Urteil des BGH vom 02.10.2015

Leitsatzentscheidung zu Aufschiebende Bedingung, Culpa in Contrahendo, Treu Und Glauben, Gemeinde

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 307/13
Verkündet am:
2. Oktober 2015
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BauGB § 1 Abs. 3 Satz 2; BGB § 134, § 158 Abs. 1, 242 Ba
a) Ein Kaufvertrag, mit dem eine Gemeinde ein Grundstück unter der aufschieben-
den Bedingung verkauft, dass ein Bebauungsplan mit einem bestimmten Inhalt
zustande kommt, verstößt nicht gegen das Koppelungsverbot des § 1 Abs. 3 Satz
2 BauGB.
b) Der Käufer kann sich von einem in dieser Weise aufschiebend bedingten Vertrag
lösen, wenn ihm ein Zuwarten auf das Gelingen der Bauleitplanung unzumutbar
geworden ist.
BGH, Urteil vom 2. Oktober 2015 - V ZR 307/13 - OLG Oldenburg
LG Aurich
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2015 durch die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch,
Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin
Haberkamp
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerin und des Streithelfers der Klägerin
wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Olden-
burg vom 22. November 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit Vertrag vom 15. Dezember 2009 kaufte die Beklagte von der klagen-
den Gemeinde unter Ausschluss der Sachmängelhaftung ein Grundstück zum
Preis von 58.972 €; der Streithelfer der Klägerin beurkundete den Kaufvertrag.
In § 4 Abs. 2 heißt es:
„Der Kaufpreis ist zur Zahlung fällig, sobald dem Käufer die Mitteilung
des Notars zugegangen ist, wonach die zur vertragsgerechten Durchfüh-
rung des Vertrags erforderlichen Genehmigungen und die Abschrei-
bungsunterlagen des Katasteramtes vorliegen, die lastenfreie Übertra-
gung sichergestellt ist, die in § 7 aufgeführten, von der Verkäuferin her-
zustellenden bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Voraussetzun-
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gen gegeben sind, sowie nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung
zugunsten des Käufers im Grundbuch des Kaufgrundstücks.“
§ 7 lautet:
„Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer, auf dem Kauf-
grundstück innerhalb von drei Jahren ein oder mehrere neue Gebäude
zu errichten, in denen entweder ganz oder teilweise Gästezimmer für
den derzeitigen benachbarten Gasthof, seniorengerechte Eigentums-
wohnungen, Räumlichkeiten zur Nutzung für betreutes Wohnen (Senio-
ren- und Krankenpflege) oder kleinere gewerbliche Einheiten für Ge-
schäfte entstehen werden. Das Gebäude hat sich der Bauweise der nä-
heren Umgebung anzupassen.
Die Verkäuferin verpflichtet sich, bis zur Eigentumsumschreibung die
rechtlichen Voraussetzungen dafür herzustellen, dass die auf dem bei-
liegenden Lageplan gelb dargestellte Fläche als Bauteppich nutzbar ist.
Weiterhin verpflichtet sich die Verkäuferin, bis zur Fälligkeit des Kauf-
preises den vorhandenen Bebauungsplan dahingehend zu ändern, dass
die vorstehenden Nutzungen wie in Absatz 1 beschrieben nutzbar sind.
Der Verkäufer hat sicherzustellen, dass auf dieser Fläche eine dreige-
schossige Bebauung mit einer Grundflächenzahl von 1,0 und einer Ge-
schossflächenzahl von
1,5 möglich ist.“
Der Bebauungsplan wurde zunächst nicht geändert. Im Mai 2011 wies
die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass der eingereichte Bauantrag nicht ge-
nehmigungsfähig sei. Im Laufe der sich anschließenden Korrespondenz teilte
die Klägerin der Beklagten mit, eine Grundflächenzahl von 1,0 sei bauleitplane-
risch „voraussichtlich nicht realisierbar“, worauf die Beklagte der Klägerin mit
Schreiben vom 30. Januar 2012 eine Frist zur Änderung des Bebauungsplans
bis zum 2. März 2012 setzte und nach fruchtlosem Verstreichen mit weiterem
Schreiben vom 14. März 2012 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte.
