Urteil des BGH vom 25.10.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Patentgericht, Mode

ECLI:DE:BGH:2016:251016UXZR68.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 68/15
Verkündet am:
25. Oktober 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Gröning, Dr. Grabinski, Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Anschlussberufung und unter Zurückweisung der Berufung
wird das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespa-
tentgerichts vom 21. Januar 2015 abgeändert.
Das europäische Patent 1 206 881 wird mit Wirkung für die Bun-
desrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass
die Patentansprüche die Fassung des angefochtenen Urteils er-
halten, wobei Patentanspruch 17 nach den Wörtern "Auswählen
eines der Anwärtersegmente entsprechend" weiter wie folgt lautet:
"Auswahlinformation, die in den codierten Informationen, die das
Segment des momentanen Rahmens der Videosequenz darstel-
len, empfangen wurde, wobei eine Anzahl empfangener Bits der
Auswahlinformation verringert ist in Abhängigkeit von einer Verrin-
gerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und Rekonstruieren
des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz un-
ter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der
Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für das ausgewählte
Anwärtersegment bestimmt worden ist.", in den Patentansprü-
chen 19 und 46 die Wörter "das wenigstens eine Auswahlbit"
durch "die Auswahlinformation" ersetzt werden, in Patentan-
spruch 44 die Wörter "wenigstens einem Auswahlbit auswählen,
welches Auswahlbit" durch "Auswahlinformation auswählen, die"
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ersetzt werden und dieser Patentanspruch nach den Wörtern
"empfangen wurde, wobei" weiter wie folgt lautet: "eine Anzahl
empfangener Bits der Auswahlinformation verringert ist in Abhän-
gigkeit von einer Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente,
und die das Segment des momentanen Rahmens der Videose-
quenz unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells
auf der Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für das aus-
gewählte Anwärtersegment bestimmt worden ist, rekonstruieren,
falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codie-
rungsbetriebsart ist."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleiben gegenein-
ander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundes-
republik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 206 881 (Streitpatents),
das am 10. August 2000 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom
11. August 1999 angemeldet wurde. Patentanspruch 17, dem die Patentan-
sprüche 18 bis 28 nachgeordnet sind, lautet in der Verfahrenssprache wie folgt:
"A method of decoding encoded information representative of a
video sequence, which has been encoded according to the meth-
od of claim 1, said video sequence comprising a plurality of video
frames, the decoding method being characterised by:
receiving encoded information representative of a segment of a
current frame of said video sequence;
identifying a coding mode of the encoded information, the coding
mode being one of at least a first coding mode and a second cod-
ing mode;
if the identified coding mode is said first coding mode, reconstruct-
ing the segment of the current frame of said video sequence using
a first motion field model derived using motion compensated pre-
diction with respect to a previously-encoded frame of the video
sequence;
if the identified coding mode is said second coding mode, recon-
structing the segment of the current frame of said video sequence
using a second motion field model based on a motion field model
determined for an adjacent previously-encoded segment of the
current frame."
Patentanspruch 46, dem die Patentansprüche 47 bis 56 nachgeordnet
sind, ist auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtet. Die Klägerin hat erstin-
stanzlich das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 17 bis 28 sowie 46
bis 56 angegriffen und insoweit geltend gemacht, dem Gegenstand des Streit-
patents fehle die Patentfähigkeit und das Streitpatent gehe über die Anmeldung
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in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Weiterhin sei der Gegen-
stand des Patentanspruchs 46 nicht ausführbar.
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter - stillschweigender - Abwei-
sung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass es
Patentanspruch 17 auf den ersten Hilfsantrag der Beklagten hin die nachfol-
gende beschränkte Fassung gegeben hat:
"Verfahren zum Decodieren von codierten Informationen, die eine
Videosequenz darstellen, die gemäß dem Verfahren nach An-
spruch 1 codiert worden ist, wobei die Videosequenz mehrere Vi-
deorahmen enthält, wobei das Decodierungsverfahren gekenn-
zeichnet ist durch:
Empfangen codierter Informationen, die ein Segment eines mo-
mentanen Rahmens der Videosequenz darstellen;
Identifizieren einer Codierungsbetriebsart der codierten Informati-
onen, wobei die Codierungsbetriebsart eine Betriebsart aus we-
nigstens einer ersten bewegungskompensierten prädiktiven Co-
dierungsbetriebsart und einer zweiten bewegungskompensierten
prädiktiven Codierungsbetriebsart ist;
falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die erste Codierungs-
betriebsart ist, Rekonstruieren des Segments des momentanen
Rahmens der Videosequenz unter Verwendung eines ersten Be-
wegungsfeldmodells, das unter Verwendung einer bewegungs-
kompensierten Prädiktion in Bezug auf einen vorher codierten
Rahmen der Videosequenz abgeleitet wird; und
falls die identifizierte Codierungsbetriebsart die zweite Codie-
rungsbetriebsart ist, Berechnen von Anzahl und Ort von Anwär-
tersegmenten, wobei ein Anwärtersegment ein angrenzendes vor-
her codiertes Segment ist, dessen Bewegungsfeldmodell ungleich
Null ist, Auswählen eines der Anwärtersegmente entsprechend
wenigstens einem Auswahlbit, welches in den codierten Informati-
onen, die das Segment des momentanen Rahmens der Videose-
quenz darstellen, empfangen wurde, wobei die Anzahl der emp-
fangenen Auswahlbits verringert ist in Abhängigkeit von einer Ver-
ringerung der Anzahl der Anwärtersegmente, und Rekonstruieren
des Segments des momentanen Rahmens der Videosequenz un-
ter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmodells auf der
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Grundlage eines Bewegungsfeldmodells, das für ein angrenzen-
des vorher codiertes Segment des momentanen Rahmens be-
stimmt wird, unter Verwendung des ausgewählten Anwärterseg-
ments."
