Urteil des BGH vom 25.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Teilung, Altersrente, Überprüfung, Angemessenheit, Auffordern

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 3 6 4 / 1 4
vom
25. Februar 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VersAusglG § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; FamFG § 220 Abs. 4
a) Beschränkt der Versorgungsträger den Risikoschutz für das zu begründen-
de Anrecht auf eine Altersversorgung, muss nicht bereits durch die Tei-
lungsordnung festgelegt sein, wie sich der notwendige zusätzliche Aus-
gleich bei der Altersversorgung errechnet. Es genügt, wenn der Versor-
gungsträger dies im Versorgungsausgleichsverfahren darlegt.
b) Zur gerichtlichen Überprüfung der gleichwertigen Teilhabe durch zusätzli-
chen Ausgleich bei der Altersversorgung, wenn der vorgeschlagene Aus-
gleichswert bereits einen auf die Invaliditätsversorgung bezogenen Barwer-
tanteil enthält.
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - XII ZB 364/14 - OLG Bamberg
AG Bayreuth
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Weitere Beteiligte:
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-
Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der
Beschluss des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesge-
richts Bamberg vom 28. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen.
Wert: 1.000
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen der internen Teilung einer betriebli-
chen Altersversorgung über einen angemessenen zusätzlichen Ausgleich bei
der Altersversorgung als Kompensation für den entfallenden Risikoschutz für
Invalidität.
Auf den am 4. April 2013 zugestellten Antrag hat das Familiengericht
die am 18. April 1991 geschlossene Ehe des Antragstellers (im Folgenden:
Ehemann) und der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) geschieden und
den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. April 1991 bis
31. März 2013; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben beide Ehegatten Anrechte in
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der gesetzlichen Rentenversicherung sowie aus privaten Altersvorsorgeverträ-
gen. Darüber hinaus erwarb der Ehemann ein Anrecht auf betriebliche Alters-
versorgung bei der Beteiligten zu 2 mit einem zunächst mitgeteilten Kapitalwert
von 6.514
€. Während die dem Ehemann gegebene Versorgungszusage auch
einen Invaliditätsschutz umfasst, wird der Risikoschutz für den ausgleichsbe-
rechtigten Ehegatten durch die Teilungsordnung der Beteiligten zu 2 auf eine
Altersversorgung beschränkt. Zum Ausgleich dafür erhält der Ausgleichsbe-
rechtigte nach § 6 Abs. 2 c der Teilungsordnung "eine versicherungsmathema-
tisch wertgleiche Erhöhung seiner Altersversorgung".
Das Familiengericht hat unter anderem das bei der Beteiligten zu 2 be-
stehende Anrecht in Höhe des angegebenen Ausgleichswerts intern geteilt.
Hiergegen hat die Beteiligte zu 2 Beschwerde eingelegt, mit der sie den Kapi-
talwert des bei ihr bestehenden Anrechts auf 6.399
€ korrigiert und - unter Ver-
zicht auf Teilungskosten - einen Ausgleichswert von nunmehr 3.200
€ vorge-
schlagen hat. Nach gerichtlicher Aufforderung, den Ausgleichswert zwecks
Kompensation des reduzierten Risikoschutzes zu erhöhen, hat die Beteiligte
zu 2 mitgeteilt, dass die Kompensation bereits durch eine Umrechnung des
Ausgleichsbetrags in eine erhöhte Altersrente gewährleistet werde. Diese be-
trage für die Ehefrau bei Erreichen der Altersgrenze 62,13
€, während sie ohne
Beschränkung des Risikoschutzes nur 58,46
€ betrüge.
Das Oberlandesgericht hat im Wege der internen Teilung das Anrecht in
Höhe von 3.200
€ auf die Ehefrau übertragen und ergänzend angeordnet, dass
für das übertragene Anrecht zu Gunsten der Ehefrau dieselben Regeln wie für
das auszugleichende Anrecht des Antragstellers gelten. Gegen diese Maßga-
benanordnung wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der zugelassenen Rechtsbe-
schwerde.
