Urteil des BGH vom 22.01.2016

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Genehmigung, Ablauf der Frist, Ngo

ECLI:DE:BGH:2016:220116UVZR27.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 27/14
Verkündet am:
22. Januar 2016
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
NGO § 92 Abs. 6 (jetzt NKomVG jetzt § 120 Abs. 6)
Ein Erbbaurechtsvertrag bedarf als kreditähnliches Rechtsgeschäft der Genehmi-
gung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, wenn er eine Verpflichtung der Ge-
meinde begründet, einen Erbbauzins zu zahlen.
BGB § 900 Abs. 1, § 937 Abs. 1
Der Erwerb durch Ersitzung trägt seinen Rechtsgrund in sich und schließt Ansprüche
gegen den Erwerber aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2016 - V ZR 27/14 - OLG Celle
LG Hannover
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und
Dr. Göbel
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 7. Januar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 27. Februar 1974 bestellte der Vater des
Klägers einer nachfolgend in die beklagte Stadt eingegliederten Gemeinde ein
Erbbaurecht an einer Teilfläche seines Grundstücks für 99 Jahre. Die Gemein-
de war danach berechtigt, auf dem Erbbaugrundstück eine Sportanlage mit den
dazu gehörenden Gebäuden zu errichten. Sie verpflichtete sich in Art. 1 Nr. 5
des Erbbaurechtsvertrags (nachfolgendend: ErbbV), einen Bebauungsplan auf-
zustellen, der die Bebauung eines anderen Grundstücks des Vaters des Klä-
gers mit mindestens 11 Einfamilienhäusern ermöglicht. Der Erbbauzins wurde
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auf jährlich 1 DM/m
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vereinbart; er sollte sich rückwirkend auf 1,55 DM/m
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höhen, falls der aufzustellende Bebauungsplan nicht bis zum 30. Juli 1976
rechtswirksam sein sollte. Weiter wurden eine Anpassung des Erbbauzinses an
den Preisindex für die Lebenshaltungskosten sowie die Eintragung einer Erb-
bauzinsreallast bis zu einem Preis von 1,55 DM/m
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vereinbart. Zeitlich vor dem
Erbbaurechtsvertrag hatten die Parteien einen Pachtvertrag mit im Wesentli-
chen gleichen Verpflichtungen geschlossen.
Einen Bebauungsplan gemäß dem Erbbaurechtsvertrag stellte die Be-
klagte nicht auf. Die Eintragung des Erbbaurechts erfolgte im Dezember 1975.
Die Beklagte zahlte zunächst den Erbbauzins gemäß der eingetragenen Real-
last von 1 DM/m
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im Jahr, in den nachfolgenden Jahren schloss sie mit dem
Kläger als Rechtsnachfolger und neuem Eigentümer Vereinbarungen über des-
sen Erhöhung auf der Grundlage der vereinbarten Anpassungsklausel.
Im Juni 2011 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag. Im Januar 2012
stellte sie die Zahlung des Erbbauzinses ein. Sie berief sich darauf, dass nach
ihren Unterlagen der Erbbaurechtsvertrag von der Kommunalaufsichtsbehörde
nicht genehmigt worden sei. Auf Antrag der Beklagten vom Mai 2012 versagte
der Regierungspräsident im Juli 2012 die Genehmigung des Erbbaurechtsver-
trags.
Der Kläger hat Klage auf Zahlung des Erbbauzinses für das Jahr 2012 in
Höhe von 40.972,36 € erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen;
das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Se-
nat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter;
die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Erbbaurechtsvertrag sei nach § 138
Abs. 1 BGB sittenwidrig gewesen, weil die Gemeinde sich darin einen Vorteil
- die Vereinbarung eines unter dem damals marktüblichen Entgelt von 1,55
DM/m
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liegenden Erbbauzinses von 1 DM/m
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- für die Übernahme einer Ver-
pflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans habe versprechen lassen.
Das führe aber nicht zur Gesamtnichtigkeit des Erbbaurechtsvertrags. Dieser
bestehe auf Grund der salvatorischen Klausel mit dem sich ohne die unwirksa-
men Vertragsbestimmungen ergebenden Inhalt fort, weil die Beklagte nicht hin-
reichend unter Beweis gestellt habe, dass die Vertragsparteien den Erbbau-
rechtsvertrag ohne den nichtigen Teil nicht abgeschlossen hätten.
Der Erbbaurechtsvertrag sei infolge der Versagung der Genehmigung
durch die Kommunalaufsichtsbehörde im Jahr 2012 unwirksam geworden. Der
Vertrag habe als kreditähnliches Rechtsgeschäft nach § 92 Abs. 6 der Nieder-
sächsischen Gemeindeordnung (NGO) der Genehmigung bedurft. Der Vortrag
des Klägers über die Erteilung eines Negativattests sei nicht schlüssig, da sich
aus seinem Vorbringen lediglich die Erteilung einer unzutreffenden Auskunft
durch den Landkreis als damals zuständiger Aufsichtsbehörde ergebe. Der Be-
klagten sei die Berufung auf Unwirksamkeit des Erbbaurechtsvertrags nicht
nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt. Die Unwirksamkeit des Erbbau-
rechtsvertrags stelle für den Kläger kein schlechthin unerträgliches Ergebnis
dar. Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte das Erbbau-
recht nach § 900 Abs. 1, 2 BGB ersessen habe. Da deren Vertreter in der
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt habe, einem etwai-
gen Herausgabeanspruch des Klägers nicht die Einrede der Verjährung entge-
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genhalten zu wollen, riskiere der Kläger nicht, sowohl den Erbbauzins als auch
den Besitz zu verlieren.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision insofern stand, als
sich aus dem festgestellten Sachverhältnis kein Anspruch des Klägers auf Zah-
lung eines Erbbauzinses oder eines anderen Entgelts für die Nutzung des Erb-
baugrundstücks im Jahr 2012 ergibt.