Patentanspruch 46 ist (als Patentanspruch 44) in einer Patentan-
spruch 17 entsprechenden Weise beschränkt worden. Die Patentansprüche 19,
20, 48 und 49 sind weggefallen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstin-
stanzliches Begehren auf Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang der an-
gegriffenen Patentansprüche weiterverfolgt. Die Beklagte hat sich der Berufung
der Klägerin mit dem Ziel einer weitergehenden Klageabweisung angeschlos-
sen und verteidigt hierzu das Streitpatent mit einem neuen Hauptantrag und
zwei Hilfsanträgen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft Verfahren zur komprimierten Codierung
und Decodierung einer Videosequenz und hierfür geeignete Vorrichtungen.
1.
Das Streitpatent beschreibt, dass Videosequenzen sich aus einer
Folge von Bildern zusammensetzen, die in schneller Folge (15-30 Videoframes
pro Sekunde) den Eindruck einer Bewegung hervorrufen. Gleichwohl besteht
typischerweise zwischen den einzelnen Bildern häufig ein nur geringer Unter-
schied. Oft bleibt der Hintergrund statisch und unverändert, während nur ein-
zelne Objekte des Bildes eine gewisse Bewegung vollziehen. Die im jeweils
nächsten Bild für den Hintergrund übermittelte Information ist daher redundant,
was für eine Reduktion der effektiv zu übermittelnden Daten genutzt werden
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kann, indem nur die Unterschiede codiert und übermittelt werden. Der Empfän-
ger rekonstruiert das aktuelle Bild anhand der Daten für das zuvor übermittelte
Bild (Referenzrahmen) und addiert dazu die übertragenen Unterschiede, was
als zeitliche Prädiktion bekannt und im Streitpatent als INTER-Codierung be-
zeichnet wird.
In Erweiterung zur zeitlichen Prädiktion ist die bewegungskompensierte
Codierung bekannt. Hierfür werden der aktuelle Bildrahmen in Segmente unter-
teilt und diese mit einem Vergleich zum Referenzrahmen auf eine bestmögliche
Ähnlichkeit zwischen den Pixeln im aktuellen Segment und Pixelgruppen an
gegebenenfalls nicht der gleichen Stelle im Referenzrahmen untersucht. Sofern
eine solche Gruppe gefunden ist, wird die Korrespondenz zwischen dem aktuel-
len Segment und dem Segment des Referenzrahmens mittels eines Bewe-
gungsvektors beschrieben, der beispielsweise als Verschiebevektor die hori-
zontale und die vertikale Distanz zwischen den beiden Segmenten angibt. Auf
diese Weise wird für jedes Segment versucht, seinen Ursprung im Referenz-
rahmen zu finden. Die so erhaltene Menge an Bewegungsvektoren kann als
Bewegungsvektorenfeld betrachtet werden.
Die Codierung eines gesamten Rahmens mit Hilfe von Bewegungsvekto-
ren erzeugt eine sehr effiziente Beschreibung des aktuellen Bildes, für die im
Vergleich zu einer vollständigen Übertragung der Information für jedes einzelne
Pixel nur wenige Bits benötigt werden. Da der Bewegungsvektor jedoch nur auf
ein ähnliches, nicht notwendig gleiches Segment im Referenzrahmen hinweist,
sei, so erläutert die Patentschrift, das mit Hilfe eines Bewegungsvektorfeld re-
konstruierte Bild fehlerbehaftet, weshalb zusätzlich ein Prädiktionsfehlerrahmen
erstellt wird, der den Unterschied zwischen dem codierten und dem originalen
aktuellen Rahmen wiedergibt.
