Urteil des BGH vom 01.08.2013

Leitsatzentscheidung zu Besteller, Treu Und Glauben, Vergütung, Abnahme, Delta

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 75/11
Verkündet am:
1. August 2013
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 242 Ba, 633 a.F., 641
Dem Hauptunternehmer steht das Leistungsverweigerungsrecht wegen Män-
geln der Werkleistung des Nachunternehmers grundsätzlich unabhängig davon
zu, ob er die gleiche Leistung seinem Besteller versprochen und geleistet hat,
und auch unabhängig davon, ob der Besteller ihm zustehende Ansprüche sei-
nerseits geltend macht.
BGH, Versäumnisurteil vom 1. August 2013 - VII ZR 75/11 - OLG Naumburg
LG Halle
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die
Richter Dr. Eick, Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. März 2011 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Bauunternehmens H. GmbH (im Folgenden: Nachunternehmer)
restlichen Werklohn in Höhe von zuletzt noch 239.730,33
€ aus Verträgen über
die Errichtung von sechs Doppelhaushälften und fünf Einfamilienhäusern im
F.-Weg in L. Die Bauverträge mit der Beklagten, einer Generalbau-
unternehmerin (im folgenden: Hauptunternehmer), datieren aus den Jahren
1998 und 1999. Die Häuser sind im Jahr 2000 von den Erwerbern übernommen
und bezogen worden.
Die Beklagte macht - soweit für die Revision noch von Interesse - wegen
Mängeln an den Häusern F.-Weg 2 und 21 und wegen einer nicht errichteten
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Pergola (Haus Nr. 2) ein Leistungsverweigerungsrecht wegen verschiedener
Mängel und wegen einer fehlenden Bankbürgschaft geltend und beruft sich
hinsichtlich der übrigen Häuser auf die fehlende Abnahme der Werkleistungen
wegen Mängeln an der Außenbeschichtung der Kellerwände.
Der Kläger hat dagegen eingewendet, die Außenbeschichtung sei nicht
mangelhaft, auch soweit sie abweichend von den Baubeschreibungen
hergestellt worden sei. Außerdem hat er geltend gemacht, dass die Erwerber
gegen die Beklagte wegen eingetretener Verjährung keine Mängel-
beseitigungsansprüche mehr geltend machen könnten. Auch habe die Beklagte
ihre Ansprüche auf von den Erwerbern zurückbehaltenen Restwerklohn
teilweise verjähren lassen.
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das
Berufungsgericht hat die Beklagte - nach Abzug einer verwirkten Vertrags-
strafe -
zur Zahlung von 50.557,63 € verurteilt, teilweise unter dem Vorbehalt
einer Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft, teilweise Zug-um-Zug gegen
Errichtung einer Pergola. In Höhe von
181.065,21 € hat es die Klage mangels
Abnahme als derzeit unbegründet abgewiesen. Mit der vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur
(unbedingten) Zahlung in Höhe von jetzt noch
213.714,83 € weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
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I.
Das Berufungsgericht ist - sachverständig beraten - der Ansicht, dass mit
Ausnahme der Häuser mit den Nummern 2 (ohne Keller errichtet) und 21 die
Beschichtung der Kellerwände mit Zementschlämme und Delta-MS-Folie durch
den Nachunternehmer einen Mangel seines Werkes darstelle, weil dies nicht
der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspreche. Es sei eine Bitumen-
dickbeschichtung und die Anbringung von Pordrainplatten vereinbart worden.
Beim Haus 21 sei dies hingegen nicht vereinbart worden. Die Beschichtung mit
Zementschlämme und Delta-MS-Folie dort stelle keinen Fehler dar.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Einwand des Klägers, die
Beklagte könne sich wegen Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Er-
werber nicht mehr auf Mängelbeseitigungsansprüche berufen, schließe ein
Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 641 Abs. 3 BGB ebenso wenig
aus wie die Berechtigung der Beklagten zur Verweigerung der Abnahme. Die
Durchsetzbarkeit des Mängelbeseitigungsanspruchs durch den Hauptunter-
nehmer gegen den Nachunternehmer setze nicht voraus, dass der Hauptunter-
nehmer gegenüber seinem Besteller seinerseits zur Mängelbeseitigung ver-
pflichtet sei oder dass ihm aus der Mangelhaftigkeit des Werkes finanzielle
Nachteile entstünden.