1. Dabei geht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, dass der
Erbbaurechtsvertrag ohne die nichtigen Bestimmungen zustande gekommen
ist.
a) Der Vertrag war allerdings mit dem vereinbarten Inhalt sowohl nach
§ 134 BGB als auch nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Unwirksam war die in Art.
1 Nr. 5 ErbbV begründete Verpflichtung der Gemeinde, einen inhaltlich näher
bestimmten Bebauungsplan innerhalb einer bestimmten Zeit aufzustellen. Das
verstieß gegen das - nunmehr in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB geregelte - Verbot,
nach dem solche Verträge wegen der mit ihnen verbundenen Beschränkungen
des gemeindlichen Planungsermessens nichtig sind (Senat, Urteil vom 2. Okto-
ber 2015 - V ZR 307/13, juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 8. Juni 1978
- III ZR 48/76, BGHZ 71, 386, 390; Urteil vom 22. November 1979
- III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; BVerwG, NJW 1980, 2538, 2539). Ebenfalls
unwirksam war die in Art. 1 Nr. 5 ErbbV vereinbarte bedingte Verpflichtung des
Vaters des Klägers, auf eine Erhöhung des Erbbauzinses bei Aufstellung eines
Bebauungsplans zu verzichten. Diese Vertragsbestimmung war wegen Versto-
ßes gegen das Koppelungsverbot nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil die Ge-
meinde sich dadurch eine unzulässige Gegenleistung für den Erlass eines Be-
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bauungsplans hatte versprechen lassen (vgl. Senat, Urteil vom 18. September
2009 - V ZR 2/09, NVwZ 2010, 398 Rn. 15).
b) Die Einwendungen der Revisionserwiderung gegen die Wirksamkeit
des (restlichen) Erbbaurechtsvertrags sind unbegründet.
aa) Der Erbbaurechtsvertrag ist teilbar. Der Vertrag kann nach Ausson-
derung der nichtigen Teile als selbständiges Rechtsgeschäft auf Bestellung
eines Erbbaurechts mit einem wertgesicherten Erbbauzins von 1 DM/m
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Be-
stand haben. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Partei-
en den Vertrag über Jahrzehnte hinweg auch so vollzogen haben.
bb) Die Erbbauzinsvereinbarung in Art. 4 Abs. 1 des Vertrags ist nicht
unmittelbar sittenwidrig und nichtig. Die Vereinbarung eines Erbbauzinses, der
um 36,67 % unter dem Marktüblichen liegt, begründet kein grobes Missverhält-
nis von Leistung und Gegenleistung.
cc) Das Berufungsgericht nimmt auch zu Recht an, dass der Erbbau-
rechtsvertrag ohne die nichtigen Bestimmungen nach § 139 BGB auf Grund der
salvatorischen Klausel aufrechtzuerhalten ist, weil die Beklagte nicht nachge-
wiesen habe, dass der Vertrag ohne den nichtigen Teil nicht geschlossen wor-
den wäre. Ohne Erfolg wendet die Revisionserwiderung dagegen ein, dass die
Aufrechterhaltung einzelner Bestimmungen nach dem hypothetischen Parteiwil-
len nicht in Betracht komme, weil § 139 BGB unanwendbar sei, wenn sich aus
dem Zweck der Verbotsnorm eine abweichende Regelung ergebe (vgl. BGH,
Urteil vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 117/99, NJW 2000, 1333, 1335).
(1) Der Zweck des Verbots gebietet es nicht, Verträge, in denen eine
Gemeinde eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans eingegan-
gen ist, auch ohne diese Bestimmung als insgesamt nichtig anzusehen. Das
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Verbot soll eine ungebundene und umfassende Abwägung der in § 1 Abs. 6
BauGB bezeichneten Belange gewährleisten, die Gemeinden aber nicht vor
allen Nachteilen aus dem Abschluss von Verträgen bewahren, die sie im Hin-
blick auf die von ihrem Vertragspartner erwartete Aufstellung eines bestimmten
Bebauungsplans abgeschlossen haben (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 2015
- V ZR 307/13, juris Rn. 10 f.). Das Verbot erfordert nur, dass diejenigen Ver-
tragsbestimmungen keine Wirksamkeit entfalten, welche die Gemeinde unmit-
telbar zum Erlass eines bestimmten Bebauungsplans verpflichten, es steht je-
doch einer Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen nach den in § 139 BGB
bestimmten Grundsätzen nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 22. November
1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16, 22; BVerwG, NJW 1980, 2538, 2539).
(2) Die Beklagte kann die Gesamtnichtigkeit des Erbbaurechtsvertrags
auch nicht daraus herleiten, dass ihre Rechtsvorgängerin sich eine unzulässige
Gegenleistung (den Verzicht auf eine Erbbauzinsanhebung) für einen von ihr
aufzustellenden Bebauungsplan hat versprechen lassen. Diese Koppelung be-
steht infolge der Nichtigkeit der darauf bezogenen Vertragsbestimmungen
nicht. Die Unwirksamkeit dieser Vertragsbestimmung ist nur für den Kläger
nachteilig, der ungeachtet dessen den Vertrag weiter durchführen will. Unter
diesen Umständen ist der Beklagten die Geltendmachung der Gesamtnichtig-
keit des Erbbaurechtsvertrags versagt. Eine Partei kann sich nämlich nach Treu
und Glauben nicht unter Berufung auf § 139 BGB von ihren Vertragspflichten
insgesamt befreien, wenn nur die den anderen Teil begünstigenden Vertrags-
bestimmungen unwirksam sind und dieser dennoch am Vertrag festhalten will.
Der andere Teil kann dann der Geltendmachung der Gesamtnichtigkeit die Ein-
rede der Arglist entgegensetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1983
- IX ZR 95/81, WM 1983, 267, 268; Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91,
NJW 1993, 1587, 1589; Urteil vom 30. Januar 1997 - IX ZR 133/96, NJW-RR
1997, 684, 686).
