Urteil des BGH vom 26.06.2015

Leitsatzentscheidung zu Gemeinde, Verkehrswert, Adäquate Gegenleistung, Grundstück

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 271/14
Verkündet am:
26. Juni 2015
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BauGB § 11 Abs. 2 Satz 1
Eine zwanzig Jahre überschreitende Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts
der Gemeinde in einem zum Zwecke der Errichtung von Eigenheimen im
Einheimischenmodell mit Einzelpersonen abgeschlossenen Kaufvertrag verstößt,
wenn dem Käufer ein nur geringer Preisnachlass (weniger als 20 % gegenüber dem
Verkehrswert) gewährt wurde, gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung.
BGH, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juni 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 21. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. November 2014 wird auf
Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 22. August 1985 verkaufte die beklagte Stadt
an die Kläger ein 418 m
2
großes unbebautes Grundstück zu einem Preis von
170 DM/m
2
. In dem Vertrag verpflichteten sich die Kläger, das Grundstück
entsprechend einem künftigen Bebauungsplan mit einem Einzel- oder
Doppelhaus mit maximal zwei Wohneinheiten nach den Vorschriften der
Bauaufsichtsbehörde
zu
bebauen.
Die
Beklagte
behielt
sich
ein
Wiederkaufsrecht mit einer Ausübungsfrist von dreißig Jahren seit der Eintra-
gung der Kläger als Eigentümer u.a. für den Fall eines Weiterverkaufs vor.
Ausgenommen von dem Wiederkaufsrecht waren Veräußerungen an Kinder,
Kindeskinder oder deren Ehegatten. Im Falle der Ausübung des Wiederkaufs-
rechts hatte die Beklagte den Kaufpreis zuzüglich eines nach dem Anstieg der
Lebenshaltungskosten bemessenen Zuschlags, den Verkehrswert der
Aufbauten und der Außenanlagen sowie die von den Klägern aufgewendeten
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Erschließungskosten zu zahlen. Der Kaufvertrag wurde vollzogen und das
Grundstück von den Klägern mit einem Eigenheim bebaut.
Die Kläger informierten im November 2006 die Beklagte, dass sie beab-
sichtigten, das Grundstück zu e
inem Preis von 450.000 € zu verkaufen. Die
Beklagte teilte ihnen mit, dass sie ihr Wiederkaufsrecht ausüben werde; sie bot
ihnen aber an, die Ausübung durch Zahlung eines Ausgleichsbetrags abzu-
wenden. Den Ausgleichsbetrag von 50.635,86
€ berechnete die Beklagte in der
Weise, dass sie den aktuellen Bodenwert des Grundstücks (nach einem Wert
von 280 €/m
2
) ermittelte, davon den von ihr nach dem Kaufvertrag für den
Boden zu zahlenden Wiederkaufspreis abzog sowie einen Abschlag wegen der
Restlaufzeit des Wiederkaufsrechts von nur noch acht Jahren vornahm. Die
Parteien einigten sich darauf, dass die Kläger unter Vorbehalt der
Rückforderung diesen Betrag an die Beklagte zahlten, die ihrerseits die
Löschung des Wiederkaufsrechts bewilligte.
Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten die Rückzahlung
des Ausgleichsbetrages. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das
Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit der
Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, will die Beklagte die
Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Kläger nach § 812
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Die Ausgleichszahlung sei ohne Rechtsgrund erfolgt.
Die Beklagte hätte das Wiederkaufsrecht nicht ausüben können, weil die
Vereinbarung im notariellen Kaufvertrag unwirksam sei. Das Wiederkaufsrecht
widerspreche dem für Verträge über die Bereitstellung von Bauland durch die
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Gemeinden an ortsansässige Bürger geltenden Gebot angemessener
Vertragsgestaltung in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Zwar sei die Vereinbarung
eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich zulässig, wenn diese an
einen Einheimischen Bauland zu einem unterhalb des Verkehrswerts liegenden
Preis veräußere. Die dem Käufer dadurch auferlegte Belastung dürfe aber nicht
unangemessen sein. So verhalte es sich jedoch hier, da die Beschränkung der
Weiterverkaufsmöglichkeit durch das Wiederkaufsrecht für einen Zeitraum von
dreißig Jahren bei einer Vergünstigung von 16,5 % unverhältnismäßig sei. Die
Unangemessenheit der 30jährigen Bindung werde auch nicht dadurch
ausgeglichen oder gemindert, dass die Beklagte das Wiederkaufsrecht in den
Fällen der Veräußerung an Nachkommen oder deren Ehegatten nicht ausüben
könne. An der Unangemessenheit der Vereinbarung über das Wiederkaufsrecht
ändere es schließlich nichts, dass die Beklagte den von ihr errechneten
Ausgleichsbetrag
im
Hinblick
auf
die
geringe
Restlaufzeit
des
Wiederkaufsrechts von noch acht Jahren um ca. 20 % gekürzt habe.