Im Mai 2012 wurde der Bebauungsplan schließlich gemäß den Vorgaben
in § 7 Abs. 2 des Vertrages geändert und trat am 1. Juni 2012 in Kraft. Am
7. Juni 2012 teilte der Streithelfer der Klägerin der Beklagten mit, dass nunmehr
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sämtliche zur Durchführung des Vertrages erforderlichen Genehmigungen vor-
lägen. Weshalb es zu der Verzögerung kam, ist zwischen den Parteien streitig.
Die auf Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage ist in
beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit den von dem Senat zugelassenen
Revisionen verfolgt die Klägerin mit Unterstützung des Streithelfers den Zah-
lungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht der
Auffassung, dass der Kaufvertrag nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3
Satz 2 BauGB nichtig sei. Nach der zuletzt genannten Vorschrift seien bindende
Verpflichtungen des Satzungsgebers wegen des Eingriffs in die aus der Selbst-
verwaltungsgarantie von Gemeinden fließende Planungskompetenz unzulässig.
In § 7 Abs. 2 des Vertrags sei eine solche Vereinbarung über die von der Kläge-
rin vorzunehme
nde Bebauungsplanänderung getroffen. Die Formulierung „ver-
pflichtet sich“, sei unmissverständlich. Die Vertragsbestimmung könne nicht im
Sinne einer aufschiebenden Bedingung o.ä. uminterpretiert oder als Fälligkeits-
regelung aufrechterhalten werden. Wegen der Ankoppelung der Fälligkeitsab-
rede an die Beschlussfassung der Gemeinde würde auch dann die Zielrichtung
des gesetzlichen Verbots nach § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB verkannt. Das führe
über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages, da nicht angenommen
werden könne, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die Verpflichtung der
Gemeinde zur Änderung des Bebauungsplans abgeschlossen hätten.
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II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich
der Zahlungsanspruch nicht verneinen. Der zwischen den Parteien geschlosse-
ne Vertrag ist nicht nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8
BauGB nichtig.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend führt das Berufungsgericht allerdings
aus, dass vertragliche Zusagen einer Gemeinde, einen inhaltlich näher be-
stimmten Bebauungsplan innerhalb bestimmter Zeit aufzustellen oder zumin-
dest die Aufstellung in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner zu fördern,
gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB der Wirksamkeit
entbehren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1989 - III ZR 88/87, NJW 1990, 245;
Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; Urteil vom
8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; BVerwG, NVwZ 2006, 458;
NVwZ 2006, 336 f.; NJW 1980, 2538, 2539; Ernst/Zinkhahn/Söfker, BauGB
[2015], § 1 Rn. 42 f.; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 1 Rn. 31;
Spannowsky/Uechtritz/Dirnberger, BauGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 57; vgl. auch Senat,
Beschluss vom 29. Oktober 2009 - V ZR 54/09, NJW 2010, 297). Aufgrund von
§ 1 Abs. 8 BauGB gilt dasselbe für vertragliche Verpflichtungen zur Abänderung
eines Bebauungsplans. Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht enthält § 1 Abs. 3 Satz 2
BauGB kein Verbot, das sich nur an die betroffene Gemeinde wendet und des-
halb nicht zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen führte, die auf die Verkürzung
der Bauleitplanung zielen. Die nach Maßgabe von § 1 Abs. 5 bis 7 BauGB vor-
zunehmende Abwägung setzt eine Auseinandersetzung mit den in § 1 Abs. 6
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BauGB beschriebenen Belangen voraus, die grundsätzlich ungebunden und
umfassend sein soll. Ein der Einleitung des Planungsverfahrens vorgegebener,
mehr oder weniger festgelegter und in dieser Festlegung von einem Begünstig-
ten erzwingbarer Planinhalt würde sich innerhalb des Planungsverfahrens na-
hezu notwendig als eine zu missbilligende und daher zur Nichtigkeit des Be-
bauungsplans führende Verkürzung der gebotenen Abwägung darstellen (vgl.
