Urteil des BGH vom 21.03.2012

Leitsatzentscheidung zu Scheidung, Gleiche Zeit, Zugang, Verfügung, Gesetzesänderung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 447/10
Verkündet am:
21. März 2012
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 137
a) Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen,
dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter
Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesa-
che anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten
zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen.
b) Bei einer den genannten Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung
haben die Ehegatten einen Anspruch auf Terminsverlegung. In diesem Fall be-
darf es einer Terminsverlegung nicht, wenn sie Folgesachen noch bis zur münd-
lichen Verhandlung anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestand-
teil des Scheidungsverbunds.
c) Zur rechtzeitigen Geltendmachung einer Folgesache genügt es, wenn diese in-
nerhalb der gesetzlichen Frist vor dem Verhandlungstermin anhängig gemacht
wird, auf den die Scheidung ausgesprochen wird.
BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 447/10 - OLG Oldenburg
AG Nordhorn
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 8. Februar 2012 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats
- 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
vom 23. August 2010 wird auf Kosten der Antragstellerin zurück-
gewiesen.
Wert: 7.500
Gründe:
I.
Die beteiligten Eheleute schlossen 1985 die Ehe. Die Antragstellerin
(Ehefrau) begehrt mit ihrem seit Januar 2010 rechtshängigen Antrag die Schei-
dung der Ehe. Auch der Antragsgegner (Ehemann) hat einen Scheidungsantrag
eingereicht. Die Ehefrau ist selbstständige Apothekerin, der Ehemann ist ar-
beitslos.
Nach vollständigem Eingang der von den Versorgungsträgern erteilten
Auskünfte am 21. April 2010 hat das Amtsgericht durch Verfügung vom Folge-
tag Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 4. Mai 2010 anberaumt. Dem
Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes ist die Ladung am 26. April 2010
zugegangen. Der Ehemann hat zunächst - erfolglos - um Terminsverlegung
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nachgesucht und sodann einen Antrag auf nachehelichen Unterhalt und einen
Auskunftsantrag zum Zugewinnausgleich eingereicht, die am 28. April 2010
beim Amtsgericht eingegangen sind.
Auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2010 hat das Amtsgericht die
Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt, ohne über die "weite-
ren Folgesachen" zu entscheiden. Diese seien nicht in den Verbund gelangt
und als selbstständige Verfahren zu führen.
Der Ehemann hat dagegen Beschwerde eingelegt und die Aufhebung
des Scheidungsausspruchs beantragt. In der Beschwerdeinstanz hat er seinen
Antrag zum Zugewinnausgleich zu einem Stufenantrag erweitert. Das Oberlan-
desgericht hat der Beschwerde stattgegeben. Es hat den Scheidungsbeschluss
mit dem dazugehörigen Verfahren aufgehoben und die Sache an das Amtsge-
richt zurückverwiesen. Dagegen wendet sich die Ehefrau mit ihrer zugelasse-
nen Rechtsbeschwerde.
II.
Die nach § 70 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbe-
schwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht hat in seiner in FamRZ 2010, 2015 veröffent-
lichten Entscheidung die Auffassung vertreten, das Familiengericht habe in der
Sache ein unzulässiges "Teilurteil" erlassen, weil es die Anträge zum Zugewinn
und Unterhalt zu Unrecht nicht als Verbundsachen angesehen und die gebote-
ne Entscheidung über die Folgesachen unterlassen habe. Die Vorschrift des
§ 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG sei wegen des verfassungsrechtlichen Grundsat-
zes des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens einschränkend auszule-
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gen. Die Einbeziehung von Folgesachen in den Verbund scheitere wegen
Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist dann nicht, wenn die Ladung weniger als
vier Wochen vor dem Termin erfolgt sei. Hauptgrund für die Einführung der Frist
sei das Anliegen gewesen, missbräuchlichem Verhalten vorzubeugen. Gleich-
zeitig habe der Gesetzgeber aber betont, dass das Verbundverfahren und des-
sen Ziele beibehalten werden sollten. Es mangele aber an einer Abstimmung
mit der Ladungsfrist nach § 217 ZPO, und der Gesetzgeber habe die aus der
allgemeinen Verweisung auf die Zivilprozessordnung in § 113 Abs. 1 Satz 2
FamFG resultierenden Ungereimtheiten möglicherweise übersehen.
Eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung genüge indessen verfas-
sungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil weder das rechtliche Gehör noch
das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren gewahrt würden. Durch
eine Ladungsfrist, die die zweiwöchige Frist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG
sogar noch unterschreite, würden die Rechte desjenigen Ehegatten, der wirt-
schaftliche Ansprüche aufgrund der Scheidung zu haben glaube, unzulässig
beschnitten. Die Regelung sei wegen ihrer einschneidenden Wirkung mit den
zivilprozessualen Präklusionsvorschriften vergleichbar und deshalb an den in-
soweit aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen zu messen. Zwar
enthalte sie keine Präklusionsvorschrift im eigentlichen Sinne, im Wesentlichen
beschränke sie aber das rechtliche Gehör in vergleichbar einschneidender Wei-
se. Eine Einbeziehung in den Verbund scheitere, obwohl auf der Hand liege,
dass auch die fristgerechte Einreichung nicht zu einer Erledigung geführt hätte.
Die Regelungstechnik sei höchst ungewöhnlich, weil der Lauf der Frist von dem
angesetzten Termin zurückgerechnet werde. Bei Terminierung unter (alleiniger)
Wahrung der Ladungsfrist sei "die Partei", die einen Antrag in der Folgesache
eingereicht habe, gar nicht in der Lage, die Frist einzuhalten. Die Folgen wären
auch dann gravierend, wenn das Verfahren außerhalb des Verbundes fortge-
führt würde. Dem unterhaltsberechtigten Ehegatten drohe eine Versorgungslü-
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cke, weil der Anspruch auf Trennungsunterhalt mit der Scheidung ende. Die
Schutzfunktion des Verbundverfahrens würde unterlaufen. Nach der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zivilprozessualen Präklusi-
onsvorschriften setze die Zurückweisung von Vorbringen voraus, dass die be-
troffene Partei hinreichend Gelegenheit hatte, sich in allen wichtigen Punkten
zur Sache zu äußern, diese Gelegenheit aber schuldhaft ungenutzt habe ver-
streichen lassen.
Das bedeute übertragen auf den vorliegenden Fall, dass es nach Zugang
der Ladung für den Beteiligten noch möglich sein müsse, Folgesachen anhän-
gig zu machen. Das Zuwarten der Parteien mit der Anhängigmachung von Fol-
gesachen könne auf verständlichen Gründen beruhen und müsse nicht mit ei-
nem Missbrauch verbunden sein, dessen Bekämpfung das Ziel der Regelung
sei. Nach Zugang der Ladung bedürfe es noch einer angemessenen Vorberei-
tungszeit, um die Anträge sachgerecht einreichen zu können. Darum sei es
nicht ausreichend, für den Lauf der zweiwöchigen Frist auf die gerichtliche Ter-
minsbestimmung als solche abzustellen. Es seien vielmehr mindestens vier
Wochen zu veranschlagen, um dem verfassungsrechtlichen Gebot des fairen
Verfahrens und der Wahrung des rechtlichen Gehörs gerecht zu werden.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Nach § 137 Abs. 1 FamFG ist über Scheidung und Folgesachen zu-
sammen zu verhandeln und zu entscheiden (Verbund). Gemäß § 137 Abs. 2
Satz 1 FamFG sind Folgesachen unter anderem Unterhaltssachen, sofern sie
die durch Ehe begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen (Nr. 2), und
Güterrechtssachen (Nr. 4), wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung
zu treffen ist.
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Im vorliegenden Fall ist die Unterhaltssache eine Folgesache, während
der zum Güterrecht zunächst eingereichte Auskunftsantrag keine zulässige
Folgesache darstellt (Senatsurteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 - FamRZ
1997, 811, 812; MünchKommZPO/Heiter 3. Aufl. § 137 FamFG Rn. 31).
b) Um als Folgesache zu gelten, muss die Familiensache nach § 137
Abs. 2 Satz 1 FamFG zudem von einem Ehegatten spätestens zwei Wochen
vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache
anhängig gemacht werden.
aa) Die Zweiwochenfrist kann allerdings nach dem Gesetzeswortlaut je
nach Verfahrensgestaltung des Familiengerichts dazu führen, dass ein beteilig-
ter Ehegatte eine Folgesache bereits anhängig machen muss, bevor das Fami-
liengericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hat. Denn eine
allein die Ladungsfrist von einer Woche (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 217
ZPO) wahrende kurzfristige Terminierung könnte es - wie der vorliegende Fall
zeigt - dem beteiligten Ehegatten unmöglich machen, nach Zugang der Ladung
unter Einhaltung der Zweiwochenfrist eine Folgesache im Sinne von § 137
Abs. 2 FamFG (im Folgenden: vermögensrechtliche Folgesache) anhängig zu
machen.
