Urteil des BGH vom 25.02.2016

Leitsatzentscheidung zu Verjährungsfrist, Abnahme, Sachmängelhaftung, Grundstück

ECLI:DE:BGH:2016:250216UVIIZR156.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 156/13
Verkündet am:
25. Februar 2016
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 433, 437 Nr. 1, § 439; WEG § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2, § 10 Abs. 6 Satz 3
a) Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann kaufvertragliche Nacherfüllungs-
ansprüche der Erwerber gegen den Bauträger gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB
an sich ziehen und deren gemeinschaftliche gerichtliche Durchsetzung be-
schließen, wenn diese Ansprüche jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der
Mängel am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet
sind.
b) Bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei Jahre nach Errich-
tung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die Sachmängelhaf-
tung nach Kaufvertragsrecht.
BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 - VII ZR 156/13 - OLG Koblenz
LG Mainz
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter
Dr. Kartzke und die Richterinnen Graßnack, Sacher und Wimmer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des
2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Mai
2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, begehrt von der
Beklagten die Beseitigung näher bezeichneter Mängel am Gemeinschaftseigen-
tum sowie die Zahlung von Aufwendungsersatz in Höhe von 837,31 € und Er-
stattung von
vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.641,96 € nebst Zin-
sen.
Die Beklagte ließ im Jahr 2003 auf einem ihr gehörenden Grundstück in
M. durch eine Generalunternehmerin eine Wohnanlage errichten, um später
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Eigentumswohnungen
zu
veräußern.
Mit
Teilungserklärung
vom
16. Januar 2004 teilte sie das Grundstück in 81 Miteigentumsanteile, davon
30 Wohnungen und 51 Tiefgaragenplätze. Eine Abnahme des Gemeinschafts-
eigentums der Wohnanlage erfolgte am 16. Februar 2004 durch den von der
Beklagten bevollmächtigten Sachverständigen R.
Die Beklagte veräußerte beginnend mit dem 1. April 2004 nach und nach
einzelne Eigentumswohnungen; andere Eigentumswohnungen wurden zu-
nächst vermietet.
In den notariellen Verträgen, die in den Jahren 2004 bis 2007 geschlos-
sen wurden, finden sich unter § 3 "Übergabe" und unter § 5 "Sachmangelfrei-
heit" unter anderem folgende Regelungen:
"§ 3 Nr. 2 Abs. 6:
Das Gemeinschaftseigentum wurde am 16.2.2004 durch den
öffentlich bestellten und vereidigten Bausachverständigen
Herrn Dipl.-Ing. R. vom Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. F.
abgenommen. Das Abnahmeprotokoll liegt dem Käufer vor
und ist dieser Urkunde als Anlage beigefügt. Der Käufer er-
kennt die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den
Bausachverständigen für sich als verbindlich an. Der Käufer
erkennt insbesondere an, dass für ihn die Verjährungsfrist für
Baumängel am Gemeinschaftseigentum mit dieser Abnahme
zu laufen beginnt."
"§ 5 Abs. 1:
Der Verkäufer hat das Kaufobjekt einschließlich Einbauten
frei von Sachmängeln zu verschaffen, soweit nachfolgend
nichts anderes vereinbart ist:
1) Der Käufer kann innerhalb von 5 Jahren ab Übergabe
bzw. Abnahme Beseitigung eines Sachmangels (Nacher-
füllung) durch den Verkäufer verlangen.
... "
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Mit Anwaltsschreiben vom 28. Februar 2011 forderte die Klägerin die Be-
klagte unter Bezugnahme auf ein im August 2008 erstelltes Gutachten des
Sachverständigen K. zur Beseitigung näher bezeichneter Mängel auf. Ferner
begehrte sie Aufwendungsersatz für den von ihr im Oktober 2010 im Wege ei-
ner angeblichen Notmaßnahme veranlassten Anschluss von Entwässerungs-
rohren. Die Beklagte berief sich unter anderem auf den Ablauf der Gewährleis-
tungsfrist. In einer Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2011 wurde die Kläge-
rin durch Mehrheitsbeschluss ermächtigt, Rechte wegen der nicht beseitigten
Mängel am Gemeinschaftseigentum gerichtlich geltend zu machen.