II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung
anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 geschlossene Verträge gilt
(Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). § 641 BGB ist in der Fassung anzuwenden, die
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für bis zum 30. April 2000 geschlossene Verträge gilt mit Ausnahme des § 641
Abs. 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlun-
gen, der auch für vorher geschlossene Verträge anwendbar ist (Art. 229 § 1
Abs. 2 Satz 2 EGBGB).
Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Abdichtung
derjenigen Häuser, die entgegen der Baubeschreibung mit Zementschlämme
und Delta-MS-Folie ausgeführt worden ist, mangelhaft ist. Im Ergebnis richtig
hat es der Beklagten wegen dieser und anderer Mängel auch ein Leistungsver-
weigerungsrecht zuerkannt, obwohl - wovon in der Revision auszugehen ist -
die Beklagte von ihren Bestellern nicht mehr wegen der Mängel in Anspruch
genommen werden kann.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht gehe von verschiedenen
Mangelbegriffen aus, weil es die Kellerabdichtung bei Haus Nummer 21 anders
beurteile als bei den übrigen Häusern, geht fehl.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt dem mündlich
geschlossenen Werkvertrag zwischen den Parteien für das Haus Nummer 21
eine Baubeschreibung zugrunde, die keine Vorgaben zur Abdichtung enthält,
insbesondere eine Abdichtung mit Bitumendickbeschichtung und Pordrainplat-
ten, wie sie die Beklagte wünscht, nicht ausweist. Das Berufungsgericht hat
weiter - sachverständig beraten - festgestellt, dass die vorgenommene Abdich-
tung mit Zementschlämme und Delta-MS-Folie keinen den Wert oder die Taug-
lichkeit des Bauwerks beeinträchtigenden Fehler aufweist (§ 633 Abs. 1 BGB).
Sie erfüllt ausweislich der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils bei den
anliegenden Bodenverhältnissen ihren Zweck und ist im Übrigen einer Abdich-
tung mit Bitumendickbeschichtung und Pordrainplatten gleichwertig. Sie ent-
spricht den seinerzeit geltenden anerkannten Regeln der Technik.
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b) Die Baubeschreibungen der übrigen Häuser enthalten dagegen eine
vertraglich bindende Vorgabe hinsichtlich der Abdichtung mit Bitumen und Por-
drainplatten. Die davon abweichende Ausführung mit Zementschlämme und
Delta-MS-Folie entspricht nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit und
stellt daher einen Fehler dar (§ 633 Abs. 1 BGB). Den Ausführungen des Beru-
fungsgerichts ist zu entnehmen, dass es auch eine Beeinträchtigung des Werts
und der Gebrauchstauglichkeit annimmt, weil die vorgenommene Abdichtung
nicht die von der Beklagten und ihrem Besteller gewünschte, vertraglich verein-
barte Drainagewirkung gegen drückendes Wasser ohne Rücksicht auf die kon-
kreten Bodenverhältnisse besitzt.
c) Das lässt revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler nicht erkennen.
Legt der Besteller Wert auf eine bestimmte Abdichtung, um sich aus un-
bekannten Bodenverhältnissen ergebenden Risiken zu entgehen, so liegt eine
Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Abdichtung vor, wenn die vor-
genommene Abdichtung dem nicht entspricht. Unerheblich ist, ob die vorge-
nommene Abdichtung gleichsam zufällig ausreichend und bei den anliegenden
Bodenverhältnissen gleichwertig ist. Allerdings kann das die Prüfung veranlas-
sen, ob dem Verlangen nach Mängelbeseitigung der Einwand des Unterneh-
mers entgegensteht, die Mängelbeseitigung erfordere einen unverhältnismäßi-
gen Aufwand, § 633 Abs. 2 BGB. Das Berufungsgericht hat diese Prüfung nicht
vorgenommen und hat insbesondere nicht den streitigen Sachverhalt aufge-
klärt, ob die Bauwerke tatsächlich in sandigem Erdreich gegründet sind. Eine
Aufhebung des Berufungsurteils ist aber nicht veranlasst, weil die Revision kei-
ne dahingehende Rüge erhoben hat.
2. In der Revision ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger die
Mängelbeseitigung nicht wegen eines unverhältnismäßigen Aufwands verwei-
gern darf. Weiter ist davon auszugehen, dass die Mängelbeseitigung noch mög-
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lich ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die derzeitigen Eigentümer der
betroffenen Grundstücke diese verweigern würden. Das wird vom Kläger auch
nicht geltend gemacht.
