Urteil des BGH vom 25.02.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Patentgericht, Druck

ECLI:DE:BGH:2016:250216UXZR18.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 18/14
Verkündet am:
25. Februar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Februar 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning und Dr. Grabinski
sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung
der Klägerin gegen das am 24. Oktober 2013 verkündete
Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespa-
tentgerichts werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinan-
der aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 140 693 (Streitpatents), das am
13. August 1999 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 16. De-
zember 1998 international angemeldet worden ist und ein Pferdetrensengebiss
mit zwei seitlichen Ringen und einem Bügel betrifft. Patentanspruch 1, auf den
die weiteren neun Ansprüche unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen sind,
lautet in der Verfahrenssprache:
"Pferdetrensengebiss mit zwei seitlichen Ringen (20, 22) und ei-
nem zwischen diesen Ringen (20, 22) angeordneten Bügel (24),
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der einerseits mindestens ein Gelenk (26, 28) hat und anderer-
seits zwei Seitenabschnitte aufweist, wobei jeder Seitenabschnitt
ein von dem Gelenk (26, 28) entferntes Ende hat und in diesem
Ende der Seitenabschnitte (29, 31) jeweils eine Bohrung (32) für
die frei bewegliche Aufnahme jeweils eines der Ringe (20, 22)
ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Achsen (42) der
beiden Bohrungen (32) eine Ebene definieren, die in einem Winkel
von 45° ± 20° zur Gelenkachse (34, 36) des mindestens einen Ge-
lenks (26, 28) verläuft, vorzugsweise dass die Achsen (42) der
beiden Bohrungen (32) eine Ebene definieren, die in einem Winkel
von 45° ± 10° zur Gelenkachse (34, 36) des mindestens einen Ge-
lenks (26, 28) verläuft."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Un-
terlagen hinaus. Ferner sei die Erfindung nicht so deutlich und vollständig of-
fenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streit-
patent mit einem Hauptantrag und fünf Hilfsanträgen in gegenüber der erteilten
Fassung abgeänderten Fassungen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig er-
klärt, dass es ihm die Fassung des Hilfsantrags II gegeben hat.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in
erster Linie zuletzt in einer Fassung verteidigt, in der sich an Patentanspruch 1
in der Fassung des erstinstanzlichen Hauptantrags sechs darauf zurückbezo-
gene Ansprüche anschließen. Den nach der Fassung des erstinstanzlichen
Hauptantrags nebengeordneten Patentanspruch 8, der ein einfach gebrochenes
Pferdetrensengebiss betrifft, verteidigt die Beklagte nicht mehr weiter.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen und verfolgt mit der An-
schlussberufung ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Nichtigerklä-
rung des Streitpatents weiter.
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Entscheidungsgründe:
Beide Rechtsmittel sind zulässig, aber unbegründet.
I.
Das Streitpatent betrifft ein Pferdetrensengebiss mit zwei seitlichen
Ringen und einem zwischen diesen Ringen angeordneten Bügel, der mindes-
tens ein Gelenk aufweist.
1. Ein derartiges Pferdetrensengebiss ist nach den Ausführungen in der
Streitpatentschrift aus der europäischen Patentanmeldung 17 959 (K14) be-
kannt. Als bewährte Merkmale solcher Gebisse hebt die Streitpatentschrift her-
vor, dass die Übergänge zwischen den einzelnen Abschnitten des Bügels weich
ausgebildet seien, dass sich der Querschnitt der Seitenabschnitte von den Rin-
gen nach innen hin zu verjünge und dass der Bügel zum einen glatt, mit flie-
ßenden Konturen und ohne Kanten, und zum anderen gekrümmt ausgebildet
sei, so dass eine die Bohrungen für die frei bewegliche Aufnahme der beiden
Ringe verbindende Mittellinie des Bügels nach vorn zum Gaumen des Pferdes
hin gebogen verlaufe.
Nachteilig an dem bekannten Pferdetrensengebiss sei jedoch, dass es
eine günstige Position in der Maulhöhle des Pferdes je nach Konstruktion ent-
weder nur bei losem oder nur bei angezogenem Zügel einnehme (Beschr.
Abs. 29). Außerdem habe sich herausgestellt, dass der Druck, der durch das
Anziehen der Zügel bewirkt werde, nicht immer nur auf die Zunge des Pferdes,
sondern teilweise auch auf dessen Gaumen einwirke. Gerade ein Druck auf den
Gaumen sei aber unerwünscht (Beschr. Abs. 5).
Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem,
das aus dem Stand der Technik bekannte Pferdetrensengebiss dahingehend
weiterzubilden, dass es sich sowohl bei losem als auch bei angezogenem Zügel
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möglichst gut der Anatomie eines Pferdemauls anpasst und durch die verbes-
serte Passform der durch das Anziehen der Zügel bewirkte Druck sich im We-
sentlichen auf die Zunge und nicht auf den Gaumen des Pferdes auswirkt (Be-
schr. Abs. 5, 6 und 29).
