Urteil des BGH vom 04.11.2015

Leitsatzentscheidung zu Ermächtigung, Versorgung, Gemeinde, Beurteilungsspielraum

ECLI:DE:BGH:2015:041115VIIIZR217.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 217/14
Verkündet am:
4. November 2015
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3; GG Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Ba; Art. 3
Abs. 1; Art. 2 Abs. 1; Art. 80 Abs. 1 Satz 2; KappGrV BE vom 7. Mai 2013
(GVBl. S. 128)
a) Die Zivilgerichte haben im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieterhöhungs-
verlangen zu prüfen, ob eine von der Landesregierung erlassene Kappungsgren-
zen-Verordnung den Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung in § 558
Abs. 3 Satz 3 BGB in Verbindung mit Satz 2 genügt und auch im Übrigen mit hö-
herrangigem Recht in Einklang steht.
b) Die vorgenannte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage genügt dem Be-
stimmtheitsgebot nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und verstößt weder gegen die Ei-
gentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen den allgemeinen Gleichbe-
handlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder gegen die Vertragsfreiheit (Art. 2
Abs. 1 GG).
c) Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 (GVBl.
S. 128) hält sich im Rahmen des der Landesregierung als demokratisch legitimier-
tem und politischem Staatsorgan von der gesetzlichen Ermächtigung in mehrfa-
cher Hinsicht eingeräumten politischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums.
Dieser ist von den Fachgerichten nur beschränkt dahin überprüfbar, ob die ge-
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troffene Maßnahme den Rahmen der Zweckbindung der gesetzlichen Ermächti-
gung überschreitet.
d) Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 genügt
ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie verletzt weder die Ei-
gentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) noch den allgemeinen Gleichbehandlungs-
grundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).
BGH, Urteil vom 4. November 2015 - VIII ZR 217/14 - LG Berlin
AG Berlin-Wedding
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter
Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer und den Richter
Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 67 des
Landgerichts Berlin vom 3. Juli 2014 in der Fassung des Berichti-
gungsbeschlusses vom 29. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist seit 2007 Mieter einer Zweizimmer-Wohnung des Klä-
gers in Berlin-Wedding. Mit Schreiben vom 11. September 2013 forderte der
Kläger den Beklagten auf, ab dem 1. Januar 2014 einer Erhöhung der seit dem
15. Dezember 2007 unverändert gebliebenen Nettokaltmiete um 20 % von
227,36 € auf 272,72 € monatlich zuzustimmen.
Der Beklagte hat den geltend gemachten Zustimmungsanspruch im
ersten Rechtszug in Höhe eines Teilbetrags von 34,10 €, also in Höhe von
15 %, anerkannt. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob die am 19. Mai 2013
in Berlin in Kraft getretene Verordnung vom 7. Mai 2013 (Kappungsgrenzen-
Verordnung), welche im gesamten Stadtgebiet die Kappungsgrenze für Mieter-
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höhungen gemäß § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB von 20 % auf 15 % herab-
setzt, wirksam ist.
Das Amtsgericht hat, soweit der Beklagte die Klage anerkannt hat, ein
Anerkenntnisurteil erlassen und die weitergehende Klage unter gleichzeitiger
Zulassung der Berufung abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vor dem
Landgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Zustimmung zu der geforderten
Erhöhung der Miete um weitere 5 %, also um 11,26 € monatlich, weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht (LG Berlin, WuM 2014, 554) hat zur Begründung
seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im
Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung nach
§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB um mehr als 15 % nicht zu. Denn der Kläger sei ge-
mäß § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB daran gehindert, die Zustimmung zu einer Miet-
erhöhung um 20 % zu verlangen. Diese Regelung setze die Kappungsgrenze
des § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach sich die Miete, von Mieterhöhungen
nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, innerhalb von drei Jahren nicht um
mehr als 20 % erhöhen dürfe, auf 15 % herab, wenn die ausreichende Versor-
gung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in
einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet sei und
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diese Gebiete nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB von der Landesregierung be-
stimmt worden seien.
So lägen die Dinge hier. Der Berliner Senat habe als zuständiger Ver-
ordnungsgeber von der in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB enthaltenen Ermächtigung,
die Gebiete nach § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Rechtsverordnung für die
Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen, durch Erlass der am
19. Mai 2013 in Kraft getretenen und für sämtliche Bezirke des Landes Berlin
geltenden Kappungsgrenzen-Verordnung vom 7. Mai 2013 (GVBl. S. 128) wirk-
sam Gebrauch gemacht.
Die Wirksamkeit der Verordnung sei - anders als vom Amtsgericht ange-
nommen - im Rahmen des auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichteten
Rechtsstreits selbständig zu prüfen. Die uneingeschränkte Prüfungspflicht der
Zivilgerichte folge sowohl aus dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizge-
währungsanspruch als auch aus der in § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG geregelten
rechtswegüberschreitenden Sach- und Entscheidungskompetenz des Gerichts
des zulässigen Rechtswegs. Diese gebiete neben der selbständigen Prüfung
der Wirksamkeit von entscheidungserheblichen Verordnungen auch deren Ver-
werfung durch die Zivilgerichte im Falle ihrer Unwirksamkeit.
Die vom Berufungsgericht nachgeholte Überprüfung der Kappungsgren-
zen-Verordnung habe deren Wirksamkeit ergeben. Dem Verordnungsgeber
komme ein - vom Gericht nur beschränkt nachprüfbarer - Beurteilungsspielraum
zu, wenn komplexe, in der Entwicklung begriffene Sachverhalte Gegenstand
der Gesetzgebung seien. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede
stünden, sei ein angemessener Zeitraum zu gewähren, um Erfahrungen sam-
meln, Klarheit gewinnen und Mängel einer Regelung abstellen zu können. Ein
Gesetz könne nicht allein deshalb als verfassungswidrig angesehen werden,
weil es auf einer Prognose über den Verlauf einer späteren tatsächlichen Ent-
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wicklung beruhe, die sich nachträglich als falsch herausstelle. Ein derartiger
Prognose- und Anpassungsspielraum sei dem Verordnungsgeber auch bei Er-
lass einer auf § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB beruhenden Verordnung zuzubilligen.
Im Hinblick auf den dem Berliner Senat als Verordnungsgeber einge-
räumten Beurteilungsspielraum bezüglich der Annahme einer besonderen Ge-
fährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen
zu angemessenen Bedingungen im gesamten Stadtgebiet oder einem Teil da-
von und der Ausweisung dieser Gefährdungsgebiete unterliege die Kappungs-
grenzen-Verordnung zunächst nur der Kontrolle auf Prognosefehler. Der inso-
weit bestehende Beurteilungsspielraum sei erst dann überschritten, wenn die
angestellten Erwägungen nicht vertretbar, also offensichtlich so verfehlt seien,
dass sie vernünftigerweise keine Grundlagen für gesetzgeberische Maßnahmen
abgeben könnten.
Daran fehle es hier. Der Senat von Berlin habe von der Ermächtigungs-
grundlage des § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB umfassend Gebrauch gemacht, da
seiner Auffassung nach unter Heranziehung der in der Verordnungsbegründung
genannten Grundlagendaten und der aus einem Vergleich der Berliner Miet-
spiegel 2011, 2009 und 2007 entnommenen Beschleunigung des jährlichen
Anstiegs der ortsüblichen Vergleichsmiete von 0,8 % auf 4,0 % sowie einem
überproportionalen Mietanstieg bei einzelnen Wohnungstypen, die in allen Tei-
len Berlins zu finden seien, das gesamte Stadtgebiet einer besonderen Gefähr-
dung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgesetzt sei. Mit diesen vertretbaren
Erwägungen habe der Senat von Berlin den ihm zustehenden Beurteilungs-
spielraum nicht überschritten.
Insbesondere habe der Senat von Berlin seinen gerichtlich nur einge-
schränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum auch insoweit eingehalten, als er
nicht lediglich die im "Indikatorensystem zur kleinräumigen Wohnraummarkt-
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analyse" des GEWOS-Instituts vom April 2012 als besonders gefährdet be-
zeichneten Bezirke Mitte, Friedrichshain/Kreuzberg und Charlottenburg/
Wilmersdorf als Gebiete im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgewiesen
habe. Denn eine besondere Gefährdung in diesem Sinne liege bereits dann vor,
wenn eine Gemeinde in einer Mangelsituation durch sachliche Eigenarten ge-
kennzeichnet sei, die geeignet seien, den Wohnungsmarkt für breitere Bevölke-
rungsschichten negativ zu beeinflussen und ihm eine spezifische Labilität zu
vermitteln. Diese Voraussetzungen habe der Berliner Senat bereits aufgrund
der von ihm herangezogenen "Mietversorgungsquote 2011" und "Mietwoh-
nungsversorgungsquote Prognose 2020", die jeweils eine nicht unerhebliche
Unterversorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen auswiesen, ohne Über-
schreitung seines Beurteilungsspielraums für das gesamte Stadtgebiet bejaht.
Das gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass nach allgemeiner Le-
benserfahrung selbst dann noch eine Unterversorgung mit Wohnraum für die
breiteren Bevölkerungsschichten angenommen werden dürfe oder zumindest in
beachtlicher Weise drohe, wenn der Wohnungsmarkt in seinem vollen Umfang,
also bei Berücksichtigung des gesamten Angebotes und der gesamten Nach-
frage, einen Ausgleich bereits erreicht habe oder sogar schon ein leichtes
Übergewicht des Angebots zu erreicht haben scheine. Hinzu komme, dass die
für die besondere Gefährdungslage erforderliche spezifische Labilität des Woh-
nungsmarktes gerade für Ballungsräume, Industrie- und Universitätsstädte so-
wie für Städte mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion kennzeich-
nend sei.
Diese Sondermerkmale träfen auf Berlin als Hauptstadt der Bundesre-
publik Deutschland und als der mit 3,42 Millionen Einwohnern auch mit erhebli-
chem Abstand bevölkerungsreichsten Stadt Deutschlands und damit nach Ein-
wohnern der zweitgrößten Kommune der Europäischen Union in besonderer
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Weise - und kumulativ - zu. Ausgehend von dieser in der Bundesrepublik sin-
gulären Kumulation labilitätsfördernder, die Nachfrage nach Mieträumen weiter
stimulierender Faktoren für den Wohnungsmarkt sei es naheliegend und ver-
tretbar, eine für den Erlass der Kappungsgrenzen-Verordnung ausreichende
"besondere Gefährdung" der Versorgungslage selbst dann zu besorgen, wenn
vor Erlass der Verordnung nur in einem Teil der Bezirke bereits Mangellagen
eingetreten seien und auf andere Bezirke auszustrahlen drohten. Das Gleiche
gelte - unabhängig von den genannten Labilitätsfaktoren - schon allein aufgrund
der vom Berliner Senat herangezogenen Grundlagenmaterialen.
Hinzu komme, dass der vom Kläger behauptete abweichende Grad der
Wohnraumversorgung in sämtlichen Bezirken Berlins zu einem nicht unwesent-
lichen Teil auf Bewertungsmaßstäben beruhe, die in den Beurteilungsfreiraum
des Verordnungsgebers eingriffen. Es genüge nicht, den für sämtliche Bezirke
des Stadtgebiets tragenden Prognosen des Berliner Senats eigene Rechener-
gebnisse entgegenzuhalten, unabhängig davon, ob sie methodisch schlüssiger
oder aufgrund nachträglich bereinigter statistischer Grundlagendaten genauer
seien. Denn das Grundlagenmaterial für die vom Verordnungsgeber zu treffen-
de Prognoseentscheidung könne bei der erheblichen Fluktuation der Groß-
stadtbevölkerung in einer offenen Gesellschaft stets nur bedingt zuverlässig
und niemals zweifelsfrei sein. Daher müsse es im Rahmen seines weitgehen-
den Beurteilungsspielraums der exekutiven Entscheidung des Verordnungsge-
bers überlassen bleiben, inwieweit er sich auf einzelne Faktoren als für ihn
maßgebende Indizien einer Mangelsituation stütze.
Schließlich sei auch der dem Berliner Senat einzuräumende Zeitraum,
die bei Erlass der Kappungsgrenzen-Verordnung für sämtliche Bezirke prog-
nostizierten Gefährdungslagen zu überprüfen, herangezogenes Grundlagenma-
terial zu aktualisieren und erforderlichenfalls zu überarbeiten, wegen des mit
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der Beurteilung der Komplexität des Wohnungsmarktgeschehens verbundenen
Aufwands bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
bei Weitem noch nicht abgelaufen gewesen.
Aus der nach alledem zu bejahenden Wirksamkeit der Kappungsgren-
zen-Verordnung folge eine Absenkung der Kappungsgrenze auf 15 % für das
streitgegenständliche Mieterhöhungsverlangen. Zwar sei nach dem Wortlaut
des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB sowohl das Vorliegen einer besonderen Gefähr-
dungslage als auch die Bestimmung der gefährdeten Gebiete gemäß § 558
Abs. 3 Satz 3 BGB erforderlich. Wie sich aus der Gesetzesbegründung zu
§ 577a Abs. 2 BGB ergebe, die nach dem Willen des Gesetzgebers zur Ausle-
gung des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB heranzuziehen sei, seien die Voraussetzun-
gen dieser Vorschrift aber schon dann erfüllt, wenn der Verordnungsgeber wirk-
sam von der Ermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB Gebrauch gemacht ha-
be.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Die
Revision ist daher zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall
die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wirksam gemäß § 558 Abs. 3 Satz 2
und 3 BGB auf 15 % herabgesetzt ist. Die von der Revision gegen die Wirk-
samkeit der am 19. Mai 2013 in Kraft getretenen Kappungsgrenzen-Verordnung
des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 (GVBl. S. 128) vorgebrachten Einwendun-
gen sind unbegründet. Zwar hat das Berufungsgericht mit dem von ihm ange-
legten, nur auf die Überprüfung von Prognosefehlern ausgerichteten Bewer-
tungsmaßstab die gerichtliche Prüfungsbefugnis zu eng gezogen. Jedoch wirkt
sich dies auf das Ergebnis nicht aus, denn auch bei zutreffender Betrachtung
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bewegen sich die gesetzliche Regelung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
und die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin innerhalb der vom
Grundgesetz eröffneten Spielräume und hat der Verordnungsgeber den ihm
von der Ermächtigungsgrundlage in mehrfacher Hinsicht zugestandenen Beur-
teilungsspielraum nicht überschritten.