Das Landgericht hat die am 6. September 2011 eingegangene und am
14. Dezember 2011 zugestellte Klage insgesamt abgewiesen und sich im We-
sentlichen darauf gestützt, dass den von der Klägerin geltend gemachten Män-
gelrechten die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen-
stehe. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Berufungsge-
richt nach vorangegangenem Hinweisbeschluss durch Beschluss gemäß § 522
Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Beschlusses des Berufungsge-
richts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da die
das Gemeinschaftseigentum betreffenden Mängelrechte nach § 634a Abs. 1
Nr. 2, Abs. 2 BGB verjährt seien.
Dies gelte im Hinblick auf den Eingang der Klage am 6. September 2011
zunächst
für
diejenigen
Erwerber,
die
ihre
Wohnung
vor
dem
6. September 2006 abgenommen hätten, was regelmäßig bei jenen Erwerbern
zutreffen werde, die die Verträge vor diesem Zeitpunkt geschlossen hätten.
Die Verjährung der das Gemeinschaftseigentum betreffenden Mängel-
rechte sei aber auch hinsichtlich der Erwerber eingetreten, die ihre notariellen
Kaufverträge erst nach diesem Zeitpunkt in den Jahren 2006 und 2007 ge-
schlossen hätten, da sie mit der Beklagten in § 3 Nr. 2 Abs. 6 der Verträge als
maßgeblichen Beginn der Verjährungsfrist den 16. Februar 2004 vereinbart hät-
ten.
Die Klausel sei nicht nach §§ 307 ff. BGB unwirksam. Es liege keine fin-
gierte Erklärung im Sinne von § 308 Nr. 5 BGB vor, da die Abnahmeerklärung
der Erwerber nicht fingiert, sondern lediglich die tatsächlich abgegebene Ab-
nahmeerklärung durch den Sachverständigen R. von den Erwerbern als ver-
bindlich anerkannt werde. Die Klausel sei auch nicht gemäß § 309 Nr. 8 b) ff)
BGB unwirksam. Ausweislich der - mangels Tatbestandsberichtigung zugrunde
zu legenden - Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil seien sämtliche in den
Jahren 2006 und 2007 veräußerten Wohnungen seit Fertigstellung der
Wohnanlage zunächst vermietet gewesen. Allenfalls die zu Beginn des Jahres
2006 veräußerten Wohnungen könnten daher noch als neu hergestellte Sachen
dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 8 b) ff) BGB unterfallen. Hinsichtlich
dieser Wohnungen sei die Verjährungsfrist jedoch ohnehin vor dem
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6. September 2011 abgelaufen. Die später veräußerten Wohnungen seien nicht
mehr als neu hergestellte Sachen zu qualifizieren, so dass § 309 Nr. 8 b) ff)
BGB nicht einschlägig sei. Auch aus § 307 Abs. 1 und 2 BGB ergebe sich
nichts anderes. Die Klausel sei eindeutig formuliert und führe zu keiner unan-
gemessenen Benachteiligung der Erwerber. Hintergrund der fünfjährigen Ver-
jährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB sei, dass sich verdeckte
Mängel bei Bauvorhaben häufig erst nach einem gewissen Zeitablauf zeigten.