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Gleichwohl war mit diesen im Stand der Technik bekannten Maßnahmen
immer noch eine signifikante Menge an Daten zu übertragen, um eine Videose-
quenz zu übermitteln.
Das Streitpatent stellt sich der Aufgabe, Videosequenzen mit einer noch
weiter reduzierten Menge an Daten zu codieren und dabei gleichzeitig die Prä-
diktionsfehler gering zu halten.
2.
Das in Patentanspruch 17 in der Fassung des Hauptantrags der
Beklagten angegebene codierungsverfahren lässt sich wie folgt gliedern:
1.
Es werden Informationen decodiert, die eine nach dem Co-
dierungsverfahren nach Patentanspruch 1 codierte Videose-
quenz mit mehreren Videorahmen darstellen.
2.
Es werden codierte Informationen empfangen, die ein Seg-
ment eines (momentanen) Rahmens der Videosequenz dar-
stellen.
3.
Es wird die Codierungsbetriebsart der codierten Informatio-
nen identifiziert, die
3.1 eine von wenigstens einer ersten und einer zweiten Be-
triebsart ist und
3.2 auf einer Bewegung kompensierenden Vorhersage be-
ruht ("bewegungskompensiert prädiktiv" ist [
]).
4.
Bei der ersten Codierungsbetriebsart wird ein erstes Bewe-
gungsfeldmodell
4.1 mittels einer Bewegung kompensierenden Vorhersage
aus einem zuvor codierten Rahmen abgeleitet und
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4.2 dazu verwendet, das Segment des momentanen Rah-
mens zu rekonstruieren.
5.
Bei der zweiten Codierungsbetriebsart werden
5.1 Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten []
berechnet,
5.1.1 die angrenzende zuvor codierte Segmente sind
und
5.1.2 deren Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist;
5.2 ein Anwärtersegment entsprechend einer Auswahlin-
formation ausgewählt,
5.2.1 die mit den das Segment des momentanen
Rahmens darstellenden codierten Informationen
empfangen wurde und
5.2.2 bei der die Anzahl der empfangenen Bits bei ei-
ner geringeren Anzahl von Anwärtersegmenten
verringert ist;
5.3 aus dem ausgewählten Anwärtersegment [
] das Segment des momentanen Rahmens
unter Verwendung eines zweiten Bewegungsfeldmo-
dells auf der Grundlage eines für das ausgewählte An-
wärtersegment bestimmten Bewegungsfeldmodells re-
konstruiert.
3.
Die erfindungsgemäße Lehre bedarf im Hinblick auf einige Merk-
male näherer Erläuterung.
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a)
Den Kern der Neuerung bildet die Bestimmung und Verwendung
von "Anwärtersegmenten". Bei der zweiten Codierungsbetriebsart werden An-
zahl und Ort von Segmenten ermittelt, die im aktuellen Rahmen vor dem zu re-
konstruierenden Segment codiert wurden und typischerweise links neben oder
über diesem liegen (Merkmal 5.1.1). Anstelle für jedes aktuelle Segment einen
gesonderten Bewegungsvektor entsprechend dem Merkmal 4.1 zu bestimmen,
wird der Bewegungsvektor von den bereits für die Anwärtersegmente übermit-
telten Bewegungsvektoren übernommen. Von diesen Anwärtersegmenten wer-
den jedoch nur diejenigen als Anwärtersegmente berücksichtigt, deren Bewe-
gungsfeldmodell ungleich Null ist (Merkmal 5.1.2). Hierdurch kann sich eine
Verringerung der Anzahl der Anwärtersegmente ergeben.
b)
Dies führt dazu, die Auswahlinformation, die angibt, welches An-
wärtersegment bei der zweiten Codierungsbetriebsart zur Rekonstruktion der
Sequenz (Merkmal 5.3) verwendet werden soll, mit einer geringeren Anzahl von
Bits zu codieren (Merkmal 5.2.2). Es sollen nicht mehr Bits für die Auswahlin-
formation übertragen werden, als in Abhängigkeit von der Zahl der für eine sol-
che Auswahl in Frage kommenden Anwärtersegmente erforderlich ist. Der Be-
schreibung und der nachfolgenden Figur 5 des Streitpatents
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ist hierzu für ein Ausführungsbeispiel zu entnehmen, dass, wenn nur ein Anwär-
tersegment unter den angrenzenden Segmenten für eine Rekonstruktion in
Frage kommt ("Number of candidates from up" = 0 und "Number of candidates
from left" = 1 oder umgekehrt), weil das Bewegungsfeldmodell aller weiteren,
bereits codierten angrenzenden Segmente gleich Null ist, Auswahlbits nicht
übertragen werden müssen (Streitpatent, S. 14 f. Abs. 100 f.).
c)
Damit die Decodierungsvorrichtung eine solche (reduzierte) Aus-
wahlinformation richtig interpretieren kann, muss sie ihrerseits Anzahl und Ort
der mit den Merkmalen 5.1.1 und 5.1.2 definierten Anwärtersegmente berech-
nen (Merkmal 5.1).