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2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei sieht das Berufungsgericht den Erbbau-
rechtsvertrag als ein nach § 92 Abs. 6 NGO der Genehmigung durch die Kom-
munalaufsicht bedürfendes kreditähnliches Rechtsgeschäft an.
a) Die Genehmigungsbedürftigkeit des 1974 geschlossenen Erbbau-
rechtsvertrags ist nach den Vorschriften der am 1. November 2011 außer Kraft
getretenen Niedersächsischen Gemeindeordnung zu beurteilen, weil die Vo-
raussetzungen für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts sich grundsätzlich
nach den im Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Vorschriften bestimmen
(vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1966 - VIII ZR 20/64, BGHZ 45, 322, 326; Urteil
vom 18. Februar 2002 - KVR 24/01, BGHZ 154, 21, 26). Anders verhielte es
sich nur bei einem Wegfall des Genehmigungserfordernisses, der zur Behe-
bung einer schwebenden Unwirksamkeit führt (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juli
1962 - V ZR 219/60, BGHZ 37, 233, 236). Das ist aber nicht eingetreten, weil
§ 120 Abs. 6 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes vom
17. Dezember 2010 - NKomVG (Nds. GVBl. S. 576) - einen § 92 Abs. 6 NGO
inhaltsgleichen Genehmigungsvorbehalt enthält.
b) Ob ein Vertrag nach den kommunalrechtlichen Vorschriften genehmi-
gungsbedürftig ist, haben die Zivilgerichte selbständig zu entscheiden (vgl.
BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 21; Urteil
vom 7. März 2013 - IX ZR 7/12, WM 2013, 708 Rn. 11).
c) Nach § 92 Abs. 6 Satz 1 NGO (die Gemeindeordnungen bzw. Kom-
munalverfassungen der anderen Länder enthalten gleichlautende Bestim-
mungen) bedarf die Begründung einer kreditähnlichen Zahlungsverpflichtung
der Gemeinde der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde. Ob ein
Vertrag eine derartige Verpflichtung der Gemeinde begründet, ist nach dem
Zweck des Genehmigungserfordernisses zu beurteilen. Dieses soll verhindern,
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dass unter Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten des Privatrechts die
kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Kreditaufnahme umgangen wer-
den. Eine solche Umgehung liegt vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu dem gleichen Erfolg führen würde wie die
Aufnahme eines Kredits. Das ist der Fall, wenn die Gemeinde im laufenden
Haushaltsjahr im Wesentlichen die volle Leistung erhält, die dafür zu erbrin-
gende Gegenleistung jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen muss
(vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 23; OLG
Dresden, OLG-NL 2001, 268, 270). Allerdings kommt nicht jede Verpflichtung,
die eine Gemeinde zur Erlangung einer Leistung im laufenden Haushaltsjahr
eingeht und die teilweise oder ganz erst in späteren Haushaltsjahren zu erfüllen
ist, einer genehmigungsbedürftigen Kreditaufnahme gleich (Senat, Urteil vom
2. April 2004 - V ZR 105/03, WM 2004, 2183). Maßgebliches Kriterium für ein
kreditähnliches Geschäft ist die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung der Ge-
meinde. Ist die Gegenleistung der Gemeinde an sich mit der Leistung ihres Ver-
tragspartners fällig, wird die Zahlung aber auf eine spätere Zeit hinausgescho-
ben, handelt es sich um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft (OLG Dresden,
aaO). Anders ist es dagegen, wenn - wie bei einem Miet- oder Pachtvertrag
(BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, 23) - die
Zahlung ein Entgelt für die jeweils gewährte Nutzungsmöglichkeit darstellt.
d) Gemessen daran ist der 1974 geschlossene Vertrag ein kreditähnli-
ches Rechtsgeschäft.
aa) Ein Erbbaurechtsvertrag ist allerdings nicht schon dann genehmi-
gungsbedürftig, wenn eine Gemeinde Erbbaurechtsnehmerin ist. Ob und wel-
ches Entgelt der Erbbauberechtigte für die Bestellung eines Erbbaurechts zah-
len soll, steht im Belieben der Vertragsparteien; die Gegenleistung ist kein we-
sentliches Merkmal eines Erbbaurechtsvertrags (Senat, Urteil vom 23. Oktober
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1957 - V ZR 270/56, RdL 1958, 7, 9; Urteil vom 27. Februar 1970 - V ZR 49/67,
NJW 1970, 944). Ein unentgeltlich oder gegen eine einmalige Zahlung im lau-
fenden Haushaltsjahr bestelltes Erbbaurecht begründet keine kreditähnliche
Zahlungsverpflichtung.
bb) Ein Erbbaurechtsvertrag bedarf jedoch als kreditähnliches Rechts-
geschäft der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, wenn er ei-
ne Verpflichtung der Gemeinde begründet, einen Erbbauzins zu zahlen.
(1) Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Pflicht zur Zahlung des Erb-
bauzinses auf einer im Erbbaugrundbuch eingetragenen Erbbauzinsreallast
(dinglicher Erbbauzins) oder allein auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht
(schuldrechtlicher Erbbauzins). Rechtlich betrachtet bestehen zwar Unterschie-
de insoweit, als bei Vereinbarung eines dinglichen Erbbauzinses die Bestellung
des Stammrechts (der Erbbauzinsreallast), jedoch nicht die aus diesem zu leis-
tenden wiederkehrenden Zahlungen die Gegenleistung für die Bestellung des
Erbbaurechts ist (Senat, Urteil vom 9. Oktober 2009 - V ZR 18/09, NJW 2010,
224 Rn. 9; von Oefele, MittBayNot 2011, 55), während die Verpflichtung zu
wiederkehrenden Zahlungen beim schuldrechtlichen Erbbauzins in der Regel
die Leistung ist, die der Schuldner um der Begründung oder der Übertragung
des Erbbaurechts willen übernommen hat (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober
2009 - V ZR 18/09, NJW 2010, 224 Rn. 10). Für die Entscheidung der Frage,
ob der Erbbaurechtsvertrag ein kreditähnliches Geschäft im Sinne der Gemein-
deordnungen der Länder ist, kommt es jedoch nicht auf den Rechtsgrund der
Verpflichtung, sondern allein darauf an, ob die Gegenleistung der Gemeinde für
einen Erwerb im laufenden Haushaltsjahr in die kommenden Haushaltsjahre
verlagert wird. Solche Rechtsgeschäfte der Kommunen sind im Interesse des
Staates an einer geordneten Haushaltswirtschaft der Gemeinden und an einem
Erhalt ihrer dauernden Leistungsfähigkeit einem Genehmigungsvorbehalt durch
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die Kommunalaufsicht unterworfen (vgl. OLG Dresden, OLG-NL 2001, 268,
270).