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem
Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Pferdetrensenge-
biss mit folgenden Merkmalen vor (Gliederungspunkte des Patentgerichts in
eckigen Klammern):
1. Das Pferdetrensengebiss weist auf
a) zwei seitliche Ringe (20, 22) [1.2] und
b) einen dazwischen angeordneten Bügel (24) [1.3].
2. Der Bügel (24)
a) ist zweifach gebrochen [1.1] und weist auf
b) zwei Gelenke (26, 28) [1.3.1],
c) zwei Seitenabschnitte (29, 31) [1.3.2],
(1) in denen in dem von dem Gelenk (26, 28) entfern-
ten Ende jeweils eine Bohrung (32) ausgebildet ist
[1.5.1 und 1.5.2], und
d) einen Mittenabschnitt (30) [1.3.3], der
(1) im Vergleich zu den angrenzenden Bereichen der
Seitenabschnitte (29, 31) verdickt [1.6],
(2) etwa olivenförmig ausgebildet [1.6] und
(3) maximal 4 cm lang ist [1.8].
3. Die Gelenke (26, 28) sind als mit Spiel ineinandergreifen-
de Ösen an den Endbereichen der Seitenabschnitte bzw.
des Mittenabschnitts (30) ausgebildet [1.4].
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4. Die Bohrungen (32) in den Enden der Seitenabschnitte
a) sind für die frei bewegliche Aufnahme jeweils eines
der Ringe (20, 22) ausgebildet [1.5.3] und
b) ihre Achsen (42) definieren eine Ebene, die in einem
Winkel von 45° ± 20°, vorzugsweise von 45° ± 10°, zur
Gelenkachse (34, 36) der Gelenke (26, 28) verläuft
[1.7].
Nach der Fassung, die Patentanspruch 1 durch das angefochtene Urteil
erhalten hat, sind zusätzlich folgende Merkmale vorgesehen (Gliederungspunk-
te des Patentgerichts in eckigen Klammern):
2. d) (4) und zwei Bohrungen hat, deren Mittelinien einen
Abstand unter 2,5 cm haben.
4. b) (1) wobei bei gestrecktem Bügel (24) und in der Ebe-
ne der beiden Achsen (42) der Bohrungen (32) je-
de dieser Achsen (42) der beiden Bohrungen (32)
einen Winkel kleiner 90° mit der Längsachse des
Bügels (24) bildet [1.10] und
(2) die beiden Achsen (42) der Bohrungen (32) den-
selben Winkel mit der Längsachse einschließen
[1.11].
3. Folgende Merkmale bedürfen näherer Erörterung:
a) Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift wird die technische
Aufgabe durch die in Merkmal 4b definierten Winkelbeziehungen zwischen den
Achsen der Gelenke und den Achsen der Bohrungen in den vom Gelenk ent-
fernten Enden der Seitenabschnitte gelöst. Dadurch - so erläutert die Streitpa-
tentschrift - erhalte das Gebiss eine Gelenkigkeit in einer zweiten, im Winkel
von 45° zur Ebene der Bohrungen verlaufenden Ebene und könne sich auf-
grund der höheren Freiheitsgrade in der Bewegung räumlich besser einem
Pferdemaul anpassen als die vorbekannten Gebisse.
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Danach ist Bezugsobjekt für den in Merkmal 4b festgelegten Winkel zwi-
schen Gelenk- und Bohrungsachsen die Ebene, die durch die Achsen (42) der
Bohrungen (32) für die seitlichen Ringe definiert wird. Diese Ebene wird in der
Streitpatentschrift unter Bezugnahme auf die Figuren 1, 2 und 3 des Streitpa-
tents erläutert, von denen allerdings lediglich die Figur 1 eine Ausführungsform
eines von der Beklagten nunmehr noch allein beanspruchten zweifach gebro-
chenen Pferdegebisses zeigt, während die Figuren 2 und 3 ein einfach gebro-
chenes Pferdegebiss zum Gegenstand haben.
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Danach fällt die Ebene, die durch die Achsen (42) der Bohrungen (32) für
die seitlichen Ringe definiert wird, in den Figuren 1 und 2 mit der Zeichenebene
(Ebene des Papiers) zusammen (Beschr. Abs. 21). Bei der gegenüber der Fi-
gur 2 um 90° gedrehten Ansicht in Figur 3 verläuft die durch die Bohrungsach-
sen definierte Ebene dementsprechend senkrecht zur Zeichenebene.
Die Anordnung der Gelenkachsen im Vergleich zu der so definierten
Ebene erläutert die Streitpatentschrift unter Bezugnahme auf Figur 3 lediglich
für ein einfach gebrochenes Pferdetrensengebiss. Bei diesem gibt es zwei Ge-
lenkachsen, die in Figur 3 mit den Bezugszeichen 34 und 36 gekennzeichnet
sind. Diese beiden Gelenkachsen sind im Verhältnis zueinander in einem Win-
kel von 90° angeordnet und verlaufen damit sowohl zur Ebene der Bohrungen
(32) als auch zur Zeichenebene in einem Winkel von 45° (Beschr. Abs. 22).
