheidet eine Befristung des Unterhaltsanspruchs daher regelmäßig aus (Se-
natsurteil vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 - Tz. 16).
Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommen-
den Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht
nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung
maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese
Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteile
vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 - Tz. 19 und vom
14. November 2007 - XII ZR 16/07 - FamRZ 2008, 134 - Tz. 23).
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(2) Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die
Fortdauer ehebedingter Nachteile abgestellt und deshalb eine Befristung aus-
geschlossen.
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Das Berufungsgericht ist maßgeblich davon ausgegangen, dass auf-
grund der von den Parteien während der Ehe praktizierten Aufgabenverteilung
und der Kinderbetreuung zu Lasten der Beklagten ehebedingte Nachteile auf
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Dauer bestehen, die auch in Anbetracht der beiderseitigen wirtschaftlichen Ver-
hältnisse einen unbegrenzten Unterhaltsanspruch als nicht unbillig erscheinen
lassen.
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(a) Dabei hat das Berufungsgericht zunächst in revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise und von der Revision unangefochten darauf abge-
stellt, dass die Beklagte, hätte sie durchgehend in ihrem erlernten Beruf als Er-
zieherin gearbeitet, nunmehr nach dem TVöD bezahlt worden wäre, da sie bis
zur Geburt der Tochter im Jahre 1983 in einem kirchlichen Kindergarten gear-
beitet und ein Gehalt in Anlehnung an die BAT-Besoldung erhalten habe. Ihr
derzeitiges Gehalt würde sich auf 1.575,73 € netto belaufen, wobei es sich
hierbei um die normale Gehaltsentwicklung einer Erzieherin unbeschadet einer
etwaigen Weiterentwicklung zur Kindergartenleiterin handeln würde. Tatsäch-
lich erzielt die Beklagte Erwerbseinkommen aus ihrer vollzeitigen Tätigkeit als
Bäckereiverkäuferin. Der Tariflohn hierfür beläuft sich für sie auf 1.104,44 € net-
to und entspricht in etwa ihrem Durchschnittsgehalt. Der Aufstockungsunterhalt
von monatlich 421 € kommt damit der Differenz zwischen dem von der Beklag-
ten nunmehr erzielten Einkommen und dem Einkommen, das die Beklagte ohne
die von den Parteien praktizierte "Hausfrauenehe" und die Kinderbetreuung
hätte erzielen können, gleich.
(b) Allerdings greift die Revision die Feststellungen des Berufungsge-
richts an, wonach es der Beklagten unterhaltsrechtlich nicht vorgeworfen wer-
den könne, dass sie nicht wieder in ihren erlernten Beruf als Erzieherin zurück-
gekehrt sei. Ob die entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts vor
dem Hintergrund des Vortrags der Beklagten, nach dem sie sich nicht auf eine
entsprechende Stelle beworben hat, Bestand haben können, kann allerdings
dahinstehen. Denn durch das abzuändernde Urteil aus dem Jahre 2005 ist be-
reits rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte unterhaltsrechtlich nicht ver-
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pflichtet ist, eine besser qualifizierte und bezahlte Tätigkeit in ihrem ursprünglich
erlernten Beruf als Erzieherin aufzunehmen. Der Kläger hat auch keine Verän-
derung der Verhältnisse dargetan, die eine solche Obliegenheit im Nachhinein
begründen könnte.
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Das Urteil des Amtsgerichts vom 25. Mai 2005, dessen Abänderung der
Kläger begehrt, hat der Beklagten auf Grundlage der Einkünfte aus ihrer voll-
schichtigen Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin Aufstockungsunterhalt zugespro-
chen. Damit hat das Amtsgericht zugleich - wenn auch nicht ausdrücklich - fest-
gestellt, dass die Beklagte unterhaltsrechtlich nicht dazu verpflichtet war, in ih-
rem ursprünglich erlernten Beruf als Erzieherin zu arbeiten. Denn andernfalls
hätte es ihr im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach § 1577 Abs. 1 BGB hö-
here fiktive Einkünfte zurechnen müssen. Gelangt das Gericht indes bereits im
Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu der Überzeugung, dass der Unterhalts-
gläubiger kein seiner Ausbildung entsprechendes adäquates Einkommen erzie-
len kann, erübrigt sich eine erneute Prüfung im Rahmen des § 1578 b BGB (vgl.
Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ 2009, 1300 - Tz. 62).
Da der Kläger nicht dargelegt hat, dass sich seit Abschluss des vorange-
gangenen Unterhaltsprozesses die Verhältnisse so geändert haben, dass die
Beklagte nunmehr verpflichtet wäre, in ihrem erlernten Beruf eine Tätigkeit
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aufzunehmen, ist nach wie vor davon auszugehen, dass die Beklagte ihren un-
terhaltsrechtlichen Obliegenheiten hinreichend Rechnung trägt.
Dose
Weber-Monecke Wagenitz
Vézina Schilling
Vorinstanzen:
AG Helmstedt, Entscheidung vom 15.11.2006 - 12 F 92/06 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 20.05.2008 - 2 UF 215/06 -