Diesem Rechtsgedanken werde die Klausel aber gerecht, da die Abnahme
durch den Sachverständigen R. nach Fertigstellung der Wohnanlage erfolgt sei,
so dass die vom Gesetzgeber eingeräumte Frist für das Sichtbarwerden ver-
deckter Mängel gar nicht verkürzt werde. Der Gesetzeszweck erfordere es
nicht, dass jedem einzelnen, oft erst Jahre später erwerbenden Miteigentümer
die persönliche volle Verjährungsfrist zur Verfügung gestellt werde. Demgegen-
über bestehe ein berechtigtes Interesse des Bauträgers, bei einem sukzessiven
Abverkauf der Wohnungen nicht quasi auf Dauer Mängelrechten betreffend das
Gemeinschaftseigentum ausgesetzt zu sein, obwohl eigene Mängelrechte ge-
genüber dem Generalunternehmer längst verjährt seien.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige
R. von der Beklagten mit der Abnahme vom 16. Februar 2004 beauftragt wor-
den sei. Das Interesse der Beklagten, die Alleineigentümerin der Wohnanlage
gewesen sei, sei seinerzeit nämlich darauf gerichtet gewesen, im Verhältnis zur
Generalunternehmerin nur eine mangelfreie Bauleistung abzunehmen, was mit
den Interessen der späteren Erwerber korrespondiere. Insofern unterscheide
sich diese Konstellation von derjenigen, bei der die Wohnungen bereits vor der
Errichtung verkauft seien und dennoch eine Abnahme durch einen vom Bauträ-
ger bestimmten Sachverständigen vereinbart werde.
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II.
Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Anspruch auf Nacherfüllung
a) Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die
Klägerin für auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum gerichtete
Ansprüche der Erwerber prozessführungsbefugt ist, da sie diese Ansprüche an
sich gezogen und deren gerichtliche Geltendmachung beschlossen hat, § 21
Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2, § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG.
Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin besteht auch, soweit sich die
Ansprüche der Erwerber aus § 437 Nr. 1, § 439 BGB (Nacherfüllung) in Verbin-
dung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge ergeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH,
Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 20; Urteil vom
15. Januar 2010 - V ZR 80/09, BauR 2010, 774 Rn. 7 ff. = NZBau 2010, 432)
kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemä-
ßen Verwaltung die Ausübung der den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen
Verträgen mit dem Veräußerer zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Her-
stellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich zie-
hen. Sie kann danach einen auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschafts-
eigentum gerichteten werkvertraglichen Erfüllungs- oder Nacherfüllungsan-
spruch an sich ziehen und die gemeinschaftliche gerichtliche Durchsetzung be-
schließen. Im Prozess kommt der Wohnungseigentümergemeinschaft die Stel-
lung eines gesetzlichen Prozessstandschafters zu. Die sich aus § 21 Abs. 1,
Abs. 5 Nr. 2, § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG ergebende Befugnis besteht selbst dann,
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wenn nur ein Erwerber noch ein durchsetzbares Recht auf ordnungsgemäße
Herstellung des Gemeinschaftseigentums haben sollte (BGH, Urteil vom
15. Januar 2010 - V ZR 80/09, aaO).
Diese Rechtsprechung gilt auch für kaufvertragliche Nacherfüllungsan-
sprüche der Erwerber gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB betreffend das Gemein-
schaftseigentum, wenn diese Ansprüche - wie die werkvertraglichen Erfüllungs-
und Nacherfüllungsansprüche - jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der
Mängel am Gemeinschaftseigentum und damit auf das gleiche Ziel gerichtet
sind. Es besteht dann kein Anlass, die aus § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2, § 10
Abs. 6 Satz 3 WEG folgenden Befugnisse der Wohnungseigentümergemein-
schaft unterschiedlich zu beurteilen. Ein solcher Fall ist hier nach den unten
stehenden Ausführungen (II. 1. d) gegeben.
b) Dagegen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die auf Beseiti-
gung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Ansprüche sämtli-
cher Erwerber seien verjährt, von Rechtsfehlern beeinflusst.
