Urteil des BGH vom 02.12.2015

Leitsatzentscheidung zu Genehmigung, Bekanntgabe, Post, Formelle Rechtskraft

ECLI:DE:BGH:2015:021215XIIZB283.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 283/15
vom
2. Dezember 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2, 41 Abs. 3, 48 Abs. 3, 59 Abs. 1, 63; BGB § 1829 Abs. 1 Satz 2
a)
Macht der Vertragspartner des Betroffenen geltend, ihm gegenüber sei eine zuvor erteilte und
nunmehr aufgehobene Genehmigung gemäß § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam und deshalb
nach § 48 Abs. 3 FamFG unabänderlich geworden, steht ihm gegen den die gerichtliche Geneh-
migung des Vertrags letztlich versagenden Beschluss ausnahmsweise die Beschwerdeberechti-
gung nach § 59 FamFG zu.
b)
Für den Betroffenen beginnt die Beschwerdefrist im Verfahren über die Erteilung einer gerichtli-
chen Genehmigung mit der nach § 41 Abs. 3 FamFG erforderlichen Bekanntgabe des Beschlus-
ses an ihn selbst zu laufen (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 4. Mai 2011
- XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049; Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014
- XII ZB 592/12 - FamRZ 2014, 640).
c)
Auch bei der Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG ist
entsprechend § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter
welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde. Der Vermerk muss vom Urkundsbe-
amten der Geschäftsstelle unterschrieben werden.
d)
Dem Notar kann wirksam eine sog. Doppelvollmacht - zur Entgegennahme der gerichtlichen Ge-
nehmigung und Mitteilung derselben an den Vertragspartner jeweils als Bevollmächtigter des Be-
treuers sowie zur Entgegennahme der Mitteilung als Bevollmächtigter des Vertragspartners - er-
teilt werden. Zur wirksamen Vornahme der Mitteilung muss der Notar seinen Willen hierzu äußer-
lich erkennbar machen.
BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2015 - XII ZB 283/15 - LG Nürnberg-Fürth
AG Neumarkt i.d. OPf.
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der 13. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Mai
2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-
gericht zurückverwiesen.
Wert: 136.330
Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die betreuungsgerichtliche Genehmigung
einer Grundstücksveräußerung.
Für den Betroffenen besteht seit März 2014 eine Betreuung, deren Auf-
gabenkreis unter anderem die Vermögenssorge sowie die Entgegennahme, das
Öffnen und das Anhalten der Post umfasst. Als Berufsbetreuerin ist die Beteilig-
te zu 3 (im Folgenden: Betreuerin) bestellt.
Aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Betroffenen entschied
sich die Betreuerin im Einvernehmen mit dem Betroffenen, Grundstücke an eine
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Schwester des Betroffenen und deren Ehemann (Beteiligte zu 4 und zu 5; im
Folgenden: Käufer) zu veräußern. Diese Grundstücke hatte der Betroffene auf-
grund Hofübergabevertrags vom 24. Juli 1995 von seiner Mutter erhalten. In
diesem hatte er sich verpflichtet, bei Veräußerung der Grundstücke binnen
20 Jahren ab Vertragsschluss "ein Drittel des Verkaufserlöses, mindestens aber
des Verkehrswertes,
am Tage der notariellen Beurkundung des … Kaufver-
trags" zu gleichen Teilen an seine zum Zeitpunkt des Verkaufs noch lebenden
Geschwister zu zahlen.
Am 11. Dezember 2014 beurkundete Notar B. einen Kaufvertrag zwi-
schen dem durch die Betreuerin vertretenen Betroffenen und den Käufern mit
einem Kaufpreis von 136.330
.
In dem Vertrag war auch eine Zahlungspflicht
des Betroffenen an seine Geschwister - unter anderem die Beteiligte zu 4 - in
Höhe von insgesamt einem Drittel des Kaufpreises geregelt. Außerdem bevoll-
mächtigten die Beteiligten den Notar, die erforderliche "gerichtliche Genehmi-
gung zu beantragen und entgegenzunehmen, sie dem anderen Vertragsteil
nach Vorlage des Rechtskraftzeugnisses mitzuteilen und für diesen die Mittei-
lung in Empfang zu nehmen."