(2) Danach bedarf ein Erbbaurechtsvertrag mit einer Erbbauzinspflicht
der Gemeinde der Genehmigung. Ein solcher Erbbaurechtsvertrag steht zwar
auch bei einer wirtschaftlichen Betrachtung einem kreditierten Erwerbsgeschäft
nicht in jeder Beziehung gleich; er erfüllt aber die wesentlichen Merkmale eines
kreditähnlichen Rechtsgeschäfts.
(a) Für den Grundstückseigentümer sind die Erbbauzinsen einer Miete
oder einer Pacht wirtschaftlich vergleichbare Einkünfte. Er erhält mit dem Erb-
bauzins wie bei einer Miete oder Pacht eine Verzinsung des Bodenwerts für
das dem Vertragspartner gewährte Recht zur Nutzung seines Grundstücks (vgl.
Grziwotz, Das Erbbaurecht in der Finanzierungspraxis, S. 78).
(b) (aa) Für den Erbbauberechtigten stellt der Erbbauzins dagegen ein
Entgelt dar, das er künftig für das dingliche Recht zahlen muss, welches ihn
berechtigt, auf dem fremden Grundstück ein Bauwerk zu haben. Die Gegenleis-
tung wird nicht bei Erwerb des Erbbaurechts geleistet, sondern in den kom-
menden Jahren erbracht, in denen das Erbbaurecht besteht. Insofern wird die
Fälligkeit der Gegenleistung - ähnlich wie bei einer Stundung - über den bei
einem Rechtskauf üblichen Zeitpunkt hinaus, abweichend von dem Grundsatz
der Zug-um-Zug-Leistung, in die Zukunft verschoben. Damit liegt das wesentli-
che Merkmal eines kreditähnlichen Rechtsgeschäfts (vgl. Senat, Urteil vom
2. April 2004 - V ZR 105/03, WM 2004, 2183, 2184) vor.
(bb) Einzuräumen ist allerdings, dass bei einer wirtschaftlichen Be-
trachtungsweise die Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses sich nicht von derje-
nigen zur Zahlung der Miete oder der Pacht aus einem langfristigen Ver-
tragsverhältnis unterscheidet. Der Abschluss eines Erbbaurechtsvertrags mit
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einer Verpflichtung der Gemeinde zur Zahlung eines Erbbauzinses ist jedoch
nicht - wie die Revision meint - deswegen dem Abschluss eines langfristigen
Miet- und Pachtvertrags mit einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung
gleichzustellen. Zwar sind Erbbauzinsen den Mieten und Pachten vergleichbare
Zahlungen; die dafür erworbenen Rechte unterscheiden sich jedoch grundle-
gend. Mit dem Erbbaurecht erwirbt der Erbbaurechtsnehmer für die gesamte
Vertragszeit ein - über die für die Miet- und Pachtverträge geltende zeitliche
Begrenzung von 30 Jahren (§ 544 BGB) hinausgehendes - dingliches Recht an
dem Grundstück, das hinsichtlich seiner Übertragbarkeit, Beleihbarkeit und der
Rechte gegenüber Dritten dem Eigentum an dem Grundstück weitgehend
gleichsteht. Aus diesen Gründen stellt sich der Erwerb eines Erbbaurechts un-
ter wirtschaftlichen Aspekten - weit öfter als der Abschluss eines Miet- und
Pachtvertrags - als eine Alternative zu einem kreditfinanzierten Grundstückser-
werb dar.
(c) Vor diesem Hintergrund ist die Zuordnung der Erbbaurechtsverträge,
in denen sich die Gemeinden zur Zahlung von Erbbauzinsen verpflichten, zu
den kreditähnlichen Rechtsgeschäften auch vom Zweck des Genehmigungs-
vorbehalts in den Gemeindeordnungen der Länder geboten, Umgehungen von
genehmigungspflichtigen Kreditgeschäften zu verhindern. Eine Gemeinde kann
ihre künftige Leistungsfähigkeit auch dadurch gefährden, dass sie statt eines
finanzierten Grundstückskaufs einen Erbbaurechtsvertrag mit der Verpflichtung
zur Zahlung von Erbbauzinsen abschließt, der - was die bauliche Nutzung des
Erbbaugrundstücks betrifft - zu einem im Wesentlichen gleichen Ergebnis wie
ein Kauf führt.
(3) Der 1974 geschlossene Erbbaurechtsvertrag war kein Rechtsge-
schäft der laufenden Verwaltung der Rechtsvorgängerin der Gemeinde, das
nach § 92 Abs. 6 Satz 3 NGO genehmigungsfrei gewesen wäre. Die Ausfüh-
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rungen des Berufungsgerichts dazu sind rechtsfehlerfrei und werden im Revisi-
onsverfahren auch nicht angegriffen.
3. Das Berufungsgericht geht ebenfalls rechtsfehlerfrei davon aus, dass
der Erbbaurechtsvertrag nicht nach § 133 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 NGO durch Er-
teilung der erforderlichen Genehmigung wirksam geworden ist. Dass der Erb-
baurechtsvertrag vor dem Versagungsbescheid vom Juli 2012 durch die Kom-
munalaufsichtsbehörde ausdrücklich genehmigt worden wäre, ist weder festge-
stellt noch von dem Kläger vorgetragen. Der Erbbaurechtsvertrag ist auch nicht
auf Grund der Genehmigungsfiktion in § 133 Abs. 1 Satz 2 NGO wirksam ge-
worden. Das setzt die Nichtbescheidung eines Genehmigungsantrags der Ge-
meinde innerhalb von drei Monaten nach dessen Eingang bei der zuständigen
Aufsichtsbehörde voraus (Langenrehr in Thieme, NGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 5;
Thiele, NGO, 4. Aufl., § 133 Anm. 2). Ein solcher Sachverhalt ist ebenfalls nicht
vorgetragen. Dem Kläger steht deshalb kein Anspruch auf Zahlung des Erb-
bauzinses aus einem durch Genehmigung wirksam gewordenen Erbbaurechts-
vertrag zu.