Ob vor diesem Hintergrund eine einschränkende Auslegung der Vor-
schrift geboten ist, ist umstritten. Vereinzelt wird dies verneint und eine "Verlän-
gerung der gesetzlichen Ladungsfrist" abgelehnt (MünchKommZPO/Heiter
3. Aufl. § 137 FamFG Rn. 51). Zum weit überwiegenden Teil wird allerdings in
Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend mit dem Oberlandesgericht die
Auffassung vertreten, dass es den Ehegatten vom Familiengericht ermöglicht
werden muss, auch noch nach Erhalt der Ladung zum Termin eine Folgesache
anhängig zu machen (OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1083; OLG Braunschweig
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Beschluss vom 6. Oktober 2011 - 2 UF 92/11 - juris; Hoppenz FPR 2011, 23,
25; Helms in Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 137 Rn. 48 mwN; Musielak/Borth
FamFG 2. Aufl. § 137 Rn. 31; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 137
FamFG Rn. 20 mwN; Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 137 Rn. 19; Löhnig
FamRZ 2010, 2017).
bb) Der Senat stimmt mit der überwiegenden Auffassung überein, dass
es den beteiligten Ehegatten auch nach der Ladung zum Termin noch möglich
sein muss, eine vermögensrechtliche Folgesache anhängig zu machen. Dies
beruht maßgeblich auf der sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden
Erwägung, dass es für die beteiligten Ehegatten zuverlässig absehbar sein
muss, bis zu welchem Zeitpunkt sie vermögensrechtliche Folgesachen in zuläs-
siger Form im Verbund geltend machen können.
Die Rechtsbeschwerde beanstandet allerdings zu Recht die Erwägung
des Oberlandesgerichts, dass die Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1
FamFG an den verfassungsrechtlichen Maßstäben der zivilprozessualen Präk-
lusionsfristen zu messen sei (wie das Oberlandesgericht auch OLG Stuttgart
FamRZ 2011, 1083, 1084). Denn im Gegensatz zu diesen führt die Versäu-
mung der Frist zur Anhängigmachung einer Folgesache zu wesentlich ver-
schiedenen Rechtsfolgen. Wenn Ansprüche in vermögensrechtlichen Folgesa-
chen statt im Verbundverfahren in einem anschließenden selbstständigen Ver-
fahren geltend gemacht werden müssen, ist damit anders als im Fall der Prä-
klusion kein Rechtsverlust verbunden. Gegen eine etwaige Unterhaltslücke im
Fall der Scheidung stehen dem unterhaltsberechtigten Ehegatten die Möglich-
keiten des einstweiligen Rechtsschutzes zu Gebote. Die genannten Aspekte
berechtigen demnach jedenfalls nicht zu einer Korrektur der in § 137 Abs. 2
Satz 1 FamFG bestimmten Frist oder aber zu einer Verlängerung der gesetzli-
chen Ladungsfrist gemäß § 217 ZPO.
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Etwas anderes ergibt sich hingegen aus den Besonderheiten, nach de-
nen sich die Zweiwochenfrist bemisst. Denn diese beginnt nicht mit einem be-
stimmten Ereignis zu laufen, das den beteiligten Ehegatten bekannt ist und den
Fristablauf für sie berechenbar macht. Vielmehr ist die Frist von dem Termin zur
mündlichen Verhandlung zurück zu rechnen. Da der Termin den Beteiligten erst
mit der Ladung bekannt gemacht wird, können sie die Frist nur ausschöpfen,
wenn ihnen der vom Gericht bestimmte Termin dazu genügend Zeit lässt. Da
die Ladungsfrist aber kürzer ist als die Frist zur Einreichung von Folgesachen,
kann sie - wie der vorliegende Fall zeigt (ebenso der Fall des OLG Stuttgart
FamRZ 2011, 1083) - bei kurzfristiger Terminierung durch das Gericht mit dem
Zugang der Ladung zum Termin bereits abgelaufen sein. In diesem Fall besteht
für die Beteiligten keine Möglichkeit mehr, die Notwendigkeit weiterer Folgesa-
chen zu klären und diese bei Bedarf rechtzeitig anhängig zu machen.