Die in Merkmal 4b definierte Anforderung an den Winkel zwischen der
Ebene der Bohrungsachsen und den Gelenkachsen gilt mithin für beide Ge-
lenkachsen eines Gelenks, allerdings mit der Maßgabe, dass der Winkel in un-
terschiedlicher Richtung zu messen ist. Bei einem zweifach gebrochenen Ge-
biss, wie es in Figur 1 dargestellt wird, müssen diese Voraussetzungen bei bei-
den Gelenken und damit in Bezug auf insgesamt vier Gelenkachsen erfüllt sein.
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b) Nach Merkmal 2d(2) ist der Mittenabschnitt etwa olivenförmig ausge-
bildet. Die Streitpatentschrift erläutert den Ausdruck "olivenförmig", über dessen
Auslegung die Parteien unterschiedlicher Auffassung sind, nicht näher. Nach
dem allgemeinen Sprachgebrauch wird als olivenförmig ein Gebilde bezeichnet,
dessen Grundform sowohl im Längsschnitt als auch im Querschnitt - vergleich-
bar einer Olive - in etwa einem Kreis oder einer Ellipse entspricht. Solche Mit-
tenabschnitte waren, wie in der Streitpatentschrift ausgeführt wird, im Stand der
Technik bekannt. Ihnen standen anders gestaltete Mittenabschnitte gegenüber,
die eher die Form einer Platte hatten. Damit ist einerseits zwar nicht ausge-
schlossen, dass ein olivenförmiges Mittenstück in seinem Umfang etwas abge-
flacht sein kann. Andererseits muss aber immer eine gewisse Wölbung vorhan-
den sein und es dürfen keine abrupten Übergänge zwischen Ober- und Unter-
seite auftreten. Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung der Klägerin, eine
Platte mit abgerundeten Ecken und Kanten weise die Form einer flachen Olive
auf und sei damit ebenfalls als olivenförmig im Sinne von Merkmal 2d(2) anzu-
sehen, nicht beigetreten werden.
c) Zu den in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Ur-
teils zusätzlich vorgesehenen Merkmalen 4b(1) und 4b(2) heißt es in der Streit-
patentschrift, dass die beiden Achsen der Bohrungen für die Ringe bei normaler
Auflage des Gebisses auf einer ebenen Fläche nicht parallel zueinander, son-
dern in einem Winkel von kleiner als 90° zu der Längsachse und dabei V-förmig
zueinander verlaufen (Beschr. Abs. 15). Entgegen der Auffassung der Klägerin
sind diese Merkmale nicht dahin zu verstehen, dass die beiden Bohrungsach-
sen parallel zueinander verlaufen können. Zwar wäre eine solche Ausgestal-
tung vom Anspruchswortlaut noch umfasst. Aus dem Zusammenhang ergibt
sich jedoch hinreichend deutlich, dass die beiden Achsen jeweils in gegenläufi-
ger Richtung zueinander geneigt sein müssen. Nach der Beschreibung ist es
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dem Fachmann lediglich freigestellt, ob sich die beiden Bohrungen unterhalb
des Kinns schneiden - was die Streitpatentschrift als besonders vorteilhaft be-
zeichnet - oder ob der Schnittpunkt oberhalb des Kinns liegt (Beschr. Abs. 16).
Eine parallele Anordnung findet demgegenüber keine Erwähnung.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungs-
verfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe in der mit dem Hauptan-
trag verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er werde dem
Fachmann, einem von erfahrenen Reitsportlern und erforderlichenfalls einem
Pferdeveterinär beratenen Fertigungstechniker mit mehrjähriger Erfahrung in
der Herstellung von Erzeugnissen für Reitgeschirrbeschläge, durch die europäi-
sche Patentanmeldung 17 959 (K14) nahegelegt. Diese Entgegenhaltung offen-
bare ein Trensengebiss, bei dem die Merkmalsgruppen 1 und 2 sowie die Merk-
male 3 und 4a verwirklicht seien. Insbesondere werde auch ein Mittelstück mit
einer Länge von 4 cm offenbart. Merkmal 4b werde zwar nicht in allen Einzel-
heiten, aber doch in seinen Grundzügen durch die Figur 30 und die entspre-
chenden Erläuterungen in der K14 (S. 14) offenbart. Zwar sei dort nur ein star-
res Gebiss dargestellt. Die offenbarte Winkelstellung könne jedoch ebenso bei
einem zweifach gebrochenen Gebiss gegeben sein. Dafür spreche, dass der in
K14 formulierte Patentanspruch 13, der ein zweifach gebrochenes Gebiss be-
treffe, auch auf Patentanspruch 7 zurückbezogen sei, der die in Rede stehende
Winkelstellung betreffe. Für den Fachmann hätten sich aus K14 ferner Hinweise
darauf ergeben, dass eine Änderung der dort angegebenen Werte für den Nei-
gungswinkel vorteilhaft sein könne.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsan-
trags I, die gegenüber der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung zusätzlich
das Merkmal "und dass der Mittenabschnitt (30) zwei Bohrungen hat, deren
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Mittellinien einen Abstand unter 2,5 cm haben" enthält, beruhe ebenfalls nicht
auf erfinderischer Tätigkeit. Das in der K14 offenbarte zweifach gebrochene
Gebiss weise an den seitlichen Enden des Mittelstücks Bohrungen auf. Deren