1. Die Revision geht mit dem Berufungsgericht zutreffend davon aus,
dass den Zivilgerichten im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieterhö-
hungsverlangen die Verpflichtung obliegt, die Vereinbarkeit einer einschlägigen
Kappungsgrenzen-Verordnung mit höherrangigem Recht zu prüfen, und ihnen
im Falle einer Unwirksamkeit der Rechtsverordnung auch eine Verwerfungs-
kompetenz (BVerfG, NVwZ 2006, 922, 923 f.; BVerfGK 16, 418, 442) zukommt.
a) Gerichte können und müssen die für ihre Entscheidung in Betracht
kommenden Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz
und landesrechtliche Vorschriften auch auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundes-
recht hin prüfen (BVerfGE 1, 184, 197; BGH, Urteil vom 26. Mai 1970 - VI ZR
199/68, BGHZ 54, 76, 81 f.). Das allgemeine richterliche Prüfungsrecht ist aller-
dings bei (nachkonstitutionellen) förmlichen Gesetzen im Hinblick auf das in
diesen Fällen bestehende Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsge-
richts (Art. 100 Abs. 1 GG) auf eine inzidente Bejahung der Verfassungsmäßig-
keit beschränkt (BVerfGE 1, 184, 198; 48, 40, 45; BVerfG, NVwZ 2015, 510,
514). Im Fall der Verneinung der Verfassungsmäßigkeit eines förmlichen Ge-
setzes reduziert sich die Prüfungskompetenz der Fachgerichte auf ein bloßes
Vorprüfungsrecht (BVerfGE 1, 184, 198).
b) Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für Normen im Rang unter
dem förmlichen Gesetz. Deren verfassungsrechtliche Nachprüfung obliegt viel-
mehr in Fällen ihrer Entscheidungserheblichkeit nach ständiger Rechtspre-
chung (uneingeschränkt) jedem Richter (BVerfGE 48, 40, 45), dem insoweit
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auch eine Verwerfungskompetenz zukommt (BVerfG, NVwZ 2006, 922, 923 f.;
BVerfGK 16, 418, 442). Er hat also die Befugnis, die Ungültigkeit einer unterge-
setzlichen Norm, insbesondere einer Rechtsverordnung, festzustellen und sie
bei seiner Entscheidung unbeachtet zu lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 18,
52, 59; 68, 319, 325 f.; BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12,
2 BvR 1989/12, juris Rn. 93).
c) An der uneingeschränkten Verpflichtung und Befugnis jedes Richters,
eine für seine Entscheidung erhebliche Rechtsverordnung auf ihre Vereinbar-
keit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, hat sich auch durch die Einfüh-
rung eines verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahrens (§ 47 VwGO)
nichts geändert. Denn dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem kann
nicht entnommen werden, dass hierdurch die Möglichkeiten des subjektiven
Rechtschutzes beschnitten werden sollten (BVerwGE 111, 276, 278; 136, 54,
57). Dies übersehen jene Stimmen in der Instanzrechtsprechung und im Schrift-
tum, die die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung auch dann,
wenn diese Frage für die Beurteilung eines zivilrechtlichen Anspruchs erheblich
ist, als (ausschließliche) Aufgabe der Verwaltungsgerichte begreifen (AG Wed-
ding, GE 2014, 593; AG Neukölln, GE 2014, 1145, 1146; Schmidt-
Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 11. Aufl., § 558 BGB Rn. 182c [aA nun dem
Berufungsgericht folgend die 12. Aufl., § 558 BGB Rn. 182d1]; Schmidt-
Futterer/Blank, Mietrecht, 12. Aufl., § 577a Rn. 22; Schmidt/Harz/Riecke, Fach-
anwaltskommentar Mietrecht, 4. Aufl., § 577a BGB Rn. 21 f.; Lammel, Wohn-
raummietrecht, 3. Aufl., § 577a BGB Rn. 18; Beuermann, GE 2008, 1533,
1534).
Dass für diese Sichtweise kein Raum ist, hat nun auch das Bundesver-
fassungsgericht ausdrücklich bestätigt, indem es unter Bezugnahme auf das
- den Gegenstand des hiesigen Revisionsverfahrens bildende - Urteil des Beru-
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fungsgerichts ausgesprochen hat, dass die Zivilgerichte, sofern die Entschei-
dung des jeweiligen Zivilrechtsstreits davon abhängt, auch zu prüfen haben, ob
eine Rechtsverordnung nach § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB ("Mietpreisbremse")
oder nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB (Kappungsgrenzen-Verordnung) den An-
forderungen an die gesetzliche Ermächtigung genügt und auch im Übrigen mit
höherrangigem Recht in Einklang steht (vgl. BVerfG, WuM 2015, 475, 476).
2. Dass die gesetzliche Regelung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB selbst ver-
fassungsrechtlichen Bedenken begegnet und es damit an einer wirksamen Er-
mächtigungsgrundlage für die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin
fehlt, macht die Revision nicht geltend. Auch der Senat vermag eine Verfas-
sungswidrigkeit dieser Regelung nicht zu erkennen.
a) § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB in Verbindung mit Satz 2 verstößt nicht ge-
gen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach darf eine
Ermächtigung nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen wer-
den kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch ge-
macht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlasse-
nen Verordnungen haben können (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015
- 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12, juris Rn. 55 mwN). Gemessen daran sind In-
halt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung hier im Gesetz hinreichend
deutlich bestimmt (vgl. auch BVerfGE 38, 348, 357 ff. zum Verbot der Zweck-
entfremdung von Wohnraum nach Art. 6 § 1 Abs. 1 Mietrechtsverbesserungs-
gesetz [im Folgenden: MRVerbG], sowie BVerfG, NJW 1992, 3031 zur hessi-
schen Miethöheverordnung).
aa) Der sich schon aus dem Wortlaut der Ermächtigung deutlich erge-
bende Inhalt besteht darin, Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren bei
bestehenden Wohnmietverhältnissen (§ 558 BGB) zeitlich und räumlich be-
grenzt mit einer Kappungsgrenze von 15 % zu versehen und insoweit den Lan-
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desregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, lenkend in die Entwicklung der Be-
standsmieten einzugreifen, indem sie sich eines bestimmten Mittels bedienen,
nämlich der Festlegung von räumlichen Gebieten, in denen eine ausreichende
Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingun-
gen besonders gefährdet ist (§ 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB).
Auch der Zweck der Ermächtigung ergibt sich unmittelbar aus dem Ge-
setz selbst. Ziel der Absenkung der allgemeinen Kappungsgrenze von 20 %
(§ 558 Abs. 3 Satz 1 BGB) auf 15 % im Falle einer besonderen Gefährdungsla-
ge ist es, den Anstieg der im Vergleichsmietenverfahren zu ermittelnden Be-
standsmieten zu verlangsamen (vgl. BT-Drucks. 17/11894, S. 23) und so in den
betroffenen Gebieten einer Doppelbelastung der Mieter durch energetische
Modernisierungen und Mieterhöhungen sowie einer drohenden Verdrängung
der Mieter aus ihren bisherigen Wohnungen wegen für sie unbezahlbar wer-
dender Mieten entgegenzuwirken (vgl. BT-Drucks. 17/9559, S. 4).
bb) Schließlich ist auch das Ausmaß der Ermächtigung dem Gesetz mit
hinreichender Klarheit zu entnehmen. Dem Verordnungsgeber wird die Aufgabe
übertragen, den räumlichen (und zeitlichen) Geltungsbereich der Absenkung
der Kappungsgrenze auf 15 % festzulegen und hierzu diejenigen Gemeinden
oder Gemeindeteile zu bestimmen, auf die die im Gesetz (§ 558 Abs. 3
Satz 2 BGB) vorgegebenen Kriterien zutreffen. Dabei können nach den Vorstel-
lungen des Gesetzgebers zur Ausfüllung der dort verwendeten unbestimmten
Rechtsbegriffe die Gesetzesmaterialien und die Rechtsprechung zu § 577a
Abs. 2 BGB (Kündigungssperre bei Umwandlung von Mietwohnungen in Woh-
nungseigentum) herangezogen werden (BT-Drucks. 17/11894, S. 23). Dass der
Gesetzgeber die Gefährdungslage nicht weiter konkretisiert hat, etwa durch
eine numerische Quantifizierung (beispielsweise durch Festlegung eines be-
stimmten Verhältnisses zwischen den vorhandenen Einkommen und den gefor-
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derten Mieten), ist nicht zu beanstanden (BVerfGE 38, 348, 363 [zum Zweck-
entfremdungsverbot nach Art. 6 § 1 Abs. 1 MRVerbG]). Die in Art. 80 Abs. 1
Satz 2 GG angeordnete Bindung des Verordnungsgebers an Inhalt, Zweck und
Ausmaß der Ermächtigung soll nicht ausschließen, dass ihm als einem demo-
kratisch legitimierten und politisch verantwortlichen Staatsorgan ein gewisser
Beurteilungsspielraum für sein Eingreifen bleibt (BVerfGE 38, 348, 363).
b) Eine weitergehende Verpflichtung zur Konkretisierung der Vorausset-
zungen einer Absenkung der Kappungsgrenze in Gebieten mit besonderer Ge-
fährdungslage ist dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nicht
zu entnehmen. Denn das Erfordernis der Bestimmtheit zwingt den Gesetzgeber
nicht, den Tatbestand mit genau fassbaren Maßstäben zu umschreiben
(BVerfGE 78, 205, 212). Der Gesetzgeber ist also grundsätzlich nicht daran
gehindert, unbestimmte Rechtsbegriffe - auch mehrere zugleich - zu verwenden
(st. Rspr.; vgl. BVerfGE 78, 214, 226; 106, 1, 19; 110, 33, 56 f.; 56, 1, 12 f.;
BVerfGK 17, 273, 285). An die tatbestandliche Konkretisierung dürfen dabei
keine nach der konkreten Sachlage unerfüllbaren Anforderungen gestellt wer-
den (BVerfGE 56, 1, 12 f.; BVerfGK 17, 273, 285). Es ist insoweit nur zu for-
dern, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach
einrichten können (vgl. BVerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102,
254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt
der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der
anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE
102, 254, 337; 106, 1, 19; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils
mwN; BGH, Urteil vom 8. April 2013 - AnwZ (Brfg) 54/11, BGHZ 197, 118
Rn. 21 f.). Hierzu kann insbesondere auf den Zweck, den Sinnzusammenhang
und die Vorgeschichte des Gesetzes abgestellt werden (BVerfGE 80, 1, 20 f.;
106, 1, 19 mwN).
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So liegen die Dinge hier. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat im
Wege der Auslegung den auch in anderen Vorschriften (Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1
MRVerbG; § 577a Abs. 2 BGB) verwendeten Begriffen "ausreichende Versor-
gung", "angemessene Bedingungen" und "besondere Gefährdung" hinreichen-
de Konturen verliehen (vgl. BVerfGE 38, 348, 360; BVerwG, NJW 1983, 2893 f.;
jeweils zu Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG). Der Gesetzgeber war vor diesem
Hintergrund auch nicht gehalten, dem Verordnungsgeber - wie dies bei dem
zwischenzeitlich in Kraft getretenen § 556d Abs. 2 BGB ("Mietpreisbremse" bei
Neuvermietungen) der Fall ist - Indikatoren für die Feststellung eines ange-
spannten Wohnungsmarktes aufzuzeigen, zumal die Auswahl geeigneter Krite-
rien in besonderem Maße von den jeweiligen regionalen Verhältnissen abhängt
(vgl. BT-Drucks. 18/3121, S. 43).
c) Die durch das Mietrechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 (BGBl. I
S. 434) zum 1. Mai 2013 in Kraft getretene Regelung des § 558 Abs. 3 Satz 3 in
Verbindung mit Satz 2 BGB verstößt nicht gegen die in Art. 14 Abs. 1 GG ver-
bürgte Eigentumsgarantie (so auch Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Ge-
schäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap III. A Rn. 1104).
aa) Die genannte Vorschrift ermächtigt die Landesregierungen, durch
Rechtsverordnung Gemeinden oder Teile von Gemeinden zu bestimmen, in
denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu
angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und in denen deshalb bei
Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren bei bestehenden Mietverhältnis-
sen die allgemein gültige Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 20 % auf
15 % herabgesetzt werden kann. Diese Verschärfung der Kappungsgrenze
stellt eine Beeinträchtigung der im Eigentumsrecht wurzelnden Befugnisse dar.
Das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem
rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbe-
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fugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet. Dem
grundrechtlichen Schutz unterliegt danach sowohl das Recht, den Eigentums-
gegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschlie-
ßen, als auch die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern oder aus
der vertraglichen Überlassung zur Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen,
der zur finanziellen Grundlage für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung
beiträgt (BVerfGE 79, 292, 304; 101, 54, 74 f.; BVerfG, ZOV 2013, 115, 116).
Grundsätzlich ist damit auch die Befugnis des Eigentümers geschützt, von ei-
nem Mieter die nach bisheriger Rechtslage erzielbare Miete zu verlangen.
bb) Der in der Herabsetzung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen
im Vergleichsmietverfahren um 5 % liegende Eingriff in das durch Art. 14
Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Vermieters stellt jedoch eine zuläs-
sige Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
(1) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie
ergibt sich aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die
nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (BVerfGE 95, 48,
58; 101, 54, 75). Diesem ist es bei der Neuregelung eines Rechtsgebiets nicht
ausnahmslos verwehrt, auch in bestehende Rechtspositionen umgestaltend
einzugreifen. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, eine einmal ausgestaltete
Rechtsposition für alle Zukunft ihrem Inhalt nach unangetastet zu lassen
(BVerfGE 83, 201, 212; BVerfG, NVwZ 1998, 725, 726). Bei der Erfüllung des
ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags hat der Gesetzgeber vielmehr
sowohl der verfassungsrechtlich garantierten Rechtsstellung des Eigentümers
als auch dem aus Art. 14 Abs. 2 GG folgenden Gebot einer sozialgerechten
Eigentumsordnung angemessen Rechnung zu tragen. Er hat daher die schutz-
würdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein
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ausgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. BVerfGE 100, 226, 240; 101, 54, 75;
BVerfG, ZOV 2013, 115, 116 f.).
Die Bindung des Eigentumsgebrauchs an das Wohl der Allgemeinheit
gemäß Art. 14 Abs. 2 GG schließt die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Be-
lange desjenigen ein, der konkret auf die Nutzung des Eigentumsobjekts ange-
wiesen ist (BVerfGE 37, 132, 140; 38, 348, 370; 52, 1, 32; 68, 361, 368; 101,
54, 75). Daher verlangt das grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl ori-
entierten Eigentumsnutzung im Falle der entgeltlichen Überlassung des Eigen-
tumsgegenstands an einen Dritten auch eine Rücksichtnahme auf die Interes-
sen des Nichteigentümers, der seinerseits der Nutzung des Eigentumsobjekts
zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung bedarf
(BVerfGE 37, 132, 140; 68, 361, 368; 95, 64, 84). Je mehr das Eigentumsobjekt
in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht, desto weiter
reicht die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schran-
kenbestimmung (vgl. nur BVerfGE 50, 290, 340 f.; 68, 361, 368; 95, 64, 84;
101, 54, 75 f.; 100, 226, 241; 102, 1, 17; BVerfG, ZOV 2013, 115, 117). Bei Re-
gelungen, die die Fremdnutzung von Wohnraum betreffen, kommt dem Gesetz-
geber aus diesem Grunde und auch wegen des Umstands, dass sich auf bei-
den Seiten grundrechtliche Positionen gegenüberstehen - auch das Besitzrecht
des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfGE 89, 1, 5 f.; BVerfG, NZM 2011, 479, 480) - ein wei-
ter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, NJW 1992, 1377 einerseits und BVerfGE
91, 294, 310 andererseits). Die Grenzen dieses Gestaltungsspielraums liegen
dabei nicht ein für alle Mal fest. Veränderungen der wirtschaftlichen und gesell-
schaftlichen Verhältnisse können vielmehr zu einer Verschiebung der Maßstäbe
führen (vgl. BVerfGE 24, 367, 389; 52, 1, 30; 70, 191, 201; 95, 64, 84; 101, 54,
76; 112, 93, 110; BVerfG, ZOV 2013, 115, 117). Der Gesetzgeber ist daher ins-
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besondere befugt, die jeweiligen Verhältnisse und Umstände auf dem Woh-
nungsmarkt zu berücksichtigen (BVerfGE 91, 294, 310).