II.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Beru-
fungsverfahren von Bedeutung - wie folgt begründet:
Die beschränkte Verteidigung des Streitpatents mit dem vom Patentge-
richt als rechtsbeständig erachteten Hilfsantrag sei zulässig, insbesondere gehe
dessen Gegenstand nicht über den Inhalt der Ursprungsunterlagen - für die auf
die Veröffentlichung der internationalen Anmeldung WO 01/11891 Bezug ge-
nommen werden kann - hinaus. Merkmal 3.1 sei in den in der Anmeldung for-
mulierten Ansprüchen 48 und 49 offenbart, wonach das Decodierungsverfahren
aufgrund einer entsprechenden Information aus einer von zwei Rekonstrukti-
onsweisen ausgewählt werde. Indem die in der Anmeldung formulierten An-
sprüche 48, 49 und 55 die Verwendung eines ersten oder zweiten Bewegungs-
feldmodells zeigten, wobei der erste Rekonstruktionsmodus ein Bewegungs-
feldmodell nutze, welches aus dem das erste Segment repräsentierenden Be-
wegungsfeldmodell abgeleitet werde, und der zweite Rekonstruktionsmodus die
Koeffizienten eines Bewegungsvektors und damit ein anderes Bewegungsfeld-
modell nutze, seien auch Mittel zur Durchführung dieser Rekonstruktionsmodi
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angegeben. Weiterhin sei in der Patentanmeldung offenbart, dass eine Auswahl
des zu verwendenden Anwärtersegments anhand von Auswahlbits stattfinde.
Es werde beschrieben, dass die Übersendung eines bestimmten Bits beim De-
coder einen Betriebszustand auslöse, in dem sodann ein oder zwei Auswahlbits
ausgewertet würden, um den geeigneten Kandidaten aus den Anwärterseg-
menten zu bestimmen.
Der Gegenstand des Hilfsantrags sei für den Fachmann - einen Diplom-
ingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunkt-
mäßig mit der Übertragungstechnik in der Video- und Fernsehtechnik befasst
sei - ausführbar. Insbesondere könne der Fachmann die Begriffe Bewegungs-
feldmodell, Bewegungsmodell, Bewegungsvektorfeld und Bewegungsfeld sowie
Codierungsbetriebsart zwanglos mit technischen Inhalten belegen.
Der Gegenstand des Hilfsantrags sei neu. Er werde nicht in dem Aufsatz
von Zhang, Bober und Kittler "Image sequence coding using multiple-level
segmentation and affine motion estimation" in IEEE Journal on selected areas
in communications, Dezember 1997 (D7), vollständig offenbart, denn dieses
Dokument zeige jedenfalls nicht den Ausschluss von angrenzenden Segmen-
ten, deren Bewegungsfeldmodell ungleich Null ist, aus dem Kreis der zu be-
rechnenden Anwärtersegmente (Merkmal 5.1.2).
Die D7 gehe davon aus, dass Codecs mit fester Blockgröße sowie auch
Codecs mit variabler Blockgröße zur Codierung von Videosequenzen mit einer
reduzierten Bitrate bekannt und weiterentwickelt worden seien. Es seien jedoch
bislang nur translatorische Bewegungsmodelle verwendet worden, was bei
komplexeren Bewegungen eines großen Blocks zu größeren Vorhersagefehlern
führe. Hierfür schlage die D7 einen verbesserten Algorithmus für eine Bewe-
gungseinschätzung und eine mehrstufige Struktur der Blocksegmentierung vor.
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Hierbei würden Vorder- und Hintergrundobjekte getrennt, indem bewegte Ob-
jekte vom Hintergrund separiert würden. Die Hintergrundobjekte würden mit
ihrer Lauflänge codiert, während für die Vordergrundobjekte eine Interblockvor-
hersage und eine Differenzcodierung zur Codierung der Bewegungsparameter
genutzt werde. Nach der D7 sei es sehr wahrscheinlich, dass zwei benachbarte
Blöcke denselben Bewegungsvektor hätten. Es reiche dann aus, dem Empfän-
ger mitzuteilen, welcher der bereits codierten Nachbarblöcke sich mit derselben
Geschwindigkeit bewege. Der D7 sei jedoch nicht zu entnehmen, dass dabei für
die Auswahl der in Frage kommenden Nachbarblöcke danach unterschieden
würde, ob sie dem Vorder- oder dem Hintergrund zugehörten oder ob ihr Be-
wegungsvektor gleich Null sei.