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II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des ange-
fochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlan-
desgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2014, 1701 veröffentlichte
Entscheidung wie folgt begründet: Durch die Teilungsordnung sei der Risiko-
schutz nicht wirksam auf die Altersversorgung beschränkt worden, da kein Aus-
gleich für das nicht abgesicherte Risiko geschaffen worden sei. Zwar enthalte
die Teilungsordnung eine Regelung zur Kompensation des Risikoschutzes. In-
soweit sei aber nur festgelegt, dass eine versicherungsmathematisch wertglei-
che Erhöhung erfolge, ohne nachvollziehbare Grundlagen und Prämissen für
deren Berechnung anzugeben. Auch soweit die Beteiligte zu 2 die Kompensati-
on durch Erhöhung der Altersrente um 6,27 % angebe und die Parameter zur
Berechnung des jeweiligen Einzelfalls mit den Geburtsdaten der Ehegatten und
der Wertigkeit der Risikoleistungen gegenüber der Alterssicherung bezeichne,
könne dem nicht entnommen werden, auf welche Umstände konkret das Er-
gebnis zurückgehe. Zu der Werthaltigkeit der Risikoleistungen habe die Betei-
ligte zu 2 keine Angaben gemacht.
Eine Kompensation der Risikoleistungen erfülle jedoch nur dann die Vo-
raussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG, wenn sie
angemessen sei, was der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Die Schwierig-
keit, dass die versicherungsmathematischen Parameter auf die spezifischen
Bedingungen der versicherten Personengruppen abgestellt seien, dürfe nicht
dazu führen, dass in einer Teilungsordnung die Höhe der Kompensation völlig
offengelassen werde. Nach der vorliegenden Teilungsordnung sei eine Kom-
pensation in jeder beliebigen Höhe denkbar. Da die Hauptparameter für die Hö-
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he der Kompensation weder in der Teilungsordnung enthalten noch sonst durch
die Beteiligte zu 2 mitgeteilt worden seien, sei eine Überprüfung deren Ange-
messenheit - auch mittels Sachverständigengutachten - nicht möglich. In An-
wendung des § 11 Abs. 2 VersAusglG sei deshalb der ausgleichsberechtigten
Ehefrau der gleiche Risikoschutz zuzugestehen wie dem ausgleichsverpflichte-
ten Ehemann.
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG überträgt das Familiengericht für die
ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen
Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger,
bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht.
Maßgeblich hierfür sind grundsätzlich die Regelungen über das auszu-
gleichende und das zu übertragende Anrecht (§ 10 Abs. 3 VersAusglG), hier
also die Bestimmungen der Versorgungs- und der Teilungsordnung der Beteilig-
ten zu 2.
b) Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der gerichtlich ausgesproche-
nen internen Teilung fällt den Gerichten allerdings die Aufgabe zu, die rechtli-
che Vereinbarkeit der nach § 10 Abs. 3 VersAusglG heranzuziehenden unter-
gesetzlichen Versorgungs- und Teilungsordnung mit höherrangigem Recht zu
überprüfen. Wenn die Voraussetzungen einer gleichmäßigen Teilhabe nicht
vorliegen, darf das Gericht das Anrecht nicht nach Maßgabe der Versorgungs-
regelung des Versorgungsträgers ausgleichen (vgl. Senatsbeschluss vom
26. Januar 2011 - XII ZB 504/10 - FamRZ 2011, 547 Rn. 25 mwN).
c) Gemäß § 11 Abs. 1 VersAusglG muss die interne Teilung eine gleich-
wertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten
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sicherstellen. Dies ist gewährleistet, wenn im Vergleich zum Anrecht der aus-
gleichspflichtigen Person für die ausgleichsberechtigte Person ein eigenständi-
ges und entsprechend gesichertes Anrecht übertragen wird, ein Anrecht in Hö-
he des Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung entsteht und der
gleiche Risikoschutz gewährt wird; der Versorgungsträger kann den Risiko-
schutz auf eine Altersversorgung beschränken, wenn er für das nicht abgesi-
cherte Risiko einen zusätzlichen Ausgleich bei der Altersversorgung schafft.