4. Im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht auch einen
Zahlungsanspruch des Klägers nach der Ersitzung des Erbbaurechts durch die
Beklagte.
a) Die Beklagte ist allerdings auf Grund des 30jährigen Bestehens ihrer
Eintragung als Inhaberin des Erbbaurechts und ihres Eigenbesitzes durch Bu-
chersitzung (§ 900 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB) Erbbauberechtigte geworden.
Diese Vorschriften finden auf das Erbbaurecht Anwendung (MüKoBGB/Kohler,
6. Aufl., § 900 Rn. 2; von Oefele/Winkler, Handbuch des Erbbaurechts, 5. Aufl.,
Rn. 5.79; Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 900 Rn. 26; RGRK/Augustin, BGB,
12. Aufl., § 900 Rn. 4; NK-BGB/Krause, 3. Aufl., § 900 Rn. 3; Toussaint in ju-
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risPK-BGB, 7. Aufl., § 900 Rn. 6). Behördlicher Genehmigung bedarf der
Rechtserwerb durch Ersitzung nicht (Staudinger/Gursky, aaO Rn. 23; NK-
BGB/Krause, 3. Aufl., § 900 Rn.11; Böhringer, NotBZ 2003, 85). Da der Erb-
bauzins jedoch nicht Inhalt des Erbbaurechts ist, führt die Ersitzung nach § 900
BGB allein nicht zu einer Pflicht des Erbbauberechtigten, den im Erbbaurechts-
vertrag vereinbarten Erbbauzins zu zahlen.
b) Die Pflicht ergibt sich allerdings in der Regel aus der eingetragenen
Erbbauzinsreallast. So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Beklagte hat das
Erbbaurecht nämlich ohne die eingetragene Erbbauzinsreallast ersessen. Die
Erbbauzinsreallast war infolge der Versagung der kommunalaufsichtsrechtli-
chen Genehmigung des Erbbaurechtsvertrags nicht wirksam bestellt worden.
Der Kläger konnte die Reallast nicht nach § 900 Abs. 2 Satz 1 BGB ersitzen, da
sie kein Recht ist, dass zum Besitz des Grundstücks berechtigt oder deren
Ausübung nach den für den Besitz geltenden Vorschriften geschützt ist. Mit
Ablauf der Frist für die Ersitzung ist daher ein sog. erbbauzinsloses Erbbau-
recht entstanden. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 900 BGB
auf andere Rechte an Grundstücken verstieße gegen den Wortlaut des Geset-
zes und gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers, da Anträge, die Ersit-
zung auf die Hypothek zu erstrecken, im Gesetzgebungsverfahren abgelehnt
wurden (vgl. Prot. II, S. 4320 ff. = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 574 ff.). Da-
her ist auch der von Heck (Grundriss des Sachenrechts, 1930, § 45 Anm. 4 a)
vertretenen Auffassung nicht zu folgen, nach der derjenige, der sein Recht nur
auf den Buchinhalt stützen kann, die buchmäßigen Belastungen mit in Kauf
nehmen soll. Sie kann zudem zu unsachgemäßen Ergebnissen führen. Im hier
zu beurteilenden Fall liefe es dem Zweck des Genehmigungserfordernisses
zuwider, wenn die Beklagte trotz Versagung der Genehmigung - und damit ent-
gegen dem mit dem Vorbehalt verfolgten Interesse des Staates an einer ge-
ordneten Haushaltswirtschaft und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit der Ge-
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meinden - infolge der Tabularersitzung den Erbbauzins über 60 Jahre weiter-
zahlen müsste. Geboten ist allerdings im Einzelfall eine dem Zweck des Ge-
nehmigungsvorbehalts entsprechende Korrektur nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben (§ 242 BGB), die das Berufungsgericht allerdings auch vor-
genommen hat (siehe unten IV.2).
c) Erst recht nicht geheilt worden ist der schuldrechtliche Vertrag über
die Bestellung des Erbbaurechts mit dem sich daraus ergebenden Anspruch
auf den schuldrechtlichen Erbbauzins. Die Vorschriften über die Ersitzung
(§ 900 Abs. 1 Satz 1, § 937 Abs. 1 BGB) ordnen den Erwerb des Eigentums
nach einer bestimmten Besitzzeit an, bei einem Grundstück nach dem Beste-
hen einer Eintragung (sog. Buchbesitz) und einem Eigenbesitz von 30 Jahren,
bei einer beweglichen Sache nach einem Eigenbesitz von zehn Jahren. Sie
sehen jedoch nicht die Heilung des Rechtsgeschäfts vor, auf Grund dessen der
Besitz erlangt wurde. Eine Heilung des Grundgeschäfts ist auch vom Zweck der
Buchersitzung nicht begründet. Dass der bisherige Rechtsinhaber sein nicht
gebuchtes Recht verliert, beruht auf dem öffentlichen Interesse, ein dauerndes
Auseinanderfallen von Recht und Grundbuchlage zu vermeiden, nachdem die
Ansprüche aus dem nicht eingetragenen Recht nach Eintritt der Verjährung
nicht mehr durchsetzbar und damit inhaltsleer geworden sind (Prot. II, S. 3673
= Mugdan, Materialien, S. 573). Die Heilung des unwirksamen Grundgeschäfts
ginge über das mit der Buchersitzung verfolgte Ziel hinaus. Dies folgt aus den
Erwägungen, mit denen eine Erstreckung der Tabularersitzung auf die Hypo-
thek abgelehnt wurde. Die Ersitzung sollte nicht auch die Mängel der Forderung
heilen, von deren Bestand die Hypothek abhängig sei (Prot. II, S. 4372 = Mug-
dan, Materialien, Bd. III. S. 575).