Der Gegenstand des Streitpatents gemäß dem der Entscheidung des
Patentgerichts zugrunde liegenden Hilfsantrag beruhe auch auf erfinderischer
Tätigkeit. Keine der vorgelegten Entgegenhaltungen offenbare das Merk-
mal 5.1.2. Die darin liegende Weiterentwicklung sei auch nicht eine reine fach-
männische Routine. Auch wenn es dem allgemeinen Fachwissen entsprochen
haben dürfte, unbewegte Segmente anders zu codieren als bewegte, bedeute
dies nicht, unbewegte Segmente als Anwärtersegmente auszuschließen. Im
Stand der Technik sei es nicht angelegt gewesen, die Zahl der Anwärterseg-
mente dynamisch zu bestimmen, indem Segmente mit einem Bewegungsvektor
Null von vorneherein ausgeschieden würden. Dieses Teilmerkmal trage auch
zur Lösung eines technischen Problems bei, nämlich zur Reduzierung der zu
übertragenden Bitrate.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 46 sei in der Sache nichts ande-
res als die Formulierung der im Verfahrensanspruch 17 niedergelegten Lehre in
Form eines Vorrichtungsanspruchs. Die Gesichtspunkte, die die Schutzfähigkeit
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des Patentanspruchs 17 trügen, gälten daher ebenso für den Patentan-
spruch 44.
III.
Der mit der Anschlussberufung verfolgte Hauptantrag ist zulässig.
Er ist im Berufungsverfahren als sachdienlich zuzulassen (nachfolgend zu 1)
und genügt auch allen weiteren Zulässigkeitsanforderungen; insbesondere ist
er weder unklar (zu 2) noch enthält er eine unzulässige Erweiterung (zu 3).
1.
Der neue Hauptantrag entspricht sachlich im Wesentlichen der
Fassung, die das Patentgericht dem Streitpatent gegeben hat, mit der Maßga-
be, dass der Bezug auf "Auswahlbits", den die Klägerin im Zusammenhang die-
ser Anspruchsfassung als nicht ursprungsoffenbart beanstandet, durch den Be-
zug auf "Auswahlinformation" ersetzt worden ist, um dieser Beanstandung
Rechnung zu tragen. Dies ist sachgerecht und war in erster Instanz noch nicht
geboten, da das Patentgericht die Beanstandung der Klägerin nicht geteilt hat
(§ 116 Abs. 2 PatG).
2.
Die Anspruchsformulierung des zweitinstanzlichen Hauptantrags
ist hinreichend klar und genügt den Anforderungen aus Art. 84 Satz 2 EPÜ. Sie
trägt in zulässiger Form den Bedenken Rechnung, die die Klägerin gegen eine
Anspruchsfassung erhoben hat, bei der anstelle der Auswahlinformation
(Merkmal 5.2) auf Auswahlbits Bezug genommen wird.
Mit dem Begriff der "Auswahlinformation" wird deutlich, dass davon auch
der Fall erfasst wird, bei dem nur eines der zu prüfenden Anwärtersegmente ein
Bewegungsfeldmodell ungleich Null aufweist, somit nur dieses für eine Über-
nahme von dessen Bewegungsvektor verbleibt und deshalb - mangels Aus-
wahlmöglichkeiten - die Übermittlung eines Auswahlbits nicht erforderlich ist. In
diesem Fall ergibt sich die Auswahlinformation aus dem vom Decodierer selbst
ermittelten Umstand, dass nur ein Anwärtersegment in Frage kommt und des-
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halb für dieses kein Auswahlbit übertragen wird. Die anhand der Figur 5 aufge-
zeigten Alternativen für dieses Verfahren lassen insoweit keinen Zweifel zu,
weshalb es im Patentanspruch keiner weiteren Präzisierung in dieser Hinsicht
bedarf.
3.
Aufgrund des insoweit übereinstimmenden Inhalts der Anmeldung
(WO 01/11891, S. 32 Z. 20 bis 22, S. 32 Z. 29 bis S. 33 Z. 17 mit Figur 5) mit
der Beschreibung des Streitpatents scheidet auch eine unzulässige Erweiterung
aus.