Mittellinienabstand sei zwar nicht explizit angegeben. Die K14 enthalte jedoch
den Hinweis, dass das Mittelstück mit dem Zungenspiel des Pferdes relativ frei
beweglich gestaltet sein müsse, um das vom Reiter geschätzte Kauen anzure-
gen. Der Fachmann entnehme daraus, dass ein Kompromiss zwischen der Be-
weglichkeit des Mittelstücks und einer für das Tier deutlichen Übertragung der
Drehbewegung der seitlichen Bereiche gefunden werden müsse. Hierfür seien
ausreichende Ösenradien und entsprechende Ösenwandstärken im Gelenkbe-
reich zu wählen. Wie das nach der K14 hergestellte Muster K21 mit einem Mit-
telstück von 4,5 cm Länge und einem Mittellinienabstand von 2,5 cm zeige,
müssten bei einem kürzeren Mittelstück die Abstände der Bohrungsachsen ent-
sprechend verringert werden. Damit gelange der Fachmann zwangsläufig und
ohne erfinderisches Zutun zu dem in Patentanspruch 1 angegebenen Größen-
bereich, so dass es sich bei einer solchen Anpassung um eine lediglich hand-
werkliche Maßnahme handle.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II
sei dagegen patentfähig. Die US-amerikanischen Patentschriften 4 941 312
(K4) und 800 381 (K13) und die in den Abbildungen K9a und K9b dokumentier-
ten Vorbenutzungen beträfen keine zweifach gebrochenen Gebisse, wie sie
allein noch Gegenstand der verteidigten Fassung des Streitpatents seien, so
dass es insoweit an der Offenbarung des Merkmals 2a fehle. In dem Auszug
aus "The Allen Illustrated Guide to Bits and Bitting" (K11), im Katalog "HS
Sprenger Pferdesport 97/99" (K12), in K14, in der Veröffentlichung "Alixe Ethe-
rington: ‘A Bit of Magic‘" (K23) und in der deutschen Patentanmeldung
196 47 338 (K24) würden zwar auch Trensengebisse beschrieben, die zweifach
geteilte Bügel aufwiesen. Dort seien aber die Merkmale 2d(4), 4b(1) und 4b(2)
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nicht verwirklicht. Die als K5, K6, K7 und K8 vorgelegten Muster vorbenutzter
Pferdetrensengebisse und die damit eingereichten Abbildungen in den Anlagen
K5a/b, K6a/b, K7a/b und K8a/b, die US-Patentschrift 895 419 (K3), der Auszug
aus "Abbey - Directory of British Made Bits (ABBEY)", und die Entgegenhaltun-
gen K11 und K23 beträfen ein Trensengebiss des Typs "Dr. Bristol". Diese
Bauart unterscheide sich von Pferdegebissen des Typs "Conrad", dem das
Streitpatent zuzurechnen sei, in der Ausgestaltung des Mittenabschnitts. Wäh-
rend dieser beim Streitpatent in der verteidigten Fassung verdickt und etwa oli-
venförmig ausgebildet sei, bestehe er bei den Pferdegebissen des Typs
"Dr. Bristol" aus einer Platte, so dass es insoweit an einer Offenbarung der
Merkmale 2d(2) und 2d(3) fehle.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II
sei dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahe gelegt gewe-
sen. Die Entgegenhaltungen K14, K11, K12 und K24 sowie das Muster K21
beträfen zwar Trensengebisse des Typs "Conrad". Diese offenbarten jedoch
weder die Merkmale 4b(1) und 4b(2) noch Hinweise hierauf. Die Trensengebis-
se des Typs "Dr. Bristol" wiesen diese Merkmale zwar auf. Jedoch habe der
Fachmann, der ein Trensengebiss des Typs "Conrad", wie es beispielsweise in
der Entgegenhaltung K14 offenbart werde, verbessern wolle, keine Veranlas-
sung, auf Trensengebisse der Bauart "Dr. Bristol" zurückzugreifen. Bei dem als
Muster K6 vorgelegten Trensengebiss verliefen die Bohrungsachsen, wie sich
aus den von der Klägerin veranlassten und in der Anlage K6c dokumentierten
Messungen ersehen lasse, nicht parallel zueinander, so dass die mit Hilfsan-
trag II zusätzlich eingefügten Merkmale 4b(1) und 4b(2) an sich verwirklicht sei-
en. Jedoch gelte auch insoweit, dass der Fachmann keine Veranlassung habe,
diese bei einem Pferdetrensengebiss der Bauart "Dr. Bristol" vorhandenen
Merkmale bei der Weiterentwicklung des Trensentyps "Conrad" zu überneh-
men, zumal die nicht parallele Anordnung der Bohrungsachsen bei der Ausge-
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staltung nach K6 auch nach Auffassung der Klägerin keinen Effekt habe. K13
offenbare weder ein Trensengebiss des Typs "Conrad" noch ein zweifach ge-
brochenes Trensengebiss. Nach den Erläuterungen in K13 diene die - den
Merkmalen 4b(1) und 4b(2) entsprechende - Anordnung der Bohrungsachsen
zwar dazu, den Druck des Trensengebisses auf die Wangen und den Gaumen
des Tieres zu vermeiden und erfülle damit den gleichen Zweck wie das
Trensengebiss nach dem Streitpatent. Dennoch bestehe für den Fachmann
kein Anlass, die Anordnung der Bohrungsachsen auf ein Pferdegebiss der Bau-
art "Conrad" zu übertragen. Denn nach K13 solle mit der nicht parallelen An-
ordnung der Bohrungsachsen nur eine Vorwärts- und Rückwärtsbewegung des
Bügels zugelassen werden, nicht aber eine Auf- und Abwärtsbewegung gegen
den Gaumen oder die Zunge des Pferdes.
