Urteil des BGH vom 16.03.2016

Ausbildung, Hochschulstudium, DDR, Hochschule

ECLI:DE:BGH:2016:160316BXIIZB685.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 685/13
vom
16. März 2016
in der Betreuungssache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Chemnitz vom 14. Oktober 2013 wird auf Kosten
des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Wert:
624 €
Gründe:
Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beteiligte (im Folgenden: Betreuer)
für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2011 die Festsetzung einer Betreuer-
vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 44
€ statt der vom Be-
schwerdegericht zuerkannten 27
€ erstrebt, ist unbegründet. Die angegriffene
Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, der vom Betreuer
im Jahr 1989 an der Juristischen Hochschule Potsdam erworbene Studienab-
schluss als Diplomjurist der DDR sowie sein 1991 erfolgreich abgeschlossenes
Umschulungsstudium mit dem erreichten Fachabschluss auf dem Gebiet Un-
ternehmensführung/Management rechtfertigten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
VBVG den höchsten Stundensatz von 44
€.
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Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die
Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung
einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung
des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur
eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen
vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt
oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe be-
rücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 25. März 2015
- XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 mwN).
Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Be-
schwerdegerichts stand, wonach - unter Berücksichtigung der Ausführungen
des Senats, der eine frühere Beschwerdeentscheidung in dieser Sache aufge-
hoben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückverwiesen hat (Senats-
beschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029 Rn. 12 ff.) -
die Ausbildung des Betreuers zum Diplomjurist der DDR zwar ein Hochschul-
studium darstellt, der Betreuer hierdurch jedoch keine für die Betreuung nutzba-
ren Fachkenntnisse erworben hat, und das Umschulungsstudium sowie die
Fortbildungsmaßnahmen des Betreuers einem Hochschulstudium nicht ver-
gleichbar sind.
Nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG ist ein erhöhter Stun-
densatz nicht bereits gerechtfertigt, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande
auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforder-
lich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon
ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung
solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante
Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (Senatsbeschluss vom
25. März 2015 - XII ZB 558/14 - BtPrax 2015, 155 mwN). Bei der Würdigung
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darf nicht auf die Bezeichnung des Berufs oder der Ausbildung abgestellt wer-
den, sondern es ist jeweils im Einzelfall die konkrete Ausbildung des Betreuers
zu bewerten (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ
2015, 1794 Rn. 5).
Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, dass das Studium an der
Juristischen Hochschule Potsdam im Wesentlichen aus den Rechtsfächern
Staatsrecht, Strafrecht, Strafverfahrensrecht und Völkerrecht sowie weiterhin
aus den Fächern Marxistisch-Leninistische Philosophie, Politische Ökonomie,
Wissenschaftlicher Sozialismus, Staats- und Rechtsgeschichte, System der
Rechtspflege der DDR, Staatsrecht bürgerlicher Staaten, Außen- und Rechts-
politik bürgerlicher Staaten, Kriminalistik sowie pädagogische und psychologi-
sche Grundfragen der staatlichen Leitung bestanden habe, die nicht der Ver-
mittlung von Fachkenntnissen gedient hätten, die dem Betreuer seine Tätigkeit
erleichterten; eine Ausbildung im Fachbereich Psychologie sei nicht dem Kern-
bereich des Studiums zuzuordnen.
Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zu Unrecht beanstandet die
Rechtsbeschwerde die fehlende Berücksichtigung der Inhalte des Umschu-
lungsstudiums durch das Beschwerdegericht. Das Umschulungsstudium stellt
eine Zusatzausbildung zum abgeschlossenen Hochschulstudium dar, die ge-
sondert zu betrachten ist; eine Gesamtschau aller Ausbildungen ist gerade nicht
vorzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 -
FamRZ 2013, 1029 Rn. 19 mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde auf die im
Studium erworbenen Fähigkeiten wie methodisches Denken und schnelle Ein-
arbeitung in andere Fachgebiete abstellt, handelt es sich um Grundfertigkeiten,
die nicht den Kernbereich des Studiums betreffen, sondern gleichsam am Ran-
de der Ausbildung erworben werden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015
- XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5). Entgegen der Ansicht der Rechts-
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beschwerde stellt das Beschwerdegericht auch zu Recht darauf ab, dass gera-
de Zivilrecht nicht unterrichtet wurde und Verwaltungsrecht nicht Bestandteil der
Abschlussprüfung war, also untergeordnete Bedeutung hatte. Vor allem in die-
sen Rechtsbereichen erfolgt aber ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Be-
treuers, während Fragen des Staats- und Völkerrechts nicht und des Strafrechts
nur im Ausnahmefall für die Betreuung nützlich sind.
Ebenfalls ohne Rechtsfehler stellt das Beschwerdegericht - wie vom Se-
nat schon bei der Überprüfung der ersten Beschwerdeentscheidung gebilligt
(Senatsbeschluss vom 10. April 2013 - XII ZB 349/12 - FamRZ 2013, 1029
Rn. 19) - fest, dass weder das Umschulungsstudium noch die übrigen Fortbil-
dungen des Betreuers für sich genommen nach Art und Umfang einem Hoch-
schulstudium entsprechen.
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2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen,
weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-
deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Aue, Entscheidung vom 19.01.2012 - 2 XVII 43/11 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 14.10.2013 - 3 T 106/12 -
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