Aus dem Umstand, dass in der Beschreibung des Streitpatents wie auch
im Beschreibungsteil der Anmeldung die Übersendung eines Indikationsbits für
die Unterscheidung der ersten Codierungsbetriebsart gemäß Merkmalsgrup-
pe 4 von der zweiten Codierungsbetriebsart gemäß Merkmalsgruppe 5 unmit-
telbar vor dem Absatz erläutert wird, in dem die Übersendung von Auswahlbits
zur Bestimmung des zu verwendenden Anwärtersegments im Falle der zweiten
Codierungsbetriebsart beschrieben wird (Streitpatent, S. 14 Abs. 99 f.), folgt
nicht die zwingende Verwendung eines Indikationsbits zur Unterscheidung bei-
der Betriebsarten entsprechend Merkmalsgruppe 3. Hierbei handelt es sich um
zwei unterschiedliche technische Aspekte, die unabhängig voneinander tech-
nisch gelöst werden können.
IV.
Der zu I erläuterte Gegenstand des Patentanspruchs 17 in der
Fassung des zweitinstanzlichen Hauptantrags der Beklagten ist aus den vom
Patentgericht (für den Gegenstand des Patentanspruchs 17 in der Fassung des
angefochtenen Urteils) angegebenen Gründen patentfähig. Für den Gegen-
stand von Patentanspruch 46 gilt Entsprechendes. Damit erweist sich zugleich
die Berufung der Klägerin als unbegründet.
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1.
Dieser Gegenstand wird nicht von der D7 vorweggenommen.
a)
Die Schrift offenbart zwar ein Verfahren mit den Merkmalen 1
bis 4.2.
b)
Es fehlt aber, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat,
an der Offenbarung einer der Merkmalsgruppe 5 entsprechenden zweiten Co-
dierungsbetriebsart.
Die D7 unterscheidet bei der Codierung der Segmente zwischen "Vor-
dergrundsegmenten", die sich bewegende Objekte darstellen, und "Hinter-
grundsegmenten", die einen Hintergrund des Videobildes betreffen, dessen
Bildinhalt typischerweise keiner Bewegung unterliegt. Hintergrundsegmente
werden aufgrund ihrer Lauflänge codiert, während Vordergrundsegmente mit-
tels einer Interblockprädiktion und einer Differenzcodierung zur Erfassung ihrer
Bewegung codiert werden (D7, S. 1707 f.). Die D7 führt an, es sei sehr wahr-
scheinlich, dass zwei benachbarte Segmente denselben Bewegungsvektor
aufweisen. In diesem Falle sei es ausreichend zu kennzeichnen, welches der
benachbarten Segmente sich mit der gleichen Bewegung bewegt (D7, S. 1708
re. Sp. oben). Dies entspricht dem Merkmal 5.3.
Die D7 offenbart jedoch nicht das Konzept der Anwärtersegmente, deren
Anzahl und Ort unter Ausschluss solcher Segmente, deren Bewegungsfeldmo-
dell gleich Null ist, aus den angrenzenden zuvor codierten Segmenten errech-
net werden (Merkmalsgruppe 5.1). Wie auch die Klägerin nicht bezweifelt, er-
wähnt die D7 ausdrücklich keinen Verfahrensschritt, nach dem beim Codieren
oder beim Decodieren von Vordergrundsegmenten (oder anderen Segmenten)
solche Nachbarsegmente für eine Rekonstruktion von vorneherein ausgeschie-
den würden, deren Bewegungsvektor gleich Null wäre, deren Prädiktion also
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auf der Grundlage des Segments des vorherigen Bildrahmens an gleicher Stelle
vorgenommen wird.
Eine entsprechende Anweisung lässt sich entgegen der Auffassung der
Klägerin auch nicht mitlesen. Aus dem Umstand, dass nach der D7 Vorder-
grund- und Hintergrundsegmente unterschiedlich codiert werden, folgt nicht,
dass Hintergrundsegmente - unterstellt, diese hätten einen Bewegungsvektor
Null - als potentiell für die Codierung eines Vordergrundsegments geeignete
Nachbarsegmente ausgeschlossen werden. Dazu müssten sie auch bei der
Errechnung der Anzahl der "Anwärtersegmente" beim Decodieren als solche
erfasst werden. Aus der D7 ergibt sich hierfür aber kein Anhalt. Unabhängig von
der Frage, ob es für die Komprimierung eines Videobildes nach logischen Ge-
sichtpunkten einen Sinn ergeben kann, für die Rekonstruktion den Bewegungs-
vektor eines Nachbarsegments zu nutzen, wenn dieser gleich Null ist, kann es
in technischer Hinsicht bereits deshalb sinnvoll erscheinen, einen solchen Ver-
fahrensschritt nicht zu vollziehen, um die Rechenleistung der Codierungs- und
Decodierungseinrichtungen hierfür nicht zu beanspruchen. Auch wenn es in der
Praxis praktisch niemals vorkäme, dass ein Vordergrundsegment entsprechend
einem benachbarten Hintergrundsegment oder sonstigem Segment mit einem
Bewegungsvektor Null rekonstruiert würde, bedeutete dies nicht, dass dies dem
Fachmann zum Prioritätszeitpunkt ohne weiteres bewusst gewesen wäre und er
quasi selbstverständlich den Decoder zum Herausrechnen solcher Segmente
aus der Zahl der Anwärtersegmente eingerichtet hätte.