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung und der An-
schlussberufung stand.
1. Das Patentgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der
Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, weil
er dem Fachmann, dessen Definition die Parteien nicht in Zweifel ziehen, durch
die europäische Patentanmeldung 17 959 (K14) nahegelegt war.
a) Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, ist in K14 ein Pfer-
detrensengebiss offenbart, bei dem die Merkmalsgruppe 1, die Merkmalsgrup-
pe 2 mit Ausnahme des Merkmals 2d(3) sowie die Merkmale 3 und 4a verwirk-
licht sind.
aa) K14 offenbart ein gebogenes Pferdetrensengebiss, das aus einem
Bügel besteht, an dessen beiden einander gegenüberliegenden Enden sich je-
weils eine Ringbohrung zur Aufnahme je eines Trensenringes befindet. Sie um-
fasst Ausführungsformen sowohl mit starrem als auch mit - einfach oder zwei-
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fach - geteiltem Bügel. Die nachstehend abgebildete Figur 17 zeigt die Ausfüh-
rungsform eines zweifach gebrochenen Gebisses von der dem Unterkiefer des
Pferdes zugewandten Seite her:
Figur 18 zeigt eine Draufsicht auf die den Ohren des Pferdes zugewand-
te Seite:
Bei dieser Ausführungsform besteht der Bügel aus zwei gleich großen
Seitenteilen und einem im Vergleich dazu kürzeren, nach der Beschreibung
etwa 4 cm langen Mittelstück. Die beiden Seitenteile sind zur Mitte hin jeweils
zu Ringösen ausgeformt, die sich durch eine Durchgangsbohrung an der ihnen
zugewandten Seite des Mittelstücks erstrecken. Über das Mittelstück, das mit
dem Zungenspiel des Pferdes relativ frei beweglich ist, werden die beiden Sei-
tenteile gelenkig miteinander verbunden und gleichzeitig so auseinandergehal-
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ten, dass in der Mitte kein spitzer Winkel entstehen und die Zunge des Pferdes
nicht eingeklemmt werden kann (S. 10 Z. 10-25). Die Mitte des Bügels ist nach
Patentanspruch 1 auch bei der Ausführung als gebrochenes Gebiss in der Mitte
im Vergleich zu den sich beiderseits anschließenden Seitenbereichen verdickt
ausgebildet (vgl. auch Beschr. S. 1 Z. 29-32). Die Verdickung in der Mitte kann
nach Patentanspruch 4 zu den Seiten hin olivenförmig verlängert oder - wie sich
aus Patentanspruch 5 ergibt - im Querschnitt ellipsenförmig ausgebildet sein.
bb) Damit ist ein Pferdetrensengebiss offenbart, das die Bestandteile der
Merkmalsgruppe 1 aufweist und dessen Bügel entsprechend den Merkmalen
2a, 2b, 2c, 2d(1), 2d(2), 3 und 4a ausgebildet ist.
cc) Nicht ausdrücklich offenbart ist demgegenüber - anders als das Pa-
tentgericht angenommen hat - Merkmal 2d(3). In der K14 wird bei der Beschrei-
bung des zweifach gebrochenen Gebisses lediglich ausgeführt, dass das Mit-
telstück "etwa 4 cm" lang ist (S. 10 Z. 23-24). Eine Obergrenze wie in Merkmal
2d(3) ist damit nicht festgeschrieben.
dd) Jedenfalls für ein zweifach gebrochenes Gebiss ist auch Merkmal 4b
nicht ausdrücklich offenbart.
