Urteil des BGH vom 29.11.2011

Geschäftliche Tätigkeit, Virgin Islands, Unternehmen, Zoll, Zeichnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 251/10
Verkündet am:
29. November 2011
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Düsseldorf vom 3. September 2010 wird auf Kosten
des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklag
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ist eine 1997 gegründete Gesellschaft mit Sitz auf den
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tish Virgin Islands. Nach ihrer Satzung handelt sie mit Aktien und zahlreichen
anderen Wertsachen, betreibt Grundstücksgeschäfte, garantiert Kredite und
darf alle sonstigen Geschäfte durchführen. Sie hält als einzigen Vermögenswert
mittelbar die Mehrheit an der Beklagten zu 2, die ihrerseits Mehrheitsbeteiligun-
gen an acht weiteren Aktiengesellschaften türkischen Rechts hielt, die in unter-
schiedlichen Branchen am Markt auftreten.
Der Kläger suchte eine islamkonforme Anlage ohne Zinszahlungen, die
die türkische Wirtschaft unterstützen sollte. Deswegen zeichnete er am
16. Januar 1998, 1. Januar 1999, 25. Januar 1999 und 1. Januar 2000 stimm-
rechtslose, nicht börsennotierte Aktien des Typs C an der Beklagten zu 1 für
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insgesamt umgerechnet 34.307,69
€. Das Geld nahm der Zeuge E. in bar vom
Kläger entgegen. Die Aktien der Beklagten zu 1 wurden überwiegend in
Deutschland an etwa 5.000 türkischstämmige Kleinanleger veräußert; dabei
wurde herausgestellt, dass die Anlagen mit dem islamischen Zinsverbot kon-
form seien. Sie erwirtschaften nur Erträge, die das Unternehmen ausschüttet.
Die Beklagten verfügten nicht über die Erlaubnis nach § 32 KWG a.F.. Mit der
Klage nimmt der Kläger die Beklagten auf Rückzahlung der eingezahlten Gel-
der in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnah-
me abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Be-
rufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht führt, soweit im Revisionsverfahren noch von Inte-
resse, im Wesentlichen aus:
Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG
bestehe nicht, weil die Tätigkeit der Beklagten zu 1 keiner Erlaubnis nach dem
Gesetz über das Kreditwesen in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Fassung (KWG a.F.) bedurft habe.
Schon nach der Darstellung des Klägers stelle der Erwerb der Anteils-
scheine kein Einlagengeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG a.F.
dar. Bei einer zu jeder Zeit rückzahlbaren Geldanlage mit fester Rendite hande-
le es sich um ein verzinstes Darlehen. Ein solches sei aber für den Kläger aus
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religiösen Gründen nicht in Betracht gekommen. Er habe zwar eine hohe
Rendite erzielen, jedoch nicht ein von ihm angenommenes Zins- und Spekulati-
onsverbot des Korans verletzen wollen. Die Verfolgung seiner Anlageziele habe
der Kläger nur dann mit seinen Glaubensgrundsätzen vereinbaren können,
wenn er sich - wie geschehen - am operativen Geschäft der Beklagten betei-
ligte.
Auch ein Finanzkommissionsgeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
KWG a.F. sei abzulehnen. Ein solches setze ein Handeln für fremde Rechnung
voraus. Auch der Kläger behaupte aber nicht, dass die Beklagten auf seine
Rechnung Wertpapiere angeschafft und veräußert hätten.
Die mittlerweile aufgehobene Regelung der Investmentgeschäfte in § 1
Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG a.F. komme vorliegend schon deshalb nicht zur An-
wendung, weil ausländische Investmentgeschäfte zum Zeitpunkt des Erwerbs
der Anteile durch den Kläger im Jahre 1999 speziell durch die Vorschriften des
Auslandinvestment-Gesetzes geregelt gewesen seien.
Die Veräußerung eigener Aktien stelle keine Finanzdienstleistung dar.
Zu Recht verneine das Landgericht eine Vermittlertätigkeit der Beklagten im
Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG a.F.. Die Beklagten seien nicht
als Vermittlerinnen einer Geldanlage tätig gewesen. Sie hätten die Geschäfte
nur für sich selbst abgeschlossen, so dass weder eine Anlage- noch eine Ab-
schlussvermittlung in Betracht komme. Eine Drittstaateneinlagenvermittlung im
Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG a.F. scheide aus, weil der Kaufpreis
für die Aktien keine Einlage im Sinne des Kreditwesengesetzes sei.
Für eine Haftung der Beklagten zu 2 fehle es danach an jeder rechtlichen
Grundlage. Für eine schuldhaft deliktische oder vorsätzlich sittenwidrige Tätig-
keit der Beklagten zu 2 habe der Kläger keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor-
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getragen. Es fehle jeder tatsächliche Vortrag dazu, welche Tätigkeit die Beklag-
te zu 2 im Rahmen der Zeichnung der Anteile an der Beklagten zu 1 - etwa im
Rahmen des Anteilsvertriebs - vorgenommen haben solle. Sie solle nur - im
Verhältnis der Beklagten untereinander - letztlich Empfängerin der Anlagegelder
sein, was dem Anlagezweck der Beklagten zu 1 entspreche.
