Urteil des BGH vom 12.03.2015

Leitsatzentscheidung zu Handelsvertreter, Provision, Abonnement, Unternehmer, Vergütung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V I I Z R 3 3 6 / 1 3
Verkündet am:
12. März 2015
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HGB § 87a Abs. 1 Satz 3, § 84 Abs. 1; BGB § 139
Eine vertragliche Regelung in einem Handelsvertretervertrag über eine sog.
Sprunghaftung, wonach dem Handelsvertreter ein Provisionsanspruch für von
ihm vermittelte Zeitschriftenabonnementverträge nur dann zustehen soll, wenn
der Kunde das Abonnement während der festgelegten Sprunghaftungsfrist voll
bezahlt hat, ist wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB i.V.m. § 139
BGB nichtig. Der Handelsvertreter kann als Provision den üblichen Satz gemäß
§ 87b Abs. 1 HGB verlangen.
BGH, Urteil vom 12. März 2015 - VII ZR 336/13 - OLG Hamburg
LG Hamburg
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter
Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack und Sacher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des
Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. November 2013 aufgeho-
ben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen
der A. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Er fordert von der Beklagten die
Zahlung restlicher Provisionen für von der Schuldnerin vermittelte Zeitschriften-
belieferungsverträge.
Die Schuldnerin betrieb ein Call-Center im Telemarketingbereich und
vermittelte für die Beklagte aufgrund eines am 12. November 2003 geschlosse-
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nen Dienstleistungsvertrags Zeitschriftenbelieferungsverträge. Die Werbetele-
fonate mit den Kunden sollten nach einem von der Beklagten zur Verfügung
gestellten Leitfaden geführt werden. Die Vertragsparteien kooperierten auf der
Grundlage unterschiedlicher Vergütungssysteme. Nach dem zunächst prakti-
zierten sog. Brutto-Vergütungssystem hatte die Schuldnerin Anspruch auf eine
fixe Vergütung für die Vermittlung des Abschlusses eines Zeitschriftenabonne-
ments, die unabhängig von der konkreten Laufzeit des Abonnements zu zahlen
war. Zum 20. Dezember 2004 stellte die Beklagte das Vergütungssystem auf
eine Netto-Vergütung um, bei der die Zahlung der Provision von der Haltbarkeit
des jeweiligen Abonnements abhängig sein sollte. Am 13. Februar 2006
schlossen die Schuldnerin und die Beklagte eine Rahmenvereinbarung, die in
§ 9 Nr. 3 folgende von den Vertragsparteien bereits ab Anfang 2005 beachtete
Regelung über eine sog. Sprunghaftung enthielt:
In den Jahren 2005 bis 2007 vermittelte die Schuldnerin für die Beklagte
ausschließlich sog. 8 für 6-Abonnements, bei denen der Kunde für einen Bezug
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der Zeitschrift über einen Zeitraum von 8 Monaten lediglich 6 Monatsbeiträge zu
zahlen hatte. Nach Ablauf von 8 Monaten konnte das Abonnement vom Kunden
ohne Einhaltung von Kündigungsfristen beendet werden. Gemäß Anlage 3 zur
Rahmenvereinbarung beträgt die Sprunghaftungsfrist bei 8 für 6-Abonnements
27 bezahlte Wochen. Die Beklagte nahm für solche von der Schuldnerin vermit-
telten Abonnements Provisionsrückbelastungen vor, wenn die Kunden nicht
über 27 Wochen hinweg den Bezugspreis vollständig gezahlt hatten. Dabei
stornierte sie die der Schuldnerin gutgeschriebene Provision auch dann in vol-
lem Umfang, wenn die Kunden bereits für einen gewissen Zeitraum Zahlungen
geleistet hatten. Der Kläger hält diese Stornierungen für unzulässig und fordert
die Auszahlung der von der Beklagten wegen der Sprunghaftung einbehaltenen
Beträge für von der Schuldnerin vermittelte 8 für 6-Abonnements aus den Jah-
ren 2005, 2006 und 2007 im Umfan
g von insgesamt 1.290.654,87 € brutto.