Zwar sieht der in K14 formulierte Patentanspruch 7 einen der Größen-
ordnung nach mit Merkmal 4b vergleichbaren Winkel vor. Eine solche Ausge-
staltung ist in K14 aber nur für ein starres Trensengebiss dargestellt. Auf diese
Darstellung in Figur 30 wird in Patentanspruch 7 ausdrücklich Bezug genom-
men. Hinreichend deutliche Hinweise darauf, dass diese Ausgestaltung auch für
einfach und zweifach gebrochene Gebisse übernommen werden kann, lassen
sich K14 hingegen nicht entnehmen. In Bezug auf einfach gebrochene Gebisse
heißt es zwar in der Beschreibung, diese könnten im Wesentlichen ähnlich wie
die starre Ausführungsform ausgebildet sein, vor allem, was die Neigung der
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Achse der Ringbohrungen betreffe (S. 13 Z. 30-34). Dieser Hinweis steht aber
vor den Erläuterungen zu Figur 30 (S. 14 Z. 13-18) und lässt nicht hinreichend
deutlich erkennen, dass er sich auch auf dieses Ausgestaltungsdetail bezieht.
Darüber hinaus findet sich ein entsprechender Hinweis für zweifach gebrochene
Gebisse in K14 nicht.
Entgegen der Auffassung des Patentgerichts kann aus dem Umstand,
dass der Gebisse mit zweifach geteiltem Bügel betreffende Patentanspruch 13
unter anderem auch auf Patentanspruch 7 Bezug nimmt, keine weitergehende
Schlussfolgerung gezogen werden. K14 enthält eine Vielzahl von Unteransprü-
chen, die jeweils auf alle vorangehenden Ansprüche Bezug nehmen. Daraus
ergibt sich eine unübersehbare Vielzahl von theoretischen Kombinationsmög-
lichkeiten, von der nicht angenommen werden kann, dass der Fachmann jede
einzelne als konkret in Betracht kommende Ausführungsform in den Blick
nimmt. Es bedürfte vielmehr zusätzlicher Hinweise, die den Blick des Fach-
manns gerade auf eine Kombination der zusätzlichen Merkmale aus den Pa-
tentansprüchen 7 und 13 lenken. Solche Hinweise enthält K14 nicht. Damit fehlt
es an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung dieser Kombination.
b) Für den Fachmann ergaben sich aus K14 aber Hinweise sowohl für
die Bemessung des Mittenabschnitts als auch für die Neigung der Bohrungs-
achsen.
aa) Die Länge des Mittenabschnitts entsprechend Merkmal 2d(3) auf
maximal 4 cm zu begrenzen, war dem Fachmann durch K14 nahegelegt.
Nach der Beschreibung von K14 soll das Mittelstück mit dem Zungen-
spiel des Pferdes frei beweglich sein und gleichzeitig dazu dienen, die beiden
Seitenbereiche des zweimal geteilten Gebisses auseinanderzuhalten, so dass
in der Mitte kein spitzer Winkel entstehen kann und die Zunge des Pferdes nicht
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eingeklemmt wird. Hierdurch soll das vom Reiter geschätzte Kauen angeregt
werden (S. 10 Z. 20-27). Der Fachmann entnimmt K14 damit, dass der Mitten-
abschnitt etwa in der Größenordnung von 4 cm liegen sollte. Dies deckt sich mit
der Lehre des Streitpatents.
In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, es habe sich als besonders
günstig erwiesen, den Mittenabschnitt bei einem zweifach gebrochenen Gebiss
möglichst kurz auszuführen. Dabei habe sich gezeigt, dass eine Länge von ma-
ximal 4 cm und insbesondere eine Länge von 3 cm besonders günstig sei
(Beschr. Abs. 14). Dies entspricht der in K14 als günstig beurteilten Größenord-
nung.
Das Vorbringen der Beklagten, die optimale Größe sei aufgrund einer
von ihr initiierten Untersuchung über Form und Abmessungen der Innenhöhle
des Pferdemauls durch das Anatomische Institut der tierärztlichen Hochschule
Hannover gefunden worden, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. In
Anbetracht der Funktion, die das Mittenstück nach der Beschreibung von K14
erfüllen soll, lag es für den Fachmann nahe, sich für die Bemessung an der
Größe eines durchschnittlichen Pferdemauls zu orientieren. Hieraus ergab sich,
dass ausgehend von der in der K14 angegebenen Länge nicht allzu viel Spiel-
raum nach oben bestand. Auch unter diesem Aspekt erweist sich die Begren-
zung auf maximal 4 cm als eine naheliegende Ausgestaltung.
bb) Die Ausführungen in K14 zum Neigungswinkel der Bohrungsachsen
bei einem starren Gebiss gaben dem Fachmann zudem Anlass, eine geneigte
Anordnung der Bohrungsachsen auch für ein zweifach gebrochenes Gebiss in
Erwägung zu ziehen.
