Urteil des BGH vom 01.04.2011

Leitsatzentscheidung zu Rücklage, Abrechnung, Betriebskosten, Mehrheit, Entlastung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 162/10
Verkündet am:
1. April 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
WEG § 16 Abs. 3
Bei der Änderung eines Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG steht den
Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
BGH, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10 - LG Koblenz
AG
Koblenz
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Koblenz vom 13. Juli 2010 unter Zurückwei-
sung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage
hinsichtlich der Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom
30. Juni 2009 zu TOP 3, 4 und 5 bestätigt hat, soweit darin die
Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet, für die sog. „Zuführung
Rücklage Tiefgarage“ eine Umlage nach Einheiten beschlossen
und dieser Verteilungsschlüssel in der Jahresabrechnung 2008
und in dem Wirtschaftsplan 2010 umgesetzt worden ist.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts
Koblenz vom 24. November 2009 im Umfang der Aufhebung ge-
ändert.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentü-
mer vom 30. Juni 2009 zu TOP 3 nichtig ist, soweit der geänder-
te Umlageschlüssel die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“
betrifft. Für ungültig erklärt wird der genannte Beschluss, soweit
darin die Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet worden ist. Die
Beschlüsse zu TOP 4 und 5 werden für ungültig erklärt, soweit
darin der nichtige Umlageschlüssel umgesetzt worden ist.
Im Übrigen bleiben die Klage ab- und die Berufung zurückgewie-
sen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 88 % und die
Beklagten zu 12 %.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien sind die Mitglieder der im Rubrum näher bezeichneten Woh-
nungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung (TE) vom 28. No-
vember 1961 sind die Betriebskosten im Verhältnis der Wohnflächen auf die
Wohnungseigentümer umzulegen (§ 13 Nr. 2 b TE). Die „für das gemeinschaft-
liche Eigentum“ zu entrichtende Instandhaltungsrücklage richtet sich ebenfalls
nach der Wohnfläche (§ 13 Nr. 2 c TE). Der von der Teilungserklärung vorge-
gebene Verteilungsschlüssel kann von der Wohnungseigentümerversammlung
mit ¾-Mehrheit geändert werden (§ 13 Nr. 4 TE).
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In der Eigentümerversammlung vom 30. Juni 2009 wurde zu dem Tages-
ordnungspunkt (TOP) 3 mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2008 die Umlage
bestimmter Betriebskosten sowie der „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ nach
Einheiten beschlossen. Auf der Grundlage des geänderten Verteilungsschlüs-
sels wurde sodann „unter Entlastung der Verwaltung“ die Jahresabrechnung
2008 gebilligt (TOP 4) und der Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 beschlossen
(TOP 5). Die gegen diese Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage ist in beiden
Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchten die
Kläger erreichen, dass die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt wer-
den. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Änderung des Kostenvertei-
lungsschlüssels sei trotz der damit einhergehenden Rückwirkung ebenso wenig
zu beanstanden wie die darauf aufbauende Jahresabrechnung 2008 und der
Wirtschaftsplan 2010. Dass für das Wirtschaftsjahr 2008 kein wirksamer Wirt-
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schaftsplan existiere, sei unschädlich. Zwar genüge die Jahresabrechnung nicht
den von dem Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 4. Dezember 2009
(V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) gestellten Anforderungen, weil Zufüh-
rungen zu den Rücklagen in dem Abschnitt „Ausgaben“ dargestellt seien. Es sei
jedoch unstreitig, dass den so verbuchten Rücklagen tatsächliche Zahlungen
gegenübergestanden hätten, die in der Rubrik „Entwicklung der Rücklagen“ als
Zugang enthalten seien; mangels Wirtschaftsplans für das Jahr 2008 hätten
auch keine Rückstände bestanden. Zum anderen sei unter dem Blickwinkel des
Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, dass die angegriffene Jahresabrech-
nung vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erstellt worden sei und Jah-
resabrechnungen im Übrigen „standardmäßig“ mit Computerprogrammen gefer-
tigt würden, die die höchstrichterlichen Vorgaben noch nicht hätten berücksich-
tigen können. Soweit die Kläger geltend machten, in der Jahresabrechnung
seien Kosten für Maßnahmen enthalten, die die Verwaltung zu Unrecht veran-
lasst habe, sei dies unerheblich, weil dies allenfalls dazu führe, dass die erteilte
Entlastung der Verwalterin angreifbar sei. Insoweit sei indessen zum einen zu
berücksichtigen, dass die Verwaltung nach dem Verwaltervertrag Kleinreparatu-
ren ohne weiteres habe veranlassen dürfen. Zum anderen hätten die Kläger
nicht bewiesen, dass die Verwaltung unbefugt Instandhaltungs- oder Instand-
setzungsarbeiten in Auftrag gegeben habe. Schließlich seien die Beschlüsse
über die Jahresabrechnung 2008 und den Wirtschaftsplan 2010 auch nicht mit
Blick auf die unverändert gebliebene Höhe der Instandhaltungsrücklage zu be-
anstanden. Die Wohnungseigentümer hätten bei deren Festlegung einen weiten
Ermessensspielraum. Eine Überschreitung dieses Spielraumes hätten die Klä-
ger schon nicht schlüssig dargelegt.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in
jeder Hinsicht stand.