Zwar sind die beteiligten Ehegatten regelmäßig in der Lage, die Folgesa-
chen schon vor der Terminsbestimmung durch das Familiengericht und so früh-
zeitig anhängig zu machen, dass sie nicht Gefahr laufen, den jeweiligen Antrag
verspätet einzureichen. Derartige Vorsicht verlangt das Gesetz von ihnen aber
nicht. Der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung, es komme zur
Geltendmachung von Folgesachen eine Frist von zwei Monaten nach Rechts-
hängigkeit des Scheidungsantrags zur Anwendung, mangelt es an einer gesetz-
lichen Grundlage. Die Frist zur Einreichung von Anträgen in vermögensrechtli-
chen Folgesachen ist vielmehr in § 137 Abs. 2 FamFG besonders geregelt. Da-
bei beschränkt sich die Regelung indessen auf das Ziel, der missbräuchlichen
Anhängigmachung von Folgesachen erst im Termin zur mündlichen Verhand-
lung entgegenzuwirken. Nach der Stellungnahme des Bundesrates im Gesetz-
gebungsverfahren zum FGG-Reformgesetz, die zur Einführung der Frist geführt
hat, sollten Scheidungsfolgesachen künftig nicht mehr auch noch in der mündli-
chen Verhandlung des ersten Rechtszuges geltend gemacht werden können.
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Da durch die bisherige Handhabung eine Vorbereitung "auf die neuen Streit-
punkte" zumindest für das Gericht nicht mehr möglich gewesen sei, hätten
Termine kurzfristig verlegt, aufgehoben oder die Verhandlung vertagt werden
müssen (BT-Drucks. 16/6308 S. 374). Es sei daher eine Regelung einzuführen,
nach der die Möglichkeit zur Anhängigmachung von "Verbundsachen" bereits
vor dem Termin ende. Ausweislich der Begründung erschien hierzu eine Frist
von zwei Wochen vor dem Termin als angemessen (BT-Drucks. 16/6308
S. 374).
An dieser Begründung und der darauf beruhenden Gesetzesfassung wird
zugleich deutlich, dass das Gesetz eine weitergehende Beschleunigung nicht
verlangt und es den Ehegatten im Übrigen freistellt, zu welchem Zeitpunkt sie
eine vermögensrechtliche Folgesache anhängig machen. Sie sind daher auch
nicht gehindert, die Frist auszuschöpfen. Eine Ausschöpfung der Frist setzt
aber voraus, dass das Familiengericht den Termin zur mündlichen Verhandlung
so bestimmt, dass den beteiligten Ehegatten zur Einreichung von Folgesachen
noch nach der Ladung genügend Zeit verbleibt.
Hierzu reicht ein allein der Frist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG ent-
sprechender Zeitabstand zwischen Zustellung der Ladung und dem Termin
nicht aus. Denn von den Ehegatten kann nicht verlangt werden, dass sie noch
am Tag des Zugangs der Ladung einen formgerechten Antrag in vermögens-
rechtlichen Folgesachen anfertigen und beim Familiengericht einreichen. Viel-
mehr muss den Ehegatten hierzu eine Vorbereitungszeit zur Verfügung stehen.
Für die vom Oberlandesgericht angenommene Frist von insgesamt vier
Wochen vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung (ebenso AG Bonn FF
2011, 216; Musielak/Borth FamFG 2. Aufl. § 137 Rn. 31; Rakete-Dombek FPR
2009, 16, 19; Löhnig FamRZ 2010, 2017) fehlt es allerdings an einer gesetzli-
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chen Grundlage. Eine Verdoppelung der Zweiwochenfrist aus Gründen der
Gleichbehandlung der beteiligten Ehegatten verkennt die Zielrichtung der Frist.
Die Rechtsbeschwerde macht insoweit zutreffend geltend, dass diese vor allem
dem Gericht eine Vorbereitung des Termins ermöglichen soll und zudem nicht
auf die Zustellung an den Gegner abstellt, sondern auf die Anhängigkeit. Eine
weitere Vorbereitungszeit würde den Ehegatten sogar mehr Zeit belassen, als
ihnen nach der früheren Rechtslage zur Verfügung stand. Dies stünde mit der
von der Gesetzesänderung allein verfolgten Zielrichtung, die Anhängigmachung
vermögensrechtlicher Folgesachen zeitlich einzuschränken, nicht mehr im Ein-
klang.