II.
Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision greift die aus Sicht des Berufungsgerichts relevanten
Rechtsfragen nicht auf. Insoweit ist auch von Rechts wegen nichts zu erinnern.
2. Die Revision beanstandet lediglich, dass das Berufungsgericht einen
Anspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG a.F. verneint
hat. Einen solchen Anspruch hat das Berufungsgericht indes ohne Rechtsfehler
versagt.
a) Insoweit hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass die hier
in Frage stehende unternehmerische Tätigkeit der Beklagten weder als Bank-
geschäft in Form des Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG a.F.)
noch als Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG a.F.) noch
als Finanzdienstleistung (Vermittlertätigkeit der Beklagten im Sinne von § 1
Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG a.F.) zu qualifizieren ist (vgl. Senatsurteil vom
23. November 2010 - VI ZR 334/09, aaO, Rn. 28 f.). Der Senat hat sich insoweit
auf sein Urteil vom 23. März 2010 (VI ZR 57/09, VersR 2010, 910, Rn. 15 ff.
mwN) bezogen.
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b) Die dagegen von der Revision vorgebrachten Argumente überzeugen
nicht.
Die Revision verkennt nicht, dass derjenige keine Finanzdienstleistungen
erbringt, also auch keine Anlagevermittlung im Sinne von § 1 Abs. 1a Satz 2
Nr. 1 KWG a.F. betreibt, der lediglich Anteile am eigenen Unternehmen veräu-
ßert (vgl. Senatsurteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, aaO, Rn. 21). Sie
meint aber, so liege der Fall hier nicht, weil es sich bei der Beklagten zu 1 und
der Beklagten zu 2 um zwei selbständige Rechtssubjekte handele, wobei ein
Unternehmen Anteile an dem anderen vertreibe. Insoweit sei von Bedeutung,
dass es sich bei der Beklagten zu 1 um eine Briefkastenfirma handele, was re-
visionsrechtlich ebenso zu unterstellen sei wie der Vortrag des Klägers, dass
der Vertrieb der Aktien von der Beklagten zu 2 vorgenommen worden sei. Bei
dieser Sachlage sei die Folgerung des Berufungsgerichts, die Beklagte zu 2
habe die Gesellschaftsanteile als "Geschäfte nur für sich selbst" vertrieben, un-
richtig.
Dem ist nicht zu folgen. Die Revision stellt die Feststellung des Beru-
fungsgerichts nicht in Frage, dass die Beklagte zu 1 als einzigen Vermögens-
wert mittelbar die Mehrheit an der Beklagten zu 2 hält. Sie bezieht sich zudem
auf den Vortrag des Klägers, wonach die Beklagten ein gemeinsames Ver-
triebssystem unterhalten hätten, in dessen Rahmen allein die Beklagte zu 2
aktiv tätig gewesen sei, während die Beklagte zu 1 keinerlei eigene geschäftli-
che Tätigkeit entfaltet habe ("Briefkastenfirma") und die für die Aktien der Be-
klagten zu 1 eingenommenen Gelder direkt an die Beklagte zu 2 geflossen sei-
en.
Bei dieser Sachlage können die Beklagten nicht als Finanzdienstleister
angesehen werden. Sie sind allenfalls Finanzunternehmen gemäß § 1 Abs. 3
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Nr. 1 KWG, die nicht erlaubnispflichtig sind, soweit sie nicht wegen des Betrei-
bens der Anlagevermittlung oder des Eigenhandels Finanzdienstleistungsinsti-
tute nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 und 4 KWG sind (vgl. Schäfer in
Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 3. Aufl., § 1 Rn. 165).
Nach dem für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalt kann
nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte zu 2 habe den Absatz der Ak-
tien der Beklagten zu 1 vermittelt und hierdurch Anlagevermittlung im Sinne des
§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG a.F. betrieben. Das Berufungsgericht hat ausge-
führt, es fehle jeder tatsächliche Vortrag, welche Tätigkeit die Beklagte zu 2 im
Rahmen der Zeichnung der Anteile an der Beklagten zu 1 - etwa im Rahmen des
Anteilvertriebs - vorgenommen haben solle; sie habe nur - im Verhältnis der
Beklagten untereinander - letztlich Empfängerin der Anlagegelder sein sollen,
was dem Anlagezweck der Beklagten zu 1 entsprochen habe. Die Revision
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zeigt keinen konkreten Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen auf, der
diese Bewertung in Frage stellen könnte.
Galke
Zoll
Wellner
Diederichsen
Stöhr
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 19.06.2009 - 2 O 432/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.09.2010 - I-17 U 124/09 -