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1. Das gilt zunächst für die zu TOP 3 beschlossene Änderung des Umla-
geschlüssels.
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a) Die Änderung des die Kostenarten „Schornsteinfeger/Emissionsmes-
sung, Reinigung der Tiefgarage und Gehwege, Betriebskosten Tiefgarage, Ka-
belfernsehen und Verwaltungskosten“ betreffenden Umlageschlüssels hat das
Berufungsgericht zu Recht nicht beanstandet.
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aa) § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der
Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit,
auch einen im Wege der Vereinbarung festgelegten Umlageschlüssel durch
Mehrheitsbeschluss zu ändern (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09,
NJW 2010, 2654; Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298).
Von dieser Kompetenz haben die Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht.
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bb) Bei der Frage, ob die Neuregelung den Grundsätzen einer ordnungs-
gemäßen Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungsei-
gentümern bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG auf-
grund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum einge-
räumt ist (Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298,
3299). Der neue Umlageschlüssel muss lediglich den Anforderungen einer ord-
nungsgemäßen Verwaltung genügen. Die Wohnungseigentümer dürfen danach
jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen
Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer unge-
rechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BT-Drucks. 16/887 S. 23). Dabei
dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht
zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Vertei-
lungsmaßstabes zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen
Wohnungseigentümers auswirkt (Senat, aaO, mwN). Zwar ist den Materialien
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zu entnehmen, dass eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an
das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft sein soll (BT-Drucks. aaO);
auch der Bundesgerichtshof hat zum früheren Recht die Änderung eines Umla-
geschlüssels aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel davon abhängig ge-
macht, dass sachliche Gründe vorliegen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 1985
- VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143). Unter der Geltung des nunmehrigen § 16
Abs. 3 WEG bedeutet dies jedoch nur, dass sowohl das „Ob“ als auch das
„Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (vgl. BT-Drucks.,
aaO; LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2009, 884 f.; Riecke/Schmid/Elzer, WEG,
3. Aufl., § 16 Rn. 83; Hügel in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 5 Rn. 23;
vgl. auch Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298,
3299; aA Jennißen in Jennißen, aaO, § 16 Rn. 39; Schmid, ZMR 2010, 259;
jeweils mwN.). Anderenfalls würde die durch § 16 Abs. 3 WEG erst ermöglichte
Entscheidungsfreiheit ohne Not wieder eingeschränkt. Das aber will das Gesetz
- was auch die Regelung des § 16 Abs. 5 WEG nahe legt - gerade verhindern
(vgl. auch Riecke/Schmid/Elzer, aaO, mwN.). Dann aber ist es lediglich eine
Frage der dogmatischen Konstruktion, ob man das Willkürverbot als eigenstän-
dige Änderungsvoraussetzung formuliert oder - was der Senat für vorzugswür-
dig erachtet - als ein Kriterium auffasst, bei dessen Vorliegen eine ordnungs-
gemäße Verwaltung zu verneinen ist.
Der hier zugrunde gelegten Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass
die Abänderung eines bestehenden Schlüssels nur unter eingeschränkten Vor-
aussetzungen verlangt werden kann (dazu Senat, Beschluss vom
16. September 1994 - V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 106; zur Abänderung des
Schlüssels im Einzelfall nach § 16 Abs. 4 WEG vgl. auch Senat, Urteil vom
15. Januar 2010 - V ZR 114/09, NZM 2010, 205, 208). Denn in solchen Fällen
geht es um die Formulierung von Kriterien, unter denen eine Neuregelung von
einem Wohnungseigentümer erzwungen werden kann, während es in Konstella-
tionen der vorliegenden Art um die Voraussetzungen geht, unter denen die
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Wohnungseigentümer aufgrund eines freien Willensentschlusses von ihrem
Selbstorganisationsrecht Gebrauch machen können, dies aber nicht müssen.