2.
Die erfindungsgemäße Lehre war dem Fachmann, den das Pa-
tentgericht zutreffend definiert hat, auch nicht nahegelegt.
a)
Merkmal 5.1.2 ist bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu
berücksichtigen, auch wenn es mit der Programmierung des Decoders realisiert
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wird und dieser dabei als Datenverarbeitungsanlage fungiert. Der Patentie-
rungsausschluss gemäß Art. 52 Abs. 2 Buchst. c EPÜ gebietet nicht das Ge-
genteil. Denn mit dem in Merkmal 5.1.2 liegenden Verfahrensschritt wird ein
technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, erlaubt der Ausschluss
von benachbarten Anwärtersegmenten, deren Bewegungsfeldmodell gleich Null
ist, die Menge der zu übertragenden Bits insgesamt zu reduzieren und damit
den Detailreichtum der Videosequenz insgesamt zu erhöhen, weil bei gleich-
bleibender Bitrate mehr Videodaten zum Inhalt der Videosequenz übertragen
werden können. Damit betrifft die Programmierung eines Verfahrensschritts
entsprechend dem Merkmal 5.1 nicht nur den Programmablauf in der Daten-
verarbeitungsanlage (Decoder) als solchen, sondern vor allem auch die Effizi-
enz der Datenübertragung zwischen Codierungs- und Decodierungseinrichtung
sowie die Decodierungsleistung des nur mit einer begrenzten Empfangsbitrate
arbeitenden Decoders in Bezug auf die Qualität der darzustellenden Videose-
quenz. Hierauf ist die Frage einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Art. 56 EPÜ
uneingeschränkt zu prüfen (vgl. statt vieler BGH, Urteil vom 25. August 2015
- X ZR 110/13, GRUR 2015, 1184 Rn. 18 mwN - Entsperrbild; Urteil vom
24. Februar 2011 - X ZR 121/09, GRUR 2011, 610 Rn. 20 - Webseitenanzeige).
b)
Anhaltspunkte dafür, dass die erfindungsgemäße Errechnung von
Anzahl und Ort von Anwärtersegmenten dem Fachmann nahegelegt wäre, um
die Anwärtersegmente mit einem Bewegungsfeldmodell gleich Null vorab aus-
zuscheiden (Merkmal 5.1.2), sind weder dargetan noch erkennbar.
aa)
Das Patentgericht hat dies insbesondere ausgehend von der D7
mit überzeugender Begründung verneint.
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bb)
Gleiches gilt im Ergebnis auch, wenn der Fachmann den Aufsatz
von Kim und Ra "A new motion vector coding technique using minimum bitrate
prediction" im ITG-Fachbericht 143, PCS 97 S. 73 (D8) für eine Weiterentwick-
lung berücksichtigt.
Dabei kann offen bleiben, aufgrund welcher der von der Klägerin einge-
führten Entgegenhaltungen dem Fachmann ein Verfahren mit den Merkmalen 1
bis 4.2 und 5.3 im Stand der Technik bekannt war. Die D8 gab ihm jedenfalls
keine Anregung und keine Veranlassung, einen solchen Gegenstand mit dem
Merkmal 5.1.2 zu kombinieren.
