Urteil des BGH vom 28.03.2012

Leitsatzentscheidung zu Vermieter, Wohnung, Mietrecht, Berechtigung, Anforderung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 79/11
Verkündet am:
28. März 2012
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 558a Abs. 2 Nr. 4
Wenn der Vermieter in seinem Erhöhungsverlangen - über die in § 558a Abs. 2 Nr. 4
BGB geforderten drei Vergleichswohnungen hinaus - weitere Wohnungen benennt,
die nicht die Voraussetzungen des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB erfüllen, so ist das Er-
höhungsverlangen weder insgesamt noch teilweise unwirksam. Ob der Umstand,
dass die Miete einer der benannten Wohnungen unterhalb der verlangten Miete liegt,
an der Ortsüblichkeit der verlangten Miete zweifeln lässt, ist eine Frage der materiel-
len Begründetheit, nicht der Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens.
BGH, Urteil vom 28. März 2012 - VIII ZR 79/11 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe-Durlach
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren ge-
mäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 21. Februar 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer
des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 2010 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Kläger in K. . Die
Grundmiete betrug seit dem 1. Oktober 2005 monatlich 472,33
€. Mit Schreiben
vom 18. November 2008 forderten die Kläger die Beklagte unter Benennung
von sieben vergleichbaren Wohnungen auf, einer Erhöhung der Miete ab dem
1. März 2009 auf 507,73
€ zuzustimmen. Die Mieten von sechs der von den
Klägern benannten Wohnungen liegen über diesem Betrag, bei einer der Ver-
gleichswohnungen liegt die Miete dagegen mit 490
€ zwischen der bisherigen
und der erhöhten Miete.
Mit ihrer Klage haben die Kläger Zustimmung zu der verlangten Mieter-
höhung begehrt. Das Amtsgericht hat die Beklagte verurteilt, einer Erhöhung
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der Miete nur auf 490
€ zuzustimmen. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Kla-
ge mit der Begründung abgewiesen, das Erhöhungsverlangen sei unwirksam,
soweit die verlangte Miete 490
€ übersteige. Auf die Berufung der Kläger hat
das Landgericht der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete in vollem Umfang stattgegeben. Da-
gegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Das Mieterhöhungsverlangen der Kläger sei entgegen der Auffassung
des Amtsgerichts insgesamt wirksam.
Nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB habe der Vermieter, der zur Begründung
seines Mieterhöhungsverlangens auf entsprechende Entgelte für vergleichbare
Wohnungen Bezug nehme, zur Wirksamkeit seines Erhöhungsverlangens min-
destens drei Wohnungen zu benennen. Wenn der Vermieter mehr als drei Ver-
gleichswohnungen benenne, sei den gesetzlichen Anforderungen genüge ge-
tan, wenn die Entgelte für mindestens drei Vergleichswohnungen über der ver-
langten Miete lägen oder dieser zumindest entsprächen. Es komme dann auf
die Umstände des Einzelfalles an, ob der Zweck des Begründungserfordernis-
ses gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB erfüllt sei. Lasse sich aus den Angaben im
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Erhöhungsverlangen aus der Sicht eines verständigen Mieters die Überzeu-
gung gewinnen, dass die geforderte Miete die auf dem Markt üblicherweise ge-
zahlten Mieten jedenfalls nicht übersteige, dann sei der Zweck des Begrün-
dungserfordernisses gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB erfüllt. Gebe ein Vermie-
ter - wie hier - zusätzlich zu sechs Vergleichswohnungen, deren Miete die ge-
forderte Miete übersteige, noch eine einzige weitere Wohnung an, für die ein
die bisherige Miete übersteigendes, aber unterhalb der verlangten Miete liegen-
des Entgelt gezahlt werde, ergebe sich daraus bei verständiger Betrachtung
nicht, dass lediglich die niedrigste Miete ortsüblich sei. Die übrigen sechs Ver-
gleichsmieten, von denen wiederum fünf nur geringfügig differierten, verlören
hierdurch nicht ihre Überzeugungskraft.
Das Mieterhöhungsverlangen sei, wie sich aus dem eingeholten Sach-
verständigengutachten ergebe, auch der Höhe nach in vollem Umfang begrün-
det.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist. Die Kläger haben Anspruch auf Zustimmung der Be-
klagten zu der im Schreiben vom 18. November 2008 verlangten Mieterhöhung
(§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Im Revisionsverfahren ist nur noch im Streit, ob das Erhöhungsverlangen
der Kläger unter dem Gesichtspunkt der formellen Begründungsanforderungen
des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB wirksam ist. Die Ausführungen des Berufungsge-
richts zur materiellen Begründetheit des Erhöhungsverlangens werden dagegen
von der Revision nicht angegriffen. Die Revision meint, das Erhöhungsverlan-
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gen sei nicht ordnungsgemäß begründet, weil die Miete für eine der sieben von
den Klägern benannten Wohnungen mit 490 € nicht der verlangten Miete von
507,73 € entspreche; daher sei das Erhöhungsverlangen insoweit unwirksam,
als die verlangte Miete 490
€ übersteige. Das trifft nicht zu. Das Berufungsge-
richt hat mit Recht angenommen, dass das Erhöhungsverlangen in formeller
Hinsicht wirksam ist.
1. Gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB hat der Vermieter, der sein Erhö-
hungsverlangen unter Bezugnahme auf Vergleichswohnungen begründet, drei
vergleichbare Wohnungen mit "entsprechenden Entgelten" zu benennen. Eine
Erhöhung der Miete auf die verlangte Miete ist nur dann ordnungsgemäß be-
gründet, wenn der Vermieter mindestens drei Vergleichswohnungen angibt,
deren Miete mindestens so hoch ist wie die verlangte Miete (vgl. OLG Karlsru-
he, WuM 1984, 21 f., zu § 2 MHG).
Diese formelle Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin hat nicht nur
drei, sondern sechs Vergleichswohnungen benannt, bei denen die Miete höher
ist als die verlangte Miete.
2. Der Umstand, dass die Klägerin eine weitere - siebente - Wohnung
benannt hat, bei der die Miete nicht der verlangten Miete entspricht, sondern
zwischen der bisherigen und der erhöhten Miete liegt, rechtfertigt keine andere
Beurteilung und macht das Erhöhungsverlangen weder insgesamt noch teilwei-
se unwirksam (ebenso Emmerich in Emmerich/Sonnenschein, Miete, 10. Aufl.,
§ 558a BGB Rn. 32; Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-
raummiete, 3. Aufl., Rn. III 436; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. IV 244).
Die gegenteilige Auffassung (LG Berlin, GE 2004, 482; Schmidt-Futterer/
Börstinghaus, Mietrecht, 10. Aufl., § 558a BGB Rn. 143 f.; Schach in Kinne/
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Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 6. Aufl., § 558a Rn. 9 aE) trifft nicht
zu.
a) Erfolgt die Begründung - wie hier - anhand von konkret bezeichneten
Vergleichswohnungen, so ist dem formellen Begründungserfordernis nach dem
Wortlaut des Gesetzes Genüge getan, wenn die Mieten von (mindestens) drei
Vergleichswohnungen der verlangten Miete entsprechen. Das ist hier der Fall.
b) Aus dem Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses ergibt sich
nichts anderes. Das für ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach
§ 558a BGB bestehende Begründungserfordernis soll dem Mieter konkrete
Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens geben, da-
mit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung über-
prüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlan-
gen zustimmt oder nicht. Erfolgt die Begründung anhand von Vergleichswoh-
nungen, so soll der Mieter durch die Benennung von "einzelne(n)" Wohnungen
die Möglichkeit haben, sich über die Vergleichswohnungen zu informieren und
die behauptete Vergleichbarkeit nachzuprüfen. Die Vergleichswohnungen müs-
sen deshalb so genau bezeichnet werden, dass der Mieter sie ohne nennens-
werte Schwierigkeiten auffinden kann (Senatsurteil vom 18. Dezember 2002
- VIII ZR 141/02, WuM 2003, 149 unter II 1 a mwN, zu § 2 MHG, jetzt § 558a
BGB).
Auch dieser Anforderung wird das Erhöhungsverlangen gerecht. Es ent-
hält die vom Gesetz geforderten konkreten Hinweise darauf, dass das Erhö-
hungsverlangen sachlich berechtigt ist. Die Beklagte kann sich auf Grund der
Angaben im Erhöhungsverlangen ein Bild davon machen, wie sich das gegen-
wärtige Mietniveau für vergleichbare Wohnungen nach den Angaben der Kläger
darstellt, und kann diese Angaben überprüfen. Damit hat die Beklagte eine hin-
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reichende Grundlage für ihre Entscheidung, ob sie das Erhöhungsverlangen für
gerechtfertigt hält.
Es ist deshalb - soweit es um die Wirksamkeit des Erhöhungsverlangens
geht - unschädlich, dass im vorliegenden Fall die Miete einer der von den Klä-
gern benannten sieben Wohnungen unterhalb der geforderten Miete liegt. Ob
dieser Umstand an der Ortsüblichkeit der von den Klägern verlangten Miete
zweifeln lässt, ist eine Frage der materiellen Begründetheit, nicht der Wirksam-
keit des Erhöhungsverlangens.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe-Durlach, Entscheidung vom 29.12.2009 - 3 C 38/09 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 22.10.2010 - 9 S 41/10 -
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