Urteil des BGH vom 05.10.2016

Opto-Bauelement Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2016:051016UXZR78.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am:
5. Oktober 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Opto-Bauelement
EPÜ Art. 76 Abs. 1 Satz 2; AOEPÜ Regel 22; IntPatÜbkG Art. II § 6 Abs. 1
Der Umstand, dass eine vom materiell Berechtigten eingereichte Teilanmeldung formell fehler-
haft war, steht der Zubilligung des in Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ vorgesehenen Zeitrangs in ei-
nem Nichtigkeitsverfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Fehler zu einem späteren
Zeitpunkt behoben wurde und eine Teilanmeldung zu diesem Zeitpunkt noch zulässig war.
EPÜ Art. 56; PatG § 4
a) Die Wahl einer bestimmten Entgegenhaltung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt für die
Lösung eines technischen Problems bedarf grundsätzlich der Rechtfertigung (Bestätigung
von BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382
Rn. 51 - Olanzapin; Urteil vom 18. Juni 2009 - Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 Rn. 20
- Fischbissanzeiger).
b) Für die Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann nahe-
liegend war, ist grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte möglicherweise
als noch näherliegend in Betracht kommen.
PatG § 117; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
Ein gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilter Hinweis des Patentgerichts, ein in einem Unteranspruch
vorgesehenes Merkmal dürfte aus den vorgelegten Dokumenten nicht bekannt sein, gibt dem
Nichtigkeitskläger regelmäßig Veranlassung, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die Patentfä-
higkeit für den Gegenstand dieses Unteranspruchs zu verneinen ist.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 - X ZR 78/14 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und
die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des 2. Senats
(Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 5. August
2014 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten
des Rechtsstreits für beide Instanzen gegeneinander aufgehoben
werden.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 022 787 (Streitpatents), das auf
einer Stammanmeldung vom 31. Mai 1989 beruht und ein oberflächenmontier-
bares Opto-Bauelement sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung betrifft.
Patentanspruch 1, auf den fünf weitere Patentansprüche zurückbezogen sind,
lautet in der erteilten Fassung:
Verfahren zum Herstellen eines oberflächenmontierbaren Opto-Bauelements,
bei dem
-
an einem Leiterrahmen (Leadframe) mittels Umspritzen mit Kunststoff ein
Grundkörper (1) mit einer Vorderseite und einer Rückseite und mit einer
von der Vorderseite ausgehenden Vertiefung (5) ausgebildet wird und
nachfolgend ein optischer Sender oder Empfänger (8) in der Vertiefung (5)
angeordnet und mittels Bond-Draht-Verbindung mit einem elektrischen An-
schluss (6) des Leiterrahmens verbunden wird,
-
der Leiterrahmen zwei elektrische Anschlüsse (6, 7) aufweist, die, gesehen
von der Grundkörpermitte, schmale Bereiche und diesen nachgeordnete
breitere Bereiche aufweisen, die jeweils zusammenhängen,
-
der Grundkörper (1) derart ausgebildet wird, dass die elektrischen An-
schlüsse (6, 7) auf einander gegenüberliegenden Seitenflächen des
Grundkörpers (1) im Verlauf der schmalen Bereiche aus dem Grundkörper
(1) herausragen, und
-
die elektrischen Anschlüsse (6, 7) in den schmalen Bereichen zur Rücksei-
te des Grundkörpers (1) hin gebogen werden und im weiteren Verlauf in
den breiteren Bereichen auf Höhe der Rückseite des Grundkörpers (1) zu
dessen Mitte hin gebogen werden und an der Rückseite des Grundkörpers
vollständig an diesen angelegt werden.
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Patentanspruch 7, auf den fünf weitere Patentansprüche zurückbezogen
sind, ist auf den Schutz eines Opto-Bauelements mit entsprechenden Eigen-
schaften gerichtet.
Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streitpatents
gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, der Gegenstand
des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat
Klageabweisung beantragt und das Streitpatent mit zwei Hilfsanträgen in geän-
derten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein
Gegenstand über die mit Hilfsantrag 2 verteidigte Fassung hinausgeht, und die
Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wenden sich beide
Parteien mit der Berufung. Die Klägerin begehrt weiterhin die vollständige Nich-
tigerklärung des Streitpatents, die Beklagte die vollständige Abweisung der Kla-
ge. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in erster Linie in einer im Vergleich
zum erstinstanzlichen Hilfsantrag 1 abermals geänderten Fassung und in zwei-
ter Linie in der Fassung des angefochtenen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Rechtsmittel beider Parteien bleiben ohne Erfolg.
I.