Die in der Rechtsprechung weiter vertretene Auffassung, für die Dauer
der Vorbereitungszeit auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (so OLG
Braunschweig Beschluss vom 6. Oktober 2011 - 2 UF 92/11 - juris), gewährleis-
tet keine ausreichende Rechtssicherheit und erscheint auch nicht praktikabel.
Ein Anspruch auf Terminsverlegung aus anderen Gründen - wie etwa bei einem
rechtzeitig eingereichten und vom Familiengericht noch nicht beschiedenen
Verfahrenskostenhilfegesuch für eine vermögensrechtliche Folgesache - ist
damit nicht ausgeschlossen.
Zur Bestimmung der den Ehegatten zu gewährenden Vorbereitungszeit
liegt eine Orientierung an dem vor der Gesetzesänderung bestehenden
Rechtszustand nahe, weil das Gesetz in dieser Hinsicht nicht geändert werden
sollte. Die Änderung besteht allein darin, dass der Zeitpunkt der zulässigen An-
hängigmachung einer Folgesache vom Terminstag um eine vom Gesetzgeber
für angemessen erachtete Frist von zwei Wochen vorverlegt worden ist. Nach
der früheren Rechtslage war eine Einreichung in der mündlichen Verhandlung
möglich, aber auch notwendig (§ 623 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dementsprechend
stand den beteiligten Ehegatten zur Vorbereitung ihres Antrags (nur) die La-
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dungsfrist von einer Woche zur Verfügung. Nach der gesetzlichen Vorverlegung
der Einreichung um zwei Wochen entspricht es dem, wenn den beteiligten Ehe-
gatten in Anbetracht der ansonsten unveränderten Rechtslage zur Vorbereitung
die gleiche Zeit eingeräumt wird (Hoppenz FPR 2011, 23, 25; Hüßtege in
Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 137 FamFG Rn. 20; im Ergebnis auch Helms in
Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 137 Rn. 48).
cc) Das Familiengericht hat demnach bei seiner Terminsbestimmung zu
beachten, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich
sein muss, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1
FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags
muss den Ehegatten zusätzlich entsprechend der Ladungsfrist eine Woche zur
Verfügung stehen (vgl. Hoppenz FPR 2011, 23, 25).
Beabsichtigen die Parteien somit, noch Folgesachen anhängig zu ma-
chen, oder bedarf dies noch der Klärung, so haben sie bei einer den genannten
Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung durch das Familiengericht
einen Anspruch auf Terminsverlegung (OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1083,
1084). Machen sie hingegen in solchen Fällen Folgesachen noch bis zur münd-
lichen Verhandlung anhängig, bedarf es keiner Terminsverlegung, weil die Fol-
gesachen dann Bestandteil des Scheidungsverbunds werden. Dass vor einer
Entscheidung in der Sache dem Gegner ausreichende Gelegenheit zur Stel-
lungnahme zu geben ist und diese Möglichkeit allein durch die Zweiwochenfrist
nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG regelmäßig nicht gewahrt sein dürfte, ist
schließlich gesondert zu beurteilen und steht nicht im Zusammenhang mit den
an den Antragsteller einer Folgesache gerichteten Anforderungen einer fristge-
rechten Anhängigmachung der Folgesache im Scheidungsverbund.
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c) Im vorliegenden Fall entsprach die Verfahrensgestaltung des Famili-
engerichts nicht den dargestellten Anforderungen.
Durch den von ihm bestimmten Termin hat das Familiengericht die dem
Ehemann zukommende Zweiwochenfrist nebst Vorbereitungszeit in unzulässi-
ger Weise verkürzt. Daher hätte es den vom Ehemann noch vor der mündlichen
Verhandlung eingereichten Antrag in der Unterhaltssache als Folgesache be-
handeln müssen. Da es in der Sache nur über die Scheidung und den Versor-
gungsausgleich entschieden hat, hat es eine unzulässige Teilentscheidung er-
lassen, die vom Oberlandesgericht zu Recht aufgehoben worden ist.
d) Das Oberlandesgericht hat neben der Aufhebung des Scheidungsbe-
schlusses und der Zurückverweisung an das Amtsgericht auch das Verfahren
aufgehoben. Im angefochtenen Beschluss, dem es allerdings insoweit an einer
Begründung fehlt, hat es darauf abgestellt, dass nach Aufhebung und Zurück-
verweisung das Verfahren in erster Instanz neu beginne und die Frist des § 137
Abs. 2 FamFG auch durch den zum Zugewinnausgleich inzwischen gestellten
Leistungsantrag gewahrt werden könne.
