Urteil des BGH vom 25.03.2015

Leitsatzentscheidung zu Pflegeheim, Zahnärztliche Behandlung, Entlassung, Gefahr

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 6 2 1 / 1 4
vom
25. März 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1897 Abs. 4; FamFG §§ 59 Abs. 1, 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 295 Abs. 1
a) Dem Betreuer steht gegen seine Entlassung bei fortbestehender Betreuung
eine Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu.
b) Die im Verfahren der Verlängerung der Betreuung ohne erkennbaren Grund
vorgenommene Aufspaltung der zu treffenden Einheitsentscheidung in einen
Beschluss über den Betreuerwechsel und einen Beschluss über die Verlän-
gerung der Betreuung führt nicht dazu, dass es dem entlassenen Betreuer an
der Beschwerdeberechtigung fehlt oder dass die Rechtsbeschwerde nur mit
Zulassung statthaft ist.
c) Für die Bestellung einer anderen als der vom Betroffenen vorgeschlagenen
Person als Betreuer wegen Eignungsmängeln des Vorgeschlagenen müssen
Erkenntnisse vorliegen, die geeignet sind, einen das Wohl des Betroffenen
gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den
von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.
BGH, Beschluss vom 25. März 2015 - XII ZB 621/14 - LG Berlin
AG Berlin-Mitte
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und des weiteren Be-
teiligten zu 1 wird der Beschluss der Zivilkammer 87 des Landge-
richts Berlin vom 22. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-
gericht zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Wert: 5.000
Gründe:
A.
Die 91-jährige Betroffene leidet unter einer mittelschweren Demenz. En-
de 2011 bat die Leitung des Pflegeheimes, in dem die Betroffene wohnt, das
Amtsgericht um Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme in Form
eines Rollstuhlgurtes. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und
Anhörung der Betroffenen bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom
21. Februar 2012 den Sohn der Betroffenen (Beteiligten zu 1), dem die Be-
1
- 3 -
troffene im November 2008 eine Vorsorgevollmacht erteilt und den sie in die-
sem Schriftstück auch als zu bestellenden Betreuer bezeichnet hatte, zum Be-
treuer mit dem Aufgabenkreis "Aufenthaltsbestimmung". Als Überprüfungsfrist
für die Betreuung war der 20. Februar 2013 genannt. Ebenfalls mit Beschluss
vom 21. Februar 2012 genehmigte das Amtsgericht die Einwilligung des Be-
treuers in das Anlegen eines Bauchgurtes im Rollstuhl bis zum 20. Februar
2013.
Ende Juli 2012 beschwerte sich das Pflegeheim gegenüber dem Amts-
gericht darüber, dass der Beteiligte zu 1 sich in finanzieller und gesundheitlicher
Hinsicht nur unzureichend um die Belange der Betroffenen kümmere. In einem
Anhörungstermin im Oktober 2012 erklärte der Beteiligte zu 1 die Versäumnisse
mit seiner beruflichen Belastung, jetzt aber sei alles erledigt. In der Folgezeit
erfolgten keine Beanstandungen durch das Pflegeheim mehr.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 hat das Amtsgericht beim Beteilig-
ten zu 1 und beim Pflegeheim angefragt, ob es einer Verlängerung von Betreu-
ung und Fixierungsgenehmigung bedürfe. Nachdem das Pflegeheim dies An-
fang März 2013 bejaht hatte, hat das Amtsgericht ein medizinisches Sachver-
ständigengutachten eingeholt und die Betroffene im Beisein des Beteiligten zu 1
am 26. Juni 2013 angehört. Im Anschluss an diese Anhörung hat das Amtsge-
richt zwei Beschlüsse erlassen: Zum einen hat es den Beteiligten zu 1 als Be-
treuer entlassen und an seiner Stelle den Beteiligten zu 2, einen Berufsbetreu-
er, zum neuen Betreuer bestellt. Zum anderen hat es die nunmehr vom Beteilig-
ten zu 2 geführte Betreuung verlängert und als Überprüfungszeitpunkt den
25. Juni 2020 bestimmt. Schließlich hat das Amtsgericht mit Beschluss vom
11. Juli 2013 auf Antrag des neuen Betreuers dessen Einwilligung in die An-
bringung eines Stecktisches am Rollstuhl der Betroffenen für zwei Jahre ge-
nehmigt.