Das Streitpatent betrifft ein auf der Oberfläche einer Leiterplatte mon-
tierbares Opto-Bauelement und ein Verfahren zu dessen Herstellung.
1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, die Montage von unbedrah-
teten elektronischen Bauteilen (Surface Mounted Devices, SMD) auf der Ober-
fläche von Leiterplatten ermögliche im Vergleich zur herkömmlichen Einsteck-
montage von bedrahteten Bauteilen eine Größenverringerung von bis zu 70 %,
eine rationellere Fertigung und eine höhere Zuverlässigkeit.
In der Streitpatentschrift werden mehrere im Stand der Technik bekannte
Bauelemente beschrieben, bei denen ein Halbleiterelement auf einen Leiter-
rahmen (Leadframe) montiert und in ein lichtdurchlässiges Harz eingegossen
ist. Hinsichtlich eines dieser Bauelemente wird als nachteilig bezeichnet, dass
es nur für Durchsteckmontage geeignet sei, hinsichtlich eines anderen, dass die
externen Anschlussstreifen seitlich aus dem Gehäuse herausragten, was einen
vergleichsweise hohen Platzbedarf mit sich bringe.
Das in der japanischen Offenlegungsschrift Sh
ō 61-42939 offenbarte
Bauelement, bei dem die Anschlussstreifen seitlich aus dem Harzverguss her-
ausgeführt, deren Kontaktteile aber unter den Harzverguss gebogen seien, wird
in der Patentschrift hinsichtlich des Platzbedarfs als günstiger beurteilt. Als
nachteilig wird aber der Umstand bezeichnet, dass die Anschlussstreifen im
Verlauf zur Rückseite des Harzvergusses hin mehrere Biegungen aufwiesen,
die ein Federn in vertikaler und lateraler Richtung ermöglichten. Das Herstellen
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dieser Biegungen führe zu einer starken Beanspruchung der Bauelemente und
erfordere einen komplexen Herstellungsprozess.
2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Prob-
lem, ein verbessertes Opto-Bauelement und ein Verfahren zu dessen Herstel-
lung zur Verfügung zu stellen.
Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentan-
spruch 1 ein Verfahren zur Herstellung eines Opto-Bauelements vor, dessen
Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Pa-
tentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben):
1. Das Verfahren dient dem Herstellen eines auf der Oberfläche
montierbaren Opto-Bauelements [A] und umfasst folgende
Schritte:
2. An einem Leiterrahmen (Leadframe) wird durch Umspritzen
mit Kunststoff ein Grundkörper (1) ausgebildet [B], und zwar
mit
a) einer Vorderseite und einer Rückseite [B] sowie
b) einer von der Vorderseite ausgehenden Vertiefung (5) [C].
3. In der Vertiefung wird ein optischer Sender oder Empfänger
(8) angeordnet und mittels Bond-Draht-Verbindung mit einem
elektrischen Anschluss des Leiterrahmens (6) verbunden [D].
4. Der Leiterrahmen weist zwei elektrische Anschlüsse (6, 7) auf,
die
a) von der Grundkörpermitte aus gesehen schmale Bereiche
und diesen nachgeordnete breitere Bereiche aufweisen,
die jeweils zusammenhängen [E];
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b) auf einander gegenüberliegenden Seitenflächen des ent-
sprechend ausgebildeten Grundkörpers (1) im Verlauf der
schmalen Bereiche aus dem Grundkörper (1) herausragen
[F];
c) in den schmalen Bereichen zur Rückseite des Grundkör-
pers (1) hin gebogen werden [G];
d) im weiteren Verlauf in den breiteren Bereichen auf Höhe
der Rückseite des Grundkörpers (1) zu dessen Mitte hin
gebogen werden [G];
e) an der Rückseite des Grundkörpers (1) vollständig an die-
sen angelegt werden [G].
3. Merkmal 2 [B] bedarf näherer Erörterung.
a) Der Grundkörper (1) dient als Umhüllung für den elektrischen Leiter-
rahmen und zugleich als Aufnahme für das optische Element (8). Die Trennung
zwischen Grundkörper und Optik bietet nach der Beschreibung des Streitpa-
tents den Vorteil, dass das optische Element hinsichtlich Design und Material je
nach Einsatzzweck in vielfacher Weise variiert werden kann, ohne dass das
Gehäuse angepasst werden muss. Dies ermöglicht es, ein kostengünstiges
Grundbauelement herzustellen und erst nach dem Montage- und Lötprozess
mit einer dem jeweiligen Anwendungsfall angepassten Optik zu koppeln
(Abs. 18-20).
b) Die Stärke und die Stabilität des Grundkörpers sind in Patent-
anspruch 1 nicht ausdrücklich festgelegt.