Die D8 zeigt eine Weiterentwicklung für eine Videosequenzcodierung
und -decodierung, die entsprechend dem Merkmal 5.3 einen Bewegungsvektor
für das aktuelle Segment anhand zuvor für den aktuellen Bildrahmen übertra-
gener Nachsegmente ermittelt. Hierfür übernimmt die Entgegenhaltung jedoch
den Wert für den Bewegungsvektor eines der Nachbarsegmente nicht zwingend
unverändert, sondern übermittelt - ähnlich einer weiteren Ausführungsform der
Lehre des Streitpatents (S. 7 Abs. 45) - zwei weitere Werte (MVDx_min_rate
und MVDy_min_rate), die eine horizontale und die vertikale Abweichung von
diesem Wert angeben, um damit den am besten passenden Bewegungsvektor
für ein Segment aus dem vorherigen Bildrahmen bestimmen zu können (D8,
S. 73 re. Sp. bis S. 74 li. Sp.).
Für dieses Verfahren entwirft die D8 die Regel, dass von mehreren
Nachbarsegmenten stets jenes zu wählen ist, bei dem die Bitrate der
MVD_min_rate-Werte am geringsten ist, dieser Wert also am kleinsten ausfal-
len kann. Ausgehend davon wird sodann für jedes der in Frage kommenden
Nachbarsegmente geprüft, ob der übermittelte MVD_min_rate-Wert angewen-
det auf das zu prüfende Nachbarsegment im Vergleich zu den übrigen Nach-
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barsegmenten den kleinsten Wert aufweist oder ob der danach bei dem jeweils
zu prüfenden Nachbarsegment sich ergebende Bewegungsvektor mit Hilfe ei-
nes anderen Nachbarsegments und einem anderen kleineren MVD_min_rate-
Wert hätte codiert werden können. Sofern Letzteres der Fall ist, stellt der Codie-
rer wie auch im Falle des Empfangs der Decodierer fest, dass dieses Nachbar-
segment nicht für die Codierung verwendet worden sein kann und für die Deco-
dierung nicht zu verwenden ist. Soweit danach Nachbarsegmente für die Aus-
wahl ausgeschieden sind, prüft der Codierer wie auch der Decodierer, wie viele
Nachbarsegmente für eine Bestimmung des Bewegungsvektors übrig geblieben
sind. Entsprechend dieser Anzahl sendet der Codierer nur noch so viele Aus-
wahlbits, wie für eine Auswahl unter den verbliebenen Nachbarsegmenten er-
forderlich sind; sofern nur ein Nachbarsegment übrig geblieben ist, wird kein
Auswahlbit gesendet (D8, S. 74 li. Sp.).
Damit nimmt die D8 ähnlich der Lehre des Streitpatents mit den Merkma-
len 5.1, 5.1.1 und der Merkmalsgruppe 5.2 eine Selektion unter den in Frage
kommenden Nachbarsegmenten vor, indem einzelne Nachbarsegmente nach
logischen, vordefinierten Kriterien ausgeschieden und anhand der verbliebenen
Nachbarsegmente die Bitzahl für die Auswahl dann auf das noch erforderliche
Maß reduziert werden.
Die Methode der Selektion ist indessen grundverschieden von der Lehre
des Streitpatents. Die D8 nutzt mit einem komplexen Berechnungsmodus die
Information zur Abweichung von dem jeweils sich aus dem verwendeten Nach-
barsegment ergebenden Bewegungsvektor (MVD_min_rate-Wert), um daraus
eine logische Regel zu entwickeln, anhand der gegebenenfalls Nachbarseg-
mente ausgeschieden werden können. Diese Methode setzt nach ihrer Regel
voraus, auch Nachbarsegmente für den Vergleich zu berücksichtigen, deren
Bewegungsvektor gleich Null ist, wie dies auch das in der D8 dargestellte Bei-
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spiel zeigt (D8, S. 74 unten). Insbesondere kann auch mit Hilfe der Abwei-
chungswerte MVD_min_rate ein Bewegungsvektor ausgehend von einem
Nachbarsegment bestimmt werden, deren eigener Bewegungsvektor gleich Null
ist. Nach der Lehre der D8 und den dafür gezeigten logischen Regeln zur Se-
lektion der Nachbarsegmente war es deshalb kontraindiziert, Nachbarsegmente
mit einem Bewegungsvektor bzw. Bewegungsfeldmodell gleich Null aus der
Auswahl der in Frage kommenden Nachbarsegmente auszuscheiden und
dadurch die erforderliche Zahl an Auswahlbits zu reduzieren. Die D8 offenbarte
damit keine technische Überlegung, von der aus es naheliegend gewesen wä-
re, auch das Merkmal 5.1.2 in das Decodierungsverfahren zu implementieren.
cc)
Auch den weiteren Entgegenhaltungen ist weder ein solcher Ver-
fahrensschritt noch ein Hinweis oder eine Anregung hierzu zu entnehmen.
Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer ein solcher Ver-
fahrensschritt als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Be-
tracht zu ziehendes Mittel seiner Art nach zum Standardrepertoire des Fach-
manns gerechnet werden könnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. März 2014
- X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 26 - Farbversorgungssystem; Beschluss
vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 Rn. 38 - Kollagenase I).
Dies setzte zumindest voraus, dass allgemein in Programmen zur Komprimie-
rung von Videosequenzen Segmente mit einem Codierungswert Null wiederholt
herausgefiltert werden, um dadurch die zu übertragende Datenmenge insge-
samt reduzieren zu können. Beispiele hierfür hat indessen weder das Patentge-
richt festgestellt noch sind sie von den Parteien vorgetragen worden oder all-
gemein bekannt.
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V.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der ersten Instanz auf
§ 99 PatG, § 92 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf
§ 121 Abs. 2 PatG, §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Gröning
Grabinski
Hoffmann
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.01.2015 - 5 Ni 91/12 (EP) -
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