2
3
- 4 -
Der Beteiligte zu 1 hat gegen den vorgenommenen Betreuerwechsel so-
wie im Namen der Betroffenen gegen die Verlängerungsentscheidung (be-
schränkt auf die Betreuerauswahl) Beschwerden eingelegt, die das Beschwer-
degericht verworfen bzw. zurückgewiesen hat. Hiergegen wendet sich der Be-
teiligte zu 1 im eigenen Namen und namens der Betroffenen mit der Rechtsbe-
schwerde.
B.
Die Rechtsbeschwerden sind zulässig und begründet.
I. Sowohl die vom Beteiligten zu 1 im eigenen Namen als auch die von
ihm namens der Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Beide Rechtsbeschwerden sind gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FamFG zulassungsfrei statthaft.
Die in dieser Vorschrift genannten Betreuungssachen zur Bestellung ei-
nes Betreuers im Sinne der §§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 271 Nr. 1 FamFG sind
Verfahren nach § 1896 BGB. Dabei kann es sich sowohl um ein Erstverfahren
als auch um ein Verlängerungsverfahren handeln, für das § 295 Abs. 1 FamFG
eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die erstmalige Anord-
nung dieser Maßnahme anordnet (vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 295
Rn. 1). Demgegenüber ist die Rechtsbeschwerde in einem Verfahren, in dem
eine isolierte Entscheidung über einen Betreuerwechsel nach Maßgabe des
§ 1908 b BGB erfolgt, nur bei Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft
(ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 9. Februar
2011 - XII ZB 364/10 - FamRZ 2011, 632 Rn. 8 f. und vom 29. Juni 2011
- XII ZB 65/11 - FamRZ 2011, 1393 Rn. 7 f.).
4
5
6
7
8
- 5 -
Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht am Ende des erstinstanzlichen
Verlängerungsverfahrens zwar den Betreuerwechsel mit einem von der Verlän-
gerungsentscheidung getrennten Beschluss vorgenommen. Unabhängig davon,
dass Gegenstand der Beschwerdeentscheidung ohnehin auch die Betreuer-
auswahl im Rahmen der Verlängerung war, führt die durch das Amtsgericht oh-
ne erkennbaren Grund vorgenommene Aufspaltung in zwei Beschlüsse mit
gleichem Datum nicht dazu, dass derjenige über den Betreuerwechsel außer-
halb des Verlängerungsverfahrens ergangen wäre.
Dass die Rechtsbeschwerden sich nicht gegen die Verlängerung, son-
dern gegen den Betreuerwechsel bzw. die Entscheidung über die Auswahl der
Betreuerperson richten, ist unschädlich, weil es sich um eine zulässige Teil-
anfechtung der die Verlängerung der Betreuung und Bestellung eines Betreuers
umfassenden
Einheitsentscheidung
handelt
(Senatsbeschluss
vom
15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 10; vgl. auch Se-
natsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 205/14 - FamRZ 2014, 1916
Rn. 3).
2. Der Beteiligte zu 1 hat hier als Vorsorgebevollmächtigter wirksam ge-
mäß § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG Rechtsbeschwerde im Namen der Betroffe-
nen eingelegt. Zwar muss nach dieser Vorschrift durch die Entscheidung, ge-
gen die der Vorsorgebevollmächtigte sich namens des Betroffenen wenden will,
sein Aufgabenkreis betroffen sein. Dies ist hier jedoch der Fall, auch wenn die
Betroffene den Beteiligten zu 1 nicht zur Entscheidung über freiheitsentziehen-
de Maßnahmen bevollmächtigt hat. Denn der von der angeordneten Betreuung
erfasste Aufgabenkreis beschränkt sich nicht hierauf, sondern umfasst die Auf-
enthaltsbestimmung insgesamt. Die Betroffene hat ihren Sohn aber ausdrück-
lich bevollmächtigt, über ihren Aufenthalt zu bestimmen.
9
10
11
- 6 -
Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1 für das Verfahren der
Rechtsbeschwerde folgt bereits daraus, dass seine Erstbeschwerde erfolglos
geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 -
FamRZ 2015, 249 Rn. 4 mwN).
II. Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet. Sie führen zur Aufhe-
bung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an
das Beschwerdegericht.
1. Dieses hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen seine Entlassung aus dem
Betreueramt und die Bestellung des Berufsbetreuers sei schon unzulässig.