Auf entsprechenden Antrag des Notars hat das Amtsgericht mit Be-
schluss vom 23. Dezember 2014, dem Notar am 2. Januar 2015 zugestellt, die
betreuungsgerichtliche Genehmigung des Vertrags erteilt. Am 5. Februar 2015
hat die Betreuerin "als Betreuerin und im Namen" des Betroffenen Beschwerde
gegen den Genehmigungsbeschluss eingelegt und Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss
vom 12. Februar 2015 abgeholfen und nunmehr die Genehmigung versagt.
Hiergegen haben die Käufer Beschwerde eingelegt, auf die das Landgericht die
Abhilfeentscheidung aufgehoben hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene
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Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit dem Ziel, die Abhilfeentscheidung des
Amtsgerichts wiederherzustellen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Be-
schwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde-
gericht.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Den Käufern stehe ausnahmsweise eine Beschwerdebefugnis zu, weil
eine vom Amtsgericht ausgesprochene Genehmigung des mit ihnen geschlos-
senen Kaufvertrags vom Amtsgericht nachträglich wieder aufgehoben und die
Genehmigung schließlich versagt worden sei und weil sie geltend machten,
dass die Genehmigung ihnen gegenüber wirksam geworden sei.
Der Genehmigungsbeschluss sei dem Notar als Empfangsbevollmächtig-
tem für beide Vertragsparteien am 2. Januar 2015 zugestellt worden, so dass
die zweiwöchige Beschwerdefrist, die auch für die Sprungrechtsbeschwerde
gelte, am 17. Januar 2015 abgelaufen gewesen und der Beschluss seit diesem
Tag formell rechtskräftig sei. Die Beschwerde der Betreuerin sei verfristet. Aus-
weislich einer Bestätigung in der Akte sei der Beschluss zur Bekanntgabe an
sie am 29. Dezember 2014 zur Post gegeben worden, so dass er als drei Tage
später - am 1. Januar 2015 - bekannt gegeben gelte. Die Genehmigung sei am
26. Januar 2015 den Käufern mitgeteilt und damit ihnen gegenüber wirksam
geworden. Nach § 48 Abs. 3 FamFG sei daher eine Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand und eine Abänderung des Genehmigungsbeschlusses nicht mehr
möglich gewesen. Auch sei dieser Beschluss nicht mit einem derart schweren
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Mangel behaftet, dass er nichtig sei. Dass der Kaufvertrag aufgrund der Zah-
lungspflicht an die Geschwister wirtschaftlich nachteilig sei, führe ebenso wenig
zu seiner Nichtigkeit wie eine unzulässige Schenkung des durch die Betreuerin
vertretenen Betroffenen an seine Schwester oder eine vorweggenommene Erb-
folge vorlägen.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Beschwerdegericht die
Käufer für beschwerdeberechtigt und ihre gegen den Abhilfebeschluss gerichte-
te Beschwerde deshalb für zulässig gehalten hat.
Grundsätzlich ist zwar bei der Versagung einer gerichtlichen Genehmi-
gung der Vertragspartner des Betroffenen mangels unmittelbarer Betroffenheit
in eigenen Rechten nicht nach § 59 FamFG beschwerdeberechtigt. Anders liegt
es aber, wenn der Vertragspartner wie hier geltend macht, dass ihm gegenüber
eine zuvor erteilte und nunmehr aufgehobene Genehmigung gemäß § 1829
Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam und deshalb nach § 48 Abs. 3 FamFG unabänder-
lich geworden sei. Denn wenn dies zutrifft, wird in seine Rechte aus dem wirk-
sam gewordenen Vertrag durch die Aufhebung der Genehmigung unmittelbar
eingegriffen. Für diesen Ausnahmefall ist die Beschwerdeberechtigung des Ver-
tragspartners gemäß § 59 Abs. 1 FamFG daher gegeben (allgM, vgl. etwa OLG
Celle NJW-RR 2012, 73, 74; OLG München MDR 2009, 1001; BayObLG
FamRZ 1995, 302; Rpfleger 1988, 482; FamRZ 1977, 141, 142 mwN; OLG
Schleswig BtPrax 1994, 142, 143; jurisPK-BGB/Lafontaine [Stand: 15. Juni
2015] § 1828 Rn. 117; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1828 Rn. 57;
Staudinger/Veit BGB [2014] § 1828 Rn. 87).