Das Landgericht hat der Klage im Umfan
g von 982.093,70 € stattgege-
ben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten
sowie die Anschlussberufung des Klägers, mit der er seinen ursprünglichen
Zahlungsanspruch weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Mit der vom Berufungs-
gericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Abweisung der
Klage gerichteten Antrag weiter. Der Kläger hat Anschlussrevision eingelegt mit
dem Ziel, die Verurteilung der Beklagten auf seinen ursprünglich gestellten Zah-
lungsantrag zu erreichen.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers füh-
ren zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über die
Zurückweisung der Berufung der Beklagten ausgeführt, auf die Vertragsbezie-
hungen zwischen der Schuldnerin und der Beklagten sei Handelsvertreterrecht
anzuwenden. Es gebe weder Zweifel an der Selbständigkeit der Tätigkeit der
Schuldnerin noch an der ständigen Betrauung mit der Vermittlung von Geschäf-
ten der Beklagten. Durch die Sprunghaftungsregelung in § 9 Nr. 3 der Rahmen-
vereinbarung sei der Teilprovisionsanspruch aus § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht
wirksam ausgeschlossen worden. Die vom Landgericht zur Ermittlung der Höhe
der Teilprovision gewählte Berechnungsmethode, wonach die Einmalprovision
auf 27 Wochen verteilt werde, sei nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte
auf einen Zeitraum von 4,5 Jahren abstelle, welchen sie für ein "break even",
das heißt ein auskömmliches wirtschaftliches Ergebnis, angeblich benötige,
handele es sich um eine bloße Zielvorstellung der Beklagten, die keinen Ein-
gang in die rechtsgeschäftliche Einigung der Parteien gefunden habe.
Auch die Anschlussberufung des Klägers sei in der Sache nicht begrün-
det. Die Nichtdurchführung der Verträge sei nicht von der Beklagten zu vertre-
ten, so dass zu ihren Gunsten § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB eingreife. Es könne
dahinstehen, ob das Landgericht die Beweisaufnahme auf eine Stichprobe
habe beschränken dürfen. Die Beklagte habe unter Würdigung aller Umstände
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des Falles von vornherein keine Obliegenheit zur eigenen Nachbearbeitung
gehabt, weil die von ihr anzumahnenden und einzuklagenden Einzelbeträge
jeweils auch in absoluter Hinsicht geringfügig gewesen seien und zudem auf-
grund der Besonderheiten der für die Wirksamkeit der Sprunghaftungsregelun-
gen gestalteten Provisionshöhe im Wesentlichen dem Handelsvertreter als Pro-
vision zugestanden hätten, so dass die Nachbearbeitung für sie wirtschaftlich
unsinnig gewesen sei. Die Schuldnerin habe während des laufenden Vertrags
außerdem nie in irgendeiner Form darauf gedrungen, dass die Beklagte die
zum Sprung gegangenen Abonnements nachbearbeitete.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt
nicht stand. Dem Kläger kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Be-
gründung weder ein Provisionsanspruch gegen die Beklagte im Umfang von
982.093,70 € zugesprochen noch der darüber hinaus geltend gemachte weitere
Provisionsanspruch ganz oder teilweise aberkannt werden.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass auf
das zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestehende Vertragsverhält-
nis die für Handelsvertreter geltenden Regeln anzuwenden sind.
a) Nach § 84 Abs. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger
Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer
(Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann. Das Berufungsgericht hat die Selbständigkeit der
Schuldnerin zutreffend als gegeben angesehen, weil sie als Kapitalgesellschaft
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auf eigenes wirtschaftliches Risiko am Wirtschaftsleben teilgenommen hat. Die
zur Abgrenzung eines persönlich abhängigen Angestellten (§ 84 Abs. 2 HGB)
von einem selbständigen Handelsvertreter (§ 84 Abs. 1 HGB) entwickelten Kri-
terien (vgl. Emde in Staub, HGB Großkommentar, 5. Aufl., § 84 Rn. 24 ff.