3. Auf dieser Grundlage ist die Beklagte nicht gehindert, dem Verlangen
des Klägers auf Zahlung der Vergütung wegen der Mängel das gesetzliche
Leistungsverweigerungsrecht entgegen zu halten. Soweit die Leistung der
Schuldnerin abgenommen worden ist (Häuser 2 und 21), führt das dazu, dass
die Beklagte uneingeschränkt zur Zahlung des Betrags verurteilt wird, der nach
dem anwendbaren § 641 Abs. 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Be-
schleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I 2000, 330) das
mindestens Dreifache der Mängelbeseitigungskosten überschreitet, und im Üb-
rigen zu einer Verurteilung Zug-um-Zug gegen Beseitigung der anderen fest-
gestellten, in der Revision nicht mehr streitigen Mängel (vgl. BGH, Urteil vom
9. Juli 1981 - VII ZR 40/80, BauR 1981, 577, 581). Soweit die Beklagte die Ab-
nahme verweigert hat (übrige Häuser) führt das dazu, dass die Klage als derzeit
unbegründet abzuweisen ist, § 641 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom
4. Juni 1973 - VII ZR 112/71, BGHZ 61, 42, 44).
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihrerseits nicht mehr von ih-
ren Bestellern in Anspruch genommen wird oder werden könnte, wenn sie sich
auf die Verjährung der Ansprüche beriefe.
a) Das Gesetz gewährt dem Besteller das Leistungsverweigerungsrecht
grundsätzlich unabhängig davon, ob er die gleiche Leistung einem Dritten ver-
sprochen und geleistet hat und auch unabhängig davon, ob der Dritte ihm zu-
stehende Ansprüche seinerseits geltend macht. Einer Inanspruchnahme dieses
Rechts kann nicht entgegengehalten werden, der Hauptunternehmer verhielte
sich treuwidrig, wenn er die Mängel geltend mache, obwohl er von seinem Be-
steller trotz dieser Mängel bezahlt worden sei und dieser auch keine Mängel-
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rechte geltend mache oder diese nicht mehr erfolgreich durchsetzen könne.
Ähnliche Erwägungen haben allerdings dazu geführt, dass mit dem Gesetz zur
Beschleunigung fälliger Zahlungen die Vergütung des Hauptunternehmers fällig
gestellt wird, wenn der Hauptunternehmer von seinem Besteller die Vergütung
oder Teile davon erhalten hat, § 641 Abs. 2 Satz 1 BGB (in der Fassung des
Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I
2000, 330). Es sei widersprüchlich, wenn der Hauptunternehmer von seinem
Besteller trotz vorhandener Mängel Bezahlung fordere, diese aber dem Nach-
unternehmer wegen der Mängel verweigere (BT-Drucks. 14/1246 S. 7). Im Ge-
setzgebungsverfahren zum Forderungssicherungsgesetz ist jedoch klar gestellt
worden, dass dem Hauptunternehmer das Mängelbeseitigungsrecht und auch
das sich daraus ergebende Leistungsverweigerungsrecht nicht genommen
werden kann, obwohl er von seinem Besteller bezahlt worden ist
(BT-Drucks. 16/511, S. 16; vgl. auch BR-Drucks. 458/04, S. 11; OLG Nürnberg,
BauR 2004, 516, 517; OLG Bamberg, BauR 2009, 113, 115; Halfmeier/
Leupertz, PWW, 8. Aufl., § 641 Rn. 14 jeweils m.w.N.; Messerschmidt in
Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 641 BGB Rn. 269;
Leinemann, NJW 2008, 3745, 3748; a.A. Pause/Vogel in Kniffka, Bauvertrags-
recht, § 641 Rn. 23; MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 641 Rn. 27). Nach
der Systematik des Forderungssicherungsgesetzes kann sich der Hauptunter-
nehmer zwar nicht mehr auf die fehlende Abnahme berufen. Ihm steht aber das
Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 641 Abs. 2 BGB n.F. in Höhe des nun-
mehr in der Regel Doppelten der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen
Kosten zu. Diese Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts kommt der
Klägerin nicht zugute. Anwendbar sind die Gesetze in der Fassung vor dem
Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen. Die Beklagte kann danach das
Leistungsverweigerungsrecht durch Verweigerung der Abnahme mit der Folge
geltend machen, dass sie die Vergütung bis zur vollständigen Erfüllung des
Vertrages nicht entrichten muss.