Allerdings hat sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und
Schranken des Eigentums im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen
zu halten (BVerfG, ZOV 2013, 115, 117) und muss insbesondere den Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit beachten (vgl. BVerfGE 75, 78, 97 f.; 95, 64, 84;
110, 1, 28). Darüber hinaus ist er an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als
Grundrecht und als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip bei der inhaltlichen
Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden (vgl. BVerfGE
37, 132, 143; 49, 382, 395; 87, 114, 139; 102, 1, 17; BVerfG, ZOV 2013, 115,
117).
(2) Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich § 558 Abs. 3 Satz 2
und 3 BGB als eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14
Abs. 1 Satz 2 GG.
(a) Die genannte Regelung dient einem legitimen Regelungsziel, nämlich
in Gebieten mit besonderer Gefährdungslage den Anstieg solcher Mieten, die
bislang unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lagen, in bestehenden Wohn-
raummietverhältnissen zu dämpfen (vgl. BT-Drucks. 17/11894, S. 23) und so
die in betroffenen Gebieten lebenden Mieter vor einer möglichen Doppelbelas-
tung durch energetische Modernisierungen und Mieterhöhungen sowie vor ei-
ner drohenden Verdrängung aus ihren bisherigen Wohnungen wegen für sie
unbezahlbar werdender Mieten zu schützen (vgl. BT-Drucks. 17/9559, S. 4).
Dieser Regelungszweck liegt im öffentlichen Interesse, weil er letztlich darauf
ausgerichtet ist, die vertragstreuen Mieter faktisch vor einem (unverschuldeten)
Verlust ihrer Wohnung und damit ihres Lebensmittelpunkts (vgl. dazu BVerfGE
68, 361, 370; 79, 292, 302) zu bewahren.
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(b) Das zum 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz
führt zu einem angemessenen, auch die Belange der Vermieter hinreichend
berücksichtigenden und damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügenden
Interessenausgleich.
(aa) Die durch § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB erfolgte Herabsetzung der
Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren ist ersicht-
lich geeignet, den beschriebenen Gesetzeszweck zu erfüllen. Ein Mittel ist be-
reits dann geeignet im verfassungsrechtlichen Sinne, wenn mit seiner Hilfe der
gewünschte Erfolg erreicht werden kann, wobei die (abstrakte) Möglichkeit der
Zweckerreichung genügt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 63, 88, 115; 67, 157, 175;
103, 293, 307; 115, 276, 308). Bei der Einschätzung der Frage der Geeignetheit
verfügt der Gesetzgeber über einen (weiten) Beurteilungs- und Prognosespiel-
raum (vgl. BVerfGE 103, 293, 307; 105, 17, 34; 110, 141, 157; 115, 276, 308;
BVerfG, NVwZ 2004, 975). Ihm obliegt die Einschätzung der Lage und der zu-
künftigen Entwicklung sowie der Zwecktauglichkeit (BVerfGE 105, 17, 34;
vgl. BVerfGE 30, 250, 262 f.; 50, 57, 102). Diese darf nur darauf überprüft wer-
den, ob sie "objektiv tauglich oder ungeeignet" beziehungsweise "schlechthin
ungeeignet" war (BVerfGE 47, 109, 117; 61, 291, 313 f.; vgl. auch BVerfGE 39,
210, 230). Das wiederum darf nur verneint werden, wenn bei Ausschöpfung
aller Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes eindeu-
tig die Zweckuntauglichkeit der Maßnahme festgestellt werden könnte
(BVerfGE 39, 210, 230).
Gemessen daran besteht an der Geeignetheit der gewählten Maßnahme
kein Zweifel. Denn mit ihrer Hilfe kann das angestrebte Ziel der Dämpfung ei-
nes zu raschen Anstiegs der Bestandsmieten im Interesse des Erhalts der
Mietwohnung für den Mieter zumindest gefördert werden.
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(bb) Die Absenkung der Kappungsgrenze in Gebieten, in denen eine
ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemesse-
nen Bedingungen besonders gefährdet ist, ist zur Erreichung des angestrebten
Ziels auch erforderlich. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber
nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch we-
niger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können (BVerfGE 30, 292,
316; 39, 210, 230; 63, 88, 115; 67, 157, 176). Ebenso wie bei der Frage der
Geeignetheit steht dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforder-
lichkeit des Regelungsvorhabens ein (weiter) Beurteilungs- und Prognosespiel-
raum zu (BVerfGE 102, 197, 218; 110, 141, 157; 115, 276, 309; BVerfGK 14,
328, 334). Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung kann grundsätzlich
nur dann von Verfassungs wegen verneint werden, wenn sich eindeutig feststel-
len lässt, dass für die Erreichung des verfolgten Zwecks andere, weniger ein-
schneidende Mittel zur Verfügung stehen (BVerfGE 39, 210, 231 mwN; 53, 135,
145; 77, 84, 109). Es muss also nach den dem Gesetzgeber bekannten Tatsa-
chen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen eindeutig feststell-
bar sein, dass der als Alternative in Betracht kommende Eingriff geringerer In-
tensität den angestrebten Zweck sachlich gleichwertig erreicht (vgl. BVerfGE
102, 197, 218; 105, 17, 36; 115, 276, 309; BVerfG, ZOV 2013, 115, 117).
Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Es ist kein mil-
deres gesetzgeberisches Mittel ersichtlich, mit dem die angestrebte (rasche)
Verlangsamung des Anstiegs der Bestandsmieten und der damit beabsichtigte
Schutz der Mieter vor einer Doppelbelastung durch energetische Modernisie-
rungen und Mieterhöhungen sowie einer drohenden Verdrängung aus ihren
bisherigen Wohnungen wegen für sie unbezahlbar werdender Mieten erreicht
werden könnte. Denn der Gesetzgeber hat sich für einen Eingriff geringer In-
tensität entschieden. Er hat die Absenkung der Kappungsgrenze in § 558
Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB - anders als in früheren Fällen (Einführung einer Kap-
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pungsgrenze von 30 % durch die ab 1. Januar 1983 geltende Neufassung des
§ 2 Abs. 1 MHRG [BGBl. I 1982 S. 1912], vgl. hierzu BVerfGE 71, 230 ff.; Her-
absetzung der Kappungsgrenze auf 20 % durch das 4. Mietrechtsänderungsge-
setz vom 21. Juli 1993 [BGBl. I S. 1257]) - nicht flächendeckend für das gesam-
te Bundesgebiet eingeführt, sondern beschränkt auf die von den Landesregie-
rungen festzulegenden Gebiete, in denen eine Versorgung der Bevölkerung mit
Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Zudem
hat er sich auf eine Reduzierung der Kappungsgrenze um 5 % beschränkt. Fer-
ner hat er diese Absenkung mit einer zeitlichen Befristung versehen, denn die
Landesregierungen sind lediglich befugt, Verordnungen für einen Zeitraum von
bis zu fünf Jahren zu erlassen. Diese Frist liegt deutlich unter der für Verord-
nungen über Kündigungssperrfristen bei der Veräußerung von in Wohnungsei-
gentum umgewandelten Mietwohnungen (§ 577a Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB)
vorgesehenen Höchstfrist von zehn Jahren. Damit hat der Gesetzgeber den
Eingriff in das Eigentum der Vermieter in dreifacher Weise, nämlich räumlich,
zeitlich und betragsmäßig, abgemildert und davon abgesehen, eine allgemeine
und unbefristete Reduzierung der Kappungsgrenze vorzunehmen.
(cc) Die in § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB getroffene Regelung stellt
schließlich auch eine im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck angemessene
Maßnahme dar.
(aaa) Für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne sind zu-
nächst die Intensität sowie die Schwere und Tragweite einer Eigentumsbeein-
trächtigung von Bedeutung, die wiederum in hohem Maße davon mitbestimmt
werden, ob ein Eingriff in die eigentumsrechtlichen Zuordnungsverhältnisse und
die Substanz des Eigentums vorliegt, also die Bestandsgarantie des Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist (BVerfG, ZOV 2013, 115, 117). Die Absenkung der
Kappungsgrenzen für die Erhöhung von Bestandsmieten im Vergleichsmieten-
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verfahren lässt die Zuordnung der Eigentumsverhältnisse jedoch unberührt und
stellt auch keinen Eingriff in die Substanz des Eigentums dar. Sie regelt ledig-
lich die Begrenzung zukünftiger Erträge aus der Vermietung von Wohnraum
(vgl. BVerfGE 71, 230, 250). Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1
GG wird aber nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass nicht die höchstmögli-
che Rendite aus dem Eigentumsobjekt (BVerfGE 71, 230, 250, 253; BVerfG,
NJW 1992, 3031; vgl. auch BVerfGE 38, 348, 371; 91, 294, 310; 100, 226,
242 f.) oder nicht die Marktmiete ohne jede Verzögerung und in voller Höhe er-
zielt werden kann (BVerfG, NJW 1992, 1377).
Ein unverhältnismäßiger Eingriff und damit eine Verletzung von Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG wäre nur dann anzunehmen, wenn die Vermietung von
Wohnraum auch bei voller Ausschöpfung der Kappungsgrenze nach § 558
Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB im Ergebnis zu Verlusten führen, also die Wirtschaft-
lichkeit der Vermietung ernsthaft in Frage stellen würde (vgl. BVerfGE 71, 230,
250; 91, 294, 310; BVerfG, NJW 1992, 1377, 1378; 1992, 3031; BVerfG, Be-
schluss vom 12. Oktober 2000 - 2 BvR 2306/97, juris Rn. 2; Senatsurteil vom
28. April 2004 - VIII ZR 178/03, NZM 2004, 545 unter II 3). Dafür ist nichts er-
sichtlich (vgl. auch BayVerfGH, ZMR 2015, 676, 677). Dass solche Auswirkun-
gen konkret zu befürchten stehen, macht auch die Revision nicht geltend.
(bbb) Die Angemessenheit der Regelung in § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3
BGB ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil sie auf eine einseitige Be-
vorzugung der Mieter ausgerichtet wäre, die mit den verfassungsrechtlichen
Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang stün-
de (vgl. BVerfGE 37, 132, 141; 68, 361, 371; 71, 230, 247 ff.; 89, 1, 9; BVerfG,
NJW 1992, 3031).
Die in § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB geregelten Abweichungen von der
allgemeinen Kappungsgrenze in Höhe von 20 % gehen auf einen Kompromiss-
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vorschlag des Rechtsausschusses des Bundestages zurück (vgl. BT-Drucks.
17/11894, S. 21, 23); die Fraktionen der SPD und des Bündnis 90/Die Grünen
hatten ursprünglich eine räumlich und zeitlich unbeschränkte Verringerung der
Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 Satz 1 BGB auf 15 % gefordert (BT-Drucks.
17/9559, S. 4 f.; 17/10120, S. 3, 5). Jedenfalls durch die räumliche, zeitliche
und betragsmäßige Begrenzung der Reichweite der Sonderregelungen des
§ 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB wurde, obwohl die Absenkung der Kappungs-
grenze für sich betrachtet allein die Rechtsposition der Mieter stärkt, auch den
Interessen der Vermieter hinreichend Rechnung getragen (vgl. auch BVerfG,
NJW 1992, 3031).
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Absenkung der Kappungsgrenze
auf 15 % Bestandteil eines umfangreichen Reformpakets war, bei dem die
Rechtsposition des Vermieters an anderen Stellen, vor allem bei der energeti-
schen Modernisierung (etwa Ausschluss eines Minderungsrechts des Mieters
für drei Monate gemäß § 536 Abs. 1a BGB; Ausschlussfrist für den Härteein-
wand des Mieters nach § 555d Abs. 3, 4 BGB) und bei einer darauf gestützten
Mieterhöhung nach § 559 BGB (Ausschluss des Härteeinwands des Mieters
nach § 559 Abs. 5 Satz 1 BGB), verbessert wurde. Gerade für diese dem Ver-
mieter günstigen Maßnahmen sollte die Herabsetzung der Kappungsgrenze um
5 % ausweislich der Gesetzesmaterialien einen Ausgleich bieten (vgl. BT-
Drucks. 17/9559, S. 4). Die Neuregelung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
beruht mithin bei einer Gesamtbetrachtung auf einer im Rahmen des Art. 14
GG vorgenommenen Abwägung der Interessen des Vermieters an einer ange-
messenen wirtschaftlichen Verwertung seines Eigentums und den Interessen
des Mieters, vor übermäßigen und möglicherweise zum Verlust seines Le-
bensmittelpunkts führenden Mieterhöhungen geschützt zu sein (vgl. hierzu auch
BVerfGE 71, 230, 247 ff.).
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(c) Der Inhalts- und Schrankenbestimmung des § 558 Abs. 3 Satz 2
und 3 BGB haftet auch keine gleichheitswidrige Ausgestaltung (Art. 3
Abs. 1 GG) an.
(aa) Im Schrifttum wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, es liege
eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Vermieters in einem bestehenden
Mietverhältnis vor, weil der Gesetzgeber mit dem Mietrechtsänderungsgesetz
vom 11. März 2013 bei Neuvertragsmieten keine entsprechende Beschränkung
eingeführt und daher der Abstand zwischen Bestandsmieten lang laufender
Mietverhältnisse und Neuvertragsmieten in Ballungszentren nicht nur immer
größer werde, sondern schließlich vom Vermieter nicht mehr aufgeholt werden
könne (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 12. Aufl., § 558 BGB Rn. 148
mwN). Damit wird sinngemäß eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehand-
lungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend gemacht. Zwischenzeitlich ist al-
lerdings durch das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 (BGBl. I
S. 610) für die Wiedervermietung von Bestandswohnungen (Neuvertragsmie-
ten) eine Beschränkung dahin eingeführt worden, dass die Miete zu Beginn des
Mietverhältnisses in Gebieten eines angespannten Wohnungsmarkts grund-
sätzlich die ortsübliche Vergleichsmiete nur um höchstens 10 % übersteigen
darf (§ 556d Abs. 1 BGB).
(bb) Die vom Schrifttum erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken
greifen unabhängig von dieser Entwicklung nicht durch. Der allgemeine Gleich-
heitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich
zu behandeln; dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung ver-
wehrt (BVerfGE 118, 1, 26; BVerfG, NJW 2014, 139). Differenzierungen bedür-
fen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzie-
rungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl.
BVerfGE 75, 108, 157; 93, 319, 348 f.; 107, 27, 46; 126, 400, 416; 129, 49,
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68 f.). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben
sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürver-
bot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen
(BVerfGE 117, 1, 30; 126, 400, 416; 129, 49, 68; BVerfG, NJW 2014, 139, 140).
(aaa) Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der
Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung. Das gilt auch dann, wenn
eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehand-
lung von Personengruppen bewirkt (BVerfGE 95, 267, 316; 118, 1, 26). Es ist
dann im Einzelnen nachzuprüfen, ob für die vorgesehene Differenzierung
Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unglei-
chen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 110, 141, 167; 110, 274,
291; 118, 1, 26). Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Verschieden-
behandlung mehrerer Personengruppen lässt der Gleichheitssatz dem Gesetz-
geber dagegen weitgehende Freiheit, Lebenssachverhalte und das Verhalten
von Personen entsprechend dem Regelungszusammenhang verschieden zu
behandeln. Es ist dann grundsätzlich Sache des Betroffenen, sich auf diese
Regelung einzustellen und nachteiligen Auswirkungen durch eigenes Verhalten
zu begegnen (BVerfGE 55, 72, 89; 60, 329, 346). Allerdings wird auch hier die
Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers durch das Willkürverbot begrenzt; sie
endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht
mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise ver-
einbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung
fehlt und damit die Unsachlichkeit evident ist (BVerfGE 9, 334, 337; 55, 72, 90;
60, 329, 346 f.; 95, 267, 317).