II.
Das hält rechtlicher Prüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger auf
Grund des Vorbehalts (zu dessen Bedeutung: BGH, Urteil vom 8. Februar 1984
- IVb ZR 52/82, NJW 1984, 2826; Urteil vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-
RR 1992, 1214, 1216) die Rückzahlung des zur Ablösung des
Wiederkaufsrechts geleisteten Betrags nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB
verlangen können, wenn die das Recht betreffende Vereinbarung unwirksam
war. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die rechtliche Würdigung
des Berufungsgerichts, dass das Wiederkaufsrecht mit einer 30jährigen Aus-
übungsfrist in dem Grundstückskaufvertrag der Parteien eine unangemessene
Vertragsgestaltung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB darstellt.
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a) Die Vorschrift des Baugesetzbuchs ist unmittelbar anzuwenden, weil
der Grundstückskaufvertrag ein städtebaulicher Vertrag im Sinne des § 11
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 letzter Satzteil BauGB ist. Der für einen städtebaulichen
Vertrag erforderliche Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung (zu
diesem Erfordernis: Senat, Urteil vom 30. September 2005 - V ZR 37/05, WM
2006, 300, 301) ergibt sich daraus, dass die beklagte Stadt den Klägern das
Grundstück als Bauplatz verkauft und ihnen eine Bauverpflichtung nach den
Vorgaben eines (künftigen) Bebauungsplans auferlegt hat. Der verbilligte
Verkauf diente der Sicherung der Bauleitplanung im Wege einer Förderung des
(Einheimischen-)Wohnungsbaus durch die damals ortsansässigen Kläger (vgl.
zu diesem Zweck: Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ
153, 93, 103).
b) Die Wirksamkeit der 30jährigen Ausübungsfrist für das Wieder-
kaufsrecht ist allein an dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung nach § 11
Abs. 2 Satz 1 BauGB und nicht an den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB zu
messen. Für städtebauliche Verträge verdrängt die spezialgesetzliche
Rechtsfolgeregelung des § 11 Abs. 2 BauGB grundsätzlich die Vorschriften der
§§ 305 ff. BGB (vgl. Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02,
BGHZ 153, 93, 99 f. zum AGB-Gesetz). Die von dem Senat bisher offen
gelassene Frage, ob das auch für Verträge gilt, die nach dem
31. Dezember 1994 geschlossen wurden, also nach Inkrafttreten der - in
Umsetzung der EG-Richtlinie vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klausel in
Verbraucherverträgen eingefügten - Vorschrift des § 24a AGBG (jetzt § 310
Abs. 3 BGB), kann auch hier dahinstehen, da der zu beurteilende Vertrag aus
dem Jahr 1985 stammt.
c) Dass die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde zur
Sicherung des mit der verbilligten Abgabe des Grundstücks als Bauland im Ein-
heimischenmodell verfolgten städtebaulichen Ziels grundsätzlich nicht gegen
das Gebot angemessener Vertragsgestaltung in § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB
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verstößt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 105; Urteil vom
13. Oktober 2006 - V ZR 33/06, NJW-RR 2007, 962 Rn. 11; Urteil vom
16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn.12).
d) Gegen dieses Gebot verstößt jedoch die vereinbarte Ausübungsfrist
für das Wiederkaufsrecht (§ 503 Satz 2 BGB aF = § 462 Satz 2 BGB) von
dreißig Jahren. Diese Frist ist angesichts der Höhe der nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts gewährten Verbilligung (von einem Verkehrswert von
198 DM/m
2
zu einem Kaufpreis von 170 DM/m
2
) von 14,14 %
unverhältnismäßig lang.