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Diese uneingeschränkte Zuerkennung des gesetzlichen Leistungsver-
weigerungsrechts auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage ist auch
sachlich gerechtfertigt. Das Leistungsverweigerungsrecht ist Ausdruck des
funktionalen Synallagmas von Werkleistung und Vergütung, § 320 Abs. 1 BGB.
Selbst wenn der Hauptunternehmer von seinem Besteller trotz der Mängel be-
zahlt worden ist und er deshalb wegen der Mängel zunächst keinen wirtschaftli-
chen Nachteil hat, ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, die synallagmatische
Verbundenheit von Werkleistung des Nachunternehmers und Vergütung des
Hauptunternehmers aufzulösen. Dabei muss zunächst bedacht werden, dass
dem Besteller durch die Bezahlung des Hauptunternehmers nicht die Mängel-
ansprüche verloren gehen und der Hauptunternehmer von ihm noch in An-
spruch genommen werden kann. Doch selbst wenn die Mängelansprüche des
Bestellers nicht mehr durchsetzbar sind, ist keine andere Beurteilung geboten.
Müsste der Hauptunternehmer den Nachunternehmer bezahlen, obwohl dessen
Leistung mangelhaft und die Erfüllung oder Mängelbeseitigung noch möglich
ist, so würde damit der legitime Druck (§ 320 Abs. 1, § 641 Abs. 2 BGB) entfal-
len, den der Hauptunternehmer durch Zurückhaltung der Vergütung auf den
Nachunternehmer ausüben kann. Es besteht kein Grund, auch in den Fällen, in
denen der Besteller den Hauptunternehmer bezahlt hat und er Mängelrechte
nicht mehr geltend machen kann, dem Hauptunternehmer dieses Druckmittel zu
nehmen. Denn die Mängelbeseitigung kommt dem Besteller zugute, der letztlich
die wirtschaftlichen Auswirkungen des Mangels trägt. Dem Hauptunternehmer
kann es grundsätzlich nicht versagt werden, sein Interesse an einer ordnungs-
gemäßen Vertragserfüllung durch die Leistungsverweigerung durchzusetzen.
Dass der Besteller seine Mängelrechte nicht mehr durchsetzen kann, bedeutet
nicht, dass das Interesse des Hauptunternehmers an der Vertragserfüllung
nicht mehr schützenswert ist.
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b) Dem stehen nicht die Entscheidungen des Senats zum Ausgleich des
Schadens bei Mängeln in der werkvertraglichen Leistungskette entgegen (BGH,
Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83 und VII ZR 8/06, BauR
2007, 1567 = NZBau 2007, 580). Der Senat hat entschieden, dass dem
Hauptunternehmer nicht der auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten gerichte-
te Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der Nachunternehmerleistung zu-
steht, wenn feststeht, dass er seinerseits von seinem Besteller wegen des
Mangels nicht in Anspruch genommen wird oder werden kann.
aa) Diese Rechtsprechung beruht auf der normativen von Treu und
Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertung, dass dem Hauptunterneh-
mer, jedenfalls dann, wenn er wegen des Mangels nicht mehr in Anspruch ge-
nommen werden kann, ungerechtfertigte, ihn bereichernde Vorteile zufließen,
wenn er gleichwohl als Schadensersatz die Mängelbeseitigungskosten vom
Nachunternehmer fordern kann (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1959
- VI ZR 90/58, BGHZ 30, 29; Urteil vom 4. Juni 1992 - IX ZR 149/91, BGHZ
118, 312; Urteil vom 6. Juli 2000 - IX ZR 198/99, NJW 2001, 673;
MünchKommBGB/Oetker, aaO, § 249 Rn. 20; Staudinger/Schiemann (2005),
§ 249 Rn. 2).