m.w.N.) finden lediglich dann Anwendung, wenn der Handelsvertreter eine na-
türliche Person ist. Handelt es sich dagegen wie im vorliegenden Fall um eine
Kapitalgesellschaft, ist diese stets selbständige Gewerbetreibende im Sinne des
§ 84 Abs. 1 HGB (vgl. Emde in Staub, aaO, § 84 Rn. 30; MünchKommHGB/
von Hoyningen-Huene, 3. Aufl., § 84 Rn. 21).
b) Die Schuldnerin war nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien
auch im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB ständig damit betraut, für die Beklagte Ge-
schäfte zu vermitteln. Hierzu genügt nicht, dass der Handelsvertreter nach der
Vereinbarung mit dem Unternehmer für diesen nicht nur einmal, sondern immer
wieder Geschäfte vermittelt; vielmehr muss er nach dieser Vereinbarung dazu
verpflichtet sein, sich ständig um Geschäfte zu bemühen: nicht der Umstand,
dass Geschäftsbeziehungen von längerer Dauer bestehen, sondern die beider-
seitige, auf Dauer berechnete Bindung ist entscheidend (vgl. BGH, Urteile vom
1. April 1992 - IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818, 2819; vom 12. November 1986
- I ZR 107/84, MDR 1987, 375; vom 4. Dezember 1981 - I ZR 200/79, MDR
1982, 545, 546; vom 18. November 1971 - VII ZR 102/70, MDR 1972, 230
m.w.N.). Wer dagegen zwar des Öfteren Geschäfte für einen anderen vermit-
telt, ohne aber zu Bemühungen hierzu verpflichtet zu sein, ist nicht Handelsver-
treter, sondern gegebenenfalls Makler (vgl. BGH, Urteil vom 18. November
1971 - VII ZR 102/70, aaO).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Schuldnerin ständig mit Ver-
mittlungsleistungen für die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss von
Zeitschriftenbelieferungsverträgen betraut gewesen. Aufgrund des zwischen
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den Parteien geschlossenen Dienstleistungsvertrags war die Schuldnerin ver-
pflichtet, sich aufgrund der ihr erteilten Einzelaufträge ständig um die Vermitt-
lung von Zeitschriftenabonnementverträgen für die Beklagte zu bemühen. Einer
Verpflichtung der Schuldnerin zu fortlaufenden Vermittlungsbemühungen für
eine unbestimmte Vielzahl von Vertragsabschlüssen steht nicht der Umstand
entgegen, dass ihr seitens der Beklagten Adresslisten von Kunden übergeben
wurden, die sie abzuarbeiten hatte. Die Schuldnerin war aufgrund dessen nicht
lediglich mit der Vermittlung bestimmter Geschäfte beauftragt, was für die An-
nahme eines Handelsvertreterverhältnisses im Regelfall nicht ausreicht (vgl.
Emde in Staub, HGB Großkommentar, 5. Aufl., § 84 Rn. 67; Hopt in Baumbach/
Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 Rn. 42; Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl.,
§ 84 Rn. 38; OLG Bamberg, BB 1965, 1167 f.). Sie hatte sich vielmehr inner-
halb des ihr zugewiesenen Kundenkreises um den Abschluss möglichst vieler
Zeitschriftenabonnementverträge zu bemühen. Dies ist nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs ausreichend. Die ständige Betrauung im Sinne
des § 84 Abs. 1 Satz 1 HGB erfordert im Übrigen nicht, dass das Vertragsver-
hältnis langfristig oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird (vgl. BGH, Ur-
teil vom 1. April 1992 - IV ZR 154/91, NJW 1992, 2818, 2819). Unerheblich ist
danach, dass die Beklagte der Schuldnerin im Rahmen des bestehenden
Dienstleistungsvertrags jeweils Einzelaufträge zur Vermittlung von Zeitschrif-
tenabonnements erteilt hat.
c) Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es außerdem nicht des-
wegen an der für die Qualifikation als Handelsvertreter erforderlichen Vermitt-
lungstätigkeit der Schuldnerin, weil deren Mitarbeiter bei der Führung der Wer-
begespräche mit den Kunden den von der Beklagten zur Verfügung gestellten
Gesprächsleitfaden zu beachten hatten. Der Umstand, dass für den Abschluss
der Abonnementverträge genaue Weisungen der Beklagten bestanden, steht
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der Annahme, die Schuldnerin sei als Handelsvertreterin tätig geworden, nicht
entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1982 - I ZR 60/80, WM 1982, 1152,
1153). Vermittlung ist in erster Linie auf den Abschluss von Geschäften gerich-
tete Tätigkeit, die den Abschluss vorbereitet und ermöglicht; sie ist Einwirken
auf den Dritten (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 1982 - I ZR 68/80, NJW 1983, 42).