(bbb) Im vorliegenden Fall sind durch § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
nicht mehrere Personengruppen betroffen, die ungleich behandelt werden.
Vielmehr werden lediglich unterschiedliche mietrechtliche Sachverhalte ver-
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schieden bewertet (vgl. auch BVerfGE 118, 1, 26), nämlich die Mieterhöhung in
laufenden Mietverhältnissen, bei denen die schon seit langem bestehende
Kappungsgrenze nun bei besonderen Gefährdungslagen zeitlich beschränkt um
5 % gesenkt werden kann, und die davon zu unterscheidende - von dem Miet-
rechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 nicht betroffene - erstmalige Ver-
einbarung der Miete im Falle einer Wiedervermietung. Es hat daher nur eine
Prüfung am Maßstab des Willkürverbots zu erfolgen (vgl. BVerfGE 55, 72, 89;
60, 329, 346 f.; 118, 1, 26 f.).
Insoweit reichen die im Zusammenhang mit der Prüfung des Art. 14
Abs. 1 GG zu betrachtenden Ziele des Gesetzgebers, also die mit § 558 Abs. 3
Satz 2 und 3 BGB bezweckte Dämpfung des Anstiegs der Bestandsmieten in
Gebieten mit besonderer Gefährdungslage, die - wie bereits mehrfach ausge-
führt - wiederum dazu dienen soll, die Mieter vor einem Auszug aus der für sie
infolge von Mieterhöhungen finanziell untragbar gewordenen Wohnung zu be-
wahren (vgl. BT-Drucks. 17/9559, S. 4), als sachliche Gründe für die vorgese-
hene Ungleichbehandlung der genannten Sachverhalte aus. Diese Zielsetzung
unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem Zweck, der mit der - durch
das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 erstmals eingeführten -
Deckelung bei der Festlegung der Miete im Falle der Wiedervermietung einer
frei gewordenen Wohnung verfolgt wurde. Bei dieser Deckelung geht es gerade
nicht darum, dem Mieter seine bisherige Wohnung zu erhalten, sondern viel-
mehr darum, einer "Gentrifizierung" entgegenzuwirken und sicherzustellen,
dass die Bevölkerung (einschließlich einkommensschwächerer Haushalte) im
Falle der Wohnungssuche auch in einem angespannten Wohnungsmarkt (vgl.
§ 556d Abs. 2 BGB) bezahlbare Mietwohnungen in ihrem bisherigen Wohnvier-
tel findet (vgl. BT-Drucks. 18/3121, S. 1, 11, 19). Der Gesetzgeber des Miet-
rechtsänderungsgesetzes vom 11. März 2013 war daher nicht aus Gleichbe-
56
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handlungsgründen gehalten, für einen annähernden Gleichlauf der Entwicklung
von Bestands- und Neuvertragsmieten zu sorgen.
(cc) Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegt schließ-
lich - anders als die Revision im Zusammenhang mit der Kappungsgrenzen-
Verordnung des Landes Berlin sinngemäß geltend macht - auch nicht darin be-
gründet, dass die in § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB vorgesehene Verschärfung
der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren dieje-
nigen Vermieter härter trifft, die die Mieterhöhungsmöglichkeiten vor Inkrafttre-
ten dieser Regelung noch nicht ausgeschöpft hatten. Bei der gesetzlichen Neu-
regelung von Lebenssachverhalten ist es grundsätzlich Sache des Betroffenen,
sich hierauf einzustellen und daraus folgenden nachteiligen Auswirkungen
durch eigenes Verhalten zu begegnen (BVerfGE 55, 72, 89; 60, 329, 346). Das
Vertrauen des Betroffenen auf das unveränderte Fortbestehen einer derzeit für
ihn günstigen Rechtslage ist insbesondere auf dem sozialpolitisch umstrittenen
und von häufigen Gesetzesänderungen geprägten Gebiet des sozialen Miet-
rechts nicht schutzwürdig (BVerfGE 71, 230, 252). Der Gesetzgeber war also
nicht gehalten, für die Absenkung der Kappungsgrenze eine (längere) Über-
gangsregelung zu schaffen, zumal er aufgrund der Entwicklungen insbesondere
in Ballungszentren dringenden Regelungsbedarf gesehen hat (BT-Drucks.
17/9559, S. 4) und ihm auch hinsichtlich der Frage, ob Übergangsregelungen
zu schaffen sind, ein Gestaltungsspielraum zukommt (BVerfG, NJW 1994,
1718; Senatsurteil vom 28. April 2004 - VIII ZR 178/03, NZM 2004, 545 unter II
3). Schließlich sind im Streitfall auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die den
Kläger daran hätten hindern können, sein Mieterhöhungsverlangen rechtzeitig
vor dem Inkrafttreten des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB (und der darauf ge-
stützten Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin) geltend zu machen.
57
- 28 -
d) Auch eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Ver-
tragsfreiheit liegt - anders als dies die Revision gerichtet gegen die Kappungs-
grenzen-Verordnung selbst vorbringt - nicht vor. Diese wäre erst dann verletzt,
wenn die Regelung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB insgesamt zu einer
strukturellen Unterlegenheit des Vermieters führen und die wirtschaftlichen Fol-
gen für den Vermieter ungewöhnlich belastend wären (BVerfGE 89, 214, 232).
Eine solche Störung des Verhandlungsgleichgewichts ist nicht gegeben
(BayVerfGH, ZMR 2015, 676, 678). Durch das Mietrechtsänderungsgesetz vom
11. März 2013 wird lediglich in ausgewiesenen Gebieten die Obergrenze für
eine Mieterhöhung im Vergleichsmietenverfahren um 5 % abgesenkt, wobei
dem Vermieter durch dasselbe Gesetz Vorteile bei der Durchführung einer
energetischen Modernisierung und einer hierauf gestützten Mieterhöhung ge-
währt werden. Zudem genießt die Erwartung des Vermieters, die höchstmögli-
che Rendite zu erzielen, keinen verfassungsrechtlichen Schutz (BayVerfGH,
ZMR 2015, 676, 678).
3. Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai
2013 (GVBl. S. 128) ist von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt.
a) Der Senat von Berlin war als durch § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB ermäch-
tigte Landesregierung (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG) zuständig für den Erlass
der genannten Rechtsverordnung. Die Rechtsgrundlage für die Ermächtigung
ist, wie dies in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verlangt wird (vgl. hierzu eingehend
BVerfGE 101, 1, 41 ff.), in der Verordnung angegeben.
b) Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin hält sich im
Rahmen der durch die Ermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB an den Ver-
ordnungsgeber delegierten Rechtssetzungsmacht.
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- 29 -
aa) Der Bundesgesetzgeber hat, wie nachfolgend näher darzulegen sein
wird, den Landesregierungen in mehrfacher Hinsicht einen Beurteilungsspiel-
raum eingeräumt. Dieser ist von den Fachgerichten nur beschränkt überprüfbar,
denn die fachgerichtliche Kontrolle kann nicht weiter reichen als die materiell-
rechtliche Bindung des Verordnungsgebers an die gesetzgeberische Entschei-
dung. Sie endet daher dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich
unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determi-
niert, sondern dem Entscheider einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum
belässt (vgl. BVerfGE 88, 40, 56, 61; 103, 142, 156 f.; 116, 1, 18; BVerwGE
131, 41, 47 f.; BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, EnWZ
2014, 378 Rn. 25; vom 22. Juli 2014 - EnVR 59/12, ZNER 2014, 469 Rn. 23).
Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Ausübung von Beurteilungs-
spielräumen, die der Gesetzgeber Verwaltungsbehörden belässt (zum diesbe-
züglichen Prüfungsmaßstab vgl. BVerfGK 16, 418, 435 f.; BGH, Beschlüsse
vom 21. Januar 2014 - EnVR 12/12, EnWZ 2014, 378 Rn. 27; vom 22. Juli 2014
- EnVR 59/12, ZNER 2014, 469 Rn. 25), und den Spielräumen, die er dem Ver-
ordnungsgeber als einem demokratisch legitimierten und politisch verantwortli-
chen Staatsorgan (vgl. BVerfGE 38, 348, 363) im Rahmen der (teilweisen) De-
legierung seiner Rechtsetzungsmacht einräumt. Es liegt in der Natur der Sache,
dass dem Verordnungsgeber regelmäßig ein politischer Beurteilungs- und Ge-
staltungsspielraum gewährt wird. Innerhalb dieses Spielraums dürfen die Ge-
richte nicht ihr - auf Rechtserkenntnis ausgerichtetes - Urteil an die Stelle der
politischen oder wirtschaftlichen Wertungen und Entscheidungen des Verord-
nungsgebers setzen (vgl. BVerfGE 45, 142, 162; 53, 1, 21). Sie dürfen insoweit
nur prüfen, ob die getroffene Maßnahme den Rahmen der Zweckbindung der
gesetzlichen Ermächtigung überschreitet (vgl. BVerfGE 45, 142, 162).
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- 30 -
So liegen die Dinge auch bei der Ermächtigung zum Erlass einer Kap-
pungsgrenzen-Verordnung, zu deren Auslegung nach dem Willen des Gesetz-
gebers auf § 577a Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden soll (BT-Drucks.
17/11894, S. 23), der wiederum aus § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB aF
hervorgegangen ist (BT-Drucks. 14/4553, S. 72 f.). In den Gesetzesmaterialien
zu der letztgenannten Vorschrift ist ausdrücklich festgehalten, dem Verord-
nungsgeber stehe "bei der Einschätzung der gegenwärtigen und künftigen
Wohnraumversorgungslage
ein
Beurteilungsspielraum
zu"
(BT-Drucks.
11/6374, S. 6). Weiter heißt es dort: "Die Übertragung des Bestimmungsrechts
auf die Länder stellt sicher, dass die Abgrenzung der Gebiete den jeweiligen
örtlichen Bedürfnissen gerecht wird"; zudem werde durch das Erfordernis einer
"ausdrücklichen, jedermann zugänglichen und verbindlichen Gebietsbestim-
mung" die für die Mietvertragsparteien "unverzichtbare Rechtssicherheit ge-
währleistet" (BT-Drucks. 11/6374, S. 6). Daraus lässt sich bezüglich der örtli-
chen Gegebenheiten ein weiter wohnungsmarkt- und sozialpolitischer Beurtei-
lungs- und Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers ableiten, der auch
im Rahmen der nachfolgend anzustellenden gerichtlichen Kontrolle zu beachten
ist.
Von dem beschriebenen - vom Gesetzgeber gewährten - Beurteilungs-
spielraum und der fachgerichtlichen Kontrolle seiner Einhaltung zu unterschei-
den sind die - von der Revision nicht immer getrennt betrachteten - Fragen, ob
dem Verordnungsgeber auch bezüglich der von ihm in einen angemessenen
Ausgleich zu bringenden grundrechtlichen Positionen von Vermieter und Mieter
(Art. 14 Abs. 1, 2 GG; Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des
Grundsatzes der Gleichbehandlung) ein Beurteilungs- und Prognosespielraum
zusteht und nach welchen Maßstäben dieser zu überprüfen ist. Diese Gesichts-
punkte sind im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Kappungs-
grenzen-Verordnung zu erörtern (dazu unter 4).
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- 31 -
bb) Der Gesetzgeber macht dem Verordnungsgeber über die in § 558
Abs. 3 Satz 2 BGB aufgestellten Kriterien, der zeitlichen Befristung einer Ver-
ordnung auf höchstens fünf Jahre und der Forderung, dass als Gebiete im Sin-
ne von Satz 2 nur (politische) Gemeinden oder Teile hiervon ausgewiesen wer-
den können, hinaus keine weiteren Vorgaben. Die weiteren Entscheidungen hat
er mit Rücksicht auf die Heterogenität der Mietwohnungsmärkte in der Bundes-
republik Deutschland den sachnäheren Landesregierungen überlassen (vgl.
hierzu BT-Drucks. 18/3121, S. 28 [zu dem § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
nachgebildeten § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB]). Diesen wird dabei ein anhand der
örtlichen Gegebenheiten auszufüllender wohnungsmarkt- und sozialpolitischer
Beurteilungsspielraum sowohl hinsichtlich der Festlegung der relevanten Gebie-
te nebst der Auswahl der Bezugsebene (gesamte Gemeinde oder Teile hiervon)
als auch des zeitlichen Geltungsbereichs der Verordnung und der Auswahl der
für die Ermittlung der erforderlichen Daten geeigneten Methodik eingeräumt,
wobei ihnen teilweise auch prognostische Entscheidungen abverlangt werden.
(1) Die Einräumung eines solchen Beurteilungsspielraums ergibt sich
nicht nur aus der Verwendung wertungsabhängiger und damit auszufüllender
Rechtsbegriffe in § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB, sondern auch aus den Ge-
setzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte der Norm.
(a) Die genannte Vorschrift geht zurück auf eine Empfehlung des
Rechtsausschusses des Bundestages, der sie strukturell dem in seinen Krite-
rien wortgleichen § 577a Abs. 2 BGB nachgebildet und insoweit ausgeführt hat,
diese Bestimmung könne zur Auslegung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
herangezogen werden (BT-Drucks. 17/11894, S. 23). § 577a Abs. 2 BGB ist
seinerseits hervorgegangen (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 72 f.) aus den in ihren
Tatbestandsvoraussetzungen ebenfalls mit § 577a Abs. 2 BGB und § 558
Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB identischen Regelungen des § 564b Abs. 2 Nr. 2
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- 32 -
Satz 3 und 4 BGB aF und des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit
gefährdeter Wohnversorgung (Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von In-
vestitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom
22. April 1993, BGBl. I 466, 487). In den Gesetzesmaterialien zu § 564b Abs. 2
Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB aF wurde, wie oben ausgeführt, ausdrücklich klarge-
stellt, dass dem Landesverordnungsgeber "bei der Einschätzung der gegenwär-
tigen und künftigen Wohnraumversorgungslage ein Beurteilungsspielraum" zu-
steht (BT-Drucks. 11/6374, S. 6).