Wirtschaftlich betrachtet ist der Hauptunternehmer lediglich Zwischensta-
tion innerhalb der mehrgliedrigen werkvertraglichen Leistungskette von dem
Nachunternehmer
über
den
Hauptunternehmer
bis
zum
Bauherrn/
Besteller/Enderwerber. Ein Nachunternehmer erbringt seine Leistung regelmä-
ßig am Bauvorhaben des Bauherrn. Diesem kommt im wirtschaftlichen Ergeb-
nis die Leistung zugute, er ist von dem Mangel des Werks des Nachunterneh-
mers betroffen. Ein zwischengeschalteter Hauptunternehmer dagegen wird mit
der Mangelfrage nur wegen der besonderen durch die Leistungskette gekenn-
zeichneten Vertragsgestaltung befasst, da zwischen dem Nachunternehmer
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und dem Bauherrn keine vertraglichen Beziehungen bestehen. Auch im Ge-
währleistungsfall ist er nur Zwischenstation. Die finanzielle Einbuße, die er
durch den vom Nachunternehmer verursachten Mangel erleidet, richtet sich
wirtschaftlich gesehen danach, in welchem Umfang er von seinem Auftraggeber
in Anspruch genommen wird (BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06
und VII ZR 8/06, aaO). Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Hauptunter-
nehmer keine wirtschaftlichen Nachteile durch den Mangel erleidet, ist es mit
§ 249 Abs. 1 BGB nicht vereinbar, dem Hauptunternehmer zu seiner beliebigen
Verfügung den Betrag zur Verfügung zu stellen, der für die Mängelbeseitigung
notwendig ist. Anders als bei der Zuerkennung dieses Betrages als Vorschuss
auf die Mängelbeseitigungskosten (vgl. § 637 Abs. 3 BGB n.F.) wäre nicht si-
chergestellt, dass der zuerkannte Betrag in Höhe der Mängelbeseitigungskos-
ten tatsächlich zur Mängelbeseitigung verwendet würde.
Aus vergleichbaren Erwägungen darf der Hauptunternehmer in einem
solchen Fall auch die Minderung nicht nach den Mängelbeseitigungskosten be-
rechnen,
§ 242
BGB
(BGH,
Beschluss
vom
20. Dezember 2010
- VII ZR 100/10, NZBau 2011, 232).
bb) Diese Erwägungen rechtfertigen es nicht, dem Hauptunternehmer
das Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln zu versagen. Dem Hauptun-
ternehmer fließen keine ungerechtfertigten Vorteile zu, wenn er die Einrede des
nicht erfüllten Vertrages erhebt. Diese hat primär das Ziel, die Mängelbeseiti-
gung zu bewirken. Wenn der Nachunternehmer die begehrte Mängelbeseiti-
gung, die mit dem Leistungsverweigerungsrecht durchgesetzt werden soll, vor-
nimmt, wird dadurch nicht der Hauptunternehmer, sondern dessen Besteller
begünstigt.
Allerdings verbleibt dem Hauptunternehmer ein Vorteil, wenn der Nach-
unternehmer die Mängelbeseitigung letztlich nicht vornimmt. Dieser Vorteil ist
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nicht in gleicher Weise zu bewerten wie der Vorteil, dass der Hauptunternehmer
die Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz zur freien Verfügung erhält,
obwohl er von dem Besteller nicht in Anspruch genommen wird und auch nicht
mehr in Anspruch genommen werden kann. Denn es ist ein relevanter Unter-
schied, ob dem Hauptunternehmer eine Kompensation für wirtschaftlich für ihn
nicht relevante Mängel gewährt wird oder ihm die Vergütung verbleibt, weil er
diese zurückhält. Dieser Fall ist nicht anders zu beurteilen als der Fall, dass der
Nachunternehmer den Vergütungsanspruch verjähren lässt. In einem solchen
Fall ist der Hauptunternehmer nicht gehindert, die Einrede der Verjährung zu
erheben, auch wenn er von seinem Besteller bezahlt worden ist. Das Leis-
tungsverweigerungsrecht des Hauptunternehmers hängt nicht davon ab, ob
sein Besteller (Bauherr, Endabnehmer) die Mängelbeseitigung noch von ihm
fordern kann. Er muss sie nur zulassen. Lässt er sie nicht zu, ist sie dem Nach-
unternehmer unmöglich, so dass der Hauptunternehmer keine Mängelbeseiti-
gung mehr fordern kann und ihm ein Leistungsverweigerungsrecht auch nicht
mehr zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 - VII ZR 43/83, BGHZ
88, 240, 248 und Urteil vom 16. Mai 1968 - VII ZR 40/66, BGHZ 50, 175, 177).
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III.
Die Revision des Klägers ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Die
Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka
Eick
Halfmeier
Kosziol
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 10.06.2010 - 1 O 78/06 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 09.03.2011 - 5 U 84/10 -
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