b) Rechtsfehlerhaft ist hingegen, dass das Landgericht die Beschwerde
der Käufer für begründet gehalten hat, weil die Genehmigung wegen § 48
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Abs. 3 FamFG nicht mehr abänderbar gewesen sei. Denn die zugrunde liegen-
de Annahme, die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG
sei bei Einlegung der Beschwerde durch die Betreuerin verstrichen gewesen,
wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
aa) Gemäß § 48 Abs. 3 FamFG findet gegen einen Beschluss, durch den
die Genehmigung für ein Rechtsgeschäft erteilt wird, eine Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand oder eine Abänderung nicht statt, wenn die Genehmigung
einem Dritten gegenüber wirksam geworden ist. Schließt ein Betreuer für den
Betroffenen einen Vertrag zunächst ohne die - vorliegend gemäß §§ 1908 i
Abs. 1 Satz 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB - erforderliche gerichtliche Genehmigung,
so wird die nachträgliche Genehmigung dem anderen Vertragsteil gegenüber
erst wirksam, wenn sie ihm durch den Betreuer mitgeteilt wird (§§ 1908 i Abs. 1
Satz 1, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Wie das Beschwerdegericht richtig gesehen hat, ist wegen § 40
Abs. 2 Satz 1 FamFG weitere Voraussetzung für das Eingreifen von § 48
Abs. 3 FamFG, dass der Beschluss, der die Genehmigung des Rechts-
geschäfts zum Gegenstand hat, in formelle Rechtskraft erwachsen ist (vgl.
etwa KG MDR 2015, 1186; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 48 Rn. 38;
MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl. § 48 Rn. 25; Prütting/Helms/Abramenko
FamFG 3. Aufl. § 48 Rn. 26), wobei hier dahinstehen kann, ob die formelle
Rechtskraft bei Vornahme der Mitteilung bereits vorliegen muss oder auch da-
nach eintreten kann (vgl. dazu etwa Staudinger/Veit BGB [2014] § 1829
Rn. 20).
bb) Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass
die von der Betreuerin im eigenen Namen eingelegte Beschwerde den Eintritt
der formellen Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses nicht gehindert hat.
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Aufgrund der am 2. Januar 2015 bewirkten Zustellung an den von der Betreue-
rin hierfür bevollmächtigten Notar lief die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 63
Abs. 2 Nr. 2 FamFG mit dem 16. Januar 2015 ab. Die am 5. Februar 2015 ein-
gegangene Beschwerde hat diese Frist nicht gewahrt.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es der Betreuerin an
der erforderlichen Beschwerdeberechtigung fehlte, weil § 303 Abs. 4 Satz 1
FamFG dem Betreuer nicht das Recht zur Beschwerde im eigenen Namen ein-
räumt (Senatsbeschlüsse vom 5. November 2014 - XII ZB 117/14 - FamRZ
2015, 249 Rn. 6 ff. und vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 333/13 - FamRZ 2014,
470 Rn. 6) und die Genehmigungserteilung die Betreuerin auch nicht in eigenen
Rechten im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG beeinträchtigt hat. Inwieweit die oh-
ne Beschwerdeberechtigung eingelegte Beschwerde bei fristgerechtem Ein-
gang geeignet gewesen wäre, den Eintritt der formellen Rechtskraft zu verhin-
dern (vgl. etwa Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 45 Rn. 12, 17; Prütting/
Helms/Abramenko FamFG 3. Aufl. § 45 Rn. 5), kann wegen der Fristversäum-
nis dahinstehen.
cc) Das Beschwerdegericht hat jedoch außer Acht gelassen, dass die
Betreuerin die Beschwerde jedenfalls auch im Namen des Betroffenen - inso-
weit gemäß § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG berechtigt für den in seinen Rechten
beeinträchtigten Betroffenen - eingelegt hatte, und nicht geprüft, ob die Be-
schwerdefrist für den Betroffenen am 5. Februar 2015 bereits abgelaufen war.