Aus der in Merkmal 2 [B] definierten Anforderung, dass der Grundkörper
durch Umspritzen des Leiterrahmens auszubilden ist, ergibt sich allerdings,
dass er den Leiterrahmen zumindest in einem bestimmten Bereich vollständig
umgeben muss. Aus dem Zusammenhang mit Merkmalsgruppe 4 [Merkmale E,
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F und G] ist ferner abzuleiten, dass der Grundkörper hinreichend stabil ausge-
bildet sein muss, um die beiden elektrischen Anschlüsse (6, 7) zusammenzu-
halten. Dies wird in der Beschreibung ausdrücklich hervorgehoben (Abs. 26).
Hieraus mag sich die Schlussfolgerung ergeben, dass der Grundkörper
hinreichend "massiv" ausgebildet sein muss. Entgegen der Auffassung der Be-
klagten stellt dies aber kein eigenständiges Merkmal dar. Wie "massiv" der
Grundkörper sein muss, ergibt sich vielmehr aus den Anforderungen, denen er
genügen muss, damit er seine Funktion als Umhüllung des Leiterrahmens und
Aufnahme für das optische Element erfüllen kann.
c) Die Art und Weise, in der das optische Element (8) im Grundkörper
(1) angeordnet oder befestigt wird, ist in Patentanspruch 1 nur insoweit festge-
legt, als die elektrische Verbindung zum Leiterrahmen mittels Bond-Draht er-
folgt.
In der Beschreibung wird ergänzend ausgeführt, die Vertiefung (5), in der
das optische Element angeordnet sei, könne abschließend mit Gießharz aus-
gegossen werden. Zwingend vorgesehen ist dies in Patentanspruch 2.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung und in der
Fassung von Hilfsantrag 1 sei dem Fachmann, einem mit der Herstellung von
für die Oberflächenmontage geeigneten Bauelementen vertrauten Diplom-
Ingenieur der Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss, durch den Stand der
Technik nahegelegt.
Allerdings gehöre die Stammanmeldung, aus der das Streitpatent her-
vorgegangen sein, selbst dann nicht zum Stand der Technik, wenn die dem
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Streitpatent zugrunde liegende Teilanmeldung mangels Anmelderidentität als
unwirksam hätte behandelt werden müssen; ein diesbezüglicher Verfahrensfeh-
ler stelle keinen Nichtigkeitsgrund dar und sei durch die Erteilung des Streitpa-
tents geheilt.
Der Gegenstand des Streitpatents sei aber durch die japanische Offenle-
gungsschrift Sh
ō 62-213223 (NK3) nahegelegt. In NK3 sei ein Verfahren zur
Herstellung eines auf der Oberfläche montierbaren elektronischen Bauelements
mit dem Merkmalen 2 [B] und der Merkmalsgruppe 4 [Merkmale E, F und G]
offenbart. In der Beschreibung von NK3 werde darauf hingewiesen, dass das
angegebene Verfahren nicht nur zur Herstellung von Kondensator-
Bauelementen einsetzbar sei, sondern zur Herstellung beliebiger elektronischer
Bauelemente. Deshalb ziehe es der Fachmann auch zur Herstellung eines
Opto-Bauelements in Betracht. Dazu passe er das Verfahren entsprechend den
Merkmalen 2b und 3 [C und D] an. Die darin vorgesehene Bauform sei für
Leuchtdioden üblich, was sich etwa aus dem japanischen Geschmacksmuster
744802 (NK2) ergebe.
Entsprechendes gelte für den Gegenstand des Streitpatents in der mit
Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung. Die nach diesem Antrag zusätzlich vorge-
sehenen Merkmale stellten für Leuchtdioden übliche Maßnahmen dar, was sich
etwa aus den japanischen Offenlegungsschriften Sh
ō 55-105388 (NK8) und
Sh
ō 63-300578 (NK9) sowie der deutschen Offenlegungsschrift 23 09 586
(NK10) ergebe.
Der Gegenstand des Streitpatents in der mit Hilfsantrag 2 verteidigten
Fassung beruhe hingegen auf erfinderischer Tätigkeit. NK3 und NK9 enthielten
keine Angaben zur Materialwahl. NK8 und NK10 offenbarten als Material für
den Grundkörper Epoxidharz und damit einen duroplastischen Kunststoff. Die
nach Hilfsantrag 2 stattdessen vorgesehenen thermoplastischen Materialien
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seien aus Sicht des Fachmanns nicht ohne weiteres als Alternative anzusehen,
weil sie nur in begrenztem Umfang thermisch belastbar seien.