aa)
Beschränkungen,
die
die
öffentliche
Hand
dem
Subventionsempfänger auferlegt, entsprechen dem Gebot angemessener
Vertragsgestaltung, wenn sie geeignet und erforderlich sind, um das Erreichen
der mit dem Einheimischenmodell zulässigerweise verfolgten Zwecke im
Bereich der Wohnungsbau-, Siedlungs- oder Familienpolitik für einen
angemessenen Zeitraum sicherzustellen (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 2006
- V ZR 252/05, NJW-RR 2006, 1452 Rn. 12, Urteil vom 16. April 2010
- V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 14). Die dem Käufer auferlegten
Bindungen dürfen allerdings nicht zu einer unzumutbaren Belastung führen. Die
Zeit für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde muss deshalb
begrenzt sein und die vereinbarte Ausübungsfrist in einem angemessenen
Verhältnis zur Höhe der durch den Preisnachlass dem Käufer gewährten
Subvention stehen (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2005
– V ZR 37/05,
NJW-RR 2006, 298, 300; Urteil vom 16. April 2010
– V ZR 175/09, NJW 2010,
3505 Rn. 16).
bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Senat bei
Grundstücksverkäufen, die zum Zweck der Errichtung von Eigenheimen an
Einzelpersonen im Einheimischenmodell erfolgten, eine Bindungsfrist zur
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Sicherung der Ziele der Bauleitplanung von fünfzehn Jahren für zulässig
erachtet (Urteil vom 20. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 105),
eine dreißig Jahre übersteigende Dauer dagegen in aller Regel als
unverhältnismäßig angesehen (Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010
- V ZR 48/10, NJW 2011, 515 Rn. 18; Urteil vom 20. Mai 2011 - V ZR 76/10,
NJW-RR 2011, 1582 Rn. 20).
Über zwanzig Jahre hinausgehende Bindungen des Käufers hat der
Senat bisher nur dann für verhältnismäßig erachtet, wenn die Höhe der dem
Käufer gewährten Subvention deutlich über die bei dem Einheimischenmodell
üblichen Abschläge von bis zu 30 % gegenüber dem Verkehrswert
hinausgegangen war (Senat, Urteil vom 30. September 2005 - V ZR 37/05,
NJW-RR 2006, 298, 300; Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010,
3505 Rn. 17 - bei Nachlässen von 70 % bzw. von 50 % gegenüber dem
Verkehrswert). In den Entscheidungen, in denen den Käufern eine Subvention
in der hier vorliegenden Größenordnung gewährt wurde, ging es um
Bindungsfristen von zehn Jahren, die zur Sicherung der mit dem
Einheimischenmodell von der Gemeinde verfolgten Zwecke ohne weiteres
zulässig sind (Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153,
93, 105 [Verkehrswert 160 bis 200 DM/m
2
; Preis: 131 DM/m
2
, Nachlass
zwischen 18,13% und 34,5 %; Urteil vom 13. Oktober 2006 - V ZR 33/06, NJW-
RR 2007, 962 Rn. 11 [Verkehrswert: 355 DM/m
2
, Nachlass 50 DM/m
2
=
14,1 %]).
cc) Über die Frage, ob eine 20 Jahre überschreitende Frist für die
Ausübung des Wiederkaufsrechts der Gemeinde noch dem Gebot
angemessener
Vertragsgestaltung
entspricht,
wenn
sie
mit
einer
verhältnismäßig geringen Subvention einhergeht, hatte der Senat noch nicht zu
entscheiden. Die Antwort ergibt sich aus den oben genannten Grundsätzen in
Fortführung
der
bisherigen
Rechtsprechung.