(1) Gemessen daran, ist die Umstellung des Verteilungsschlüssels für die
hier in Rede stehenden Betriebskosten von der Wohnfläche auf Wohneinheiten
zunächst insoweit unbedenklich, als der angefochtene Beschluss Wirkung für
die Zukunft entfaltet. Insoweit halten sich die Wohnungseigentümer innerhalb
des ihnen durch die Regelung des § 16 Abs. 3 WEG eingeräumten Gestal-
tungsspielraums.
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(2) Mit Blick auf die für das Geschäftsjahr 2008 angeordnete Rückwirkung
gilt es zu berücksichtigen, dass rückwirkende Änderungen des Umlageschlüs-
sels nicht ohne weiteres den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung
entsprechen. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines
bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind grundsätzlich unzulässig.
Sie können nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hinge-
nommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in ho-
hem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergeb-
nissen führt (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 f.).
Geht es dagegen - wie vorliegend - um einen noch nicht abgeschlossenen Vor-
gang, ist eine Rückwirkung - so spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa § 6
Abs. 4 HeizkostenVO) fehlen - hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Be-
trachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (Senat, Urteil
vom 9. Juli 2010, aaO). So liegt es hier.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass allein der Umstand, dass Vor-
schüsse auf der Grundlage des bislang geltenden Verteilungsschlüssels erho-
ben worden sind, kein schutzwürdiges Vertrauen begründen kann (Urteil vom
9. Juli 2010, aaO, S. 2655). Zwar kommt vorliegend hinzu, dass das Abrech-
nungsjahr 2008 im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Änderung des Ab-
rechnungsschlüssels bereits abgelaufen war. Andererseits besteht hier die Be-
sonderheit, dass der für das Jahr 2008 erstellte Wirtschaftsplan, aufgrund des-
sen die Wohnungseigentümer die berechtigte Erwartung hätten haben können,
der bisherige Verteilungsschlüssel werde jedenfalls nach Ablauf des Abrech-
nungsjahres nicht mehr geändert, für ungültig erklärt worden ist. Ohne gültigen
Wirtschaftsplan bleibt die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer
zur Lasten- und Kostentragung (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 WEG) in der Schwebe; über
sie wird erst mit der Abstimmung über die Jahresabrechnung entschieden. In
solchen Konstellationen müssen die Wohnungseigentümer jedenfalls seit der
Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG in Rechnung stel-
len, dass der Umlageschlüssel vor oder - wie hier - anlässlich der Entscheidung
über die Jahresabrechnung durch eigenständigen Beschluss (zu diesem Erfor-
dernis Senat, Urteil vom 9. Juli 2010, aaO) geändert wird.
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b) Keinen Bestand haben kann die Abänderung des Umlageschlüssels je-
doch, soweit es um die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ geht, weil die
Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zur Ansammlung einer solchen
Rücklage nicht lediglich einen Einzelfall im Sinne von § 16 Abs. 4 WEG betrifft.
Der angefochtene Beschluss regelt nicht nur eine einzelne Maßnahme und er-
schöpft sich nicht in deren Vollzug. Instandhaltungsrückstellungen werden nicht
für eine einzige Maßnahme, sondern für den zukünftigen - noch nicht konkret
vorhersehbaren - Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf gebildet. Dass
es sich hier anders verhält, ist nicht ersichtlich. Eine schon nach dem Inhalt des
Beschlusses über den Einzelfall hinausreichende Änderung des Schlüssels ist
nicht von der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG gedeckt und daher
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nichtig (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654, 2655
mwN). Dass die Kläger beantragt haben, den Beschluss für ungültig zu erklä-
ren, hindert nicht die Feststellung der Nichtigkeit (Senat, Urteil vom 2. Oktober
2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 314 ff.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Öffnungsklausel
nach § 13 Nr. 4 TE, wonach der Verteilungsschlüssel von der Wohnungseigen-
tümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden kann, nichts anderes. Die
in Rede stehende Rücklage wird unter anderem für den Instandhaltungs- und
Instandsetzungsbedarf und damit auch für bauliche Maßnahmen gebildet, die
typischerweise mit erheblichen finanziellen Folgen einhergehen. Vor dem Hin-
tergrund der wirtschaftlichen Tragweite ist die Klausel daher nächstliegend da-
hin auszulegen, dass die Abänderung eine ¾-Mehrheit aller und nicht nur der in
der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer erfordert (zu § 16 Abs. 4
WEG vgl. auch Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 127 f.). Dieses
Quorum ist hier schon deshalb nicht erreicht, weil in der Wohnungseigentümer-
versammlung vom 30. Juni 2009 nur 43 der insgesamt 66 Wohnungseigentü-
mer anwesend oder vertreten waren.