III. Diese Beurteilung hält den Berufungsangriffen beider Parteien stand.
1. Zu Recht hat das Patentgericht die unter der Nummer 400 176 (NK1)
veröffentlichte Stammanmeldung nicht als zum Stand der Technik gehörend
angesehen.
Der Senat hat bislang offen gelassen, ob und unter welchen Vorausset-
zungen formelle oder materielle Fehler einer Teilanmeldung dazu führen, dass
dieser in einem Nichtigkeitsverfahren nicht der in Art. 76 Abs. 1 Satz 2 EPÜ (für
deutsche Patente: § 39 Abs. 1 Satz 4 PatG) bestimmte Zeitrang zukommt, und
ob dies gegebenenfalls zur Folge haben kann, dass die in Bezug genommene
Stammanmeldung im Falle ihrer Veröffentlichung zum Stand der Technik zu
zählen ist (BGH, Beschluss vom 30. September 2002 - X ZB 18/01, BGHZ 152,
172, 176 ff. = GRUR 2003, 47, 48 - Sammelhefter).
Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Entscheidung. Die von der
Beklagten eingereichte Teilanmeldung ist jedenfalls dadurch wirksam gewor-
den, dass ein eventueller Verfahrensfehler nachträglich behoben wurde.
a) Nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts steht
das Recht zur Teilung einer Anmeldung nur dem Anmelder zu. Art. 76 EPÜ
sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Die Vorschrift dient aber der Umsetzung
von Art. 4G PVÜ und ist deshalb im Lichte dieser Vorschrift auszulegen (EPA
ABl. 2005, 88 Rn. 2.4 - Teilanmeldung / The Trustees of Dartmourth College).
Ob hieraus folgt, dass eine Teilanmeldung im Falle eines Rechtsüber-
gangs entsprechend der allgemeinen Bestimmung in Regel 22 Abs. 3 AOEPÜ
(in der hier noch maßgeblichen Fassung: Regel 20 Abs. 3 AOEPÜ a.F.) nur
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dann durch den neuen Rechtsinhaber erfolgen darf, wenn dieser den Rechts-
übergang durch Vorlage von Dokumenten nachgewiesen hat, kann dahinge-
stellt bleiben. Wenn diese Voraussetzungen bei der Einreichung einer Teilan-
meldung durch den materiell Berechtigten noch nicht vorliegen, begründet dies
nur einen formellen Rechtsfehler, der im vorliegenden Zusammenhang nach
dem Sinn und Zweck von Art. 76 EPÜ jedenfalls dann nicht mehr beachtlich ist,
wenn die sich aus Regel 22 Abs. 3 AOEPÜ ergebenden Anforderungen zu ei-
nem späteren Zeitpunkt erfüllt waren und eine Teilanmeldung zu diesem Zeit-
punkt noch zulässig war.
Art. 76 EPÜ sieht für die Einreichung einer Teilanmeldung - anders als
etwa Art. 87 Abs. 1 EPÜ für die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts - keine
Frist vor. Nach Regel 36 Abs. 1 AOEPÜ in der bis 31. März 2010 und wieder
seit 1. Januar 2014 geltenden Fassung ist eine Teilanmeldung zulässig, solan-
ge die Stammanmeldung anhängig ist. Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens
kann eine Teilanmeldung durch eine neue Teilanmeldung ersetzt werden. Je-
denfalls im Zusammenhang mit der Frage, welcher Zeitrang einer Teilanmel-
dung im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens gegen ein darauf erteiltes Patent
zukommt, kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Anmelder einen
formellen Fehler dadurch behebt, dass er eine neue, fehlerfreie Teilanmeldung
mit gleichem Inhalt einreicht, oder dadurch, dass er die bereits anhängige Teil-
anmeldung in einzelnen Punkten korrigiert. Im einen wie im anderen Fall hat er
innerhalb des von Übereinkommen und Ausführungsordnung vorgesehenen
Zeitraums hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er für die Teilan-
meldung den Zeitrang der Stammanmeldung beansprucht.
b) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zu Recht zu dem Er-
gebnis gelangt, dass der Teilanmeldung, auf der das Streitpatent beruht, der
Zeitrang der Stammanmeldung zukommt. Ein möglicher Verstoß gegen Re-
gel 20 Abs. 3 AOEPÜ a.F. wurde im Streitfall mit dem am 12. Mai 2000 einge-
reichten Antrag auf Berichtigung des Anmelders der Teilanmeldung behoben.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Europäische Patentamt diesem
Antrag zu Recht entsprochen hat und ob diese Entscheidung der inhaltlichen
Überprüfung im Nichtigkeitsverfahren unterliegt. Dem Schreiben ist jedenfalls
mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die im Register eingetrage-
ne Anmelderin die Teilanmeldung als von ihr stammend gelten lassen will. Die
Teilanmeldung genügte mithin von diesem Zeitpunkt an - zu dem die
Stammanmeldung noch anhängig war - den Anforderungen von Regel 20
Abs. 3 AOEPÜ a.F.
2. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der
Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung dem Fachmann
durch die Entgegenhaltungen NK3 und NK2 nahegelegt war.
a) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass in NK3 ein Ver-
fahren mit dem Merkmal 2 [B] und der Merkmalsgruppe 4 [Merkmale E, F und
G] offenbart ist.
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten befasst sich NK3 nicht nur
mit einem an der Oberfläche montierbaren Bauelement, sondern auch mit we-
sentlichen Verfahrensschritten zur Herstellung eines solchen Elements. In der
(in anderem Zusammenhang auch von der Beklagten zitierten) Beschreibung
zu Figur 1a wird ausgeführt, nach oben ragende Teile (2b) einer Kammelektro-
de (2) würden auf eine Metallicon-Elektrode (1a) aufgeschweißt. Anschließend
erfolge eine Umhüllung mit Harz mit einer Dicke von 0,5 mm. Danach werde die
Kammelektrode an vorgegebenen Stellen geschnitten und ein Biegeprozess
durchgeführt, um den in Figur 1b dargestellten Kondensator zu erhalten (NK3a
S. 2 unten).
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bb) Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, entspricht die in NK3 of-
fenbarte Kammelektrode (2) dem in Merkmal 2 [B] des Streitpatents vorgese-
henen Leiterrahmen. Sie weist zwei elektrische Anschlüsse auf, die in der in
Merkmalsgruppe 4 [Merkmale E, F und G] definierten Weise angeordnet und
ausgestaltet sind.
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die in NK3 offenbarte
Umhüllung (3) einen Grundkörper im Sinne von Merkmal 2 [B] dar.
Die Beschreibung von NK3 enthält zwar keine Angaben zur Stabilität der
Umhüllung. Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, dass die Umhüllung hin-
reichend stabil sein muss, um die in ihr angeordneten Bauteile zu halten. Damit
ist die in NK3 offenbarte Umhüllung in gleichem Sinne als "massiv" anzusehen
wie der in Merkmal 2 [B] vorgesehene Grundkörper. In welcher Weise die erfor-
derliche Stabilität erreicht werden kann, bleibt - wie in der Beschreibung des
Streitpatents - dem Fachmann überlassen.
b) Ebenfalls zutreffend ist das Patentgericht zu der Auffassung gelangt,
dass der Fachmann Veranlassung hatte, das in NK3 offenbarte Verfahren für
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die Herstellung eines Opto-Bauelements in Betracht zu ziehen, wie es etwa in
NK2 offenbart ist.
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte der mit der Aufgaben-
stellung des Streitpatents betraute Fachmann Anlass, NK3 als Ausgangspunkt
heranzuziehen.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf die Wahl eines Aus-
gangspunkts für die Lösung eines technischen Problems einer Rechtfertigung.
Die - allenfalls aus rückschauender Sicht mögliche - Einordnung eines
bestimmten Ausgangspunkts als "nächstkommender" Stand der Technik ist
hierfür weder ausreichend (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07,
BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 51 - Olanzapin) noch erforderlich
(BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - Xa ZR 138/05, GRUR 2009, 1039 Rn. 20 -
Fischbissanzeiger). Vielmehr bedarf es konkreter Umstände, die dem Fach-
mann im Prioritätszeitpunkt Veranlassung gaben, eine bestimmte Entgegenhal-
tung oder Vorbenutzung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuzie-
hen. Diese Rechtfertigung liegt in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns,
für einen bestimmten Zweck eine bessere oder andere Lösung zu finden, als
sie der Stand der Technik zur Verfügung stellt (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009,
382 Rn. 51 - Olanzapin).
(2) An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall im Hinblick auf NK3
nicht deshalb, weil diese Entgegenhaltung einen Kondensator offenbart, wäh-
rend NK2 ein Opto-Bauelement betrifft.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob NK2 wegen dieses Umstands aus
rückschauender Sicht im Vergleich zu NK3 möglicherweise als "näherliegender"
Stand der Technik angesehen werden könnte. Selbst wenn dies zu bejahen
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wäre, ergäbe sich daraus nicht, dass NK3 oder sonstige Entgegenhaltungen als
möglicher Ausgangspunkt ausscheiden.