d) Die Beklagte muss die Vereinbarung über den Erbbauzins auch nicht
nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegen sich gelten
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lassen, obwohl sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen ist, alles zu tun, um die
Genehmigung des Vertrags herbeizuführen (zu dieser Pflicht aus dem Ver-
tragsschluss: Senat, Urteil vom 25. Juni 1976 - V ZR 121/73, BGHZ 67, 34, 35;
Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 76/97, VIZ 1998, 577). Ein solches treuwidriges
Verhalten der Gemeinde vermag einen Anspruch des Vertragspartners auf Er-
füllung nicht zu begründen. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt,
dass die zum Schutz öffentlich-rechtlicher Körperschaften geschaffenen ge-
setzlichen Regelungen durch die Berufung auf Treu und Glauben nicht außer
Kraft gesetzt werden können (BGH, Urteil vom 10. März 1959 - VIII ZR 44/58,
WM 1959, 672, 673; Urteil vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70, NJW 1972, 940,
941; Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 174). Die
den Aufsichtsbehörden zugewiesene Zuständigkeit darf nicht dadurch unterlau-
fen werden, dass ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft wegen des
gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden Handelns der Ge-
meinde als wirksam behandelt wird, wenn die Genehmigung nicht eingeholt
oder versagt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1955 - II ZR 328/53, NJW
1955, 985; Reinicke, Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge,
S. 148).
e) Dem Kläger steht schließlich auch nicht ein Anspruch auf Herausgabe
der von der Beklagten im Jahr 2012 gezogenen Nutzungen nach § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB zu. Ob bereicherungsrechtliche An-
sprüche aus rechtsgrundloser Leistung infolge der Ersitzung ausgeschlossen
sind, ist allerdings umstritten.
aa) Ein Teil des Schrifttums geht im Anschluss an eine Entscheidung
des Reichsgerichts zur Mobiliarersitzung nach § 937 BGB (RGZ 130, 69) davon
aus, dass die Ersitzung zwar keine Verletzung des Zuweisungsgehalts des
Rechts des früheren Eigentümers darstelle und dieser daher nicht im Wege der
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Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) von dem neuen Eigentü-
mer die Herausgabe der von ihm gezogenen Nutzungen verlangen könne. An-
ders soll es aber sein, wenn die Besitzerlangung auf einem unwirksamen Ver-
trag beruhe. Dann soll eine Leistungskondiktion auch nach der Ersitzung mög-
lich sein. Bei der Ersitzung gehe es wie bei allen anderen sachenrechtlichen
Erwerbstatbeständen nur um die Zuordnung des dinglichen Rechts. Ob diese
Zuordnung zu Recht bestehe und wie lange sie Bestand habe, sei jedoch keine
sachenrechtliche Frage (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2013], § 900 Rn. 24;
Staudinger/Wiegand, BGB [2011], § 937, Rn. 21; Erman/Artz, BGB, 14. Aufl., §
900 Rn. 6; Toussaint in jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 900, Rn. 22; Wester-
mann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl., § 51 Rn. 13; BeckOK-
BGB/Kindl, BGB, Edition 36, § 937 Rn. 9; NK-BGB/Meller-Hannich, 3. Aufl.,
§ 937 Rn. 11; Siehr, Festschrift Stoll, 2001, S. 373, 378 ff.).
bb) Nach anderer Ansicht scheiden Bereicherungsansprüche des bishe-
rigen Eigentümers aus, da der Ersitzungserwerb seinen Rechtsgrund in sich
trage (MüKoBGB/Kohler, 6. Aufl., § 900 Rn. 6; MüKoBGB/Baldus, 6. Aufl.,
§ 937 Rn. 49 ff.; Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 900 Rn. 5, Vorb. § 937
Rn. 2; RGRK/Pikart, BGB, 12. Aufl., § 937 Rn. 20; RGRK/Heimann-Trosien,
BGB, 12. Aufl., Vor § 812 Rn. 30; PWW/Prütting, BGB, 10. Aufl., § 937 Rn. 8;
Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 937 Rn. 7 ff.; NK-BGB/Krause, 3. Aufl.,
§ 900 Rn. 13; Prütting, Sachenrecht, 35. Aufl., Rn. 450 f.; Finkenauer, Eigen-
tum und Zeitablauf, 2000, S. 120 f.).
cc) Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Der Erwerb durch Ersitzung
trägt seinen Rechtsgrund in sich und schließt Ansprüche gegen den Erwerber
aus ungerechtfertigter Bereicherung aus.
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(1) Dass mit dem Ersitzungserwerb im Interesse der Rechtssicherheit ei-
ne endgültige Regelung eintreten und ein Rückgriff auf Bereicherungsansprü-
che nicht möglich sein sollte, ergibt sich zwar nicht aus dem - insoweit unergie-
bigen - Wortlaut der Vorschriften über die Ersitzung (§§ 900, 937 BGB), findet
im Gesetz aber darin eine Stütze, dass das Recht der Ersitzung im Gegensatz
zu den folgenden Erwerbstatbeständen (vgl. §§ 951, 977 BGB) keine Aus-
gleichsansprüche für den Rechtsverlust enthält. Dies entspricht der Vorstellung
des historischen Gesetzgebers, nach der die Ersitzung den Mangel deckt, der
dem sofortigen Erwerb des Eigentums entgegenstand (vgl. Motive III, S. 350 =
Mugdan, Materialien, Bd. 3, S. 195). Bei der Buchersitzung ging der Gesetzge-
ber davon aus, dass die Vorschrift den Nutzen habe, dass derjenige, der nach
dreißigjährigem Besitz originär das Eigentum erwerbe, auch die Einreden aus
einem etwaigen Mangel seines Erwerbs zurückweisen könne, und das missli-
che Zurückgreifen auf lange Zeit zurückliegende Eigentumserwerbsakte ver-
mieden werde (vgl. Prot. II, S. 3674 = Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 573).