BGH, Urteil vom 28. Mai 1976 - III ZR 137/74, BGHZ 66, 322, 325; Urteil vom
11. November 1976 - III ZR 114/75, BGHZ 67, 320, 325; Urteil vom 8. Juni 1978
- III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 389 f.; Urteil vom 22. November 1979
- III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 26; BVerwGE 45, 309, 315). Eine Verpflichtung
zur Verkürzung dieser Abwägung widerspricht dem zentralen Anliegen der All-
gemeinheit und ist nicht nur der Gemeinde verboten, sondern auch dem Bürger
oder Unternehmen, das die Gemeinde mit diesem Ziel in die Pflicht nehmen
will.
b) Nicht beachtet hat das Berufungsgericht indessen, dass nichtig nur
Vereinbarungen der Gemeinden mit Bürgern oder Unternehmern sind, die in
der beschriebenen Weise auf eine Verkürzung des bei der Bauleitplanung vor-
zunehmenden Planabwägungsvorgangs zielen. Eine solche Auswirkung hat
eine privatrechtliche Vereinbarung selbst dann grundsätzlich nicht, wenn sie für
den Fall des Ausbleibens des Bauleitplans oder der Verwirklichung eines von
den Vorstellungen der Parteien abweichenden Planinhalts die Gemeinde mit
einer Schadens- oder Aufwendungsersatzverpflichtung belastet. Solche privat-
rechtlichen Vereinbarungen sind im Interesse des redlichen Grundstücksver-
kehrs und der Förderung der für die bauliche Entwicklung der Gemeinden not-
wendigen Privatinitiative der Grundeigentümer grundsätzlich nicht zu missbilli-
gen (BGH, Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 27;
Urteil vom 8. Juni 1978 - III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; vgl. auch BVerwGE
45, 309, 317; Ernst/Zinkhahn/Söfker, BauGB [2015], § 1 Rn. 42 f.; Battis/
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Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 1 Rn. 31; Spannowsky/Uechtritz/
Dirnberger, BauGB, 2. Aufl., § 1 Rn. 57). Der von Vereinbarungen solcher Art
ausgehende „indirekte Zwang“ zu einer den Wünschen der Vertragspartner ent-
sprechenden Bauleitplanung kann den Wirkungen einer öffentlich-rechtlichen
Zusage bestimmter Planungsakte nicht gleichgesetzt werden, weil er der Ein-
haltung der zu beachtenden Bindungen rechtlich nicht im Wege steht (BGH,
Urteil vom 22. November 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 26 f.). Eine Ge-
meinde darf deshalb eigene Grundstücke zu einem durch die sich abzeichnen-
de Bauleitplanung gerechtfertigten (höheren) Preis verkaufen und die Folgen
einer Enttäuschung dieser Erwartung regeln. Es kommt deshalb im vorliegen-
den Fall darauf an, ob sich die Parteien mit dem Kaufvertrag in diesem Gestal-
tungsrahmen gehalten haben.
c) Das ist der Fall.