Wenn für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternati-
ven in Betracht kommen, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Hierbei
ist grundsätzlich ohne Bedeutung, welche der Lösungsalternativen der Fach-
mann als erste in Betracht zöge (BGH, Urteil vom 16. Februar 2016
- X ZR 5/14, GRUR 2016, 1023 Rn. 36 - Anrufroutingverfahren). Dementspre-
chend ist es für die Frage, ob ein bestimmter Ausgangspunkt für den Fachmann
naheliegend war, grundsätzlich ohne Bedeutung, ob andere Ausgangspunkte
möglicherweise als noch näherliegend in Betracht kommen.
(3) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zutreffend zu dem Er-
gebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, NK3 als Ausgangspunkt sei-
ner Überlegungen heranzuziehen.
Hierfür mag der in der Beschreibung NK3 enthaltene Hinweis, die dort of-
fenbarte Erfindung sei nicht nur für den als Ausführungsbeispiel dargestellten
Kondensator, sondern für jede elektronische Komponente anwendbar, für sich
genommen nicht ausreichen. Die in NK3 angestrebten Vorteile - insbesondere
die Möglichkeit, eine höhere Zuverlässigkeit bei geringeren Fertigungskosten zu
erzielen (NK3Ü S. 2) - decken sich aber weitgehend mit der Aufgabenstellung
des Streitpatents. Zudem lässt die in NK3 vorgeschlagene Lösung keinen spe-
zifischen Zusammenhang mit der Funktion des elektronischen Bauteils erken-
nen. Sie betrifft vielmehr Aspekte, die sich bei einer Vielzahl von an der Ober-
fläche montierbaren elektronischen Bauteilen in vergleichbarer Weise stellen.
Angesichts all dessen hatte der Fachmann Anlass, sich mit der Frage zu befas-
sen, ob die in NK3 offenbarte Lösung auch für die Fertigung von an der Ober-
fläche montierbaren Opto-Bauelementen herangezogen werden kann.
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bb) Das in NK3 offenbarte Verfahren kann für die Herstellung von Opto-
Bauelementen zwar nicht unverändert übernommen werden. Hinreichende An-
regungen zu der Frage, welche Maßnahmen für die insoweit erforderliche An-
passung in Betracht kommen, ergaben sich für den Fachmann aber aus be-
kannten Opto-Bauelementen, wie sie etwa in NK2 dargestellt sind.
(1) In NK2 ist ein auf der Oberfläche montierbares Opto-Bauelement in
verschiedenen Ansichten dargestellt.
Vorderansicht
Seitenansicht
Schnitt A - A
von oben
von unten
Damit ist ein auf der Oberfläche montierbares Opto-Bauelement offen-
bart, das die Merkmale 1 bis 4c [Merkmale A bis F sowie einen Teil von Merk-
mal G] aufweist und dessen Aufbau hinsichtlich der die Montierbarkeit auf der
Oberfläche betreffenden Merkmale 2, 4a, 4b und 4c [Merkmale B, C, E und F
sowie ein Teil von Merkmal G] mit demjenigen des in NK3 offenbarten Bauele-
ments übereinstimmt.
(2) Daraus ergab sich für den Fachmann eine Bestätigung des in NK3
enthaltenen Hinweises, der dort dargestellte Aufbau könne auch für andere
Bauelemente als Kondensatoren eingesetzt werden, und eine Konkretisierung
dieser Anregung dahin, dass dies insbesondere für Opto-Bauelemente gilt.
(3) Als Ausgangspunkt für die Umsetzung dieser Anregung kamen für
den Fachmann sowohl das in NK2 als auch das in NK3 offenbarte Bauelement
in Betracht.
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NK2 mag für den mit der Aufgabenstellung des Streitpatents betrauten
Fachmann von besonderem Interesse gewesen sein, weil dort bereits ein Opto-
Bauelement offenbart ist. Andererseits konnte der Fachmann aus NK2 keine
näheren Informationen zur Funktion und zu den Vor- und Nachteilen der dort
nur als Design beanspruchten Lösung entnehmen. Aus NK3 ergaben sich sol-
che Informationen einschließlich des - durch NK2 bestätigten - Hinweises, dass
diese auch für Opto-Bauelemente genutzt werden können. Damit hatte der
Fachmann nicht nur Anlass, das in NK2 offenbarte Bauelement im Wesentli-
chen unverändert zu übernehmen. Vielmehr lag es ebenfalls nahe, die in NK3
offenbarte Lösung als Ausgangspunkt zu nehmen und auf ein Opto-Bauelement
zu übertragen.
(4) Ausgehend von der in NK3 offenbarten Lösung lag es nahe, die dort
offenbarte Ausgestaltung der elektrischen Anschlüsse unverändert - also ein-
schließlich des Merkmals 4d - zu übernehmen.