Zwar könne ein Betreuer grundsätzlich gegen seine Entlassung mit der Be-
schwerde vorgehen. Das Verfahren habe sich jedoch durch den weiteren Be-
schluss vom selben Tag über die Verlängerung der nun vom Beteiligten zu 2
geführten Betreuung erledigt. Denn die bisherige Betreuerbestellung sei insge-
samt abgelöst worden. Ziel einer Beschwerde gegen den die Entlassung aus-
sprechenden Beschluss habe nur sein können, den Beteiligten zu 1 wieder zum
Betreuer gemäß dem Beschluss vom 21. Februar 2012 zu bestellen, der aber
nicht mehr Grundlage der jetzt bestehenden Betreuung sei. Ein Antrag nach
§ 62 FamFG sei nicht gestellt; zudem fehlte es einem solchen am Rechts-
schutzbedürfnis. Selbst wenn man aber die Beschwerde des Beteiligten zu 1 für
zulässig halte, sei sie aus den Gründen, derentwegen die Beschwerde der Be-
troffenen zurückzuweisen sei, unbegründet.
Die für die Betroffene durch den Beteiligten zu 1 als Sohn und Vorsorge-
bevollmächtigten eingelegte Beschwerde sei zulässig, aber unbegründet. Für
die Verlängerung der Betreuung gölten die Vorschriften über die erstmalige An-
ordnung der Maßnahme entsprechend, so dass § 1897 BGB der Maßstab für
12
13
14
15
16
- 7 -
die Betreuerauswahl sei. Die Vorsorgevollmacht stelle unabhängig davon, dass
sie keine Bevollmächtigung für den hier fraglichen Bereich der Freiheitsentzie-
hung im Rahmen der Aufenthaltsbestimmung enthalte, einen Betreuervorschlag
dar. Ein solcher könne nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die konkrete
Gefahr bestehe, dass der Vorgeschlagene die Betreuung nicht zum Wohl des
Betroffenen führe. Das sei hier der Fall. Bereits Ende 2012 hätten sich Zweifel
an der Eignung des Beteiligten zu 1 ergeben. Er habe es zu erheblichen Zah-
lungsrückständen insbesondere gegenüber Ärzten kommen lassen, eine zahn-
ärztliche Behandlung der Betroffenen sei unterblieben und er habe nicht auf
entsprechende Anfragen von Pflegeheim und Gericht geantwortet. Das Amtsge-
richt habe lediglich von einem Betreuerwechsel abgesehen, nachdem es nach
dem Anhörungstermin nicht mehr zu weiteren Beanstandungen durch das Pfle-
geheim gekommen sei. Indem der Beteiligte zu 1 diese Vorgänge als unberech-
tigte Disziplinierung ansehe, lasse er keinerlei Einsicht erkennen.
Auch wenn zugunsten des Beteiligten zu 1 davon ausgegangen würde,
dass er auf die Verlängerungsanfrage des Amtsgerichts geantwortet habe, ha-
be er massiv gegen seine Pflichten als Betreuer verstoßen, indem er die Be-
troffene in Absprache mit dem Pflegeheim auch nach dem Ende der gerichtlich
genehmigten Zeit durch einen Bauchgurt habe fixieren lassen. Sein Erklärungs-
versuch, er habe an einen Automatismus geglaubt, sei als bloße Schutzbe-
hauptung zu werten. Ein ernsthaftes Problembewusstsein für sein gravierendes
Fehlverhalten habe der Beteiligte zu 1 erneut nicht an den Tag gelegt. Dies sei
umso bemerkenswerter, als er sich als sehr kritikfähig bezüglich des Verhaltens
anderer Akteure gezeigt und hervorgehoben habe, dass er "kein funktionieren-
des Rädchen in der großen Unterbringungsmaschinerie" sein werde. Die Durch-
führung eines ordnungsgemäßen Verfahrens diene gerade dem Schutz der Be-
troffenen, und durch die genehmigungslose Anordnung der weiteren Fixierung
unter Umgehung der Verfahrensrechte der Betroffenen habe er die Freiheits-
17
- 8 -
rechte verletzt, die er zu schützen vorgebe. Insgesamt sei das Gericht davon
überzeugt, dass bei einer Bestellung des Beteiligten zu 1 die konkrete Gefahr
bestehe, dass er die Betreuung nicht zum Wohl der Betroffenen führen könne
oder wolle. Diese Überzeugung folge aus den festgestellten Versäumnissen als
Bevollmächtigter und Betreuer, von denen sich der Beteiligte zu 1 nicht über-
zeugend distanziert habe. Mit einer nachhaltigen Änderung seines Verhaltens
und einer hinreichenden Kooperation mit dem Betreuungsgericht sei nicht zu
rechnen.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Beschwerdegericht hat die gegen den Betreuerwechsel gerichtete
Beschwerde des Beteiligten zu 1 zu Unrecht als unzulässig verworfen.