Diesem Beurteilungsspielraum sollte zunächst durch die §§ 5a, 16
WoBindG nachempfundene Formulierung "Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf"
Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 11/6374, S. 6). Auf Vorschlag des
Rechtsausschusses des Bundestages (BT-Drucks. 11/7258, S. 4, 6 f.), der sich
seinerseits den Empfehlungen des mitberatenden Ausschusses für Raumord-
nung, Bauwesen und Städtebau angeschlossen hatte (BT-Drucks. 11/7258,
S. 6 f.), wurden stattdessen die ausdrücklich der bundesgesetzlichen Ermächti-
gung für Zweckentfremdungsverordnungen der Länder (Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1
MRVerbG, BGBl. I 1971 S. 1745) entlehnten Begriffe der "besonderen Gefähr-
dung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen"
verwendet (vgl. Kurzprotokoll der 71. Sitzung des Ausschusses für Raumord-
nung, Bauwesen und Städtebau vom 9. Mai 1990, S. 27 mit Anlage 5; Kurzpro-
tokoll der 72. Sitzung des vorgenannten Ausschusses vom 16. Mai 1990, S. 16
mit Anlage 11; Kurzprotokoll der 73. Sitzung dieses Ausschusses vom 17. Mai
1990, S. 18 mit Anlage 15; sämtlich 11. Wahlperiode - 2450). Durch die neue
Formulierung änderte sich an der Einräumung eines Beurteilungsspielraums für
den Verordnungsgeber nichts. Denn auch Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG,
dem § 564b Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB aF nachgebildet war, räumte den Lan-
desregierungen als demokratisch legitimierten und politisch verantwortlichen
Staatsorganen bei der Festlegung der betroffenen Gemeinden eine "nicht ganz
69
- 33 -
unerhebliche Bandbreite der Beurteilung" beziehungsweise "einen gewissen
Beurteilungsspielraum" ein (BVerfGE 38, 348, 360 f., 363; so auch BVerfG, Be-
schluss vom 5. Oktober 1984 - 1 BvR 701/83, S. 2, nicht veröffentlicht).
(b) Bei der Ausübung seines Beurteilungsspielraums hat sich der Ver-
ordnungsgeber zunächst an der Auslegung der Kriterien "ausreichende Versor-
gung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist
besonders gefährdet" durch die höchstrichterliche Rechtsprechung zu orientie-
ren, denn die Auslegung generell-abstrakter Rechtsnormen und der in ihnen
enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe ist eine originäre Funktion der recht-
sprechenden Gewalt (vgl. BVerfGK 16, 418, 435). Die höchstrichterliche Recht-
sprechung hat sich zwar - soweit ersichtlich - bislang nicht mit der Auslegung
der Regelungen in § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 577a Abs. 2 BGB oder § 564b
Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB aF befasst. Da die Vorschrift des § 558 Abs. 3
Satz 2 und 3 BGB aber letztlich auf die im Wesentlichen wortgleiche Ermächti-
gung in Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG zurückgeht und - ebenso wie diese
(vgl. BT-Drucks. VI/2564, S. 4) - dem Schutz des Mieters vor den Auswirkungen
einer Mangellage dient, kann jedoch, trotz der im Konkreten unterschiedlichen
Zielsetzungen der beiden Regelungen (Dämpfung des Anstiegs der Bestands-
mieten zum Zwecke des Erhalts des konkreten Mietverhältnisses einerseits und
Erhalt des Bestandes vorhandenen Wohnraums andererseits [vgl. BVerfGE 38,
348, 359 f.]), auf die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu-
rückgegriffen werden (ebenso Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Geschäfts-
und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. III. A Rn. 1103; vgl. auch Staudinger/Rolfs,
BGB, Neubearb. 2014, § 577a Rn. 38; Schneider/Spielbauer/Krenek, Mietrecht,
§ 577a BGB Rn. 51; vgl. ferner die Stellungnahme des Bundestags-
Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu einem möglichen
Rückgriff auf die Rechtsprechung zu Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG bei der
Auslegung des § 564b Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB aF, Kurzprotokoll der 72. Sit-
70
- 34 -
zung dieses Ausschusses vom 16. Mai 1990, S. 16 mit Anlage 11; 11. Wahlpe-
riode - 2450).
(aa) Unter "ausreichender Versorgung" ist daher ein annäherndes
Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage an Wohnungen, wie sie dem allge-
mein für Wohnungen der entsprechenden Gegend anzutreffenden Standard
entsprechen, zu verstehen (BVerfGE 38, 348, 360). Nach der Lebenserfahrung
ist allerdings davon auszugehen, dass selbst dann noch eine Unterversorgung
mit Mietwohnraum für die breiteren Bevölkerungsschichten gegeben sein oder
doch in beachtlicher Weise drohen kann, wenn der Wohnungsmarkt in seinem
vollen Umfang, das heißt bei Berücksichtigung des gesamten Angebots und der
gesamten Nachfrage, einen Ausgleich bereits erreicht hat oder sogar schon ein
leichtes Übergewicht des Angebots zu erreicht haben scheint (vgl. BVerwG,
NJW 1983, 2893, 2894; ferner BVerwG, NZM 2003, 606, 607 f.).
(bb) Mit "angemessenen Bedingungen" sind nicht außergewöhnlich nied-
rige Mieten gemeint, sondern Mieten, die für Wohnungen der entsprechenden
Art von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein,
also auch außerhalb der gefährdeten Gebiete, tatsächlich aufgebracht werden,
und zwar einschließlich etwaiger vom Staat gewährter finanzieller Hilfen
(BVerfGE 38, 348, 360; BVerwG, NJW 1983, 2893). Die Einbeziehung staatli-
cher Hilfen ist im Rahmen von § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB ebenfalls ge-
rechtfertigt, denn auch einkommensschwache Haushalte, insbesondere Haus-
halte, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sollen von der Absen-
kung der Kappungsgrenze auf 15 % profitieren (vgl. BT-Drucks. 17/10120,
S. 2 f.).
(cc) Die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen
zu angemessenen Bedingungen ist "gefährdet", wenn als Folge der Mangelsi-
tuation grundsätzlich latente Versorgungsschwierigkeiten bestehen (BVerwG,
71
72
73
- 35 -
NJW 1983, 2893). Diese quantitative, das Maß der Unterversorgung betreffen-
de Voraussetzung wird durch das weitere Tatbestandsmerkmal "besonders" um
eine qualitative Komponente ergänzt. Gefordert wird insoweit, dass eine Ge-
meinde oder ein Teil einer Gemeinde durch sachliche Eigenarten gekennzeich-
net ist, die geeignet sind, den Wohnungsmarkt für breitere Bevölkerungsschich-
ten negativ zu beeinflussen und ihm so eine spezifische Labilität zu vermitteln,
was insbesondere bei Ballungsräumen, in Industriestädten, in Städten mit her-
ausgehobener zentraler Lage oder Funktion sowie (bei entsprechenden Grö-
ßenverhältnissen) in Universitätsstädten der Fall zu sein pflegt (vgl. BVerwG,
NJW 1983, 2893, 2894).
(dd) Weiter sind der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu
früheren Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Mietrechts Hinweise
für die Beurteilung der voraussichtlichen zeitlichen Entwicklung einer Mangel-
lage zu entnehmen. § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB verlangt - wie schon die Rege-
lungen in § 577a Abs. 2 BGB, in § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 BGB aF und in
Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG oder in § 16 Abs. 4 Satz 2 WoBindG 1980 -
den Landesregierungen eine Prognoseentscheidung über die erforderliche
Laufzeit der zu erlassenden Verordnung ab (vgl. auch BT-Drucks. 14/4553,
S. 73 [zu § 577a Abs. 2 BGB]), denn der Gesetzgeber hat sich mit der Setzung
einer Höchstfrist von fünf Jahren begnügt. Auch insoweit besteht also ein Beur-
teilungsspielraum der Landesregierung (vgl. BVerwGE 80, 113, 120 [zu § 16
Abs. 4 Satz 2 WoBindG 1980]). Dabei ist zu beachten, dass der Erlass einer
Kappungsgrenzen-Verordnung nur dann angemessen ist, wenn sich damit die
Erwartung verbinden lässt, dass die (vorübergehende) Absenkung der Kap-
pungsgrenze um 5 % für einen gehörigen Zeitraum gerechtfertigt ist (vgl.
BVerwG, NJW 1983, 2893, 2894 [zu Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG];
BVerwGE 80, 113, 119).
74
- 36 -
Ausschlaggebend ist daher nicht, ob an einem bestimmten Stichtag ein
Wohnraumversorgungsdefizit in einer bestimmten zahlenmäßig festgelegten
Mindesthöhe besteht (BVerwGE 80, 113, 119 f.; BVerwG, NJW 1983, 2893,
2894). Statt einer solchen punktuellen Betrachtung des maßgeblichen Woh-
nungsmarktes, bei der mehr oder minder zufällig die eine oder andere Versor-
gungslage ermittelt wird, bedarf es vielmehr - ausgehend von der bisherigen
Entwicklung des örtlichen Wohnungsmarktes - einer prognostischen Beurtei-
lung, ob ein dauerhafter Ausgleich erreicht ist oder ob - gegebenenfalls trotz
einer zeitweilig eingetretenen Entspannung (oder einer Verbesserung der Woh-
nungsversorgung auf sachlichen Teilsegmenten des Wohnungsmarktes; vgl.
BVerwG, NZM 2003, 606, 607) - auf längere Sicht mit einer nicht nur vorüber-
gehenden Mangellage zu rechnen ist (BVerwGE 80, 113, 120; vgl. auch
BVerwG, NJW 1983, 2893, 2894). Eine zahlenmäßige "Momentaufnahme" darf
daher nicht Grundlage der Rechtsetzung durch den Verordnungsgeber sein;
dieser muss vielmehr die künftige Bedarfsentwicklung aufgrund einer voraus-
schauenden Betrachtung der sie beeinflussenden Faktoren einzuschätzen ver-
suchen (BVerwGE 80, 113, 120).
(c) Dagegen kann bezüglich der Reichweite der Entscheidungskompe-
tenz des Verordnungsgebers bei der räumlichen Bestimmung der relevanten
Gebiete ("in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde") nicht auf Recht-
sprechung zu anderen Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Miet-
rechts zurückgegriffen werden. Auch aus den Gesetzesmaterialien zu § 558
Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB oder zu früher vom Bundesgesetzgeber verabschie-
deten Verordnungsermächtigungen lassen sich keine hinreichende Rück-
schlüsse dazu ableiten, ob der Gesetzgeber mit der in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB
verwendeten Formulierung "in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemein-
de" dem Verordnungsgeber die Verpflichtung auferlegen wollte, die Ausweisung
der Gebiete möglichst kleinräumig vorzunehmen oder ob er ihm damit nur meh-
75
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- 37 -
rere gleichrangige Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen wollte. Daher
ist zur Ermittlung des Inhalts dieser Tatbestandsvoraussetzungen neben dem
Wortlaut der genannten Bestimmung maßgeblich auf den mit ihr verfolgten Ge-
setzeszweck abzustellen.
(aa) Die bundesgesetzliche Ermächtigung zum Erlass eines Zweckent-
fremdungsverbots durch die zuständige Landesregierung (Art. 6 § 1 Abs. 1
Satz 1 MRVerbG) sieht eine solche Maßnahme ausschließlich bezogen auf
Gemeinden vor, lässt also eine Beschränkung auf einen Teil einer Gemeinde
nicht zu. Bei dieser Formulierung blieb es bis heute. Eine im Jahr 2003 von den
Stadtstaaten aus Gründen der "Flexibilisierung des Zweckentfremdungsrechts"
beantragte Änderung des Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 MRVerbG dahin, dass nach
den Worten "für Gemeinden" die Ergänzung "und in den Ländern Berlin,
Bremen und Hamburg auch für Teilgebiete" eingefügt wird (BT-Drucks.
15/2133, S. 5 f.), wurde vom Bundestag nicht verabschiedet.
(bb) Die Wendung "in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde"
findet sich erstmals im Rahmen der Beratung des Bundestags-Ausschusses für
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau über eine - in § 564b Abs. 2 Nr. 2
Satz 3 und 4 BGB aF zu verankernde - Ermächtigung der Landesregierungen
zur Verlängerung der bundesgesetzlichen Kündigungssperrfrist bei der Um-
wandlung von Mietwohnungen in Wohnungseigentum in Gebieten, in denen
eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung zu angemessenen Bedingun-
gen besonders gefährdet ist (Kurzprotokoll der 71. Sitzung des vorbezeichneten
Ausschusses vom 9. Mai 1990, S. 27 mit Anlage 5; 11. Wahlperiode - 2450).
Dabei wies der Berichterstatter darauf hin, dass die Regelung, insbesondere
der Begriff der "besonderen Gefährdung der Versorgung mit Mietwohnungen"
der bundesgesetzlichen Ermächtigung für Zweckentfremdungsverordnungen
der Länder entnommen sei (Kurzprotokoll der 72. Sitzung dieses Ausschusses
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- 38 -
vom 16. Mai 1990, S. 16 mit Anlage 11; 11. Wahlperiode - 2450). Dieser Vor-
schlag fand nicht nur die Zustimmung des genannten Ausschusses (Kurzproto-
koll der 73. Sitzung des genannten Ausschusses vom 17. Mai 1990, S. 18 mit
Anlage 15; 11. Wahlperiode - 2450), sondern auch des Rechtsausschusses des
Bundestages (BT-Drucks. 11/7258, S. 4, 6 f.) und wurde so - in Abweichung
vom Gesetzesentwurf des Bundesrates, der noch ausschließlich auf den "ge-
samten örtlichen Wohnungsmarkt" abstellte (BT-Drucks. 11/6374, S. 6 f.) - auch
vom Bundestag beschlossen. Keines der genannten Gremien sah allerdings
Beratungsbedarf hinsichtlich der Frage, welche Bedeutung dem Zusatz "oder
einem Teil einer Gemeinde" zukommen sollte, ob also damit eine Verpflichtung
des Verordnungsgebers zu einer möglichst kleinräumigen Ausweisung der be-
troffenen Gebiete begründet oder ob diesem mehr Flexibilität eingeräumt wer-
den sollte.
(cc) Auch den Gesetzesmaterialien zu den - hinsichtlich ihrer Tatbe-
standsmerkmale im Wesentlichen § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB aF
nachempfundenen - Regelungen des § 577a Abs. 2 BGB (vgl. BT-Drucks.
14/4553, S. 72 f.), des Gesetzes über eine Sozialklausel in Gebieten mit ge-
fährdeter Wohnversorgung (Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investi-
tionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22. April
1993, BGBl. I 466, 487) und des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB (BT-Drucks.
17/11894, S. 23) lassen sich keine (klaren) Aussagen über die Auslegung des
Zusatzes "oder einem Teil einer Gemeinde" entnehmen. Es ist weder die Rede
davon, dass damit der Beurteilungsspielraum des Verordnungsgebers be-
schränkt noch dass er umgekehrt durch die Ausweitung des zur Verfügung ge-
stellten Instrumentariums erweitert werden sollte. Soweit der Entwurf eines
Mietrechtsreformgesetzes hinsichtlich der Neufassung des § 577a Abs. 2 BGB
ausführt, dass die Landesregierungen dazu angehalten werden sollen, den er-
heblichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters auf das für den Schutz
79
- 39 -
des Mieters zwingend erforderliche Maß zu beschränken und bei Erlass einer
entsprechenden Rechtsverordnung auch den mit der Sperrfrist verbundenen
Eingriff in das Eigentumsrecht des Käufers zu berücksichtigen, beziehen sich
diese Erwägungen - anders als die Revision meint - nicht auf den räumlichen
Geltungsbereich der Länderverordnungen, sondern ausschließlich auf die fest-
zusetzende Dauer der Kündigungssperrfrist, für die nun eine Höchstfrist von bis
zu zehn Jahren vorgesehen ist (BT-Drucks. 14/4553, S. 73). Etwas anderes
ergibt sich auch nicht daraus, dass in der genannten Bundestagsdrucksache an
einer Stelle auch die "konkrete Wohnungsmarktsituation" erwähnt wird. Denn
dieser Begriff wird allein im Zusammenhang mit der - nicht Gesetz gewordenen
Möglichkeit - verwendet, eine Kündigung des Erwerbers einer umgewandelten
Wohnung wegen Eigenbedarfs oder wegen angemessener wirtschaftlicher
Verwertung in Durchbrechung der Kündigungssperre zuzulassen, wenn er dem
Mieter einen vergleichbaren Ersatzwohnraum nachweist (BT-Drucks. 14/4553,
S. 73; § 577a Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB-E).
(dd) Letztlich ist daher zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in einer
Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde" neben dem Wortlaut auf den vom
Verordnungsgeber bei der Ausweisung von Gebieten, in denen eine ausrei-
chende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen
Bedingungen besonders gefährdet ist, zu beachtenden Zweck der gesetzlichen
Regelung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB zurückzugreifen (vgl. BVerfGE
101, 1, 36).