aa) Das Berufungsgericht entnimmt dem Kaufvertrag der Parteien indes-
sen, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagt
en eine „Verpflichtung“ zu einer
dem Vertrag entsprechenden Umgestaltung des geltenden Bebauungsplans
übernommen. Diese Auslegung ist zwar im Revisionsverfahren nur einge-
schränkt überprüfbar (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 2014 - V ZR 51/13, NJW-
RR 2014, 1423 Rn. 14; Urteil vom 8. November 2013 - V ZR 95/12, NJW 2014,
1000 Rn. 9; Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 156/11, NJW 2012, 2022 Rn. 14;
Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98, NJW 1999, 3704; Urteil vom
14. Oktober 1994 - V ZR 196/93, NJW 1995, 45, 46), in diesem Rahmen jedoch
zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die anerkannte Auslegungsregel
nicht beachtet, dass der Tatrichter bei der Auslegung den aus der Urkunde her-
vorgehenden Zweck und die daraus ersichtliche Interessenlage der Parteien zu
berücksichtigen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Mai 2008 - V ZB 6/08, NJW
2008, 3363 Rn. 7; Urteil vom 9. Mai 2003 - V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053,
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1054; BGH, Urteil vom 13. März 2003 - IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236;
BGH, Urteil vom 10. Oktober 1989 - VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19, 22). Die erfor-
derliche Auslegung des Kaufvertrags kann der Senat selbst vornehmen, da In-
halt und Zweck des Vertrages und die daraus ersichtliche Interessenlage der
Parteien feststehen und zusätzliche verwertbare Erkenntnisse nicht zu erwarten
sind (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038,
1039; Urteil vom 14. Dezember 1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181;
MüKo-BGB/Busche, 7. Aufl., § 133 Rn. 72).
bb) Auszugehen ist davon, dass die Parteien im Zweifel dasjenige wol-
len, was gesetzeskonform und nach den Maßstäben der Rechtsordnung zu ei-
ner vernünftig und sachgerechten Regelung führt (BGH, Urteil vom
23. Januar 1997 - IX ZR 69/96, BGHZ 134, 325 Rn. 20 mwN; Senat, Urteil vom
14. März 2003 - V ZR 278/01, NJW-RR 2003, 1136 Rn. 10; MüKo-BGB/Busche,
7. Aufl., § 133 Rn. 63; Palandt/Ellenberger, 74. Aufl., § 133 Rn. 26). Sind im
Zusammenhang mit dem Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstücks, das
erst durch die Planung bebaubar werden soll, privatrechtliche Vereinbarungen
nur in einem bestimmten Gestaltungsrahmen zulässig, ist anzunehmen, dass
die Parteien eine Vereinbarung treffen wollen, die sich im Rahmen des danach
Zulässigen bewegt. So liegt es auch hier.
Die Parteien haben in ihrem Kaufvertrag nicht geregelt, dass das ver-
kaufte Grundstück in einer bestimmten Weise bebaubar sein soll. Die Klägerin
wollte, wie der umfassende Ausschluss der Sachmängelhaftung in § 2 des Ver-
trags zeigt, eine solche Beschaffenheit nicht versprechen und eine Haftung da-
für auch nicht übernehmen. Das wäre ihr nicht gelungen, wenn die Bebaubar-
keit als Beschaffenheit vereinbart worden wäre. Denn dann erfasste der Haf-
tungsausschluss diese Beschaffenheit gerade nicht (vgl. BGH, Urteil vom
29. November 2006 - VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31). Schon das schließt
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es aus, in der Verpflichtung, die Bebaubarkeit herzustellen, die Übernahme ei-
ner entsprechenden Leistungspflicht zu sehen. Dagegen spricht gerade auch
die von dem Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung angeführte
Verknüpfung dieser Verpflichtung mit der Fälligkeitsregelung. Die von der Be-
klagten in § 7 Abs. 1 des Vertrags übernommene Bauverpflichtung haben die
Parteien zwar als echte Leistungsverpflichtung ausgestaltet und nicht beson-
ders sanktioniert mit der Folge, dass die Vorschriften des allgemeinen Leis-
tungsstörungsrechts zur Anwendung kommen. Als Folge des Ausbleibens der
in Aussicht genommenen Änderung des Bebauungsplans haben die Parteien
aber nur eine Regelung hinsichtlich der Fälligkeit des Kaufpreises getroffen.