Die elektrischen Anschlüsse der in NK2 und NK3 offenbarten Bauele-
mente unterscheiden sich im Wesentlichen nur dadurch, dass in NK2 die Über-
gänge von den schmalen zu den breiten Bereichen - abweichend von Merkmal
4d - nicht an den Seiten des Bauelements, sondern an dessen Boden ausgebil-
det sind. Weder aus NK2 noch aus NK3 ergaben sich eindeutige Hinweise da-
rauf, welche Vor- und Nachteile sich aus diesem Unterschied ergeben.
Angesichts dessen mag für den Fachmann kein Anlass bestanden ha-
ben, die in NK2 und NK3 beschriebenen Lösungen gerade in diesem Detail-
punkt zu ändern. Daraus und aus dem Umstand, dass für den Fachmann beide
Entgegenhaltungen als Ausgangspunkt in Betracht kamen, ergibt sich jedoch,
dass für den Fachmann beide Ausgestaltungen nahegelegen haben. Ausge-
hend von der in NK2 offenbarten Lösung mag Anlass bestanden haben, die
Übergänge von den schmalen zu den breiteren Bereichen am Boden des Bau-
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elements zu belassen. Ausgehend von NK3 bestand indes Anlass, die Über-
gänge an den Seiten des Bauelements anzuordnen.
3. Hinsichtlich des Gegenstands von Patentanspruch 7 ergibt sich, wo-
von auch beide Parteien ausgehen, keine abweichende Beurteilung. Die darin
geschützte Vorrichtung ist aus denselben Gründen nicht patentfähig wie das in
Patentanspruch 1 geschützte Verfahren.
4. Für den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag 1
verteidigten Fassung gilt nichts anderes.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die nach diesem Hilfsantrag vorge-
sehene Ersetzung des Ausdrucks "Grundkörper" durch "massiver Grundkörper"
zu einer inhaltlichen Änderung führt. Wie bereits oben dargelegt wurde, kann
dem Attribut "massiv" jedenfalls nicht mehr entnommen werden, als dass der
Grundkörper hinreichend stabil ausgestaltet sein muss, um seine Funktion zu
erfüllen. Diese Eigenschaft ist auch in NK3 offenbart.
5. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des ange-
fochtenen Urteils erweist sich auf der Grundlage der hierfür heranzuziehenden
Entgegenhaltungen hingegen als patentfähig.
a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der
nach dieser Fassung vorgesehene Einsatz von thermoplastischem Material zur
Herstellung des Grundkörpers dem Fachmann durch die in erster Instanz zu
beurteilenden Entgegenhaltungen nicht nahegelegt war.
aa) Von diesen Entgegenhaltungen enthält nur NK8 nähere Hinweise auf
das eingesetzte Material.
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In NK8 wird der Grundkörper aus Epoxidharz hergestellt. Dies ist nach
den nicht angefochtenen Feststellungen des Patentgerichts ein duroplastisches
Material. Damit fehlt es an einer Anregung zum Einsatz eines thermoplasti-
schen Materials.
Dass in NK8 der Innenraum, in dem die Leuchtdiode angeordnet ist, mit
einem thermoplastischen Material, nämlich Acrylharz ausgefüllt wird, führt ent-
gegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Der Umstand, dass für die beiden Bestandteile des Opto-Bauteils Materialien
mit unterschiedlichen Eigenschaften zum Einsatz kommen, spricht sogar eher
dagegen, dass diese Materialien beliebig austauschbar sind.
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Einsatz von thermo-
plastischem anstelle von duroplastischem Material nicht schon deshalb nahege-
legt, weil es nur diese beiden Arten von Kunststoffen gibt.
Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, sind thermoplastische und
duroplastische Materialien nicht beliebig austauschbar. Ob sie für einen be-
stimmten Einsatzzweck geeignet sind, hängt vielmehr davon ab, welche
Materialeigenschaften im konkreten Zusammenhang erforderlich sind. Mithin
bedarf es für den Fachmann einer Anregung, um den Grundkörper des nach
dem geschützten Verfahren hergestellten Bauelements aus thermoplastischem
Material anzufertigen.
Aus den in zweiter Instanz ergänzend vorgelegten Unterlagen zum all-
gemeinen Fachwissen (SB1 bis SB3) ergeben sich keine weitergehenden Er-
kenntnisse. Dort werden nur allgemeine Eigenschaften bestimmter Kunststoffe
beschrieben, nicht aber deren Eignung zur Herstellung eines Grundkörpers für
ein Opto-Bauelement.