(aaa) Der Wortlaut lässt an sich sowohl die Deutung zu, dass dem Ver-
ordnungsgeber gleichermaßen die Ausweisung der Gesamtgemeinde sowie
eines Teils hiervon als gleichberechtigte Alternativen zur Auswahl gestellt wer-
den, als auch die Interpretation, dass der Verordnungsgeber nur dann die ge-
samte Gemeinde als Gebiet im Sinne des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmen
80
81
- 40 -
darf, wenn eine Begrenzung auf einen Gemeindeteil nicht (ernsthaft) in Betracht
kommt. Die erstgenannte Auslegung erscheint - anders als offenbar die Revisi-
on meint - allerdings im Hinblick auf die vom Gesetzgeber gewählte stufen- und
einschränkungslose Aneinanderreihung der beiden Alternativen und den Um-
stand, dass die Gesamtgemeinde an erster Stelle genannt wird, naheliegender
(so wohl auch BayVerfGH, ZMR 2015, 676, 679). Hierfür könnte auch der Um-
stand sprechen, dass die Befugnis zur Ausweisung von Teilgebieten in einem
früheren Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als eine Erweiterung der Be-
fugnisse des Verordnungsgebers im Interesse der Flexibilisierung begriffen
wurde (vgl. die von den Stadtstaaten beantragte Änderung des Art. 6 § 1 Abs. 1
Satz 1 MRVerbG dahin, dass nach den Worten "für Gemeinden" die Ergänzung
"und in den Ländern Berlin, Bremen und Hamburg auch für Teilgebiete" einge-
fügt wird - BT-Drucks. 15/2133, S. 5 f.).
(bbb) Entscheidend ist letztlich der mit § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
verfolgte Regelungszweck. Dieser spricht dafür, dass der Gesetzgeber dem
Verordnungsgeber hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung der betroffenen Ge-
biete (Gesamtgemeinde oder Teile hiervon) über die von diesem ohnehin zu
beachtenden grundrechtlichen Gewährleistungen hinaus (vgl. dazu unten unter
4) keine weiteren Vorgaben machen wollte. Dass der Gesetzgeber den Landes-
regierungen hierbei einen (weiten) Beurteilungsspielraum einräumen wollte,
ergibt sich aus zwei Gesichtspunkten.
Zum einen entzieht sich die zu regelnde Materie (unterschiedliche Ver-
hältnisse in Ballungs- und Verdichtungsräumen einerseits und strukturschwa-
chen Gebieten andererseits) aufgrund ihrer Eigenart einer sachgerechten Re-
gelung durch den Gesetzgeber selbst. Dieser sah daher von einer flächende-
ckenden Regelung ab und entschied sich stattdessen, durch die Übertragung
des Bestimmungsrechts auf die sachnäheren Landesregierungen sicherzustel-
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83
- 41 -
len, dass die Abgrenzung der Gebiete den jeweiligen örtlichen Bedürfnissen
gerecht wird (vgl. hierzu BT-Drucks. 11/6374, S. 6 [zu § 564b Abs. 2 Nr. 2
Satz 3 und 4 BGB aF]; vgl. ferner BT-Drucks. 18/3121, S. 28 [zu dem § 558
Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB nachgebildeten § 556d Abs. 2 Satz 1 BGB]). Dabei
sollte die vom Verordnungsgeber vorzunehmende Gebietsbestimmung im Inte-
resse der Rechtssicherheit verbindlich sein (vgl. BT-Drucks. 11/6374, S. 6 [zu
§ 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 und 4 BGB aF]).
Zum anderen sollte die in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB ausgesprochene Er-
mächtigung zum Erlass einer Landesverordnung dazu dienen, den Anstieg von
Bestandsmieten im Vergleichsmietverfahren wirksam zu dämpfen (BT-Drucks.
17/11894, S. 23). Um dieser Zielsetzung gerecht zu werden, ist nicht nur eine
möglichst zügige Reaktion der jeweiligen Landesregierung erforderlich. Viel-
mehr ist diese in Anbetracht dessen, dass eine besondere Gefährdung einer
ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemes-
senen Bedingungen aufgrund vielfältiger auf dem Wohnungsmarkt wirkender
Impulse weder zeitlich noch räumlich exakt eingegrenzt werden kann, zur (wirk-
samen) Erreichung des genannten Regelungszwecks darauf angewiesen, die
betroffenen Gebiete nicht zu eng zu fassen.
Hierbei spielt insbesondere eine Rolle, dass nach allgemeiner Lebenser-
fahrung die Erstreckung einer solchen Gefährdungslage auf das gesamte Ge-
meindegebiet insbesondere wegen der erheblichen Fluktuation der Bevölkerung
in größeren Städten (vgl. BVerwGE 59, 194, 198) und der - vor allem bei Bal-
lungsräumen, Industrie- und Universitätsstädten sowie Städten mit herausge-
hobener zentraler Lage oder Funktion vorhandenen (BVerwG, NJW 1983,
2893, 2894), häufig nicht ausreichend steuerbaren - spezifischen Labilität des
Wohnungsmarktes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. auch Derleder,
WuM 2013, 717, 719, 721). Der Verordnungsgeber darf daher in den Fällen, in
84
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- 42 -
denen die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine unzureichende Versorgung der
Bevölkerung örtlich nicht auf einen Teil der Gemeinde beschränkt bleibt, son-
dern auf andere Gemeindeteile überzugreifen droht, die Gesamtgemeinde als
Gebiet mit "besonderer Gefährdungslage" im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2
BGB ausweisen (vgl. Lehmann-Richter, WuM 2015, 204, 207 [zu § 556d Abs. 2
Satz 1 BGB]), zumal aussagekräftige Daten für einzelne Stadtteile häufig nicht
vorliegen dürften.
Die Revision, die dies anders sieht, berücksichtigt nicht hinreichend,
dass § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB zum Zeitpunkt des Erlasses einer Verordnung
nicht das Bestehen einer Unterversorgung der Bevölkerung im gesamten Ge-
meindegebiet verlangt, sondern nur das Vorhandensein einer "besonderen Ge-
fährdungslage". Wenn der Verordnungsgeber keine tragfähigen Anhaltspunkte
dafür hat, dass sich eine solche Lage auf abgrenzbare Gemeindeteile be-
schränkt, und er sich in dieser Situation entscheidet, die gesamte Gemeinde als
Gebiet im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB auszuweisen, überschreitet er
hierdurch nicht den ihm eingeräumten politischen Beurteilungsspielraum. Viel-
mehr hält er sich im Rahmen der Zweckbindung des ihn ermächtigenden Ge-
setzes.
(d) Der Gesetzgeber räumt den Landesregierungen auch hinsichtlich der
Auswahl der zur Feststellung einer besonderen Gefährdung der ausreichenden
Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingun-
gen geeigneten Methoden einen Beurteilungsspielraum ein. Dies ist dem Um-
stand geschuldet, dass aufgrund der Eigenart der Materie eine vollständig zu-
treffende Einschätzung der Lage des Wohnungsmarktes nicht möglich ist. Da
sich die Frage, ob und inwieweit eine besondere Gefährdungslage vorliegt,
nicht auf der Grundlage eines festumrissenen Sachverhalts beurteilen lässt und
hierfür auch keine allein zuverlässige und aussagekräftige Ermittlungsmethode
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- 43 -
zur Verfügung steht, ist der Verordnungsgeber gehalten, die Lage anhand von
Faktoren einzuschätzen, denen Indizwirkung für die beschriebene Mangelsitua-
tion zugeschrieben werden kann (BVerwGE 59, 195, 198 f.). Bei dieser schwie-
rigen Analyse und Prognose ist ihm ein Beurteilungsspielraum eingeräumt
(BVerwGE 59, 195, 198 f.; vgl. auch Lehmann-Richter, WuM 2015, 204, 207 [zu
§ 556d Abs. 2 BGB]). Dieser Spielraum ist im Rahmen von § 558 Abs. 3 Satz 2
und 3 BGB weit gefasst, denn der Gesetzgeber hat - anders als später bei
§ 556d Abs. 2 BGB - sogar davon abgesehen, mögliche Indikatoren zu benen-
nen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass - was später auch in der Geset-
zesbegründung zur Mietpreisbremse und der Stellungnahme des Bundesrates
hierzu ausgeführt worden ist (BT-Drucks. 18/3121, S. 29, 43) - sich letztlich nur
aus einer wertenden Gesamtschau unter Berücksichtigung der individuellen
Gegebenheiten ergeben kann, ob eine besondere Gefährdungslage im Sinne
von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB vorliegt oder nicht. Die Auswahl der Indikatoren
hängt damit in besonderem Maße von den jeweiligen regionalen Verhältnissen
ab (vgl. auch BT-Drucks. 18/3121, S. 43).
(2) Der Senat von Berlin hat sich bei Erlass der Kappungsgrenzen-
Verordnung vom 7. Mai 2013 innerhalb der Grenzen des ihm in mehrfacher
Hinsicht eröffneten Beurteilungsspielraums gehalten. Insbesondere überschrei-
tet die Ausweisung der gesamten Stadt Berlin als Gebiet im Sinne von § 558
Abs. 3 Satz 2 BGB nicht die Zweckbindung der gesetzlichen Ermächtigung.
Ausweislich
der
Verordnungsbegründung
(veröffentlicht
als
Vorgang
Nr. 17/0131 des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr; abrufbar unter
http://www.parlament-berlin.de/ados/17/BauVerk/vorgang/bv17-0131-v.pdf) hat
der Senat von Berlin geprüft, ob bei der vorzunehmenden Gebietsbestimmung
Teile von Berlin auszunehmen sind. Er hat sich dabei von dem - oben unter II 3
b bb (1) (c) (dd) (bbb) beschriebenen - Gesetzeszweck leiten lassen, nämlich
88
- 44 -
dem Ziel einer "Minderung der Mieterhöhungsmöglichkeit bis zur ortsüblichen
Vergleichsmiete".
(a) Dabei ist er zutreffend davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber
den Landesregierungen nicht zwingend aufgeben wollte, bei der Beurteilung
einer Mangellage eine Differenzierung nach Gemeindeteilen vorzunehmen,
sondern im Gegenteil in Anbetracht der mit § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB verfolgten
Zielsetzung durch die gleichrangige Aneinanderreihung von "Gemeinden" und
"Gemeindeteilen" - wie oben unter II 3 b bb (1) (c) (dd) ausgeführt - den Hand-
lungsspielraum des Verordnungsgebers erweitern und es dessen Einschät-
zungsprärogative überlassen wollte zu beurteilen, ob und unter welchen
Voraussetzungen eine Beschränkung der Gebietsbestimmung auf Gemeinde-
teile erfolgen soll. In Ausfüllung dieses Spielraums hat der Senat von Berlin bei
der Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung unter ande-
rem auf ein Instrumentarium zurückgegriffen, das nach seinem eigentlichen Be-
stimmungszweck dazu dienen soll, die ortsübliche Vergleichsmiete zuverlässig
abzubilden, nämlich auf den alle zwei Jahre neu erstellten Berliner Mietspiegel
(vgl. Seite 3 f. der Verordnungsbegründung). Die Heranziehung dieses Daten-
materials widerspricht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht dem Ge-
setzeszweck. Denn aus Mietspiegeln lassen sich über ihren unmittelbaren Be-
stimmungszweck hinaus auch Erkenntnisse über den Umfang und die Ge-
schwindigkeit eines möglichen Mietanstiegs gewinnen, dessen Dämpfung gera-
de von der gesetzlichen Ermächtigung des § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB bezweckt
wird.
Aus einem Vergleich der zum Zeitpunkt des Erlasses der Kappungsgren-
zen-Verordnung vorliegenden Mietspiegel 2007, 2009 und 2011 ergibt sich eine
deutliche Beschleunigung des jährlichen Anstiegs der ortsüblichen Vergleichs-
miete von 0,8 % (2007 bis 2009) auf 4 % (2009 bis 2011) bezogen auf das ge-
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90
- 45 -
samte Stadtgebiet (Verordnungsbegründung S. 4). Hinzu kommt, dass ausweis-
lich des Berliner Mietspiegels 2011 bei bestimmten Wohnungstypen, die in allen
Stadtteilen anzutreffen sind, sogar ein Mietanstieg von bis zu 8,8 % jährlich zu
verzeichnen war (Seite 4 der Verordnungsbegründung).
(b) Vor diesem Hintergrund wäre die auf die gesamte Stadt Berlin er-
streckte Gebietsausweisung nur dann nicht mehr von der Ermächtigungsgrund-
lage in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB gedeckt, wenn allein eine Beschränkung der
Gebietsbestimmung auf bestimmte Teile von Berlin (etwa Innenstadtlagen oder
beliebte Stadtbezirke) sachgerecht gewesen oder wenn sich der Senat von Ber-
lin bei der Ermittlung der in § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Voraussetzun-
gen objektiv ungeeigneter Indikatoren bedient hätte. An dieser Stelle ist - an-
ders als die Revision meint - nicht zu untersuchen, ob der Senat von Berlin eine
entsprechende Gebietsbegrenzung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhält-
nismäßigkeit hätte vornehmen müssen. Diese Frage stellt sich erst im Rahmen
der Prüfung, ob die Kappungsgrenzen-Verordnung von Berlin gegen materielles
Verfassungsrecht verstößt (dazu unter 4).
(aa) Dass allein eine Begrenzung der Gebietsausweisung auf bestimmte
(Innen-)Stadtbezirke sachgerecht gewesen wäre, ist nicht zu erkennen. Auch
die Revision führt hierfür keine tragfähigen Gesichtspunkte an. Sie verweist
zwar auf die vom Kläger vorgelegte Studie des Unternehmens GEWOS vom
April 2012 (Indikatorensystem zur kleinräumigen Wohnungsmarktanalyse), die
vom Senat von Berlin zur Vorbereitung eines vom Land Berlin geplanten
Zweckentfremdungsgesetzes in Auftrag gegeben worden war und die - unter
Heranziehung von (überwiegend) anderen Indikatoren - nur in den Bezirken
Mitte, Friedrichshain/Kreuzberg und Charlottenburg/Willmersdorf "eine ausrei-
chende Versorgung der Bevölkerung als gefährdet angesehen" hat (S. 24 der
Studie). Dabei verkennt sie, dass das von GEWOS gelieferte Datenmaterial
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- 46 -
schon in Anbetracht der unterschiedlichen Zielsetzungen eines Zweckentfrem-
dungsverbots (Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum; vgl. BVerfGE 38,
348, 364) und der Absenkung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen im
Vergleichsmietverfahren (Schutz der Bestandsmieter vor einem Auszug aus der
für sie infolge von Mieterhöhungen finanziell untragbar gewordenen Wohnung;
vgl. BT-Drucks. 17/9559, S. 4) nur von begrenzter Aussagekraft für eine Ge-
bietsausweisung nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB ist. Denn hierbei handelt es
sich um unterschiedliche Aspekte, die zu einer unterschiedlichen Beurteilung
der Gebietskulisse führen können (vgl. BayVerfGH, ZMR 2015, 676, 679;
Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 12. Aufl., § 558 BGB Rn. 182e; je-
weils zu § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB und § 577a Abs. 2 BGB).
