Urteil des BGH vom 16.03.2016

Auskunftserteilung, Einkünfte, Aufwand, Leistungsfähigkeit

ECLI:DE:BGH:2016:160316BXIIZB503.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 503/15
vom
16. März 2016
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats
- Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 17. Sep-
tember 2015 wird auf Kosten der Antragsgegnerin verworfen.
Beschwerdewert: bis 500
Gründe:
I.
Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegnerin aus übergegange-
nem Recht im Wege des Stufenantrags Ansprüche auf Elternunterhalt geltend.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin durch Teilbeschluss verpflich-
tet,
"1. ... dem Antragsteller Auskunft zu erteilen über ihre Einkom-
mens- und Vermögensverhältnisse durch die Vorlage einer
umfassenden, systematischen Aufstellung und Übersicht
über:
a) die Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit
durch Vorlage der Jahresverdienstbescheinigung für das
Jahr 2013 sowie durch Vorlage der Monatsverdienstbe-
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scheinigungen 01 - 07/2014; im Fall der Arbeitslosigkeit
oder Krankheit durch Vorlage der Arbeitslosengeld- bzw.
Krankengeldbescheide sowie für den Fall des Rentenbe-
zugs der entsprechenden Rentenbescheide,
b) die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger Tätig-
keit sowie Land- und Forstwirtschaft unter Beifügung der
Einkommensteuererklärungen nebst aller gesetzlichen
Anlagen (Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen
mit Bestandsverzeichnis) für die Jahre 2011 bis 2013,
c) die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie
aus Vermögen im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2013 unter
Beifügung einer detaillierten Aufstellung über die einzel-
nen Einnahmepositionen sowie des diesbezüglichen
Steuerbescheides für das Jahr 2013,
d) die Höhe des Vermögens (inklusive Grundvermögen) per
01.09.2013,
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… ihre persönlichen Verhältnisse bekanntzugeben, durch
Nachweis des Familienstandes, der Anzahl und des Alters
der unterhaltsberechtigten Kinder, sowie im Falle des Ge-
trenntlebens bzw. der Scheidung einer Ehe durch Vorlage
des Scheidungsurteils sowie evtl. vorhandener Unterhalts-
vereinbarungen,
soweit die Antragsgegnerin verheiratet und nicht getrennt le-
bend
ist …, vollständig Auskunft über die Höhe des Einkom-
mens des Ehemanns zu erteilen."
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Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat das
Oberlandesgericht verworfen, weil der erforderliche Beschwerdewert von 600
nicht erreicht sei. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgeg-
nerin.
II.
Die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1, 574 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO), noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1
ZPO).
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Bei einer Verpflichtung zur Auskunft bemesse sich das der Wertfestsetzung
zugrundeliegende Abwehrinteresse des Rechtsmittelführers in erster Linie nach
dem Aufwand an Kosten und Zeit, der mit der Auskunftserteilung verbunden
sei. Der erforderliche Aufwand betrage hier allenfalls 120
€. Für die Anfertigung
der Aufstellung und die Zusammenstellung der Belege seien höchstens fünf
Stunden erforderlich, für die nach § 22 JVEG maximal 21
€ pro Stunde anzu-
setzen seien. Hinzu kämen Kosten für die Anfertigung von Fotokopien. Kosten
für die Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson seien dagegen nicht zu
berücksichtigen, weil die Antragsgegnerin selbst in der Lage sei, die Auskunft
zu erteilen. Dass ihr Ehemann zur Erteilung der Auskunft über sein Einkommen
nicht bereit sei und sie diesen deshalb erst auf Auskunft verklagen müsste, was
zur Folge hätte, dass der Kostenaufwand für eine entsprechende Rechtsverfol-
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gung im Rahmen der Beschwer zu berücksichtigen sei, werde nicht vorgetra-
gen.