Dass dies der Fall ist, lässt sich nicht feststellen, weshalb es der Annahme, der
Genehmigungsbeschluss sei bereits formell rechtskräftig, an der Grundlage
fehlt.
(1) Die Beschwerdefrist für den Betroffenen beginnt im Verfahren über
die Erteilung einer gerichtlichen Genehmigung mit der nach § 41 Abs. 3 FamFG
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erforderlichen Bekanntgabe des Beschlusses an ihn selbst (vgl. Senatsbe-
schluss vom 4. Mai 2011 - XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049 Rn. 9 f.).
Die Bekanntgabe der betreuungsgerichtlichen Genehmigung an den Be-
treuer wirkt - anders als eine Bekanntgabe an den Vormund (vgl. Senatsbe-
schluss vom 12. Februar 2014 - XII ZB 592/12 - FamRZ 2014, 640 Rn. 13 ff.) -
nicht gegen den Betroffenen, der in Betreuungssachen gemäß § 275 FamFG
ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig ist. Durch diese
Vorschrift, die eine Regelung im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 FamFG darstellt
und die § 66 FGG entspricht, soll sichergestellt werden, dass Betroffene in allen
mit der Betreuung zusammenhängenden Verfahren alle Angriffs- und Verteidi-
gungsmittel selbst vorbringen und von Rechtsmitteln Gebrauch machen kön-
nen. Dadurch soll die Rechtsposition der Betroffenen im Verfahrensrecht ver-
bessert werden. Da ein Betroffener somit seine Rechte im Betreuungsverfahren
aufgrund von § 275 FamFG selbst wahrnehmen kann, muss die Bekanntgabe
an ihn selbst erfolgen. Eine Vertretung durch den Betreuer findet insoweit nicht
statt, was auch dann gilt, wenn dessen Aufgabenkreis die Entgegennahme, das
Anhalten und das Öffnen der Post umfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Mai
2011 - XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049 Rn. 10).
Auch eine Bekanntgabe an eine vom Betreuer hierfür bevollmächtigte
Person ist keine wirksame Bekanntgabe an den Betroffenen. Da der Betreuer
den Betroffenen bei der Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung nicht ver-
tritt, kann er auch nicht in dessen Namen eine (Unter-)Empfangsvollmacht ertei-
len.
(2) Eine Bekanntgabe an den Betroffenen selbst ist nicht nachgewiesen,
weil die beabsichtigte Aufgabe zur Post (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG) nicht
ordnungsgemäß in der Akte vermerkt worden ist.
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(a) Auch bei der Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post nach § 15 Abs. 2
Satz 1 Alt. 2 FamFG ist entsprechend § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den Akten zu
vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur
Post gegeben wurde (BeckOK FamFG/Burschel [Stand: 1. Oktober 2015] § 15
Rn. 23; Prütting/Helms/Ahn-Roth FamFG 3. Aufl. § 15 Rn. 56; Schulte-Bunert/
Weinreich/Brinkmann FamFG 4. Aufl. § 15 Rn. 45; vgl. auch Keidel/Sternal
FamFG 18. Aufl. § 15 Rn. 69a). Zwar verweist § 15 Abs. 2 FamFG für die Auf-
gabe zur Post nicht ausdrücklich auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung.
Die in § 15 Abs. 2 FamFG geregelte Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post ist
aber der Regelung des § 8 InsO nachgebildet (BT-Drucks. 16/6308 S. 182), der
auf § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO verweist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 InsO). Die
Notwendigkeit eines solchen Vermerks ergibt sich zudem daraus, dass die
Rechtssicherheit den gesicherten Nachweis des Zeitpunkts der Aufgabe zur
Post für die Berechnung des Datums der Bekanntgabe und damit des Beginns
der Rechtsmittelfristen oder des Eintritts der Wirksamkeit einer Entscheidung
erfordert (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1986 - IVb ZR 4/86 - NJW 1987,
1707; BGHZ 8, 314 = NJW 1953, 422).