Die Revision macht zu Recht geltend, dass zumindest die Erwerber, die
ihre Verträge im Jahr 2007 geschlossen haben, nicht verjährte Nacherfüllungs-
ansprüche gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1
der Verträge haben.
aa) Das Berufungsgericht legt schon rechtsfehlerhaft zugrunde, dass die
Beklagte hinsichtlich sämtlicher in den Jahren 2004 bis 2007 geschlossenen
Verträge einer werkvertraglichen Sachmängelhaftung unterliegt. Jedenfalls hin-
sichtlich der im Jahr 2007 geschlossenen Verträge haftet die Beklagte für
Sachmängel nach Kaufvertragsrecht.
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(1) Für vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ge-
schlossene Verträge gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats, dass sich
die Ansprüche der Erwerber wegen Mängeln an neu errichteten Häusern oder
Eigentumswohnungen grundsätzlich nach Werkvertragsrecht richten, mag auch
das Bauwerk bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt sein (vgl. grundlegend
BGH, Urteil vom 29. Juni 1981 - VII ZR 259/80, BauR 1981, 571, 572 f., juris
Rn. 8 ff. sowie Urteile vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01, BauR 2003, 535,
juris Rn. 11 = NZBau 2003, 213; vom 17. September 1987 - VII ZR 153/86,
BGHZ 101, 350, 352, juris Rn. 7; vom 7. Mai 1987 - VII ZR 129/86, BauR 1987,
438, juris Rn. 9 und vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR 1985, 314,
315, juris Rn. 13 ff.; für noch nicht vollständig fertiggestellte Bauwerke vgl.
BGH, Urteile vom 5. April 1979 - VII ZR 308/77, BGHZ 74, 204, 206 f., juris
Rn. 11 ff. und vom 10. Mai 1979 - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 267 f., juris
Rn. 30 f.). Die Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht kann danach auch dann
noch zu bejahen sein, wenn die Erwerbsverträge zwei Jahre nach Errichtung
geschlossen wurden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 408/01,
aaO; Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, aaO, juris Rn. 15 f.).
Dabei ist ohne Bedeutung, ob die Parteien den Vertrag als Kaufvertrag
und sich selbst als Käufer und Verkäufer bezeichnet haben. Entscheidend ist
vielmehr, dass sich aus dem Inhalt solcher Verträge, aus ihrem Zweck und ihrer
wirtschaftlichen Bedeutung sowie aus der Interessenlage die Verpflichtung des
Veräußerers zu einer mangelfreien Errichtung des Bauwerks ergibt.
(2) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob an dieser
Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsge-
setzes grundsätzlich festzuhalten ist, wofür allerdings einiges spricht (vgl. zum
Streitstand, bejahend: Kniffka/Kniffka, ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht,
Stand: 28. Juli 2015, Einf. vor § 631 Rn. 55 ff.; Koeble in Kniffka/Koeble, Kom-
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pendium des Baurechts, 4. Aufl., 11. Teil Rn. 206 ff.; Basty, Der Bauträgerver-
trag, 8. Aufl., Rn. 11 ff.; Vogel, BauR 2010, 1992, 1994 f.; Derleder, NZBau
2004, 237, 242 f.; Thode, NZBau 2002, 297, 299 f.; Pause, NZBau 2002, 648 f.;
tendenziell auch BGH, Urteil vom 26. April 2007 - VII ZR 210/05, BauR 2007,
1407, 1409, juris Rn. 18 f. = NZBau 2007, 507; verneinend: Hertel, DNotZ 2002,
6, 18 f.; Bambring, DNotZ 2001, 904, 906; Ott, NZBau 2003, 233, 238 f.).
Jedenfalls bei Eigentumswohnungen, die ein Bauträger ungefähr drei
Jahre nach Errichtung veräußert und die zuvor vermietet waren, richtet sich die
Sachmängelhaftung nach Kaufvertragsrecht. Derartige Eigentumswohnungen
sind nach der Verkehrsanschauung im Allgemeinen nicht mehr als neu errichte-
te Objekte zu qualifizieren. Daher kann den Verträgen unter Berücksichtigung
des Vertragszwecks, der wirtschaftlichen Bedeutung und der beiderseitigen In-
teressenlage im Regelfall keine Errichtungsverpflichtung mehr entnommen
werden.