Die vom Handelsvertreter zu erbringende Vermittlungstätigkeit setzt dabei nicht
die Erbringung von Diensten höherer Art voraus. Ausreichend ist, dass die
Tätigkeit des Handelsvertreters für den Abschluss des von ihm vermittelten
Geschäfts mitursächlich geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 5. April 2006
- VIII ZR 384/04, NJW-RR 2006, 976, Rn. 19; vom 20. Februar 1986
- I ZR 105/84, NJW-RR 1986, 709, 710; vom 11. März 1982 - I ZR 27/80, NJW
1982, 1757, 1758).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Dass die Tätigkeit der Schuldnerin
für die Geschäftsabschlüsse mitursächlich gewesen ist, die dem streitgegen-
ständlichen Provisionsanspruch zugrunde liegen, stellt auch die Revision nicht
in Abrede. Im Übrigen fehlt es nicht völlig an einer von der Schuldnerin zu er-
bringenden eigenen Vermittlungsleistung. Der von der Beklagten entwickelte
Leitfaden enthält lediglich einen schematischen Ablaufplan für die zu führenden
Werbegespräche, der die Mitarbeiter der Schuldnerin nicht der Aufgabe enthob,
das auf Seiten des Kunden bestehende mögliche Interesse an einem von der
Beklagten vertriebenen Zeitschriftenmagazin im Gespräch zu ermitteln oder zu
wecken.
2. Zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die Ver-
einbarung in § 9 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung in Verbindung mit Anlage 3
(sog. Sprunghaftung), gegen die zwingende Vorschrift in § 87a Abs. 1 Satz 3
HGB verstößt, mit der Vorgaben gemäß Art. 10 Abs. 2 und Abs. 4 der Richtlinie
86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der
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Rechtsvorschriften
der
Mitgliedstaaten
betreffend
die
selbständigen
Handelsvertreter (im Folgenden: RL) in deutsches Recht umgesetzt werden
(vgl. BT-Drucks. 11/3077, S. 8). Die vertragliche Vereinbarung ist unwirksam,
soweit hierdurch Provisionsansprüche der Schuldnerin auch dann vollständig
ausgeschlossen sein sollen, wenn der Kunde den Abonnementvertrag teilweise
erfüllt hat.
a) § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB bestimmt, dass der Handelsvertreter unab-
hängig von einer Vereinbarung Anspruch auf Provision hat, sobald und soweit
der Dritte das Geschäft ausgeführt hat. Die Vertragsbestimmung in § 9 Nr. 3 der
Rahmenvereinbarung in Verbindung mit der in Anlage 3 festgelegten Sprung-
haftungsfrist schließt ihrem Inhalt nach dagegen einen Provisionsanspruch der
Schuldnerin auch dann vollständig aus, wenn der Kunde das von dieser vermit-
telte Abonnement über einen Zeitraum hinweg bezahlt, der den als Sprunghaf-
tungsfrist festgelegten Zeitraum von 27 Wochen unterschreitet. Da der Kunde
den Abonnementvertrag in diesem Fall teilweise erfüllt hat, verstößt der voll-
ständige Ausschluss eines Provisionsanspruchs gegen die zwingende Vor-
schrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB.
b) Soweit die Revision meint, § 9 Nr. 3 der Rahmenvereinbarung falle
nicht unter den Anwendungsbereich von § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB, teilt der
Senat diese Auffassung nicht. Die Parteien können aufgrund vertraglicher Ver-
einbarungen das Entstehen eines (Teil-) Provisionsanspruchs nicht davon ab-
hängig machen, dass der Dritte seinen Pflichten aus dem vermittelten Vertrag
über einen gewissen Zeitraum hinweg nachkommt (a.A. Emde, Vertriebsrecht,
3. Aufl., § 87 Rn. 14). Denn durch eine solche Vertragsregelung würde die
zwingende Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB umgangen.