Den Vermerk hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu erstellen. Er
muss zwar das Schriftstück nicht selbst zur Post aufgeben; vielmehr reicht aus,
wenn er auf Grund einer Erklärung des Justizwachtmeisters oder eines sonsti-
gen Gehilfen das Datum der Aufgabe und die Anschrift des Empfängers des
Schriftstücks beurkundet (vgl. BGHZ 193, 353 = NJW 2012, 2588 Rn. 29;
Senatsurteil vom 10. Dezember 1986 - IVb ZR 4/86 - NJW 1987, 1707 f.). Der
Vermerk hat aber mit Blick auf die Rechtsmittelfristen und damit den Eintritt der
formellen Rechtskraft ebenso weit reichende Rechtsfolgen wie eine Zustel-
lungsurkunde nach § 182 ZPO (vgl. BGHZ 193, 353 = NJW 2012, 2588 Rn. 29).
Wie diese ist er eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 418 ZPO und deshalb
vom Urkundsbeamten zu unterschreiben (vgl. MünchKommZPO/Häublein
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4. Aufl. § 184 Rn. 13). Ein Vermerk eines Justizwachtmeisters oder sonstigen
Gehilfen ist hingegen nicht ausreichend (vgl. BGHZ 8, 314 = NJW 1953, 422).
(b) Diesen Anforderungen genügt der in der Akte vorhandene Vermerk
nicht. Er enthält schon keine Angaben dazu, unter welchen Anschriften die zur
Post aufgegebenen Schriftstücke abgesandt wurden. Außerdem ist der Ver-
merk nicht von einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, sondern von einem
Justizwachtmeister unterschrieben. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass ein
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle die Verantwortung für die Richtigkeit des
angegebenen Datums der Aufgabe zur Post übernimmt.
(c) Ob entsprechend § 189 ZPO von einer wirksamen Bekanntgabe je-
denfalls dann auszugehen wäre, wenn der Betroffene das Schriftstück tatsäch-
lich erhalten hat, kann offen bleiben, denn ein Zugang des Genehmigungsbe-
schlusses beim Betroffenen ist aus der Akte nicht ersichtlich.
Keiner Erörterung bedarf vorliegend auch, inwieweit für eine wirksame
Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post ein Hinweis erforderlich ist, dass mit der
Beschlussübersendung die fristauslösende Bekanntgabe erfolgen soll (vgl. da-
zu etwa BGH Urteil vom 7. Dezember 1966 - IV ZR 264/65 - MDR 1967, 475;
OLG München FamRZ 2012, 1405, 1406; Haußleiter FamFG § 15 Rn. 9;
Prütting/Helms/Ahn-Roth FamFG 3. Aufl. § 15 Rn. 56), und inwieweit dieser
Anforderung hier genügt wäre.
(3) Mangels Nachweises der Bekanntgabe an den Betroffenen ist mithin
nicht auszuschließen, dass die Beschwerdefrist für den Betroffenen gemäß
§ 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG erst fünf Monate nach Erlass des Genehmigungsbe-
schlusses (Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 571/13 - FamRZ 2015,
839 Rn. 22 ff. mwN), also am 23. Mai 2015, zu laufen begann und am 23. Juni
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2015 endete. Der Beschwerdeeingang vom 5. Februar 2015 wäre somit fristge-
recht.
dd) Aus diesem Grund ist die der Beschwerdeentscheidung offensichtlich
zugrunde liegende Annahme, es fehle an einer zulässigen Beschwerde gegen
die Genehmigungsentscheidung, unabhängig davon unzutreffend, dass das Be-
schwerdegericht aus der Unzulässigkeit keine eigenständige Rechtsfolge abge-
leitet hat. Deshalb kann die von der Rechtsbeschwerde hierzu erörterte streitige
Rechtsfrage dahinstehen, ob das Amtsgericht auch bei einer unzulässigen Be-
schwerde zur Abhilfe berechtigt ist (dies bejahend etwa Keidel/Sternal FamFG
18. Aufl. § 68 Rn. 9b; Bassenge/Roth/Gottwald FamFG 12. Aufl. § 68 Rn. 2;
zumindest die Statthaftigkeit fordernd etwa Bumiller/Harders/Schwamb FamFG
11. Aufl. § 68 Rn. 2; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 36. Aufl. § 572 Rn. 2; vernei-
nend etwa MünchKommFamFG/Fischer 2. Aufl. § 68 Rn. 12; Prütting/Helms/
Abramenko FamFG 3. Aufl. § 68 Rn. 6).