Nach § 4 Abs. 2 des Vertrags ist der Kaufpreis erst zur Zahlung fällig, wenn der
Notar u.a. mitteilt, dass die in § 7 Abs. 2 genannten Voraussetzungen gegeben
sind. Weitere Sanktionen für die Verletzung der Verpflichtung der Klägerin sind
nicht vorgesehen. Das Ausbleiben der Planung soll also folgenlos bleiben. Sei-
ne einzige Folge ist, dass die Beklagte die Grundstücke dann nicht abnehmen
und bezahlen muss.
cc) Dem Bemühen der Parteien, den Spielraum für zulässige privatrecht-
liche Vereinbarungen einzuhalten, entspricht es, in der dargestellten Verknüp-
fung der Verpflichtung zur Planänderung mit der Fälligkeit eine aufschiebende
Bedingung des Kaufvertrages zu sehen. Die Parteien wollten eine Leistungs-
pflicht vermeiden. Dem würde eine Auslegung als bloße Fälligkeitsregelung
nicht gerecht, weil die
„Verpflichtung“ zur Planänderung dann als Leistungs-
pflicht zu verstehen wäre, die eben nur nicht fällig würde. Die Beklagte sollte die
Grundstücke zu dem der erwarteten Planung entsprechenden Preis nur für den
Fall erwerben, dass es der Klägerin gelingt, eine den zugrunde gelegten Vor-
stellungen entsprechende Änderung der bestehenden Bauleitplanung herbeizu-
führen. Die Zahlungsverpflichtung der Beklagten sollte bei einem Scheitern der
Bemühungen nicht nur nicht fällig sein, sondern gar nicht erst entstehen. Die
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Parteien wollten der Beklagten keinen einklagbaren Anspruch der Beklagten auf
Änderung des Bebauungsplans verschaffen. Damit haben sie den Kaufvertrag
unter die aufschiebende Bedingung gestellt, dass der Klägerin eine entspre-
chende Änderung des Plans gelingt. Die Klägerin hat es lediglich übernommen,
die Bebaubarkeit des Grundstücks zu fördern. Ihre „Verpflichtung“, diese Ände-
rung herbeizuführen, ist deshalb keine Leistungspflicht mit einem korrespondie-
renden Leistungsanspruch der Beklagten, sondern eine Ausformung der Treue-
pflicht der Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrags. Sie sind gehalten,
sich um den Eintritt der Bedingung zu bemühen (Senat, Urteil vom 10. Juli 1998
- V ZR 76/97, VIZ 1998, 577 und Urteil vom 25. Juni 1976 - V ZR 121/73, BGHZ
67, 34, 35).
dd) Die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung stellt kein unzu-
lässiges, mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB verbundenes Umgehungsge-
schäft dar (vgl. hierzu Staudinger/Sack/Seibl, BGB [2011], § 134 Rn. 144 ff.). Ist
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Risikoübernahme der
Gemeinde zulässig, die Zahlungsansprüche zugunsten des Käufers auslösen
kann, muss dies erst recht gelten für eine Vereinbarung, nach der ein Kaufver-
trag über ein gemeindeeigenes Grundstück nicht zustande kommt, wenn die
Bebaubarkeit nicht erreicht wird.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus einem an-
deren Grund richtig.
a) Der Zahlungsanspruch der Klägerin scheitert nicht an dem Rücktritt
der Beklagten. Durch einen wirksamen Rücktritt wäre der Kaufvertrag zwar in
ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden und die Leistungspflicht
der Beklagten nach § 346 Abs. 1, § 323 Abs. 1 BGB entfallen. Der Rücktritt ging
aber ins Leere, da mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung in Gestalt
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der Änderung des Bebauungsplans der Vertrag noch nicht wirksam geworden
war.
b) Dem Zahlungsanspruch steht nach den getroffenen Feststellungen ei-
ne wirksame Lösung der Beklagten von dem Vertrag nach § 242 BGB nicht
entgegen. Eine solche Lösung ist aber auch nicht auszuschließen.