(3) Nach diesen Maßstäben ist die Haftung der Beklagten für die geltend
gemachten Mängel am Gemeinschaftseigentum, die auf die im Jahr 2007 ge-
schlossenen Verträge gestützt wird, nach Kaufrecht zu beurteilen.
Sämtliche Wohnungen, die in diesem Zeitraum veräußert worden sind,
waren gemäß den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Errichtung der
Wohnanlage Anfang des Jahres 2004 zunächst vermietet. Die insoweit von der
Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durch-
greifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO. Besondere vertragliche Regelungen oder
sonstige Umstände, die ausnahmsweise die Anwendbarkeit von Werkvertrags-
recht rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die das Gemeinschaftseigen-
tum betreffenden Nacherfüllungsansprüche der Erwerber, die ihre Verträge im
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Jahr 2007 geschlossen haben, seien im Hinblick auf § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der
Verträge verjährt, weil diese Klausel der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB
standhalte, ist ebenfalls rechtsfehlerhaft.
Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des
Berufungsgerichts handelt es sich bei der betreffenden Klausel um eine von der
Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung.
Die Regelung zur Verjährungsfrist in § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge
genügt nicht den Anforderungen des Transparenzgebots und ist deshalb wegen
unangemessener Benachteiligung der Erwerber gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB unwirksam.
Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Be-
nachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die
Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus erge-
ben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflich-
tet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten
seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2015 - VII ZR 100/15, BB 2016,
84 Rn. 22 und vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 16,
jeweils m.w.N.). Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich ge-
nommen klar formuliert ist, vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit
den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist
ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt
werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme
auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Der Vertragspartner soll seine
Rechte möglichst klar und einfach feststellen können, damit er nicht von deren
Durchsetzung abgehalten wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu ge-
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eignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen,
verstößt danach gegen das Transparenzgebot (vgl. BeckOK BGB/H. Schmidt,
Stand: 1. November 2015, § 307 Rn. 43). Abzustellen ist bei der Bewertung der
Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglich-
keiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt
des Vertragsschlusses (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember 2015
- VII ZR 100/15, aaO Rn. 22 und vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, aaO
Rn. 17).
Diesen Anforderungen wird die Regelung in § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der
Verträge nicht gerecht. Auch wenn die Klausel isoliert betrachtet klar formuliert
ist, erweist sich der Regelungsgehalt im Hinblick auf die Regelung in § 5 Abs. 1
Nr. 1 der Verträge für einen durchschnittlichen Vertragspartner als intranspa-
rent. Während § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge für Baumängel am Gemein-
schaftseigentum eine Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnend mit der Ab-
nahme des Gemeinschaftseigentums durch den Sachverständigen R. am
16. Februar 2004 vorsieht, bestimmt § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge für die
Sachmängelhaftung eine Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnend mit "Über-
gabe bzw. Abnahme". Sowohl das Verhältnis von "Übergabe bzw. Abnahme" im
Rahmen der Klausel des § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge als auch das Verhältnis
zwischen den beiden Klauseln wird im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt. Es
ergibt sich auch im Wege der Auslegung nicht mit der erforderlichen Klarheit.
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge kann insbesondere nicht lediglich auf das Son-
dereigentum bezogen werden. Vielmehr regelt diese Bestimmung die Sach-
mängelhaftung hinsichtlich des "Kaufobjekts". Zum Kaufobjekt gehören aber
gemäß § 1 der Verträge nicht nur das Sondereigentum an der jeweiligen Woh-
nung und dem jeweiligen Tiefgaragenstellplatz, sondern auch der Miteigen-
tumsanteil an dem Grundstück und damit an dem Gemeinschaftseigentum. An-
gesichts dieser Vertragsgestaltung kommen als Anknüpfungspunkte für den
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Verjährungsbeginn hinsichtlich der Ansprüche wegen Mängeln am Gemein-
schaftseigentum zum einen dessen Abnahme durch den Sachverständigen R.
am 16. Februar 2004 und zum anderen die spätere Übergabe des Kaufobjekts
an die jeweiligen Erwerber in Betracht. Diesen Widerspruch löst der Vertrag
nicht auf. Hinzu kommt, dass neben der inhaltlichen Unklarheit auch die ge-
wählte Anordnung und Gestaltung der beiden Klauseln zur Intransparenz führt.