3. Der Senat ist auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellun-
gen nicht in der Lage, abschließend in der Sache zu entscheiden (§ 74 Abs. 6
Satz 1 FamFG). Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben und die
Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverwei-
sen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Bei der Prüfung, ob die Beschwerde des Betroffenen gegen den Ge-
nehmigungsbeschluss verfristet ist, wird zu berücksichtigen sein, dass der Ver-
merk des Urkundsbeamten zum Nachweis der Aufgabe zur Post zum Zwecke
der Bekanntgabe an den Betroffenen gegebenenfalls noch nach geraumer Zeit
und auch im Beschwerdeverfahren erstellt werden kann (vgl. BGH Urteil vom
18. September 2012 - VI ZR 225/11 - NJW-RR 2012, 1459 Rn. 14 mwN). Dem
Betroffenen steht aber gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG jedenfalls die Mög-
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lichkeit offen, glaubhaft zu machen, dass der Beschluss ihm nicht oder zu ei-
nem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Der von der Rechtsbeschwerde aufgegriffene, in Ziffer VIII des Kaufver-
trags erklärte Verzicht auf Rechtsmittel gegen die Genehmigungserteilung bin-
det den Betroffenen nicht, weil es der Betreuerin insoweit an der Vertretungs-
macht gefehlt hat. Diese ergibt sich wegen der nach § 275 FamFG auf jeden
Fall gegebenen Verfahrensfähigkeit des Betroffenen insbesondere weder aus
§ 9 Abs. 2 FamFG noch aus der hinter der spezielleren Norm des § 275 FamFG
zurücktretenden Regelung in § 9 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 53 ZPO.
Ein Fall des § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, wonach der Genehmigungsbe-
schluss dem Betroffenen zuzustellen gewesen wäre, um die Beschwerdefrist
gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG in Lauf zu setzen (vgl. dazu Senatsbe-
schluss vom 13. Mai 2015 - XII ZB 491/14 - FamRZ 2015, 1374 Rn. 6 f.), liegt
nicht vor. Denn bis zum Erlass des Beschlusses hatte der Betroffene einen der
Genehmigung entgegenstehenden Willen nicht erklärt.
b) Sofern das Beschwerdegericht nach all dem zu dem Ergebnis gelangt,
dass auch für den Betroffenen die Beschwerdefrist abgelaufen war, wird es sich
bei der Beurteilung, ob § 48 Abs. 3 FamFG eingreift, nochmals mit der Frage zu
befassen haben, ob die nachträgliche Genehmigung durch Mitteilung an die
Käufer diesen gegenüber gemäß §§ 1908 Abs. 1 Satz 1, 1829 Abs. 1 Satz 2
BGB wirksam geworden ist.
aa) Insoweit hat es zutreffend mit der weit überwiegenden Meinung in
Rechtsprechung und Literatur die dem Notar erteilte Doppelvollmacht - als Be-
vollmächtigter des Betreuers die gerichtliche Genehmigung entgegen zu neh-
men und diese dem Vertragspartner mitzuteilen sowie als Bevollmächtigter des
Vertragspartners die Mitteilung der Genehmigung entgegen zu nehmen - für
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zulässig erachtet (vgl. etwa KG MDR 2015, 1186; BayObLG FamRZ 1998,
1325, 1326; 1989, 1113, 1115 mwN; RGZ 121, 30, 33; Jürgens/von Crailsheim
Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1829 BGB Rn. 5 f.; MünchKommBGB/Wagenitz
6. Aufl. § 1829 Rn. 15; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. August 2015] § 1829
Rn. 4; vgl. auch BGHZ 15, 97 = NJW 1954, 1925; a.A. Gernhuber/Coester-
Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 60 IV Rn. 55; zweifelnd Soergel/Zimmermann