d) Von der danach gegebenen Möglichkeit, den Risikoschutz für die aus-
gleichsberechtigte Person auf eine Altersversorgung zu beschränken, hat die
Beteiligte zu 2 mit ihrer Teilungsordnung Gebrauch gemacht.
Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob bereits die
Teilungsordnung selbst Bestimmungen darüber enthalten muss, wie sich der
zusätzliche Ausgleich errechnet (so OLG Frankfurt FamRZ 2013, 1308, 1310;
OLG Koblenz FamRZ 2012, 301, 302; Wick FuR 2011, 555, 556) oder ob es
genügt, wenn die Umrechnungsgrundlagen außerhalb der Teilungsordnung lie-
gen und erst durch die konkrete Durchführung der Berechnung in Erscheinung
treten (so Schulze/Dörner/Ebert/Kemper BGB 5. Aufl. § 11 VersAusglG
Rn. 10 a; 670; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 11
VersAusglG Rn. 13; MünchKommBGB/Gräper 6. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 14;
Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rn. 631; vgl. auch OLG Hamm FamRZ
2013, 380).
Der Senat hält Letzteres für zutreffend.
aa) Der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG
legt nicht fest, dass die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG geforderte gleich-
wertige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten im
Hinblick auf die Kompensation für reduzierten Risikoschutz bereits durch ent-
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sprechende Umrechnungsgrundlagen in der Teilungsordnung des Versorgungs-
trägers zu gewährleisten ist. Er fordert nur, dass ein zusätzlicher Ausgleich ge-
schaffen wird, der die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an den während
der Ehezeit erworbenen Anrechten gewährleistet.
bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzeszweck einer gleich-
wertigen Teilhabe nur dann erreicht werden könnte, wenn bereits die Teilungs-
ordnung die einzelnen Parameter für die versicherungsmathematische Um-
rechnung vorgibt. Vielmehr kann eine angemessene Erhöhung der Altersver-
sorgung auch dann erreicht werden, wenn die Umrechnungsgrundlagen außer-
halb der Teilungsordnung liegen und erst durch die konkrete Durchführung der
Berechnung hervortreten.
cc) Auch zum Zwecke der Gewährleistung der gerichtlichen Kontrollmög-
lichkeiten bedarf es nicht der Benennung der Umrechnungsparameter in der
Teilungsordnung. Zwar hat das Gericht zu überprüfen, ob der entfallende Risi-
koschutz durch eine angemessene Erhöhung der Altersversorgung kompensiert
wird. Um diese Nachprüfung zu ermöglichen, ist der Versorgungsträger ver-
pflichtet, die benötigten Werte einschließlich einer übersichtlichen und nachvoll-
ziehbaren Berechnung sowie der für die Teilung maßgeblichen Regelungen
mitzuteilen (§ 220 Abs. 4 Satz 1 FamFG). Diese Vorschrift bezieht sich nach
ihrem Wortlaut zwar nur auf die nach § 5 VersAusglG benötigten Werte. Ge-
meint ist damit nach den Ausführungen der Gesetzesbegründung (BT-Drucks.
16/10144 S. 56) aber auch die Kompensationsberechnung für den wegfallen-
den Risikoschutz.
Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann das Gericht den Versorgungsträger
von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten auffordern, die Einzelheiten
der Wertermittlung zu erläutern. In dem Zusammenhang ist in der Gesetzesbe-
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gründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es genügt, wenn der Versor-
gungsträger (erst) in seiner Auskunft nach § 220 Abs. 4 FamFG nachvollziehba-
re Angaben zum finanziellen Ausgleich als Kompensation für wegfallenden Ri-
sikoschutz macht (BT-Drucks. 16/10144 S. 56).
dd) Nach alledem bestehen gegen die in § 6 Abs. 2 lit. c) der Teilungs-
ordnung getroffene Regelung, nach der der Ausgleichsberechtigte für den redu-
zierten Risikoschutz "eine versicherungsmathematisch wertgleiche Erhöhung
seiner Altersversorgung" erhält, für sich genommen keine rechtlichen Beden-
ken, zumal diese Formulierung den in § 11 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG enthalte-
nen Maßstab der Gleichwertigkeit ausdrücklich aufnimmt.
e) Ebenfalls unzutreffend sind die Hilfserwägungen des Oberlandesge-
richts, mit denen es zu der Auffassung gelangt, die Hauptparameter für die
Kompensation seien durch die Beteiligte zu 2 auch im Verfahren nicht mitgeteilt
worden, so dass eine Überprüfung deren Angemessenheit nicht möglich sei.
Denn das Oberlandesgericht macht seine Beurteilung daran fest, dass nicht
nachvollziehbar sei, auf welcher Grundlage die angegebene Rentenhöhe von
62,13
€ mit Risikobeschränkung gegenüber einer hypothetischen Rente von
58,64
€ ohne Risikobeschränkung berechnet sei.
Auf die vom Oberlandesgericht in den Blick genommene Fragestellung
kommt es nach der vom Versorgungsträger gewählten Berechnungsmethode
jedoch nicht an. Nach Auskunft der Beteiligten zu 2 hat diese den von ihr vor-
geschlagenen Ausgleichswert durch Barwerthalbierung unter Berücksichtigung
aller in der Zusage vorgesehenen Leistungsarten, insbesondere auch der Inva-
liditätsversorgung, ermittelt. Der auf diese Weise errechnete Ausgleichswert
enthält bereits den (halbierten) Barwertanteil der dem Ehemann zugesagten In-
validitätsversorgung. Rechnet der Versorgungsträger den das Gesamtrisiko re-
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präsentierenden Ausgleichswert im Anschluss an die Teilung nach den für eine
reine Altersrente geltenden Formeln versicherungsmathematisch für die aus-
gleichsberechtigte Person um, ist der entfallende Risikoschutz automatisch
kompensiert (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 - XII ZB 568/10 - FamRZ
2014, 1534 Rn. 13). Nur in einem Fall, in dem ein mitgeteilter Ehezeitanteil
- etwa als Rentenbetrag nach § 2 BetrAVG - den Barwert der daneben beste-
henden Invaliditätsabsicherung nicht mitumfasst, bedarf es eines gesonderten,
weiteren wertgleichen Aufschlags als Kompensation dafür.
Die vom Oberlandesgericht angestellte Betrachtung, in welcher hypothe-
tischen Höhe der Ehefrau eine Altersrente zugestanden hätte, wenn auch ihr
der volle Risikoschutz eingeräumt worden wäre, trägt nichts bei. Will sich das
Gericht bei der hier vom Versorgungsträger gewählten Berechnungsmethode
darüber vergewissern, ob der entfallende Risikoschutz zu einer angemessenen
Erhöhung der Altersrente führt, muss es den Versorgungsträger zur näheren
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Darlegung auffordern, wie sich der beauskunftete Ehezeitanteil - und damit
auch der Ausgleichswert - aus einzelnen Barwertanteilen für die jeweils abgesi-
cherten Einzelrisiken zusammensetzt, und wie die Barwertanteile für die entfal-
lenden Risiken im Einzelnen errechnet sind.
3. Um dem Oberlandesgericht Gelegenheit zu geben, die maßgeblichen
Kriterien näher aufzuklären, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und
die Sache zurückzuverweisen.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Bayreuth, Entscheidung vom 13.08.2013 - 2 F 330/13 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 28.05.2014 - 2 UF 300/13 -
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