So vermittelt § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verträge, der bereits ausweislich der Über-
schrift die Sachmängelhaftung betrifft, einem Erwerber den Eindruck, dass für
sämtliche Mängelansprüche die nach dem Gesetz bestehende Verjährungsfrist
- im Kaufrecht gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a), Abs. 2 BGB fünf Jahre ab Überga-
be - gilt. Ein konkreter Hinweis auf die an anderer Stelle und in anderem Zu-
sammenhang stehende Bestimmung des § 3 Nr. 2 Abs. 6 Satz 4 der Verträge,
die im Gegensatz dazu aufgrund der Vorverlegung des Verjährungsbeginns zu
einer mittelbaren Verkürzung der gesetzlichen fünfjährigen Verjährungsfrist füh-
ren soll, findet sich in § 5 der Verträge nicht. Diese Vertragsgestaltung ist objek-
tiv geeignet, einen Erwerber über den Umfang seiner Mängelrechte irrezufüh-
ren.
Daher gilt gemäß § 306 Abs. 2 BGB für die hier maßgeblichen Verträge
aus dem Jahr 2007 die gesetzliche Verjährungsfrist von fünf Jahren ab Überga-
be gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a), Abs. 2 BGB.
Eine Verjährung der das Gemeinschaftseigentum betreffenden Nacher-
füllungsansprüche gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1
Nr. 1 der Verträge scheidet danach hinsichtlich derjenigen Erwerber aus, bei
denen Vertragsschluss und Übergabe im Jahr 2007 erfolgt sind, weil die Erhe-
bung der Klage am 14. Dezember 2011 zu einer rechtzeitigen Hemmung ge-
mäß § 204 Nr. 1 BGB geführt hat.
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c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf der rechtsfehler-
haften Annahme, auch die Nacherfüllungsansprüche jener Erwerber seien ver-
jährt.
Dabei kann für das Revisionsverfahren offen bleiben, inwieweit Ansprü-
che der anderen Erwerber auf Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftsei-
gentum noch durchgesetzt werden könnten. Da der Verjährungseintritt in der
Person eines Erwerbers die entsprechenden Ansprüche der übrigen Erwerber
unberührt lässt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 - VII ZR 72/84, BauR
1985, 314, 316 f., juris Rn. 27 ff.), kann eine Wohnungseigentümergemein-
schaft vom Bauträger Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum ver-
langen, solange nur ein Erwerber einen solchen nicht verjährten Anspruch hat.
d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-
deren Gründen als richtig dar.
Die hier in Betracht kommenden nicht verjährten Nacherfüllungsansprü-
che der Erwerber gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 1
Nr. 1 der Verträge sind jeweils in vollem Umfang auf Beseitigung der Mängel
am Gemeinschaftseigentum gerichtet.
Allerdings ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden, welchen Inhalt
der Nacherfüllungsanspruch gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB bei einem Verkauf
einer gebrauchten Eigentumswohnung im Allgemeinen hat. Der Bundesge-
richtshof hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob der Verkäufer in einem
solchen Fall gehalten ist, dem Käufer insgesamt mangelfreies Gemeinschafts-
eigentum mit der Folge eines entsprechenden "vollen" Nacherfüllungsan-
spruchs zu verschaffen, oder ob der Nacherfüllungsanspruch sich lediglich auf
einen Anspruch auf Freistellung von den Kosten zur Beseitigung des Mangels
am Gemeinschaftseigentum in Höhe der Quote des Miteigentumsanteils (§ 16
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Abs. 2 WEG) beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 2015 - V ZR 167/14,
BauR 2015, 1837 Rn. 22 f. = NZBau 2015, 697).