Das Verfahren beginnt dagegen nach Aufhebung und Zurückverweisung
gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO nicht
neu, sondern wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich befand, als die
Verhandlung vor Erlass der angefochtenen Entscheidung geschlossen wurde
(BGHZ 145, 256 = NJW 2001, 146; Musielak/Ball ZPO 8. Aufl. § 563 Rn. 7 je-
weils zur entsprechenden Lage bei Zurückverweisung nach § 563 ZPO).
aa) Über den nachehelichen Unterhalt hat das Amtsgericht nach der Zu-
rückverweisung schon deswegen zu entscheiden, weil dieser bei der mündli-
chen Verhandlung vor dem Amtsgericht bereits eine Folgesache gewesen ist.
Der neben dem Unterhalt beim Amtsgericht anhängig gemachte alleinige Aus-
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kunftsantrag zum Zugewinnausgleich konnte dagegen keine taugliche Folgesa-
che sein, weil die Entscheidung nicht "für den Fall der Scheidung" zu treffen ist
(§ 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG; Senatsurteil vom 19. März 1997 - XII ZR 277/95 -
FamRZ 1997, 811, 812 mwN; MünchKommZPO/Heiter 3. Aufl. § 137 FamFG
Rn. 31). Ein diesbezüglich als Folgesache geeigneter Stufenantrag ist erst in
der Beschwerdeinstanz eingereicht worden, was nicht ausreichend ist, weil es
auf die Einreichung im ersten Rechtszug ankommt. Auch eine Aufhebung des
Verfahrens zum Zwecke der Einbeziehung der Folgesache Güterrecht in den
Scheidungsverbund war demnach nicht angezeigt. Weil eine zulässige Folge-
sache nicht eingereicht worden ist und auch kein Anspruch auf Terminsverle-
gung bestanden hat, ist dem Amtsgericht - abgesehen von der Frage einer not-
wendigen Abtrennung - insoweit kein Verfahrensfehler unterlaufen.
bb) Die Aufhebung des Verfahrens durch das Oberlandesgericht bedarf
dennoch keiner Korrektur, weil sie keine weitergehenden Wirkungen zeitigt, als
sich bereits von Gesetzes wegen ergeben. Denn die Folgesache zum Güter-
recht kann nach der Zurückverweisung an das Amtsgericht auch in einem Fort-
setzungstermin noch in zulässiger Weise geltend gemacht werden.
Die Frage, ob mit der mündlichen Verhandlung nach § 137 Abs. 2 Satz 1
FamFG nur der erste Termin zur mündlichen Verhandlung gemeint ist oder für
die Einhaltung der Frist auf den (Fortsetzungs-)Termin abzustellen ist, auf den
die mündliche Verhandlung geschlossen wird, ist umstritten. Die auf den ersten
Termin abstellende Ansicht (Helms in Prütting/Helms FamFG 2. Aufl. § 137
Rn. 47; ebenso MünchKommZPO/Heiter 3. Aufl. § 137 FamFG Rn. 46) verweist
zur Begründung auf die Einheit der mündlichen Verhandlung und die Änderung
des Wortlauts der Vorschrift im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens. Dagegen
kommt es nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur
auf den Schluss der mündlichen Verhandlung an (OLG Hamm FamRZ 2010,
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2091 mwN; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 298 im Fall der Zurückverweisung
nach einem vom Amtsgericht zurückgewiesenen Scheidungsantrag; Hoppenz
FPR 2011, 23, 24; Zöller/Lorenz ZPO 29. Aufl. § 137 FamFG Rn. 28). Nach
dieser Auffassung können Folgesachen auch in einem Fortsetzungstermin noch
in zulässiger Weise geltend gemacht werden, wenn in Bezug auf den Fortset-
zungstermin die Frist des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eingehalten ist.