(2) (a) Für die Gegenauffassung sprechen keine zwingenden Gründe
mehr. Sie wurde vor allem darauf gestützt, dass die nach zehnjährigem Besitz
eintretende Fahrnisersitzung nach § 937 BGB den Rechtsgrund nicht in sich
tragen könne, weil der Anspruch aus dem Mangel des Grundgeschäfts auf
Herausgabe des Geleisteten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gegen den
Erwerber bis zum Ablauf der nach § 195 BGB aF dreißigjährigen Verjährungs-
frist durchgesetzt werden könne (RGZ 130, 69, 73). Dieses Argument ist infolge
der Verkürzung der für die Bereicherungsansprüche geltenden Verjährungsfris-
ten nach §§ 195, 199 BGB auf drei bzw. zehn Jahre weggefallen (vgl.
PWW/Prütting, BGB, 10. Aufl., § 937 Rn. 8).
(b) Die Annahme, dass die Ersitzung den Rechtsgrund in sich trägt, hat
dagegen den Vorzug, dass sie einen Wertungswiderspruch zwischen Leis-
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tungs- und Eingriffskondiktion vermeidet. Warum der Eigentümer zur Heraus-
gabe des Erlangten verpflichtet sein soll, wenn er den Besitz durch eine Leis-
tung des früheren Eigentümers erhalten hat, dagegen von dem Anspruch ver-
schont bleiben soll, wenn er auf andere Weise den Besitz erlangt hat, ist nicht
nachvollziehbar (vgl. Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl., § 937 Rn. 10). Solche
Sonderregeln für die Leistungskondiktion sind bei einem nicht an dem rechts-
geschäftlichen Erwerb, sondern an den Eigenbesitz anknüpfenden, originären
Erwerbstatbestand nicht zu rechtfertigen (vgl. MüKoBGB/Baldus, 6. Aufl., § 937
Rn. 53).
III.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung demnach nicht stand,
weil aus dem unter Beweis gestellten, streitigen Vorbringen des Klägers sich
ein Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Erbbauzinses ergeben kann. Die
Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft die Beweis-
anträge auf Vernehmung des Bürgermeisters der Beklagten als Partei und auf
Vorlage der Akten der Beklagten und der Rechtsaufsichtbehörde zu der Be-
hauptung des Klägers zurückgewiesen hat, die Kommunalaufsichtsbehörde
habe 1974 oder 1975 ein Negativattest erteilt.
a) aa) Dieses Vorbringen ist schlüssig. Im Ausgangspunkt richtig ist aller-
dings die Unterscheidung des Berufungsgerichts zwischen einem Negativattest
und einer Rechtsauskunft. Ein Negativattest ist die Entscheidung der zuständi-
gen Behörde, dass das ihr mitgeteilte Rechtsgeschäft keiner Genehmigung be-
darf (BGH, Urteil vom 22. September 2009 - XI ZR 286/08, NJW 2010, 144
Rn. 17). Ein Bescheid mit diesem Inhalt steht der Erteilung der Genehmigung
gleich, wenn der Genehmigungsvorbehalt - wie hier - allein öffentlichen Interes-
sen dient (BGH, Urteil vom 15. März 1951 - IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294, 302; Ur-
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teil vom 28. Januar 1969 - VI ZR 231/67, NJW 1969, 922, 923; Urteil vom
3. April 1985 - I ZR 29/83, WM 1985, 1405; Urteil vom 22. September 2009 - XI
ZR 286/08, NJW 2010, 144 Rn. 17; Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 7/12, WM
2013, 798 Rn.11). Von den Negativattesten sind die bloßen Mitteilungen und
Bescheinigungen der Behörden zu unterscheiden. Ihnen kommt nur eine dekla-
ratorische, die Gerichte nicht bindende Bedeutung zu. Sie sind ohne Wirkung
für das Rechtsgeschäft, das weiterhin genehmigungsbedürftig bleibt (BGH, Ur-
teil vom 28. Januar 1969 - VI ZR 231/67, NJW 1969, 922 924; Urteil vom
22. September 2009 - XI ZR 286/08, NJW 2010, 144 Rn. 22).
bb) Die Würdigung des Vortrags des Klägers im Berufungsurteil, diesem
sei nur eine Auskunft der Kommunalaufsichtsbehörde zu entnehmen, die den
Erbbaurechtsvertrag möglicherweise fehlerhaft als genehmigungsfrei angese-
hen habe, beruht auf unzutreffenden Anforderungen an das Vorliegen eines
Negativattestes. Die Erklärung der für die Genehmigung zuständigen Behörde
stellt ein Negativattest dar, wenn die Behörde die öffentlich-rechtliche Rechts-
lage durch Verneinung der Genehmigungsbedürftigkeit endgültig hat klären
wollen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1969 - VI ZR 231/67, NJW 1969, 922,
923). Entsprechend dem für die Auslegung von Verwaltungsakten anzuwen-
denden Auslegungsgrundsatz in § 133 BGB (BGH, Urteil vom 9. Dezember
1982 - III ZR 106/81, BGHZ 86, 104, 110; BVerwG, NJW 1976, 303, 304)
kommt es darauf an, ob der Empfänger (hier die beklagte Gemeinde) die Erklä-
rung der Kommunalaufsichtsbehörde unter Berücksichtigung des mit ihr ver-
folgten Zwecks nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so verstehen musste (vgl.