aa) Zutreffend hat es allerdings erkannt, dass dem Betreuer gegen seine
Entlassung bei fortbestehender Betreuung eine Beschwerdeberechtigung ge-
mäß § 59 Abs. 1 FamFG zusteht, weil er hierdurch in seinen Rechten beein-
trächtigt ist (allgM, vgl. nur Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 303 Rn. 6;
Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 76 mit zahlreichen Nachweisen
aus der obergerichtlichen Rspr. zu § 20 Abs. 1 FGG; Knittel Betreuungsrecht
[Stand: 1. Juni 2010] § 303 Rn. 22; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 2. Aufl.
§ 303 Rn. 16; Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 42).
bb) Demgegenüber ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Be-
treuerwechsel habe sich durch die nachfolgende Verlängerungsentscheidung
erledigt, rechtsfehlerhaft.
Zwar handelt es sich bei einer Verlängerungsentscheidung um die erneu-
te Anordnung einer Betreuung einschließlich der Entscheidung über die Person
des Betreuers, auch wenn der bisherige Betreuer bestellt wird. Die bisherige
18
19
20
21
22
- 9 -
Betreuung und damit die Bestellung des bisherigen Betreuers enden mit der
Wirksamkeit der Verlängerungsentscheidung und werden durch die in dieser
getroffenen Anordnungen abgelöst (Senatsbeschluss vom 15. September 2010
- XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897 Rn. 17).
Der vom Beschwerdegericht hieraus gezogene Schluss, damit sei die in
dem Beschluss über den Betreuerwechsel getroffene Auswahlentscheidung
erledigt und daher für den entlassenen Betreuer im Beschwerdeverfahren allen-
falls eine Entscheidung nach § 62 FamFG möglich, ist aber nicht berechtigt.
Das Amtsgericht befand sich im Verlängerungsverfahren, an dessen Ende eine
Einheitsentscheidung über den Betreuungsumfang, die Person des Betreuers
und die Überprüfungsfrist oder aber die Entscheidung steht, dass es keiner Be-
treuung mehr bedarf. Enthält diese Entscheidung bei fortbestehender Betreu-
ung eine Entlassung des bisherigen Betreuers, so steht diesem hiergegen die
Beschwerde aus eigenem Recht offen. Dieses Beschwerderecht kann nicht
dadurch vereitelt werden, dass das Gericht die einheitlich am Ende des Verlän-
gerungsverfahrens zu treffende Entscheidung auf zwei Beschlüsse verteilt und
allein durch seine Verfahrensgestaltung ein die Betreuerentlassung erledigen-
des Ereignis schafft. Der Anspruch des Beteiligten zu 1 auf Gewährung wir-
kungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip)
gebietet es daher, die so aufgespaltene Entscheidung beschwerderechtlich als
einheitliche Verlängerungsentscheidung anzusehen. Eine Ausnahmekonstella-
tion, in der das Betreuungsgericht gegebenenfalls bereits vor Abschluss des
Verlängerungsverfahrens über einen Betreuerwechsel befinden muss, lag hier
ersichtlich nicht vor.
b) Auch die Erwägungen des Beschwerdegerichts zur Begründetheit der
Beschwerden und damit zu der vom Amtsgericht getroffenen Auswahlentschei-
dung sind rechtsfehlerhaft.