Der Senat geht mit der überwiegenden Ansicht davon aus, dass vermö-
gensrechtliche Folgesachen auch in einem Termin zur Fortsetzung der mündli-
chen Verhandlung noch in den Scheidungsverbund eingeführt werden können.
Zwar könnte der im Gesetzgebungsverfahren gegenüber der vorausgegange-
nen Regelung in § 623 Abs. 4 Satz 1 ZPO geänderte Wortlaut darauf hindeu-
ten, dass statt des Schlusses der mündlichen Verhandlung mit der neuen Rege-
lung nunmehr der erste Termin der - einheitlichen - mündlichen Verhandlung
gemeint ist. Indessen steht der geänderte Wortlaut im Zusammenhang mit der
vom Bundesrat vorgeschlagenen Einführung der Frist zur Anhängigmachung
von Folgesachen. Die Begründung des Vorschlags beschränkt sich auf die Ein-
führung der Frist und enthält keinen Hinweis darauf, dass neben der neuartigen
Frist weitere Rechtsänderungen bewirkt werden sollten. Das Ziel der Neurege-
lung besteht somit nach der vom Bundesrat gegebenen Begründung allein da-
rin, dass die Durchführung des Verhandlungstermins nicht an noch im Termin
missbräuchlich anhängig gemachten Anträgen in Folgesachen scheitern und
die Möglichkeit der Anhängigmachung nach neuer Rechtslage statt dessen "vor
dem Termin" enden soll (BT-Drucks. 16/6308 S. 374).
Wäre mit der mündlichen Verhandlung der erste Verhandlungstermin
gemeint, so wäre die zusätzliche zeitliche Einschränkung, dass es sich um die
mündliche Verhandlung "erster Instanz" handeln muss, ohne Bedeutung, zumal
der Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung instanzübergreifend gilt
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(vgl. etwa BAG MDR 2000, 586, 587; Stein/Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 128
Rn. 39).
Ohne gegenteilige Anhaltspunkte kann demnach nicht davon ausgegan-
gen werden, dass der Gesetzgeber eine noch weitergehende Beschränkung
des Scheidungsverbunds vornehmen wollte, welcher dem Schutz des wirt-
schaftlich schwächeren Ehegatten dient. Anderenfalls könnten etwa nach einer
Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht keine Folgesachen mehr an-
hängig gemacht werden, selbst wenn zunächst der Scheidungsantrag zurück-
gewiesen worden war (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 298, 299 f.). Eine
Folgesache könnte ferner nicht mehr anhängig gemacht werden, wenn auf ei-
nen Stufenantrag in einer anderen Folgesache zunächst nur zur Auskunftsstufe
verhandelt worden ist, obwohl von vornherein feststand, dass mehrere Ver-
handlungstermine notwendig sind und sich aus der einen Folgesache die Not-
wendigkeit einer weiteren ergeben kann (vgl. Roessink FamRB 2010, 182, 183
mwN). Zudem können sich während eines laufenden Scheidungsverfahrens
wesentliche Änderungen ergeben, die es - wie etwa der Wechsel eines Kindes
in die Obhut des anderen Ehegatten - erforderlich machen, weitere Folgesa-
chen im Verbund geltend zu machen, sodass eine Verknüpfung der Frist mit
dem ersten Termin über die gesetzgeberische Absicht hinaus den Scheidungs-
verbund weitgehend entwerten würde. Zu Recht wird schließlich hervorgeho-
ben, dass durch die neu eingeführte Frist keine allgemeine Beschleunigung des
Scheidungsverfahrens erreicht werden sollte (Hoppenz FPR 2011, 23, 24
mwN).
Im Ergebnis ist demnach trotz des geänderten Wortlauts nicht davon
auszugehen, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, neben der neu eingeführten
Frist auch den Bezugspunkt für die Anhängigmachung von Folgesachen vorzu-
verlegen und diese nur noch vor dem ersten Verhandlungstermin zuzulassen.
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Vielmehr genügt es zur rechtzeitigen Geltendmachung, wenn die Folgesache
innerhalb der gesetzlichen Frist vor dem Fortsetzungstermin anhängig gemacht
wird, auf den die Scheidung ausgesprochen wird.
Hahne
Dose
Klinkhammer
Günter
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 07.05.2010 - 11 F 79/10 S -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 23.08.2010 - 13 UF 46/10 -