Eine
zwanzig
Jahre
überschreitende Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts der Gemeinde in
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einem zum Zwecke der Errichtung von Eigenheimen im Einheimischenmodell
mit Einzelpersonen abgeschlossenen Kaufvertrag verstößt, wenn dem Käufer
ein nur geringer Preisnachlass (weniger als 20 % gegenüber dem
Verkehrswert)
gewährt
wurde,
gegen
das
Gebot
angemessener
Vertragsgestaltung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
(1) (a) Der Käufer wird durch das - hier für den Fall des Weiterverkaufs
ausbedungene - Wiederkaufsrecht der Gemeinde in seiner Verfügungsfreiheit
beschränkt. Die durch das Wiederkaufsrecht bewirkte Bindung des Käufers ist
der Preis für den verbilligen Erwerb des Grundstücks (vgl. Senat, Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 104; Urteil vom
30. September 2005 - V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298, 300; Urteil vom
16. April 2010 - V ZR 179/09, NJW 2010, 3505 Rn. 16). Das
Äquivalenzverhältnis zwischen den Leistungen der Parteien (vgl. Hausmann,
NJW 2010, 3508) ist im Vergleich zu anderen (nicht subventionierten)
Grundstücksverkäufen zum Nachteil des Käufers erheblich gestört, wenn ihm
eine langfristige Bindung durch ein Wiederkaufsrecht auferlegt wird, der keine
oder eine nur geringe Vergünstigung beim Kaufpreis gegenübersteht. Die
Gemeinde erlangt dadurch einen unverhältnismäßigen Vorteil, dass sie durch
Ausübung ihres Wiederkaufsrechts (oder das Verlangen nach einer
Ablösezahlung) noch nach Ablauf von mehr als zwei Jahrzehnten seit dem
Verkauf die Vorteile aus den nach der Veräußerung eingetretenen Bodenwert-
steigerungen bei dem Käufer abschöpfen kann, der dafür keine adäquate
Gegenleistung erhalten hat. Dieses Missverhältnis wird nicht dadurch behoben,
sondern in seinen Wirkungen nur abgemildert, dass die Beklagte von den zur
Ablösung des Wiederkaufsrechts von den Käufern geforderten Beträgen
Abschläge vornimmt, die umso höher sind, je näher der das Wiederkaufsrecht
begründende Weiterverkauf an das Ende der Ausübungsfrist heranrückt.
(b) Die Bestimmung der zulässigen Bindung des Käufers nach dem Maß
zu beurteilen, in dem der Kaufpreis hinter dem Verkehrswert zurückbleibt, ist
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nicht - wie die Revision meint - deshalb undurchführbar, weil der Verkehrswert
eines Grundstücks sich nicht exakt im Sinne einer mathematischen Genauigkeit
ermitteln lässt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - III ZR 345/12, BGHZ
198, 265 Rn. 20). Dass sich bei der sachverständigen Bestimmung des
Verkehrswerts eines unbebauten Grundstücks, die üblicherweise im Wege der
Vergleichswertmethode erfolgt (nach den für nach Lage, Beschaffenheit,
planerische Situation usw. gleichartige Grundstücken gezahlten Preisen),
gewisse Toleranzen ergeben können (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1990
- II ZR 164/89, juris Rn. 34), schließt die Eignung des Verkehrswerts als
Maßstab für die Feststellung der Höhe der Verbilligung und damit als
Beurteilungsgrundlage für die Angemessenheit der Länge der zulässigen
Bindung des Käufers nicht aus. In Bezug auf den zugrunde zu legenden
Verkehrswert stellt sich die Sachlage nicht anders dar als in den Fällen, in
denen anhand des Vergleichs von Verkehrswert und Kaufpreis über das
Vorliegen eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung im
Sinne des § 138 BGB zu entscheiden ist. Die Gemeinde muss bei einem
verbilligten Verkauf im Wege des Einheimischenmodells die Höhe des
Abschlags vom Verkehrswert ohnehin ermitteln; diese ist nämlich nur bis zu
einer bestimmten Höhe (regelmäßig 30 % des Bodenwerts) zulässig, weil die
Gegenleistung des Käufers gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG noch in einem
angemessenen Verhältnis zum Wert der Leistung der Gemeinde stehen muss
(vgl. BayVGH, MittBayNot 1990, 259, 264).
Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend entschieden, dass die ver-
kaufende Gemeinde das Risiko zu tragen hat, wenn sie die Höhe der
gewährten Verbilligung und damit die zulässige Dauer einer Bindungsfrist falsch
einschätzt. Die vereinbarten Leistungen sind nicht den gesamten Umständen
nach angemessen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB), wenn dem Käufer eine lange
Bindungsfrist wegen eines Preisnachlasses auferlegt wird, den er tatsächlich
nicht erhalten hat.
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(2) Eine über zwanzig Jahre hinausgehende Beschränkung der Verfü-
gungsfreiheit des Käufers, dem nur eine geringe Subvention gewährt wurde, ist
auch nicht deshalb angemessen, weil sie eine Verfehlung des mit dem
begünstigen Verkauf an ortsansässige Bürger verfolgten Zwecks durch
Bodenspekulationen zu Lasten der Allgemeinheit infolge Mitnahme von
(planungsbedingten oder konjunkturellen) Wertsteigerungen verhindert (vgl.