Nach den Ausführungen in K14 ist beim starren Trensengebiss der Bügel
so gebogen, dass der Mittelteil zum Gaumen hinweist und sich um die Zunge
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wölbt (S. 6 Z. 23-26). Die Achsen der Ringbohrungen sind, wenn das Gebiss
flach aufliegt, im Verhältnis zur Unterstützungsebene des Bügels in einem Win-
kel von vorzugsweise 20° geneigt. Dabei kann das Gebiss so in das Pferdemaul
eingelegt werden, dass die Achse jeder Ringbohrung von der der Zunge zuge-
wandten Seite zur Nase hin um den betreffenden Neigungswinkel ansteigt. Es
kann aber im Vergleich dazu auch seitenverkehrt eingelegt werden, so dass die
Achse jeder Ringbohrung von der der Zunge zugewandten Seite zur Nase hin
um den betreffenden Neigungswinkel abfällt. Die Neigung der Ringbohrungen
eröffnet damit die Möglichkeit, das Gebiss an einer höher oder tiefer gelegenen
Stelle auf die Zunge einwirken zu lassen (Patentanspruch 7 und Beschr. S. 14
Z. 13-24).
Das Patentgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht angenom-
men, der Fachmann erkenne aufgrund dieser Ausführungen zu einem starren
Gebiss, dass sich auch bei einem zweifach gebrochenen Gebiss der Druck auf
die Pferdezunge abhängig von der axialen Drehung der Gelenkachsen gegen-
über den Ringbohrungsachsen verändere, weil bei dieser Konstruktion sich die
Gelenke an dem Mittenabschnitt um ihre Längsachse mitdrehen müssten, wenn
durch das Anziehen der Zügel die Drehung der Seitenabschnitte eingeleitet
werde. Dementsprechend erkennt der Fachmann auch, an welcher Ebene er
sich für die Ausrichtung und Bemessung des Neigungswinkels der Achsen der
Ringbohrungen zu orientieren hat. In der Beschreibung der Figur 30 wird der in
Patentanspruch 7 verwendete Begriff "Unterstützungsebene" dahin erläutert,
dass es sich dabei um die Gebissebene handelt (S. 5 Z. 21-23). Darunter ist die
Ebene zu verstehen, in der das Gebiss bei flacher Auflage liegt. Eine solche
Ebene gibt es auch bei einem mehrfach gebrochenen Gebiss. Ist damit für den
Fachmann das Bezugsobjekt für den Neigungswinkel der Achsen der Ringboh-
rungen erkennbar, hatte der Fachmann Anlass, den in K14 angegebenen Win-
kel so zu variieren, dass eine verbesserte Anpassung des Gebisses an die Ana-
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tomie des Pferdemauls erreicht und damit auch verhindert wird, dass Druck auf
den Gaumen statt auf die Zunge des Pferdes ausgeübt wird. Die Ermittlung des
in Merkmal 4b genannten Winkelbereichs hat das Patentgericht vor diesem Hin-
tergrund zu Recht als eine rein handwerkliche Maßnahme angesehen.
2. Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die Be-
klagte das Streitpatent in der Fassung des angefochtenen Urteils in zulässiger
Weise verteidigen kann.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt die Fassung, die Pa-
tentanspruch 1 durch das angefochtene Urteil erhalten hat, den grundsätzlich
auch bei der Formulierung beschränkter Patentansprüche in Patentnichtigkeits-
verfahren zu beachtenden Anforderungen des Art. 84 EPÜ (vgl. BGH, Urteil
vom 18. März 2010 - Xa ZR 54/06, GRUR 2010, 709 Rn. 55 - Proxyserver-
system).
aa) Wie bereits im Zusammenhang mit der Auslegung von Merkmal
2d(2) ausgeführt wurde, bezeichnet der Ausdruck "olivenförmig" ein Gebilde,
dessen Grundform sowohl im Längsschnitt als auch im Querschnitt in etwa ei-
nem Kreis oder einer Ellipse entspricht. Damit sind die charakteristischen
Merkmale für die Gestaltung des Mittenstücks hinreichend klar bestimmt. Eine
Festlegung etwa in dem Sinne, dass auf die Form eines geometrischen, ma-
thematisch exakt definierbaren Körpers Bezug genommen werden müsste, er-
fordert Art. 84 EPÜ nicht.
bb) Hinsichtlich des in Merkmal 4b festgelegten Winkels mag zwar aus
dem Wortlaut von Patentanspruch 1 nicht ohne weiteres entnommen werden
können, was das Bezugsobjekt dafür ist. Wie bei der Auslegung von Merkmal
4b ausgeführt wurde, ergibt sich dies aber hinreichend deutlich aus der Be-
schreibung und den dort in Bezug genommenen Zeichnungen.
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cc) Schließlich greifen auch die von der Klägerin im Hinblick auf die ge-
genüber dem Hauptantrag neu hinzugekommenen Merkmale 4b(1) und 4b(2)
erhobenen Bedenken gegen die Klarheit von Patentanspruch 1 in der Fassung
des angefochtenen Urteils nicht durch.
Diese Merkmale waren bereits in der erteilten Fassung in Unteranspruch
8 enthalten. Eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit ist weder im
Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen. Der
Patentinhaber hat mit dem erteilten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm
nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, mithin wenn ein Einspruchs- oder
Nichtigkeitsgrund vorliegt, ganz oder teilweise aberkannt werden kann. Das Eu-
ropäische Patentübereinkommen regelt ebenso wie das nationale Recht die
Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründe, zu denen die fehlende Klarheit nicht ge-
hört, abschließend (Art. 100, 138 EPÜ; §§ 21, 22 PatG). Daraus folgt, dass eine
Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche
Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch.
vom 24. März 2015 - G 3/14; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - X ZR 11/13
Rn. 31 - Fugenband).