Zudem übersieht die Revision, dass statistische Erhebungen über das
Vorliegen einer Mangellage in Anbetracht der erheblichen Fluktuation einer
Großstadtbevölkerung stets nur bedingt zuverlässig und nie unumstritten sein
werden (BVerwGE 59, 195, 198 f.), so dass die auf sämtliche Bezirke von Berlin
ausgerichtete Entscheidung des Berliner Senats - wie das Berufungsgericht
zutreffend ausgeführt hat - nicht schon dadurch in Frage gestellt wird, dass von
diesem nicht verwendetes Datenmaterial, selbst wenn dieses genauer oder me-
thodisch schlüssiger sein sollte, zu einer anderen Beurteilung gelangt. Denn
dadurch würde letztlich - in unzulässiger Weise - eine fremde Bewertung an die
Stelle der weitreichenden Beurteilungsprärogative des Verordnungsgebers ge-
setzt, dem die Entscheidung vorbehalten ist, inwieweit er sich auf einzelne (evi-
dente) Faktoren als maßgebende Indizien einer Mangelsituation stützen will
(vgl. BVerwGE 59, 195, 198 f.).
Die Prüfungskompetenz der Gerichte ist daher beschränkt auf die Frage,
ob das vom Verordnungsgeber angewandte methodische Konzept selbst in sich
tragfähig ist (vgl. auch BVerwG, NZM 2003, 606, 607 f.). Insbesondere ist es
93
94
- 47 -
den Gerichten verwehrt, eigene Berechnungsmodelle heranzuziehen, die mög-
licherweise (noch) besser geeignet wären, die "Lebenswirklichkeit" abzubilden.
Aus denselben Gründen war auch das vom Kläger beantragte Sachverständi-
gengutachten nicht zu erheben. Die Revision, die das anders bewertet, über-
sieht letztlich, dass es im vorliegenden Prozess nicht darum geht, das Vorliegen
der Voraussetzungen des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB festzustellen, sondern nur
die Frage zu klären ist, ob der Verordnungsgeber den ihm eingeräumten Spiel-
raum überschritten hat.
(bb) Dass der Senat von Berlin ungeeignete Indikatoren herangezogen
hätte, ist nicht ersichtlich. Die Wohnungsmarktsituation lässt sich durch Nach-
fragekriterien (zum Beispiel Bevölkerungswachstum, Einkommen), durch Ange-
botsindikatoren (zum Beispiel Leerstand) und durch Marktindikatoren (zum Bei-
spiel Mietentwicklung und Belastung) oder auch durch das Mietniveau abbilden,
wobei allerdings eine wertende Gesamtschau unter Berücksichtigung der regio-
nalen Gegebenheiten angezeigt ist und letztlich vom Verordnungsgeber zu ent-
scheiden ist, welchen Kriterien Aussagekraft von Gewicht für die örtlichen Ver-
hältnisse zukommt (vgl. auch BT-Drucks. 18/3121, S. 29).
Der Senat von Berlin hat zur Prüfung der Frage der "ausreichenden Ver-
sorgung" mit Mietwohnungen auf eine Kombination von drei - auf Datenerhe-
bungen beruhenden - Indikatoren abgestellt, nämlich auf die Mietwohnungsver-
sorgungsquote 2011, die das Verhältnis von marktrelevanten Miethaushalten
zum marktrelevanten Mietwohnungsbestand darstellt, die Mietwohnungsversor-
gungsentwicklung 2006 bis 2011, die dieses Verhältnis in seiner zeitlichen Ent-
wicklung betrachtet, und die Prognose der Mietwohnungsversorgungsquote
2020 (S. 5 der Verordnungsbegründung).
Hinsichtlich des Prüfkriteriums "angemessene Bedingungen" hat der Se-
nat von Berlin fünf - ebenfalls auf Datenerhebungen beruhende - Indikatoren
95
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- 48 -
herangezogen, nämlich den Index Angebotsmieten/Bestandsmieten, der die
Entwicklung der Angebotsmieten zu den Bestandsmieten im Zeitraum von 2006
bis 2011/2012 ausweist, den Index Bruttokaltmieten/Nettoeinkommen, der das
Verhältnis der Entwicklung der Bruttokaltmieten zum Nettoeinkommen darstellt,
die Entwicklung der Mobilitätsrate 2011 gegenüber 2006, den Wohnflächenver-
brauch 2011 im Verhältnis zu 2006 und den Index preisgünstige Mietangebo-
te/Berechtigte Haushalte (S. 5 f. der Verordnungsbegründung).
Dem Kriterium "besondere Gefährdung" hat der Berliner Senat durch ei-
ne Skalierung der für die Indikatoren vergebenen Punktzahlen Rechnung getra-
gen, wobei zwischen einer "Gefährdung" und einer "besonderen Gefährdung"
unterschieden wird (Seite 7 der Verordnungsbegründung).
4. Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai
2013 genügt ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
a) Sie verletzt nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
aa) Zwar ist - wie oben unter II 2 c aa ausgeführt - durch Art. 14 Abs. 1
GG die Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigen-
tümers über den Eigentumsgegenstand geschützt, was auch die Berechtigung
umfasst, aus der vertraglichen Überlassung des Eigentumsobjekts zur Nutzung
durch andere den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für eine ei-
genverantwortliche Lebensgestaltung beiträgt (BVerfGE 79, 292, 304; 101, 54,
74 f.; BVerfG, ZOV 2013, 115, 116). Damit ist grundsätzlich auch die Befugnis
des Eigentümers geschützt, von einem Mieter die nach bisheriger Rechtslage
erzielbare Miete zu verlangen. Diese Berechtigung wird durch die Berliner Kap-
pungsgrenzen-Verordnung insoweit beschnitten, als im gesamten Stadtgebiet
für die Dauer von fünf Jahren Bestandsmieten im Vergleichsmietenverfahren
98
99
100
101
- 49 -
innerhalb von drei Jahren nicht um höchstens 20 %, sondern nur um höchstens
15 % erhöht werden können.
bb) Die darin liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Verord-
nungsgebers nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, NVwZ 2004, 975
mwN) genügt jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
(1) Auch der Verordnungsgeber ist, allerdings nur innerhalb des ihm vom
Gesetzgeber überlassenen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums, befugt,
im Rahmen einer am Gemeinwohl orientierten Eigentumsnutzung (Art. 14
Abs. 2 GG) besondere Rücksicht auf die Interessen des Nichteigentümers zu
nehmen, der auf die Nutzung des ihm entgeltlich überlassenen Eigentumsob-
jekts zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung an-
gewiesen ist (vgl. BVerfGE 37, 132, 140; 68, 361, 368; 95, 64, 84). Insoweit
steht ihm ein vom Gesetzgeber delegierter Gestaltungs- und Einschätzungs-
spielraum zu (vgl. hierzu oben unter II 3 b bb (1) (c) (dd)), der es ihm erlaubt,
unter Beachtung der Verhältnisse und Umstände auf dem örtlichen Woh-
nungsmarkt in Konkretisierung des § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB das Aus-
maß der Eigentumsbeeinträchtigung des Vermieters in räumlicher Hinsicht
(Gemeinden oder Teile hiervon) sowie in zeitlicher Hinsicht (höchstens fünf Jah-
re) eigenständig zu bestimmen (vgl. auch BVerfGE 38, 348, 363; 56, 298, 318).
Hierbei sind ihm allerdings gewisse Grenzen gesetzt. Er hat sich - ebenso wie
der Gesetzgeber - im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen
zu halten, muss also in dem ihm zur Ausfüllung übertragenen Bereich für einen
ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen Sorge tragen und dabei
sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 75, 78, 97 f.; 95,
64, 84; 110, 1, 28) als auch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) als Grund-
recht und als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip bei der inhaltlichen Festle-
102
103
- 50 -
gung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten beachten (vgl. BVerfGE 37,
132, 143; 49, 382, 395; 87, 114, 139; 102, 1, 17; BVerfG, ZOV 2013, 115, 117).
(2) Diese Grenzen hat der Senat von Berlin nicht überschritten.
(a) Soweit von Verfassungs wegen dem Gesetz- und auch dem Verord-
nungsgeber aufgegeben wird, den für seine Entscheidung maßgeblichen Sach-
verhalt zutreffend und vollständig zu ermitteln und dem Gesetz oder der Ver-
ordnung zugrunde zu legen (BVerfGE 50, 50, 51 [zur Eingliederung von Ge-
meindegebietsteilen]; 56, 298, 319 [zur Festsetzung von Fluglärmschutzberei-
chen]), ist damit lediglich die Verpflichtung gemeint, zu treffende Entscheidun-
gen nicht auf ersichtlich unrichtige Sachverhaltsannahmen zu stützen (vgl.
BVerfGE 50, 50, 51) und nicht etwaige Auswirkungen eines Gesetzes oder ei-
ner Verordnung für betroffene Träger grundgesetzlicher Garantien (offenkundig)
unberücksichtigt zu lassen (vgl. BVerfGE 56, 298, 319). Diesen Anforderungen
ist der Senat von Berlin gerecht geworden. Er hat - wie oben unter II 3 b bb (2)
(c)) ausgeführt - keine von vornherein ungeeigneten Methoden zur Ermittlung
des Sachverhalts angewandt (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober
1984 - 1 BvR 701/83, S. 3, nicht veröffentlicht). Außerdem hat er, was in der
Verordnungsbegründung zum Ausdruck kommt, die Tragweite seiner Verord-
nung für die Berliner Vermieter erkannt.
(b) Hinsichtlich der Laufzeit der Verordnung hat der Berliner Senat von
dem ihm bezüglich der Einschätzung künftiger Auswirkungen der getroffenen
Regelungen eingeräumten Prognose- und Einschätzungsspielräumen Ge-
brauch gemacht. Diese Spielräume sind regelmäßig erst überschritten, wenn
die Erwägungen des Normgebers nicht mehr vertretbar, also so offensichtlich
verfehlt sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für Maßnahmen des
Gesetz- oder Verordnungsgebers abgeben können (BVerfGE 30, 292, 317; 77,
84, 106; BVerfG, NJW-RR 2000, 1241, 1242; differenzierend BVerfGE 50, 290,
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- 51 -
332 ff.). Davon kann hier nicht die Rede sein. Auch die Revision macht dies
nicht geltend.
Die Kappungsgrenzen-Verordnung erwiese sich daher selbst dann nicht
als verfassungswidrig, wenn sich später herausstellte, dass die Prognose über
das (fünfjährige) Andauern der besonderen Gefährdungslage unzutreffend ge-
wesen ist (vgl. BVerfGE 25, 1, 13; 30, 250, 263; 50, 290, 335; BVerfG, NJW
2005, 3132, 3133). Allerdings obliegt den Landesregierungen insoweit die Ver-
pflichtung, laufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einbeziehung
der ausgewählten Gemeinden oder Gemeindeteile in die gefährdeten Gebiete
noch gegeben sind (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 73 [zu § 577a Abs. 2 BGB];
BVerfGE 49, 89, 130; 95, 267, 314; BVerfG, NVwZ 2004, 975 mwN; BVerfG,
NJW 2005, 3132, 3133).
(c) Der Verordnungsgeber hat auch den Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit gewahrt.
(aa) Die Bestimmung des gesamten Stadtgebiets von Berlin als Gebiet,
in dem eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu
angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist (§ 558 Abs. 3 Satz 2
BGB) und damit die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen im Vergleichsmie-
tenverfahren für die Laufzeit der Verordnung um 5 % abgesenkt ist, ist ersicht-
lich geeignet, den damit verfolgten Zweck einer Dämpfung des Anstiegs von
Bestandsmieten zu erfüllen. Ein Mittel ist - wie oben unter II 2 c bb (2) (b) (aa)
ausgeführt - bereits dann geeignet im verfassungsrechtlichen Sinne, wenn mit
seiner Hilfe der gewünschte Erfolg erreicht werden kann, wobei die (abstrakte)
Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 63, 88, 115;
67, 157, 175; 103, 293, 307; 115, 276, 308). Bei der Einschätzung der Frage
der Geeignetheit verfügt - im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung - auch
der Verordnungsgeber über einen (weiten) Beurteilungs- und Prognosespiel-
107
108
109
- 52 -
raum (vgl. BVerfGE 53, 135, 145; BVerfG, NVwZ 2004, 975; BVerwG, Buchholz
418.5 Fleischbeschau Nr. 28 Rn. 24). Soweit der Gesetzgeber ihm die verbind-
liche Gebietsbestimmung übertragen hat, obliegt ihm daher auch die Einschät-
zung der Lage und der zukünftigen Entwicklung sowie der Zwecktauglichkeit
der Gebietsausweisung (vgl. BVerfGE 30, 250, 262 f.; 105, 17, 34 [jeweils zu
gesetzgeberischen Maßnahmen]). Diese darf nur darauf überprüft werden, ob
sie "objektiv tauglich oder ungeeignet" beziehungsweise "schlechthin ungeeig-
net" war (BVerfGE 47, 109, 117; 61, 291, 313 f.; vgl. auch BVerfGE 39, 210,
230). Das wiederum darf nur verneint werden, wenn die Maßnahme bei Aus-
schöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt des Erlasses des Geset-
zes eindeutig als zweckuntauglich festgestellt werden könnte (BVerfGE 39, 210,
230).
Die vom Berliner Senat vorgenommene Gebietsausweisung hält sich im
Rahmen dieses Beurteilungsspielraums. Denn durch die Ausweisung des ge-
samten Stadtgebiets als besonders gefährdetes Gebiet kann das damit ange-
strebte Ziel der Verlangsamung des Anstiegs der Bestandsmieten im Interesse
des Erhalts der Mietwohnung für den Berliner Mieter zumindest gefördert wer-
den.
(bb) Die Absenkung der Kappungsgrenze im gesamten Stadtgebiet ist
zur Erreichung des angestrebten Ziels auch erforderlich.
(aaa) Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn der Verordnungsgeber nicht
ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger
fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl. BVerfGE 30, 292,
316; 63, 88, 115; 67, 157, 176). Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit
steht dem Verordnungsgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit
des Regelungsvorhabens ein (weiter) Beurteilungs- und Prognosespielraum zu
(vgl. BVerfGE 53, 135, 145; BVerfG, NVwZ 2004, 975; BVerwG, Buchholz
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111
112
- 53 -
418.5 Fleischbeschau Nr. 28 Rn. 24; jeweils zu den Spielräumen des Verord-
nungsgebers; vgl. BVerfGE 102, 197, 218; 110, 141, 157; 115, 276, 309;
BVerfGK 14, 328, 334; jeweils zu den Spielräumen des Gesetzgebers). An der
Erforderlichkeit einer Verordnung fehlt es daher nur dann, wenn sich eindeutig
feststellen lässt, dass zur Erreichung des verfolgten Zwecks andere, weniger
einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (BVerfGE 53, 135, 145 mwN). Es
muss also nach den dem Verordnungsgeber bekannten Tatsachen und im Hin-
blick auf die bisher gemachten Erfahrungen eindeutig feststellbar sein, dass der
als Alternative in Betracht kommende Eingriff geringerer Intensität den ange-
strebten Zweck sachlich gleichwertig erreicht (BVerfGE 102, 197, 218; 105, 17,
36; 115, 276, 309; BVerfG, ZOV 2013, 115, 117).