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cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin führt der Umstand, dass die
Grundkörper in NK8 durch Gießen und in NK9 durch Spritzgießen hergestellt
werden, ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Wie auch die Klägerin nicht in Zweifel zieht, können auch duroplastische
Materialien durch Spritzgießen verarbeitet werden. Dass Spritzgießen von
thermoplastischem Material in der Regel kostengünstiger ist, gibt allenfalls dann
Anlass, diese Alternative in Betracht zu ziehen, wenn zu erwarten ist, dass die-
ses Material für den konkreten Einsatzzweck geeignet ist. Diesbezügliche Hin-
weise ergeben sich aus NK8 und NK9 aus den bereits genannten Gründen
nicht.
b) Die in zweiter Instanz ergänzend vorgelegten US-Patentschriften
4 781 960 (SB4) und 4 032 963 (SB5) sind gemäß § 117 PatG und § 531
Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.
aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin stellen die beiden Entgegen-
haltungen und das darauf bezogene Vorbringen der Klägerin nicht lediglich eine
Vertiefung und Konkretisierung des erstinstanzlichen Vortrags dar.
In erster Instanz hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, für
den Fachmann habe sich schon aufgrund seines allgemeinen Fachwissens
über die Eigenschaften von thermoplastischen und duroplastischen Kunststof-
fen eine Anregung zum Einsatz vom thermoplastischem Material ergeben. Mit
ihrem auf SB4 und SB5 bezogenen Vortrag macht sie hingegen geltend, ther-
moplastische Kunststoffe seien im Stand der Technik bereits für den hier in Re-
de stehenden Zweck eingesetzt worden. Damit zeigt sie einen neuen Gesichts-
punkt auf (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11, BGHZ 194, 290
Rn. 36 = GRUR 2012, 1236 - Fahrzeugwechselstromgenerator).
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bb) Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz Anlass, Entgegenhaltun-
gen vorzulegen, aus denen sich eine Anregung zum Einsatz eines thermoplas-
tischen Materials für die Herstellung eines Grundkörpers im Sinne von Merkmal
2 [B] ergab.
Aus dem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis des Patentgerichts,
wonach unter anderem das in Patentanspruch 6 vorgesehene Merkmal - die
Herstellung des Grundkörpers aus thermoplastischem Material - aus den vorge-
legten Dokumenten nicht bekannt sein dürfte, ergab sich für die Klägerin, dass
das Patentgericht den Gegenstand dieses Anspruchs jedenfalls als potentiell
patentfähig ansah. Die Klägerin war deshalb zu ergänzendem Vortrag innerhalb
der gesetzten Frist gehalten. Sie hat auch reagiert und unter Vorlage der Ent-
gegenhaltungen NK8 bis NK10 ergänzend vorgetragen.
Die Klägerin hätte bei sorgfältiger Prozessführung erkennen können und
müssen, dass dieser Vortrag für die Verneinung der Patentfähigkeit nicht aus-
reichend war. Aus dem Hinweis des Patentgerichts ergab sich zwar nicht im
Einzelnen, welche Gesichtspunkte insoweit von Bedeutung sein könnten. Dies-
bezügliche Hinweise waren aber auch nicht veranlasst, weil es Aufgabe der
Klägerin ist, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die Patentfähigkeit zu vernei-
nen ist. Aus dem erteilten Hinweis, das in Rede stehende Merkmal sei aus den
vorgelegten Entgegenhaltungen "nicht bekannt", musste die Klägerin zudem
entnehmen, dass ihr Begehren nur dann Aussicht auf Erfolg haben würde,
wenn sie Entgegenhaltungen aufzeigt, in denen der Einsatz von thermoplasti-
schem Material für den in Rede stehenden Zweck offenbart ist oder die zumin-
dest eine konkrete Anregung hierfür enthalten. Dass sie bei einer hierauf ge-
richteten sorgfältigen Recherche die Entgegenhaltungen SB4 und 5 nicht hätte
auffinden können, legt die Klägerin nicht dar.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 121 Abs. 2 PatG sowie
§ 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
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Abweichend von der Einschätzung des Patentgerichts vermag der Senat
nicht zu erkennen, dass eine der beiden Parteien zu einem überwiegenden Teil
obsiegt hat. Ein überwiegendes Obsiegen der Klägerin kann nicht schon daraus
hergeleitet werden, dass die Beklagte nur mit ihrem zweiten Hilfsantrag erfolg-
reich war. Maßgeblich ist vielmehr, in welchem Umfang der Gegenstand des
Streitpatents durch die teilweise Nichtigerklärung eingeschränkt worden ist. In-
soweit vermag der Senat kein Überwiegen zugunsten der einen oder anderen
Partei zu erkennen. Deshalb erscheint es angemessen, die Kosten für beide
Instanzen gegeneinander aufzuheben.
Meier-Beck
Bacher
Grabinski
Hoffmann
Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 05.08.2014 - 2 Ni 34/12 (EP) -
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