aa) Die Parteien eines schwebend unwirksamen Vertrags sind, wie be-
reits ausgeführt, grundsätzlich verpflichtet, sich um das Wirksamwerden des
Vertrags zu bemühen. Dabei kann es zu einer längeren Schwebezeit vor allem
dann kommen, wenn der Eintritt der Bedingung allein von dem Verhalten einer
Partei abhängt. Eine zeitlich grenzenlose Bindung der anderen Vertragspartei
wäre mit dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht verein-
bar. Deshalb ist in einem solchen Fall der anderen Partei das Recht zuzugeste-
hen, sich im Falle der Unzumutbarkeit eines weiteren Abwartens von dem Ver-
trag loszusagen. Eine entsprechende Möglichkeit hat der Senat für die Fälle
schwebender Unwirksamkeit von Verträgen aufgrund noch nicht erteilter be-
hördlicher Genehmigungen bejaht (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 1998
- V ZR 76/97, VIZ 1998, 577, 578; Urteil vom 14. März 1980 - V ZR 115/78,
BGHZ 76, 242, 248). Diese Grundsätze gelten auch hier.
bb) Die Beklagte kann sich hiernach von dem Kaufvertrag lösen, wenn
ihr ein weiteres Zuwarten auf die Herstellung der Bebaubarkeit des Grund-
stücks durch die Klägerin nach Abwägung der Interessen und Umstände des
Einzelfalles unzumutbar geworden wäre. Maßgeblich sind insoweit nicht nur die
verstrichene Zeitdauer, sondern insbesondere die Hintergründe für die eingetre-
tene Verzögerung in der Bauplanung. Die bisherigen Feststellungen rechtferti-
gen die Annahme nicht, ein weiteres Festhalten an dem Vertrag sei der Beklag-
ten unzumutbar gewesen. Festgestellt ist bislang nämlich nur, dass die Partei-
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en bis Juni 2011 verhandelt haben, dass die Klägerin mit Schreiben vom
2. August 2011 der Beklagten einen Entwurf der textlichen Festsetzungen für
die Änderungen des Bebauungsplans zugesandt hat, in dem sie die Grundflä-
chenzahl auf 0,8 festgesetzt hat, und dass die Beklagte mit Schreiben vom
30. Januar 2012 der Klägerin eine kurze Frist zur Änderung des Bebauungs-
plans gesetzt hat.
cc) Es lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass die seit dem Ab-
schluss des Vertrags verstrichene Zeit und das Verhalten der Klägerin der Be-
klagten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag unzumutbar gemacht hat. Dazu
fehlen aber Feststellungen.
c) Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht schließlich auch kein Frei-
stellungsanspruch der Beklagten wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten
(culpa in contrahendo) nach § 249, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, und § 241
Abs. 2 BGB entgegen. Ein solcher Anspruch kommt nur bei einem Verhalten
der Klägerin in Betracht, das der Beklagten ein weiteres Festhalten an dem Ver-
trag unzumutbar macht. Ersatzfähig wäre auch nur ein Schaden, der der Be-
klagten dadurch entstanden ist, dass sie auf die Wirksamkeit des Vertrags ver-
traut hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich.
III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist
nicht zur Entscheidung reif, weil es an den erforderlichen Feststellungen fehlt.
Sie ist daher unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und
Entscheidung zurückzuweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für die weitere Be-
handlung weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. In der neuen Verhandlung wird festzustellen sein, ob der Beklagten
unter Würdigung des Verlaufs der Vertragsdurchführung und des Verhaltens
der Parteien ein weiteres Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten
war.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Rücktrittserklärung, die gegebenenfalls
als Lösung von dem Vertrag auszulegen wäre.
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland
Kazele
Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 19.04.2013 - 3 O 912/12 (318) -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 22.11.2013 - 6 U 89/13 -
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