23
24
- 10 -
aa) Keinen rechtlichen Beanstandungen unterliegt allerdings der Aus-
gangspunkt des Beschwerdegerichts, wonach Maßstab der Betreuerauswahl
nicht nur bei der Erstentscheidung, sondern auch bei einer Verlängerung der
Betreuung § 1897 BGB darstellt. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Ver-
längerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die
Betreuung und ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Satz 1 FamFG, nach dem für die
Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über
die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten. Die Vor-
schrift des § 1908 b Abs. 1 BGB, die die Voraussetzungen regelt, unter denen
ein Betreuer entlassen werden kann, ist in diesen Fällen nicht einschlägig, son-
dern nur anwendbar, wenn bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Ent-
scheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen
werden soll (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10
- FamRZ 2010, 1897 Rn. 17 mwN und vom 17. September 2014
- XII ZB 220/14 - FamRZ 2014, 1998 Rn. 20).
bb) Ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass die
Betroffene im Zusammenhang mit der Erteilung der Vorsorgevollmacht auch
eine Betreuungsverfügung des Inhalts abgegeben hat, dass ihr Sohn, der Betei-
ligte zu 1, als Betreuer bestellt werden soll, falls trotz Vollmachterteilung eine
Betreuung erforderlich werden sollte. Die Betreuungsverfügung ist bereits ihrem
Wortlaut nach nicht auf bestimmte Aufgabenkreise oder (nur) den von der Voll-
macht umfassten Aufgabenkreis beschränkt. Darüber hinaus bezieht sich die
Vorsorgevollmacht auch auf die Aufenthaltsbestimmung, so dass die Betreu-
ungsverfügung selbst bei Annahme einer derartigen Beschränkung für den von
der Betreuung umfassten Aufgabenkreis maßgeblich wäre.
Dieser Jahre vor Einleitung des Betreuungsverfahrens erfolgte Betreuer-
vorschlag der Betroffenen ist gemäß § 1897 Abs. 4 Satz 3 BGB zu berücksich-
25
26
27
- 11 -
tigen, weil - wie das Beschwerdegericht festgestellt hat - nicht erkennbar ist,
dass sie nicht mehr daran festhalten will.
cc) Wie das Beschwerdegericht weiter richtig gesehen hat, gelangt daher
§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB zur Anwendung. Diese Vorschrift räumt dem Tatrich-
ter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum
Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Der Wille des Betroffenen
kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlage-
nen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund
einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erhebli-
chem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person
sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene
die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will (Se-
natsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 166/10 - FamRZ 2010, 1897
Rn. 20, vom 14. August 2013 - XII ZB 206/13 - NJW-RR 2013, 1473 Rn. 8 und
vom 17. September 2014 - XII ZB 220/14 - FamRZ 2014, 1998 Rn. 21).
Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr beruht auf einer Progno-
seentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf Erkenntnisse
stützen muss, die in der - näheren oder auch weiter zurückliegenden - Vergan-
genheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht,
müssen diese Erkenntnisse geeignet sein, einen das Wohl des Betroffenen ge-
fährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der
Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.
dd) Gemessen hieran kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts,
den Beteiligten zu 1 entgegen dem von der Betroffenen geäußerten Vorschlag
nicht (mehr) zum Betreuer zu bestellen, keinen Bestand haben.
28
29
30
- 12 -
(1) Die Erwägungen des Beschwerdegerichts im Zusammenhang mit den
Vorgängen in der zweiten Jahreshälfte 2012 sind nicht geeignet, die konkrete
Gefahr zu begründen, dass der Beteiligte zu 1 die Betreuung nicht zum Wohl
der Betroffenen führen kann oder will.
Die dahin gehende Annahme des Beschwerdegerichts trifft für die vom
Pflegeheim im Juli 2012 monierten Umstände schon deshalb auf Bedenken,
weil sie sich jeweils auf Aufgaben (finanzielle Angelegenheiten, Gesundheits-
fürsorge) beziehen, die nicht von der Betreuung erfasst sind. Vor allem ist es
aber nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts nach einem entspre-
chenden Gespräch im Oktober 2012 insoweit zu keinerlei Beanstandungen
mehr gekommen. Mithin fehlt es insoweit an einer ausreichenden Grundlage für
eine negative Eignungsprognose.
(2) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts im Zusammenhang mit
der genehmigungslosen Fixierung der Betroffenen über den 20. März 2013 hin-
aus lassen zum Nachteil des Beteiligten zu 1 wesentliche Umstände außer Be-
tracht und können die entgegen dem Betreuervorschlag der Betroffenen vorge-
nommene Betreuerauswahl nicht begründen.