2. Damit bewegt sich das Oberlandesgericht im Rahmen der Rechtspre-
chung des Senats.
a) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet ist das
Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass für die Bemessung des Werts
des Beschwerdegegenstands bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das
Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu
müssen. Dabei ist - von dem Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses
abgesehen - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfäl-
tige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert. Dies entspricht der ständi-
gen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ-GSZ-128, 85 = NJW
1995, 664 f.; Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2012 - XII ZB 354/11 - FamRZ
2012, 1555 Rn. 5 mwN und vom 28. Oktober 2015 - XII ZB 524/14 - FamRZ
2016, 116 Rn. 11).
b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist im Fall einer Verurteilung zur
Auskunft der Wert der Beschwer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 3
ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht
kann die Bemessung der Beschwer nur darauf überprüfen, ob das Beschwer-
degericht von dem ihm eingeräumten Ermessen rechtsfehlerhaft Gebrauch ge-
macht hat. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht bei der Be-
wertung des Beschwerdegegenstands maßgebliche Tatsachen verfahrensfeh-
lerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen sei-
ne Aufklärungspflicht (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 139 ZPO) nicht fest-
gestellt hat (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2012 - XII ZB 354/11 - FamRZ
2012, 1555 Rn. 6 mwN; vom 31. März 2010 - XII ZB 130/09 - FamRZ 2010, 881
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Rn. 10 und vom 31. Januar 2007 - XII ZB 133/06 - FamRZ 2007, 714 Rn. 5
mwN).
c) Zur Bewertung des Zeitaufwands des Auskunftspflichtigen kann
grundsätzlich auf die Stundensätze zurückgegriffen werden, die der Auskunfts-
pflichtige als Zeuge im Zivilprozess nach dem Justizvergütungs- und -entschä-
digungsgesetz (JVEG) erhalten würde (Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober
2015 - XII ZB 524/14 - FamRZ 2016, 116 Rn. 12 und vom 23. März 2011
- XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9 mwN). Diese belaufen sich auf einen
Betrag zwischen 3,50
€ (§ 20 JVEG) und höchstens 21 € (§ 22 JVEG) (Senats-
beschlüsse vom 28. Oktober 2015 - XII ZB 524/14 - FamRZ 2016, 116 Rn. 12
und vom 28. November 2012 - XII ZB 620/11 - FamRZ 2013, 105 Rn. 10 mwN).
Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können bei
der Bemessung der Beschwer nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläu-
fig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Aus-
kunftserteilung nicht in der Lage ist. Dies ist vom Auskunftspflichtigen substanti-
iert vorzutragen (Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2015 - XII ZB 524/14 -
FamRZ 2016, 116 Rn. 13 mwN).
d) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, nach diesen Maßstäben liege
ein Ermessensfehlgebrauch vor, so dass eine Entscheidung des Rechtsbe-
schwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich
sei, ist nicht gerechtfertigt.
aa) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Verpflichtung der An-
tragsgegnerin, "vollständig Auskunft über das Einkommen des Ehemanns zu
erteilen", weise mangels hinreichender Bestimmtheit keinen vollstreckungsfähi-
gen Inhalt auf. Im Hinblick darauf seien die zur Abwehr der Zwangsvollstre-
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ckung notwendigen Kosten, zu denen auch diejenigen eines Rechtsanwalts
gehörten, zusätzlich zu berücksichtigen.
Dieser Einwand hat jedenfalls im Ergebnis keinen Erfolg. Die Rechtsbe-
schwerde zeigt bereits nicht auf, dass die Voraussetzungen, unter denen die
Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung über das Einkommen eines Ehemanns
verpflichtet worden ist, vorliegen (vgl. zur Notwendigkeit der Mitwirkung des Be-
schwerdeführers durch entsprechenden Vortrag Prütting/Helms/Abramenko
FamFG 3. Aufl. § 61 Rn. 4; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 61 Rn. 11).
Das ist nur dann der Fall, wenn die Antragsgegnerin verheiratet und nicht ge-
trennt lebend ist. Andernfalls genügt zur Erfüllung der Auskunftspflicht die bloße
Mitteilung, dass die genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Abgesehen davon ist - auch zur Bemessung der Beschwer - durch Aus-
legung zu ermitteln, ob das Amtsgericht die Antragsgegnerin, wie die Rechts-
beschwerde meint, hinsichtlich des Einkommens ihres Ehemanns verpflichten
wollte, Auskunft zu erteilen, ohne den maßgebenden Zeitraum zu bezeichnen
oder den Umfang der Auskunftspflicht inhaltlich einzugrenzen, ihr also eine in-
haltlich unbestimmte Auskunftsverpflichtung auferlegen wollte. Nur in diesem
Fall wäre das Rechtsmittelinteresse zusätzlich nach den Kosten zu bemessen,
die notwendig sind, um mit anwaltlicher Hilfe ungerechtfertigte Vollstreckungs-
versuche abzuwehren (vgl. Senatsbeschluss vom 2. September 2015
- XII ZB 132/15 - FamRZ 2015, 2142 Rn. 13 und Senatsurteil vom 11. Juli 2001
- XII ZR 14/00 - FamRZ 2002, 666, 667 jeweils mwN). Nachdem der Antrags-
gegnerin hinsichtlich ihres eigenen Einkommens aus nichtselbständiger Tätig-
keit aufgegeben worden ist, Auskunft für die Zeit von Januar 2013 bis Juli 2014
zu erteilen, und hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger
Tätigkeit, Land- und Forstwirtschaft, Vermietung und Verpachtung und aus
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Vermögen für die Jahre 2011 bis 2013, erscheint es naheliegend, dass diese
Maßgaben auch für das Einkommen des Ehemannes gelten sollten.