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Erfindung in Patentan-
spruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils so deutlich und vollständig
offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Wie bereits bei der Auslegung von Patentanspruch 1 ausgeführt wurde,
ist Merkmal 4b, auch wenn der Begriff "Gelenkachse" in Patentanspruch 1 im
Singular verwendet wird, im Lichte der Beschreibung des Streitpatents dahin zu
verstehen, dass die in Merkmal 4b in Bezug auf den Neigungswinkel gestellten
Anforderungen bei einem zweifach gebrochenen Gebiss bei beiden Gelenken
und damit bei insgesamt vier Gelenkachsen erfüllt sein müssen.
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c) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des ange-
fochtenen Urteils geht weder über den Inhalt der ursprünglich eingereichten
Unterlagen noch über den Schutzbereich des Streitpatents in der erteilten Fas-
sung hinaus.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich eine unzulässige Er-
weiterung nicht daraus, dass in der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist,
dass jedes der Gelenke zwei Gelenkachsen aufweist, während nach Patentan-
spruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ein Gelenk auch nur eine
Gelenkachse aufweisen könne. Abgesehen davon, dass die Passage in der
Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung (K1a, S. 7 Abs. 1), auf die sich die
Klägerin stützt, mit Abs. 15 der Beschreibung des Streitpatents wörtlich über-
einstimmt, ist eine unzulässige Erweiterung auch deshalb zu verneinen, weil bei
zutreffender Auslegung von Patentanspruch 1 das Merkmal 4b dahin zu verste-
hen ist, dass bei einem zweifach gebrochenen Gebiss beide Gelenke jeweils
zwei Gelenkachsen aufweisen.
Ebenso ist eine Erweiterung des Schutzbereichs zu verneinen. Auch
wenn in Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils nur von
einer Gelenkachse die Rede ist, ist dies - wie oben dargelegt - dahin zu verste-
hen, dass jedes Gelenk zwei Gelenkachsen aufweist.
3. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand
von Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils patentfähig ist.
a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist neu.
Die Entgegenhaltung K14 und die weiteren Entgegenhaltungen, die Pfer-
detrensengebisse des Typs "Conrad" betreffen, offenbaren nicht die Merkmals-
gruppe 4b. Bei den Pferdegebissen des Typs "Dr. Bristol", deren Vorbenutzung
die Klägerin durch Vorlage mehrerer Muster (K5, K6, K7 und K8) und Abbildun-
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gen hiervon (K5a/b, K6a/b, K7a/b und K8a/b) dokumentiert hat und die sich
dadurch auszeichnen, dass das Mittelstück als flache Platte ausgebildet ist,
fehlt es an der Offenbarung von Merkmal 2d(2).
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des ange-
fochtenen Urteils war dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik
nahegelegt. Zwar mag der Fachmann Veranlassung gehabt haben, bei Gebis-
sen der in K14 offenbarten Art den Abstand der beiden Bohrungen im Mittenab-
schnitt entsprechend Merkmal 2d(4) auszugestalten. Es lag aber nicht nahe,
solche Gebisse zusätzlich entsprechend den Merkmalen 4b(1) und 4b(2) aus-
zugestalten.
Die Entgegenhaltung K14 gab dem Fachmann in Bezug auf die Ringboh-
rungen - wie oben ausgeführt - zwar die Anregung, diese auch bei einem zwei-
fach gebrochenen Gebiss im äußeren Bereich der Seitenabschnitte so anzu-
bringen, dass die Achsen entsprechend Merkmal 4b geneigt sind. Anlass dafür,
die Ringbohrungen so anzuordnen, dass deren Achsen darüber hinaus ent-
sprechend den Merkmalen 4b(1) und 4b(2) einen Winkel kleiner 90° mit den
Längsachsen des Bügels bilden und denselben Winkel mit der Längsachse ein-
schließen, ergab sich aus K14 dagegen nicht.
Zwar sind bei dem als K6 vorgelegten Pferdetrensengebiss - wie die
schematische Abbildung in K6c zeigt - die Bohrungen so angebracht, dass ihre
Achse relativ zur Längsachse des Bügels in einem Winkel von 4,887° verläuft,
so dass damit an sich die Merkmale 4b(1) und 4b(2) erfüllt sind. Der Fachmann
hatte jedoch schon deshalb keinen Anlass, dieses Detail von einem Pferde-
trensengebiss der Bauart "Dr. Bristol" auf ein Pferdegebiss des Typs "Conrad"
zu übertragen, weil nach den Feststellungen des Patentgerichts der genannte
Winkel nur durch eingehende Untersuchungen festgestellt werden kann und für
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den Fachmann nicht ersichtlich ist, welchen Effekt eine solche Anordnung der
Bohrungsachsen haben könnte.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97
Abs. 1 und § 92 Abs. 1 ZPO.
Bacher
Gröning
Grabinski
Schuster
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.10.2013 - 2 Ni 79/11 (EP) -
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