Diese Frage kann weiterhin offen bleiben, denn vorliegend ergibt sich
aus den konkreten Bestimmungen der Verträge, dass der kaufvertragliche
Nacherfüllungsanspruch der betreffenden Erwerber - wie der werkvertragliche
Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch - in vollem Umfang auf Beseitigung
der Mängel am Gemeinschaftseigentum gerichtet ist. Das folgt aus § 5 Abs. 1
Nr. 1 der Verträge, in dem ausdrücklich ein Anspruch der Erwerber auf "Beseiti-
gung eines Sachmangels" am Kaufobjekt im Wege der Nacherfüllung geregelt
ist. Kaufobjekt im Sinne dieser Bestimmung ist, wie bereits ausgeführt, gemäß
§ 1 der Verträge nicht nur das Sondereigentum, sondern auch der Miteigen-
tumsanteil am Gemeinschaftseigentum. Danach steht den Erwerbern hinsicht-
lich des Gemeinschaftseigentums jeweils ein auf Beseitigung von Mängeln am
Gemeinschaftseigentum gerichteter "voller" Nacherfüllungsanspruch gegen die
Beklagte zu. Eine Beschränkung des Nacherfüllungsanspruchs findet im Ver-
trag keine Grundlage.
2. Anspruch auf Aufwendungsersatz
a) Die Klägerin ist auch hinsichtlich des Anspruchs auf Aufwendungser-
satz prozessführungsbefugt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sie nach den
zugrundezulegenden Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit einen ei-
genen Anspruch gegen die Beklagte geltend macht, der sich nach ihrem Vor-
bringen daraus ergeben soll, dass sie den Anschluss von Entwässerungsrohren
im Wege einer Notmaßnahme beauftragt hat und ihr hierdurch Kosten entstan-
den sind.
b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Anspruch auf Aufwen-
dungsersatz sei verjährt, ist rechtsfehlerhaft.
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Ein eigener vertraglicher Anspruch - insbesondere ein eigener Mängel-
anspruch - der Klägerin gegen die Beklagte besteht nicht. Es kommt daher nur
ein eigener Anspruch der Klägerin aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis,
etwa aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung,
in Betracht. Hierfür gilt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB,
deren Beginn sich nach § 199 Abs. 1 BGB richtet. Da ein solcher Anspruch frü-
hestens mit Beauftragung der Maßnahme im Oktober 2010 entstanden sein
kann, ist die Verjährung durch die Erhebung der Klage am 14. Dezember 2011
rechtzeitig gehemmt worden.
c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auch insoweit auf der
rechtsfehlerhaften Annahme der Verjährung, da das Bestehen eines eigenen
unverjährten Anspruchs der Klägerin auf Aufwendungsersatz aus einem gesetz-
lichen Schuldverhältnis wegen der behaupteten Notmaßnahme nicht von vorn-
herein ausgeschlossen werden kann. Dies kommt in Betracht, wenn die Kläge-
rin mit der Veranlassung der Notmaßnahme - auch - eine etwaige gegenüber
den Erwerbern bestehende Verpflichtung der Beklagten zur Mängelbeseitigung
erfüllen wollte und dies dem Interesse der Beklagten entsprach.
III.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand
haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3
ZPO, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zum Vorliegen der
geltend gemachten Mängel getroffen hat. Der Beschluss des Berufungsgerichts
ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuver-
weisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen
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nachzuholen und die in Betracht kommenden Ansprüche in der Sache zu prü-
fen.
Eick
Kartzke
Graßnack
Sacher
Wimmer
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 22.08.2012 - 4 O 277/11 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 16.05.2013 - 2 U 1123/12 -