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2. Soweit die Billigung der Jahresabrechnung 2008 auf einem unzutreffen-
den Abrechnungsschlüssel hinsichtlich der Rücklage für die Tiefgarage beruht,
kann auch der Beschluss zu TOP 4 keinen Bestand haben; die im Übrigen ge-
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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in die Jahres-
gesamtabrechnung auch solche Ausgaben einzustellen sind, die der Verwalter
unberechtigterweise aus Mitteln der Gemeinschaft getätigt hat. Das gilt umso
mehr, als durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen die
Rechtsstellung der Gemeinschaft im Hinblick auf (Regress-)Ansprüche gegen
den Verwalter nicht beeinträchtigt wird (Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR
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156/10, zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. März 1997
- III ZR 248/95, ZfIR 1997, 284, 287; jeweils mwN).
b) Bedenken begegnet dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts,
Vertrauensschutzgesichtspunkte hinderten es, die auf der Grundlage des Se-
natsurteils vom 4. Dezember 2009 (V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) un-
zutreffende Abrechnung zu beanstanden. Wie die Revision zutreffend heraus-
gearbeitet hat, war die Frage der sachgerechten Einstellung der Rücklagen in
die Jahresabrechnung bereits früher umstritten. Vor allem aber liegt es auf der
Hand, dass es aus der Sicht eines verständigen - durchschnittlichen - Woh-
nungseigentümers jedenfalls grob irreführend ist, wenn Zahlungen auf Rückla-
gen als Ausgaben dargestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat
auch in der genannten Entscheidung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte für
durchgreifend erachtet. Dass die unzutreffende Darstellung vorliegend auf den
Einsatz von Software zurückzuführen ist, die den Anforderungen einer ord-
nungsgemäßen Abrechnung nicht genügt, rechtfertigt keine abweichende recht-
liche Beurteilung. Es ist Sache des Verwalters, der Wohnungseigentümerver-
sammlung eine zutreffende Abrechnung vorzulegen. Unrichtige EDV-Ausdrucke
sind von ihm zu korrigieren.
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Die Aufrechterhaltung des Beschlusses zu TOP 4 durch das Berufungsge-
richt ist jedoch deshalb im Ergebnis zutreffend, weil die Kläger insoweit die ma-
teriellrechtliche Ausschlussfrist (dazu Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR
74/08, BGHZ 179, 230, 233 f.; vgl. auch Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR
235/08, BGHZ 182, 307, 310 f.) nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG nicht
gewahrt haben. Da es sich bei der falschen Verbuchung um einen rechnerisch
selbständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handelt (Senat, Be-
schluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339; Urteil vom
4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127), wären die Kläger - da ein
Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Fristablauf ausgeschlossen ist -
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gehalten gewesen, den Umstand der unzutreffenden Zuordnung der eingezahl-
ten Rücklagen zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern schriftsätz-
lich vorzutragen. Daran fehlt es hier. Wie der Senat bereits entschieden hat,
reicht es vor dem Hintergrund des Zwecks der Klagebegründungsfrist nicht aus,
dass sich ein Anfechtungsgrund aus einer Anlage ergibt (ausführlich dazu Urteil
vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, aaO, S. 237 f.)
c) Einer Entlastung der Verwalterin für das Jahr 2008 steht jedenfalls ent-
gegen, dass die Abrechnung mit Blick auf die sog. „Zuführung Rücklage Tiefga-
rage“ auf der Grundlage eines nichtigen Verteilungsschlüssels umgelegt worden
ist. Der Verpflichtung zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung ist die
Verwalterin noch nicht nachgekommen.
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3. Der zu TOP 5 beschlossene Wirtschaftsplan 2010 ist ebenfalls für un-
gültig zu erklären, soweit er auf dem nichtigen Umlageschlüssel beruht. Dage-
gen ist die Festsetzung der Höhe im Übrigen auch insoweit revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1
ZPO.
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Krüger Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2009 - 133 C 2101/09 WEG -
LG Koblenz, Entscheidung vom 13.07.2010 - 2 S 79/09 -