Letztlich kann das aber dahinstehen. Denn auch die Einbeziehung von
Kosten zur Abwehr einer auf eine unbestimmte Leistung gerichteten Zwangs-
vollstreckung würde unter Berücksichtigung der vom Berufungsgericht ange-
setzten Kosten der Auskunftserteilung im Übrigen von 120
€ nicht zu einer den
Betrag von 600
€ übersteigenden Beschwer führen. Ausgehend von einem ma-
ximalen Streitwert der Zwangsvollstreckung von 14.690,96
€ (Unterhaltsrück-
stand: 2 x 509,09
€ + 10 x 621,49 €; laufender Unterhalt: 621,49 € x 12) fielen
für die anwaltliche Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren lediglich
255,85
€ an (3/10 einer vollen Gebühr von 650 € gemäß Nr. 3309 der Anl. 1
zum RVG zuzüglich Auslagen und zuzüglich Mehrwertsteuer), so dass sich eine
Beschwer von rund 376
€ errechnen würde.
bb) Die Rechtsbeschwerde wendet weiter ein, die Auskunft über das
Vermögen sei - im Gegensatz zu derjenigen über das Einkommen - mit einem
höheren Aufwand verbunden. So müsse bei Geldanlagen und Lebensversiche-
rungen der jeweilige Wert zum Stichtag erfragt werden. Bei Lebensversicherun-
gen sei zusätzlich zu berücksichtigen, ob für sie der Fortführungswert oder der
Rückkaufswert in Ansatz zu bringen sei. Ferner sei zu klären, ob Vermögens-
werte überhaupt zum unterhaltsrechtlich relevanten Vermögen gehörten. Hin-
sichtlich der Abgrenzung sei in vielen Fällen anwaltliche Beratung unerlässlich.
Auch damit wird ein Ermessensfehler des Beschwerdegerichts nicht auf-
gezeigt. Selbst wenn die Antragsgegnerin über Vermögen in Form von Geldan-
lagen und Lebensversicherungen verfügen würde, was die Rechtsbeschwerde
allerdings nicht konkret geltend macht, bestünde nicht die Notwendigkeit, zur
Erteilung der Auskunft in der behaupteten Weise Nachforschungen anzustellen.
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Die Antragsgegnerin darf sich darauf beschränken, vorhandene Geldanlagen zu
dem vorgegebenen Stichtag (1. September 2013) konkret zu bezeichnen, also
etwa anzugeben, über eine Lebensversicherung mit einem bestimmten Gutha-
ben oder im Einzelnen zu benennende Geldanlagen verfügt zu haben. Ob und
gegebenenfalls in welcher Höhe ein Vermögenswert unterhaltsrechtlich ein-
setzbar ist, kann im Rahmen der Auskunftserteilung offenbleiben; hierüber ist
erst bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit, also in der nächsten Stufe des
Stufenantrags, zu entscheiden. Weitere Kosten als diejenigen, die das Be-
schwerdegericht berücksichtigt hat, sind deshalb zu Recht außer Betracht ge-
blieben.
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cc) Der abschließende Einwand der Rechtsbeschwerde, die Antragsgeg-
nerin sei zur Wahrung ihrer Rechte gleichzeitig mit der Auskunftserteilung ge-
halten, zu Umständen vorzutragen, die ihre Leistungsfähigkeit einschränkten,
was auch der von dem Antragsteller vorgelegte Fragebogen vorsehe, gibt zu
einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Die genannten Umstände sind nicht
Gegenstand der Auskunftsverpflichtung und müssen demzufolge bei der Be-
wertung des Abwehrinteresses unberücksichtigt bleiben.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Bamberg, Entscheidung vom 12.02.2015 - 211 F 1100/14 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 17.09.2015 - 2 UF 54/15 -
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