13. Aufl. § 1829 BGB Rn. 9; Wufka MittBayNot 1974, 131, 132).
Die Erteilung der Doppelvollmacht steht nicht im Widerspruch zu dem mit
§§ 1828 f. BGB verfolgten Ziel, dem Betreuer nach Erteilung der Genehmigung
die Gelegenheit zu geben, im Interesse des Betroffenen nochmals zu prüfen, ob
er den Vertrag schließen will (vgl. BGHZ 15, 97 = NJW 1954, 1925; Palandt/
Götz BGB 74. Aufl. § 1829 Rn. 3). Denn die erforderliche Prüfung, ob der ge-
nehmigte Vertrag weiterhin dem Interesse des Betroffenen dient, obliegt nach
wie vor dem Betreuer. Dieser hat es bis zur Vornahme der Mitteilung nach
§ 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB in der Hand, die dem Notar erteilte Vollmacht zu wi-
derrufen oder den Notar - auch der Bevollmächtigung zeitlich nachfolgend - an-
zuweisen, die Mitteilung etwa erst dann vorzunehmen, wenn eine gesonderte
Zustimmung des Betreuers erfolgt oder seit Kenntnisnahme des Betreuers von
der Genehmigung eine bestimmte Frist ohne Zustimmungsverweigerung ver-
strichen ist (vgl. Jürgens/von Crailsheim Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1829 BGB
Rn. 6; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1829 Rn. 15). Indem der Betreuer
von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch macht, kann er das Fortgelten sei-
ner Billigung des Vertrags hinreichend zum Ausdruck bringen (vgl. BGHZ 15, 97
= NJW 1954, 1925).
bb) Wie die Rechtsbeschwerde allerdings zu Recht rügt, fehlt es bis-
lang an ausreichenden Feststellungen dazu, ob der Notar den Willen, die Mittei-
lung im Sinne des § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmen, in der erforderli-
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chen Weise äußerlich erkennbar gemacht hat (vgl. z.B. BayObLG FamRZ
1998, 1325, 1326 mwN; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1829 Rn. 16;
Staudinger/Veit BGB [2014] § 1829 Rn. 25), etwa indem er von dem genehmig-
ten Vertrag gegenüber dem Grundbuchamt Gebrauch gemacht (BayObLG
FamRZ 1989, 1113, 1114; RGZ 121, 30, 33) oder einen entsprechenden Ver-
merk auf der Vertragsurkunde aufgebracht hat (BayObLG FamRZ 1998, 1325,
1326). Diese Feststellungen wird das Beschwerdegericht nachzuholen haben.
In diesem Zusammenhang wird die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens
eingegangene Stellungnahme des Notars vom 3. September 2015 nebst Anla-
gen zu berücksichtigen sein.
c) Für den Fall, dass das Beschwerdegericht zu einer inhaltlichen Über-
prüfung des Abhilfebeschlusses gelangt, ist darauf hinzuweisen, dass es im
angefochtenen Beschluss rechtlich zutreffend zu der Einschätzung gelangt ist,
der Genehmigungsbeschluss sei nicht nichtig. Die Nichtigkeit einer Entschei-
dung der freiwilligen Gerichtsbarkeit kommt nur in solchen extremen Ausnah-
mefällen in Betracht, in denen die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage
entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. Senatsbeschluss vom
17. Juni 2015 - XII ZB 730/12 - FamRZ 2015, 1479 Rn. 28 mwN). Ein solcher
Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
d) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das Beschwerdegericht zum ei-
nen darauf Bedacht zu nehmen, dass - sollte es zu dem Ergebnis kommen,
dass der Abhilfebeschluss zu Unrecht ergangen ist - nicht nur der Abhilfebe-
schluss aufzuheben, sondern auch über die Beschwerden gegen den Geneh-
migungsbeschluss zu entscheiden ist. Denn die alleinige Aufhebung des Abhil-
febeschlusses führt lediglich zum Wegfall der Abhilfeentscheidung, nicht zur
abschließenden Entscheidung über die eingelegten Beschwerden. Zum ande-
ren ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts
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gemäß § 41 Abs. 1 FamFG den Beteiligten bekannt zu geben ist. Die formlose
Übersendung, wie bei der angegriffenen Entscheidung erfolgt, genügt hierfür
nicht.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
AG Neumarkt i.d. OPf., Entscheidung vom 12.02.2015 - 3 XVII 74/14 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 28.05.2015 - 13 T 1743/15 -