Zwar stellt es zweifelsfrei eine Pflichtverletzung des Betreuers dar, wenn
er verabsäumt, für eine freiheitsentziehende Maßnahme i.S.d. § 1906 Abs. 4
BGB die gerichtliche Genehmigung einzuholen. Berücksichtigung muss aber
vorliegend zum einen finden, dass das Amtsgericht seinerseits erst nach Ablauf
der Genehmigung wegen einer "Verlängerung" von Betreuung und Fixierungs-
genehmigung nachgefragt hatte. Zum anderen ist das Amtsgericht auch nach
der jedenfalls durch das Pflegeheim - und vom Beschwerdegericht unterstellt
auch durch den Beteiligten zu 1 - Anfang März 2013 erfolgten Mitteilung eines
weiteren Genehmigungserfordernisses nicht nach § 331 FamFG tätig gewor-
31
32
33
34
- 13 -
den, sondern hat über eine weitere Fixierung erst rund vier Monate nach Mittei-
lung des Fixierungsbedarfs befunden. Zudem wurde die genehmigungslose
Fixierung - die nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen
entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts jedenfalls seit Mai 2013 nicht
mehr mittels Bauchgurt, sondern durch einen Stecktisch erfolgte - nicht durch
den Beteiligten zu 1, sondern durch das Pflegeheim vorgenommen. Dass es
sich hierbei, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, um eine zum
Schutz der Betroffenen zwingend erforderliche Maßnahme handelte, ergibt sich
aus der im Juli 2013 erfolgten betreuungsgerichtlichen Genehmigung für die
gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren. Bei dieser Sachlage - die Fixie-
rungsgenehmigung war beantragt, eine Fixierung der Betroffenen nötig - ist
nicht ersichtlich, dass es dem Wohl der Betroffenen eher entsprochen hätte,
wenn der Beteiligte zu 1 bis zur gerichtlichen Entscheidung eine Fixierung aktiv
unterbunden hätte. Auch die Beschwerdeentscheidung äußert sich nicht zu der
nach Meinung des Beschwerdegerichts richtigen Vorgehensweise.
(3) Soweit das Beschwerdegericht sich darauf stützt, dass mit einer hin-
reichenden Kooperation des Beteiligten zu 1 nicht zu rechnen sei, fehlt es bis-
lang an Feststellungen, die diese Einschätzung tragen können. Die überaus
kritischen Äußerungen des Beteiligten zu 1 zu einem "Netzwerk" von Pflege-
heim, Ärzten, Berufsbetreuern und Betreuungsgericht sprechen zwar dafür,
dass sich die Zusammenarbeit mit ihm möglicherweise schwierig gestaltet. Dies
steht für sich genommen einer Bestellung als Betreuer aber nicht entgegen.
Dass der Beteiligte zu 1 im Rahmen des Betreuungsverfahrens notwendige
Mitwirkungshandlungen unterlassen hat, ist nicht festgestellt. Die im Jahre 2012
unterbliebene Reaktion auf die gerichtliche Anfrage die Beanstandungen des
Pflegeheims betreffend stand in keinem erkennbaren inhaltlichen Zusammen-
hang mit den im Rahmen der Betreuung zu erledigenden Aufgaben. Zudem
35
- 14 -
hatte der Beteiligte zu 1 das Unterbleiben einer schriftlichen Stellungnahme er-
klärt.
(4) Darüber hinaus setzt sich das Beschwerdegericht nicht damit ausei-
nander, dass der Aufgabenkreis der Betreuung sich nicht auf die Genehmigung
unterbringungsähnlicher Maßnahmen im Rahmen der Pflegeheimunterbringung
beschränkt, sondern - trotz der Vorsorgevollmacht, die die Bereiche "Aufenthalt
und Wohnungsangelegenheiten" abdeckt - die gesamte Aufenthaltsbestimmung
umfasst. Inwiefern ein das Wohl der Betroffenen gefährdender Eignungsmangel
des Beteiligten zu 1 etwa hinsichtlich Entscheidungen über den gewöhnlichen
Aufenthaltsort vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.
36
- 15 -
3. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, und die Sache ist
an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dieses wird gegebenenfalls er-
gänzende Feststellungen zu treffen und die im Rahmen des § 1897 Abs. 4
Satz 1 BGB erforderliche Gesamtabwägung unter Beachtung der Rechtsauffas-
sung des Senats durchzuführen haben.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 26.06.2013 - 52 XVII 242/11 -
LG Berlin, Entscheidung vom 22.10.2014 - 87 T 186 und 286/13 -
37