Senat, Urteil vom 29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 105; Urteil
vom 21. Juli 2006 - V ZR 252/05, NJW-RR 2006, 1452 Rn. 14 ff.). Auch
insoweit bestimmt sich die zulässige Laufzeit in erster Linie nach dem Umfang
des dem Käufer gewährten Preisnachlasses (vgl. Senat, Urteil vom 22. Juni
2007
– V ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608 Rn. 21). Ist von der Gemeinde kein
oder nur ein geringer Nachlass gewährt worden, ist der mit dem Verkauf des
Grundstücks im Einheimischenmodell verfolgte Zweck dann erreicht worden,
wenn das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des (künftigen)
Bebauungsplanes bebaut und - hier ohne Auferlegung einer Nutzungsbe-
schränkung - über 20 Jahre zweckentsprechend genutzt wurde.
(3) Entgegen der Ansicht der Revision (ebenso allerdings OLG
Düsseldorf, MittBayNot 2013, 336, 337) ist es für die Beurteilung der
Angemessenheit der 30jährigen Ausübungsfrist schließlich unbeachtlich, dass
die Beklagte ihr Wiederkaufsrecht bei einem Weiterverkauf an Abkömmlinge
des Käufers oder deren Ehegatten nicht hätte ausüben können. Eine
Verfügungsbeschränkung des Käufers, die sich unter Berücksichtigung der mit
dem Vertrag verfolgten städtebaulichen Ziele und der Höhe der dem Käufer
gewährten Subvention als unangemessen lang darstellt, kann nicht deshalb
verhältnismäßig sein, weil das Wiederkaufsrecht in einem Sonderfall (der
Weiterveräußerung an Abkömmlinge des Käufers oder deren Ehegatten) nicht
ausgeübt werden kann. Bedeutung hat diese Regelung nur bei einem
Weiterverkauf innerhalb einer für die Ausübung des Wiederkaufsrechts
angemessenen Frist. Die vertragliche Bestimmung nimmt der Beklagten bei den
Verkäufen zur Übertragung des Grundbesitzes an die folgende Generation die
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von ihr ansonsten nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffende Entscheidung
ab, ob das Wiederkaufsrecht auf Grund der besonderen Umstände des
Verkaufs (in der Familie des Käufers) ausgeübt werden soll.
3. Die Revision ist danach als unbegründet zurückzuweisen, weil der
Rechtsstreit von dem Berufungsgericht richtig entschieden worden ist. Ob der
Verstoß gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung in § 11 Abs. 2
Satz 1 BauGB zur Nichtigkeit der Vereinbarung über das Wiederkaufsrecht
insgesamt oder in entsprechender Anwendung des § 139 BGB zur Verkürzung
der vereinbarten auf eine angemessene Ausübungsfrist führt (vgl. Senat, Urteil
vom 20. September 2005 - V ZR 37/05, NJW-RR 2006, 298, 300 - betr. einen
Verkauf unter Geltung des Reichsheimstättengesetzes; Senat, Urteil vom
22. Juni 2007 - V ZR 260/06, NJW-RR 2007, 1608 Rn. 18 - betr. einen Verkauf
zu einem Preis nach dem Verkaufsgesetz der DDR vom 7. März 1990 - GBl. I
157) kann dahinstehen. Denn eine längere Frist als zwanzig Jahre wäre nicht
angemessen; die Weiterveräußerung des Grundstücks durch die Kläger ist
jedoch erst nach Ablauf dieser Frist erfolgt. Da die Kläger das Grundstück dem
Vertrag gemäß bebaut haben, kann ebenfalls offen bleiben, ob die
Vereinbarung einer Ausübungsfrist von dreißig Jahren für den Sonderfall des
Weiterverkaufs des noch unbebauten Grundstücks aufrecht zu erhalten wäre;
hierfür könnte sprechen, dass in einem solchen Fall die Mitnahme des
Gewinnes aus der Bodenwertsteigerung durch den Käufer dem von der
Gemeinde mit dem Verkauf des Grundstücks als Bauplatz im Ein-
heimischenmodell verfolgten städtebaulichen Ziel in besonders krasser Weise
widerspricht (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1994 - IX ZR 251/93, DNotZ
1995, 204, 207).
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.02.2014 - 9 O 416/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.11.2014 - I-21 U 102/14 -
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