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3. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Auffassung des Beru-
fungsgerichts, der Schuldnerin stehe nach § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB eine Teil-
provision zu, die entsprechend dem Verhältnis des Zeitraums, in dem der Kun-
de für das Abonnement Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, zu der verein-
barten Sprunghaftungsfrist von 27 Wochen anteilig zu berechnen sei. Die ver-
tragliche Regelung über die Sprunghaftung in § 9 Nr. 3 der Rahmenvereinba-
rung in Verbindung mit Anlage 3 ist wegen Verstoßes gegen § 87a Abs. 1
Satz 3 HGB in Verbindung mit § 139 BGB nichtig. Die Schuldnerin kann als
Provision den üblichen Satz gemäß § 87b Abs. 1 HGB verlangen.
a) Die vertragliche Regelung über die Sprunghaftung kann nicht in einen
unwirksamen und einen wirksamen Teil aufgespalten werden. Der Verstoß ge-
gen § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB erfasst vielmehr die gesamte Vertragsbestim-
mung. Eine Teilnichtigkeit einer Vertragsbestimmung kann nach § 139 BGB nur
angenommen werden, wenn ein verbleibender Teil als selbständige Regelung
Bestand haben kann (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 17. Oktober 2008
- V ZR 14/08, NJW 2009, 1135 Rn. 10; vom 14. November 2000 - XI ZR
248/99, BGHZ 146, 37, 47; vom 4. Februar 1994 - V ZR 277/92, NJW 1994,
1470, 1471). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Vereinbarung einer von der
Haltbarkeit des vermittelten Abonnementvertrags abhängigen Netto-Vergütung
verliert vielmehr insgesamt den von den Vertragsparteien mit ihr verfolgten
Sinn, wenn die für den Provisionsanspruch maßgebliche Bedingung, dass der
vom Handelsvertreter vermittelte Vertrag von dem Kunden über einen gewissen
Mindestzeitraum hinweg erfüllt wird, wegen Verstoßes gegen die zwingende
gesetzliche Vorschrift in § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht wirksam vereinbart
werden kann. Denn mit der Vereinbarung einer Netto-Vergütung in Form einer
Sprunghaftungsregelung wird dem Handelsvertreter das Risiko dafür auferlegt,
dass der von ihm vermittelte Abonnementvertrag mit dem Kunden dauerhaft
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und damit für den Unternehmer gewinnbringend ist. Die vereinbarte Sprunghaf-
tungsfrist dient dabei dazu, den Zeitraum festzulegen, der - statistisch gese-
hen - die Erwartung rechtfertigt, dass der Vertrag mit dem Kunden über einen
Zeitraum hinweg fortgeführt wird, der ihn für den Unternehmer wirtschaftlich
rentabel macht. Im Gegenzug verpflichtet sich der Unternehmer, eine höhere
Provision an den Handelsvertreter zu zahlen. Ein von der statistischen Haltbar-
keit des vom Handelsvertreter vermittelten Vertrags abhängiges Provisionsmo-
dell kann jedoch dann nicht mehr entsprechend dem von den Parteien verein-
barten Inhalt und der damit einhergehenden Risikoverteilung teilweise aufrecht-
erhalten werden, wenn im Hinblick auf die zwingende Vorschrift des § 87a Abs.