BGH, Urteil vom 19. März 1998 - IX ZR 120/97, NJW 1998, 2138, 2140;
BVerwG, NVwZ 1984, 518).
cc) Gemessen daran ist das Vorbringen des Klägers schlüssig, die Be-
klagte habe den Erbbaurechtsvertrag der Kommunalaufsichtsbehörde zur Prü-
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fung der Genehmigungsbedürftigkeit vorgelegt und diese habe den Vertrag
ausdrücklich gebilligt. Die von dem Berufungsgericht für seine Ansicht gegebe-
ne Begründung, der Kläger habe nur eine Auskunft vorgetragen, weil nach sei-
nem Vortrag die von Gemeinden als Erbbauberechtigte abgeschlossenen Ver-
träge damals von den Kommunalaufsichtsbehörden als genehmigungsfrei an-
gesehen worden seien, berücksichtigt nicht, dass die Behörden auch dazu be-
rufen sind, diese Frage zu entscheiden. Hätte der Landkreis als damals zu-
ständige Kommunalaufsichtsbehörde sich so - wie von dem Kläger vorgetra-
gen - erklärt, wäre der Vertrag wirksam geworden (vgl. BGH, Urteil vom
15. März 1951 - IV ZR 9/50, BGHZ 1, 294, 302) und die im Jahr 2012 erfolgte
Versagung der Genehmigung durch das Regierungspräsidium ins Leere ge-
gangen.
b) Das Berufungsgericht hätte den Beweisangeboten des Klägers nach-
gehen müssen. Die Verfahrensrügen der Revision sind begründet.
aa) Die Beweisanträge waren nicht auf eine unzulässige Ausforschung
gerichtet. Einer Partei, die (wie hier der Kläger) an dem Verwaltungsverfahren
zwischen der beklagten Gemeinde und der Kommunalaufsichtsbehörde über
die Genehmigung des Vertrags nicht beteiligt ist, wird es häufig nicht erspart
bleiben, in einem Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine ge-
naue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrschein-
lich hält. Unzulässig wird ein solches Vorgehen erst, wenn die Partei ohne
greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts will-
kürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt. Ein
solcher Vorwurf ist aber nur begründet, wenn jegliche tatsächlichen Anhalts-
punkte für den vorgetragenen Sachverhalt fehlen (vgl. Senat, Urteil vom
20. September 2002 - V ZR 170/01, NJW-RR 2002, 69, 70; BGH, Urteil vom
20. Juni 2002 - IX ZR 177/99, WM 2002, 1690, 1692 st. Rspr.). Davon kann
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hier wegen des Vorbingens der Beklagten in einem 1974/75 geführten Vorpro-
zess, dass die Kommunalaufsichtsbehörde die Genehmigungsbedürftigkeit des
Erbbaurechtsvertrags geprüft habe, und wegen der Verpflichtung der Beklag-
ten, eine verbindliche Entscheidung der Kommunalaufsicht über die Wirksam-
keit des Erbbaurechtsvertrags herbeizuführen (siehe oben II.4.d), keine Rede
sein.
bb) Die beantragte Vernehmung des Bürgermeisters ist kein nach § 244
Abs. 3 Satz 2 StPO ungeeignetes Beweismittel. Diese Vorschrift ist zwar im
Zivilprozess entsprechend anzuwenden, wobei aber an die Annahme der Un-
tauglichkeit des Beweismittels strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH,
Urteil vom 19. September 2012 - IV ZR 177/11, NJW-RR 2013, 9 Rn. 14). Dass
der Bürgermeister - nach Einsichtnahme in die Verwaltungsakte - etwas Sach-
dienliches zu dem Beweisthema sagen kann, erscheint nicht von vorneherein
ausgeschlossen.
cc) Begründet ist auch die von der Revision erhobene Verfahrensrüge
gegen die von dem Berufungsgericht auf §§ 421, 424 ZPO gestützte Zurück-
weisung des Beweisantrags des Klägers auf Vorlage der Akten zu dem Verwal-
tungsvorgang aus den Jahren 1974 und 1975. Mit der Begründung, dass der
Antrag auf Vorlage eines Aktenkonvoluts unzulässig sei, hätte der Beweisantritt
erst nach einem gerichtlichen Hinweis gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO zurück-
gewiesen werden dürfen. Dieser ist nach Aktenlage nicht erteilt worden. Zudem
rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht unabhängig von dem
nach § 424 ZPO gestellten Beweisantrag hätte prüfen müssen, ob es die Vor-
lage des in der Berufungsinstanz anhand des Aktenzeichnens näher bezeich-
neten Verwaltungsvorgangs gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen
anordnet. Auch wenn sich nach den §§ 423, 424 ZPO keine Pflicht des Geg-
ners oder eines Dritten zur Vorlage der bezeichneten Urkunden ergibt, hat der
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Tatrichter zu prüfen, ob er deren Vorlage anordnet. Das steht zwar - soweit
nicht eine Rechtspflicht zur Urkundenvorlage besteht (vgl. Senat, Urteil vom
14. Dezember 2012 - V ZR 162/11, NJW 2013, 1003 Rn. 12 f.) - im Ermessen
des Tatrichters, das von dem Revisionsgericht anhand der Urteilsgründe nur
darauf überprüft wird, ob von ihm überhaupt Gebrauch gemacht worden ist (vgl.
BGH, Urteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn.21; Urteil vom
17. Juli 2014 - III ZR 514/13, WM 2014, 1611 Rn. 26). Letzteres ist hier aber
nicht der Fall; denn die Zurückweisung des Beweisantrags ist allein auf die
Vorschriften über den Urkundenbeweis (§§ 415 ff. ZPO) gestützt worden.
IV.
1. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
2. Sollte dem Kläger der Beweis für die Behauptung eines Negativattes-
tes nicht gelingen, wäre die Klage unbegründet. Insoweit führt das Berufungs-
gericht zutreffend aus, dass die Beklagte nach dem Zweck des Genehmi-
gungsvorbehalts sich zwar nicht zugleich auf die Unwirksamkeit des Erbbau-
rechtsvertrags zur Abwendung einer Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses und
auf die Ersitzung des dinglichen Rechts berufen darf. Zahlungsansprüche des
Klägers ergäben sich unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die
Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daraus jedoch nur (dazu oben
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II. 4.b), wenn die Beklagte nicht zur Aufhebung oder zur Übertragung des Erb-
baurechts auf den Kläger bereit wäre, was nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts aber der Fall ist.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 03.05.2013 - 16 O 182/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 07.01.2014 - 4 U 85/13 -