(bbb) Bei Erlass der Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung vom 7. Mai
2013 war ein milderes Mittel, mit dem die - vom Gesetz- und Verordnungsgeber
angestrebte - Dämpfung eines zu starken Anstiegs der Bestandsmieten (und
der damit beabsichtigte Schutz der Mieter vor einer möglichen Doppelbelastung
durch energetische Modernisierungen und Mieterhöhungen sowie einer dro-
henden Verdrängung aus ihren bisherigen Wohnungen wegen für sie unbe-
zahlbar werdender Mieten; vgl. BT-Drucks. 17/9559, S. 4) ebenso wirksam wie
durch die erfolgte Gebietsbestimmung erreicht werden könnte, nicht ersichtlich.
Eine auf einzelne Stadtteile von Berlin beschränkte Gebietsausweisung wäre
zwar weniger einschneidend, weil von ihr nicht alle Berliner Vermieter betroffen
wären. Jedoch wäre eine solche Maßnahme nicht in gleicher Weise geeignet,
den angestrebten Zweck einer raschen und wirksamen Verlangsamung des
Ansteigens von Bestandsmieten zu verwirklichen, denn es wäre damit nicht si-
chergestellt, dass im Wesentlichen alle vom Gesetzgeber in den Blick genom-
menen Mieter geschützt wären.
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Eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölke-
rung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist aufgrund der vor
allem in Ballungsräumen, Industrie- und Universitätsstädten sowie in Städten
mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion (BVerwG, NJW 1983, 2893,
2894) wirkenden vielfältigen Impulse und der hierdurch ausgelösten spezifi-
schen Labilität des Wohnungsmarktes grundsätzlich räumlich nicht exakt ein-
grenzbar. Eine solche, sich auf das gesamte Gemeindegebiet auswirkende La-
bilität wird daher regelmäßig nur dann ausgeschlossen werden können, wenn
zuverlässiges Datenmaterial zur Verfügung steht, das den sicheren Schluss
zulässt, dass nur in einem bestimmten Teil einer Gemeinde eine besondere
Gefährdungslage gegeben ist. Das dürfte auch erklären, warum keines der elf
Bundesländer, die bislang von der Ermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB
Gebrauch gemacht haben, bei den vorgenommenen Gebietsbestimmungen auf
Teile von Gemeinden abgestellt haben.
Anders als die Revision und auch ein Teil des Schrifttums (vgl. etwa
Schach, GE 2013, 795, 796) meinen, ist der Verordnungsgeber regelmäßig
nicht gehalten, mit dem Erlass einer Kappungsgrenzenverordnung so lange
zuzuwarten und ein an sich zur Verwirklichung des Gesetzeszwecks gebotenes
zügiges Einschreiten hinauszuschieben, bis er über aussagekräftige Daten hin-
sichtlich der einzelnen Gemeindeteile verfügt. Aus der Begründung der Bundes-
regierung zu § 556d-E ("Mietpreisbremse"), wonach die Bestimmung und Ab-
grenzung der Gebiete eine sorgsame Überprüfung der Eignung, Erforderlichkeit
und Angemessenheit der Gebietsbestimmung erfordert (BT-Drucks. 18/3121,
S. 28), lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht ablesen, dass für
den Erlass einer Kappungsgrenzenverordnung erhöhte Anforderungen an die
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu stellen seien. Abgesehen
von der noch ungeklärten Frage, ob hiermit gesteigerte Anforderungen formu-
liert oder lediglich auf die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
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hingewiesen werden sollte, können aus einem späteren Gesetz keine Rück-
schlüsse auf den Inhalt einer davor geschaffenen Ermächtigungsgrundlage für
eine Kappungsgrenzenverordnung gezogen werden.
Die Revision und das zitierte Schrifttum lassen außer Acht, dass der Ge-
setzgeber mit § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB - wie bereits an anderer Stelle
ausgeführt - eine niedrige Eingriffsschwelle gewählt hat, weil er anstelle einer
zeitlich unbegrenzten, flächendeckenden Herabsetzung der Kappungsgrenze
lediglich eine räumlich und zeitlich begrenzte Absenkungsmöglichkeit vorgese-
hen hat, die zudem betragsmäßig eher moderat ausgefallen ist. Vor diesem
Hintergrund besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Bedürfnis, den bei
der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Gebietsbestimmung dem Verord-
nungsgeber eingeräumten Spielraum hinsichtlich der Frage, ob eine Gemeinde,
in der die Voraussetzungen des § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt sind, insgesamt
als Gebiet im Sinne dieser Vorschrift auszuweisen ist oder nur Teile hiervon,
möglichst eng zu ziehen (so im Ergebnis auch Bub/Treier/Schultz, Handbuch
der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. III. A Rn. 1105).
Auch wenn es, wie die Revision zutreffend anführt, hinsichtlich der Ein-
schätzung der räumlichen Reichweite der Gefährdungslage auf den Zeitpunkt
des Erlasses der Verordnung ankommt und insoweit nicht - wie das Berufungs-
gericht meint - eine Prognoseentscheidung (über künftige Entwicklungen) anzu-
stellen ist, ist nach alledem der dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Beurtei-
lung der Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahme eingeräumte Spielraum
hier nicht überschritten.
Es hat sich also letztlich nicht ausgewirkt, dass das Berufungsgericht den
dem Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Bewertung der Erforderlichkeit ei-
ner Regelung eingeräumten Beurteilungs- und Prognosespielraum mit dem
hiervon zu unterscheidenden (oben unter II 3 b bb beschriebenen) Prognose-
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und Einschätzungsspielraum des Normgebers bei der Bewertung der künftigen
Entwicklungen der von ihm zugrunde gelegten Annahmen (vgl. BVerfGE 95,
267, 314; 50, 290, 331 ff.; 30, 292, 317 ff.; missverständlich BVerfGE 77, 84,
106 ff.; BVerfGE 106, 1, 16 f. [zum Verordnungsgeber]; BVerfG, NJW 2005,
3132, 3133 [zum Gesetz- und Verordnungsgeber]) verwechselt und infolgedes-
sen einen etwas milderen Maßstab angelegt hat. Die letztgenannten Spielräu-
me sind regelmäßig erst überschritten, wenn die Erwägungen des Normgebers
nicht mehr vertretbar, also so offensichtlich verfehlt sind, dass sie vernünftiger-
weise keine Grundlage für Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers
abgeben können (BVerfGE 30, 292, 317; 77, 84, 106; BVerfG, NJW-RR 2000,
1241, 1242; differenzierend BVerfGE 50, 290, 332 ff.). Bei der Überprüfung der
Einschätzung der Erforderlichkeit einer Regelung gilt dagegen ein etwas stren-
gerer, auf eine begrenzte inhaltliche Kontrolle gerichteter Maßstab dahin, ob
sich eine mildere Maßnahme "aufgedrängt" hätte. Dies ist, wie ausgeführt, nicht
der Fall.
(ccc) Die Erforderlichkeit kann der getroffenen Regelung auch insoweit
nicht abgesprochen werden, als der Berliner Senat die vom Gesetzgeber er-
laubte Höchstdauer einer Kappungsgrenzenverordnung von fünf Jahren ausge-
schöpft hat. Die angeordnete Dauer von fünf Jahren ist vor allem in Anbetracht
dessen erforderlich im verfassungsrechtlichen Sinne, dass die Kappungsgrenze
des § 558 Abs. 3 BGB auf einen Dreijahreszeitraum ausgerichtet ist. Dass eine
kürzere Laufzeit eindeutig feststellbar zu gleichwertigen Ergebnissen führen
würde, ist nicht ersichtlich. Der Verordnungsgeber hat damit auch insoweit sei-
nen Beurteilungs- und Prognosespielraum nicht überschritten.
(cc) Die in der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom
7. Mai 2013 vorgenommene Ausweisung des gesamten Stadtgebiets als Gebiet
im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB ist schließlich auch im Verhältnis zu
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dem angestrebten Zweck angemessen. Insoweit gelten die gleichen Grundsät-
ze, die bereits bei der Prüfung der Angemessenheit der gesetzlichen Ermächti-
gungsgrundlage angestellt worden sind (dazu unter II 2 c bb (2) (b) (cc)).
Die Absenkung der Kappungsgrenze für die Erhöhung von Bestandsmie-
ten im Vergleichsmietenverfahren führt lediglich zu einer Begrenzung zukünfti-
ger Erträge aus der Vermietung von Wohnraum und berührt nicht die Be-
standsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 71, 230, 250, 253).
Denn diese wird nicht bereits dann in Frage gestellt, wenn nicht die höchstmög-
liche Rendite aus dem Eigentumsobjekt (BVerfGE 71, 230, 250, 253; BVerfG,
NJW 1992, 3031; vgl. auch BVerfGE 38, 348, 371; 91, 294, 310) oder nicht die
Marktmiete ohne jede Verzögerung und in voller Höhe erzielt werden kann
(BVerfG, NJW 1992, 1377). Ein unverhältnismäßiger Eingriff und damit eine
Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wäre nur dann anzunehmen, wenn die
Vermietung von Wohnraum im Stadtgebiet von Berlin auch bei voller Ausschöp-
fung der Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB im Ergebnis zu
Verlusten führen, also die Wirtschaftlichkeit der Vermietung ernsthaft in Frage
stellen würde (vgl. BVerfGE 71, 230, 250; 91, 294, 310; BVerfG, NJW 1992,
1377, 1378; 1992, 3031; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 2000 - 2 BvR
2306/97, juris Rn. 2; Senatsurteil vom 28. April 2004 - VIII ZR 178/03, NZM
2004, 545 unter II 3). Dass solche Auswirkungen zu befürchten stehen, ist nicht
ersichtlich, zumal die Absenkung der Kappungsgrenze zum Schutz der Vermie-
ter mit 5 % für die Dauer von fünf Jahren relativ moderat ausgefallen ist. Auch
die Revision zeigt nicht auf, dass die Vermieter in Berlin beziehungsweise die
Vermieter außerhalb der in der GEWOS-Studie vom April 2012 genannten
Stadtbezirke durch den Erlass der Kappungsgrenzenverordnung zu einer un-
wirtschaftlichen Vermietung gezwungen worden wären.
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(d) Schließlich lässt die mit der Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung
vom 7. Mai 2013 vorgenommene Inhalts- und Schrankenbestimmung auch eine
gleichheitswidrige Ausgestaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht erkennen.
(aa) Zwar wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, es ver-
stoße gegen das Willkürverbot, wenn der Verordnungsgeber allgemein bekann-
te Tatsachen ignoriere wie etwa diejenige, dass in den meisten Ballungszentren
eine mögliche Mangellage in der Regel nicht die Randbereiche betreffe; so ha-
be der Berliner Senat die gesamte Stadt Berlin als Gebiet im Sinne von § 558
Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt, obwohl Außenbezirke noch immer Leerstands-
probleme hätten (Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-
raummiete, 4. Aufl., Kap. III. A Rn. 1104).
(bb) Selbst wenn letzteres zuträfe, läge darin jedoch keine sachlich unge-
rechtfertigte Gleichbehandlung der Berliner Stadtbezirke.
(aaa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber zwar, wesentlich Un-
gleiches auch ungleich zu behandeln. Jedoch bleibt es ihm grundsätzlich über-
lassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge
knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfGE 118, 1, 27).
Allerdings muss er die Auswahl der gleich zu behandelnden Sachverhalte
sachgerecht treffen und dabei tatsächliche Ungleichheiten des zu ordnenden
Lebenssachverhalts berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer
am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden
müssen. Für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte bedarf es ei-
nes vernünftigen, einleuchtenden Grundes (BVerfGE 108, 52, 67 f.; 109, 96,
123; 110, 141, 167 f.; 115, 381, 389; 118, 1, 27 f.).
(bbb) Davon ausgehend ist die Einbeziehung auch der Berliner Randbe-
zirke beziehungsweise der in der GEWOS-Studie vom April 2012 nicht genann-
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ten Bezirke in die Gebietsbestimmung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB
nicht als sachlich ungerechtfertigte Gleichbehandlung verschiedener Sachver-
halte zu bewerten.
Dass gewisse Kriterien in bestimmten Bezirken erfüllt sind und in ande-
ren nicht, bedeutet noch nicht, dass in diesen keine besondere Gefährdungsla-
ge im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB vorliegt. Denn letztlich bedarf es ei-
ner wertenden Gesamtschau unter Berücksichtigung der besonderen regiona-
len Verhältnisse, um feststellen zu können, ob eine solche Gefährdungslage
vorliegt oder nicht. Aus diesem Grund kann regelmäßig bestimmten Indikatoren
nicht von vornherein ein gegenüber anderen Indikatoren ausschlaggebendes
Gewicht beigemessen werden. Insbesondere besagt ein größerer Leerstand
allein noch nicht, dass eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit
Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gewährleistet ist. Denn er
kann unterschiedliche Ursachen haben. So kann er etwa auch darauf zurückzu-
führen sein, dass die betroffenen Räumlichkeiten nicht den üblicherweise zu
erwartenden Zustand aufweisen beziehungsweise zu Wohnzwecken nicht oder
nur bedingt geeignet sind und daher nicht nachgefragt werden.
Dass die Einbeziehung der Randbezirke von Berlin in die Gebietsbe-
stimmung nach § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB nicht sachwidrig ist, wird
dadurch bekräftigt, dass das Land Brandenburg in der von ihm erlassenen
Kappungsgrenzenverordnung vom 5. August 2014 (GVBl. II 2014 Nr. 54) aus-
schließlich im Umkreis von Berlin gelegene Gemeinden als Gebiete ausgewie-
sen hat, in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwoh-
nungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dabei wurde
von den Gemeinden, die in einer Entfernung von bis zu 30 Kilometern von
Berlin liegen, die überwiegende Anzahl einbezogen (vgl. die Begründung zu § 1
der Verordnung iVm S. 34, 14 des durch das Institut F+B erstellte Gutachten
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"Mietsituation im Land Brandenburg zur Festlegung von Gebieten nach § 558
Abs. 3 BGB", abrufbar unter: http://www.mil.brandenburg.de/media_fast/4055/
Gutachten.16168002.pdf). Daneben wurden auch einige weiter entfernt gelege-
ne Gemeinden berücksichtigt. Wenn also selbst im "Speckgürtel" von Berlin
(noch) eine besondere Gefährdungslage im Sinne von § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB
bejaht wird, kann die Einschätzung, dass eine solche auch in sämtlichen Berli-
ner Stadtbezirken, insbesondere in den Randbereichen der Stadt, gegeben ist,
nicht als sachfremd beurteilt werden.
b) Aus den oben unter II 2 d angestellten Erwägungen ist auch eine Ver-
letzung der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit zu verneinen.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Wedding, Entscheidung vom 03.03.2014 - 22d C 175/13 -
LG Berlin, Entscheidung vom 03.07.2014 - 67 S 121/14 -
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