1 Satz 3 HGB die hierfür zentrale Sprunghaftungsregelung nicht wirksam ver-
einbart werden kann.
b) Der zuerkannte Teilprovisionsanspruch ergibt sich auch nicht bei An-
wendung der Verhandlungsklauseln in den vertraglichen Vereinbarungen. Die
Vertragsparteien haben in dem Dienstleistungsvertrag und der Rahmenverein-
barung für den Fall, dass eine oder mehrere Bestimmungen des Vertrags un-
wirksam sind, vereinbart, eine der unwirksamen Regelung wirtschaftlich mög-
lichst nahekommende rechtswirksame Regelung zu treffen. Nach dem vorste-
hend Gesagten kann eine der vertraglichen Sprunghaftungsregelung wirtschaft-
lich vergleichbare Provisionsvereinbarung, die es ermöglicht, die Verpflichtung
der Beklagten zur Zahlung einer Provision von einer gewissen Mindesthaltbar-
keit des Abonnements abhängig zu machen, im Hinblick auf die zwingende
Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht wirksam vereinbart werden. Die
von den Parteien für den Fall der Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung
vereinbarte Verhandlungsklausel läuft damit ins Leere.
c) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, wenn
die durch die Unwirksamkeit einer Vertragsbestimmung hervorgerufene
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Vertragslücke durch Heranziehung des dispositiven Rechts sachgerecht ge-
schlossen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. November 1997
- IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 157; vom 24. Juni 1982 - VII ZR 244/81, NJW
1982, 2190, 2191; vom 10. Juli 1963 - VIII ZR 204/61, BGHZ 40, 91, 103
m.w.N.). So liegt der Fall hier. Gemäß § 87b Abs. 1 HGB ist, wenn die Höhe der
Provision nicht bestimmt ist, der übliche Satz als vereinbart anzusehen. Hiermit
wird den Vertragsparteien für den Fall, dass die Provisionsvereinbarung unwirk-
sam ist, eine sachgerechte Regelung zur Ermittlung der dem Handelsvertreter
zustehenden Provision zur Verfügung gestellt.
4. Das Berufungsgericht hat zur Höhe des üblichen Provisionssatzes
- von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Das
Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit es sowohl zum
Nachteil der Beklagten als auch des Klägers entschieden hat. Insoweit ist we-
der auszuschließen, dass dem Kläger ein geringerer als der zuerkannte noch
dass ihm ein über den titulierten Anspruch hinausgehender Provisionsanspruch
zusteht. Die angefochtene Entscheidung ist vielmehr insgesamt aufzuheben
und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs-
gericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen tref-
fen kann.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass ein
der Schuldnerin zustehender Provisionsanspruch nicht gemäß § 87a Abs. 3
Satz 2 HGB entfallen ist. Nicht tragfähig ist insoweit allerdings die Auffassung
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des Berufungsgerichts, die Beklagte habe bereits deshalb keine Nachbearbei-
tung geschuldet, weil diese wirtschaftlich allein der Schuldnerin zugutegekom-
men wäre. Diese Annahme ist von Denkfehlern beeinflusst. Denn die Nachbe-
arbeitung des Abonnements fördert in jedem Fall auch die Chance der Beklag-
ten, dass das Abonnement über einen Zeitraum hinweg bestehen bleibt, der es
ihr ermöglicht, hieraus Gewinn zu erzielen. Die Annahme des Berufungsge-
richts, die Beklagte sei zur Nachbearbeitung der Abonnementverträge nicht
verpflichtet, erweist sich jedoch deswegen im Ergebnis als zutreffend, weil an-
gesichts der geringfügigen Forderungsbeträge eine Nachbearbeitung der nicht
oder nicht vollständig ausgeführten Verträge nicht gefordert werden kann. In der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte ist anerkannt,
dass ein Nachweis von Nachbearbeitungsbemühungen vom Unternehmer nicht
verlangt werden kann, wenn die ausstehenden Zahlungsbeträge verhältnismä-
ßig geringfügig sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1971 - VII ZR 54/70,
MDR 1972, 135 f.; OLG Celle, OLGR 2001, 267, 268). Dass diese Vorausset-
zungen hier vorliegen, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Auf die Frage,
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ob eine ausreichende Nachbearbeitung der Abonnementverträge anhand einer
Stichprobe festgestellt werden kann und ob die Beklagte möglicherweise aus
rechtlichen Gründen an einer Nachbearbeitung der Abonnementverträge gehin-
dert war, kommt es danach nicht entscheidend an.
Eick
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Sacher
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 23.12.2011 - 402 HKO 79/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.11.2013 - 9 U 11/12 -