Urteil des BGH vom 09.02.2017

Zur Unzeit, Zusage, Sachprüfung, Zwangsvollstreckung

ECLI:DE:BGH:2017:090217BVZR154.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 154/16
vom
9. Februar 2017
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2017 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Nichtzulassungs-
beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. September 2015 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich unter Neufassung der
in dem Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom
24. Februar 2015 getroffenen Kostenentscheidung wie folgt:
Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz tragen zu 72,5 %
die Beklagte zu 1 und zu 27,5 % der Kläger. Die Gerichtskosten
für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde trägt die
Beklagte zu 1, soweit sie in dem Prozessrechtsverhältnis
zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 entstanden sind,
und der Kläger, soweit sie in dem Prozessrechtsverhältnis
zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 entstanden sind.
Die Beklagte zu 1 trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers
aus allen Instanzen zu 72,5 %. Die außergerichtlichen Kosten der
Beklagten zu 2 aus allen Instanzen trägt der Kläger. Im Übrigen
tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
- 3 -
Der
Gegenstandswert
des
Beschwerdeverfahrens
beträgt
239.914
€ (Prozessrechtsverhältnis des Klägers zu der Beklagten
zu 1: 174.080
€; Prozessrechtsverhältnis des Klägers zu der
Beklagten zu 2: 65.834
€).
- 4 -
Gründe:
I.
Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks, das mit zwei Siche-
rungsgrundschulden zugunsten der Beklagten zu 1 (vom 24. Juni 1996 über
197.000 DM nebst 15 % Zinsen) sowie zugunsten der Beklagten zu 2 (vom
22. Juli 1996 über 62.000 DM nebst 18 % Zinsen) belastet ist. Die Beklagten
betreiben die Zwangsversteigerung. Die Beschlagnahme erfolgte am
28. Dezember 2011. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 erhob der Kläger ge-
genüber beiden Beklagten die Einrede der Verjährung hinsichtlich der Zinsen
aus der Zeit vor dem 31. Dezember 2007 und forderte den Austausch der Titel
bzw. eine dahingehende Zusage. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis auf
den für den 22. Oktober 2014 angesetzten Versteigerungstermin ab.
Mit der Vollstreckungsabwehrklage will der Kläger die Zwangsvollstre-
ckung hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2008 fällig gewordenen Grundschuld-
zinsen für unzulässig erklären lassen. Das Landgericht hat die Klage als unzu-
lässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss
zurückgewiesen. Gegen die damit verbundene Nichtzulassung der Revision
richtet sich die Beschwerde des Klägers. In dem Beschwerdeverfahren hat der
Kläger den Rechtsstreit hinsichtlich der Beklagten zu 1 für erledigt erklärt; die
Beklagte zu 1 hat der Erledigungserklärung zugestimmt und erklärt, die Kosten
des zwischen ihr und dem Kläger geführten Rechtsstreits zu tragen. Soweit sich
die Klage gegen die Beklagte zu 2 richtet, will der Kläger weiterhin die Zulas-
sung der Revision erreichen.
1
2
- 5 -
II.
1. Im Verhältnis zu der Beklagten zu 1 ist der Rechtsstreit nach Einle-
gung der Nichtzulassungsbeschwerde durch übereinstimmende schriftliche Er-
klärungen der Parteien erledigt; die Beklagte zu 1 war hierbei wirksam durch
ihren zweitinstanzlichen Anwalt vertreten, da die Erledigung zu Protokoll der
Geschäftsstelle erklärt werden kann (vgl. § 91a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 3
ZPO; Senat, Beschluss vom 16. September 1993 - V ZR 246/92, BGHZ 123,
264, 265 f.).
2. Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde
ist zurückzuweisen.
a) Bei Einlegung der Beschwerde des Klägers warf die Rechtssache die
grundsätzlich bedeutsame Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen
ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Vollstreckungsabwehrklage besteht, die der
Schuldner während eines laufenden, aufgrund einer Sicherungsgrundschuld
betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens erhebt und die er auf die Verjäh-
rung eines Teils der Grundschuldzinsen stützt. Dieser Zulassungsgrund ist ent-
fallen, weil die Frage durch Urteil des Senats vom 21. Oktober 2016
(V ZR 230/15, WM 2016, 2381 ff.) entschieden worden ist. Die Revision des
Klägers wäre dennoch zuzulassen, wenn sie nach der Klärung der Rechtsfrage
durch den Senat Aussicht auf Erfolg hätte; sonst ist sie zurückzuweisen
(BVerfGK 18, 105, 112; Senat, Beschluss vom 22. Juli 2016 - V ZR 144/15, juris
Rn. 1).
b) Dieser zweite Fall liegt hier vor.
3
4
5
6
- 6 -
aa) Der Senat hat die Frage nicht in dem von dem Kläger für richtig ge-
haltenen, sondern im entgegengesetzten Sinne entschieden. Erhebt der
Schuldner während eines laufenden, aufgrund einer Sicherungsgrundschuld
betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens eine Vollstreckungsabwehrklage,
die er auf die Verjährung eines Teils der Grundschuldzinsen stützt, kann das
Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise zu verneinen sein. Dies setzt voraus,
dass der Gläubiger nicht wegen der verjährten Zinsen vollstreckt; ferner müs-
sen Indizien vorliegen, die in einer Gesamtwürdigung den sicheren Schluss er-
lauben, dass die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich prozesszweckfrem-
den Zielen dient (Senat, Urteil vom 21. Oktober 2016 - V ZR 230/15, WM 2016,
2381 Rn. 23 ff.).
bb) Daran gemessen verneint das Berufungsgericht das Rechtsschutz-
bedürfnis rechtsfehlerfrei. Die Gesamtwürdigung der Indizien erlaubt den siche-
ren Schluss, dass die Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich prozesszweck-
fremden Zielen diente. Die Beklagte zu 2 hat nicht wegen der verjährten Zinsen
vollstreckt und auf diese ausdrücklich verzichtet. Die Klage ist kurz vor dem
Versteigerungstermin und damit zur Unzeit erhoben worden. Hieran ändert das
Vorbringen aus der Beschwerde nichts, wonach der Kläger erst kurz vor Klage-
erhebung Rechtsrat eingeholt haben soll. Er hätte nämlich mit der Klageerhe-
bung ohne weiteres noch zuwarten können, bis der Versteigerungstermin statt-
gefunden hatte; dies war ihm auch zuzumuten, da die weiterhin zulässige Voll-
streckung aus der Hauptforderung und den nicht verjährten Zinsen nach einem
Titelaustausch ohnehin fortgesetzt werden konnte (näher zum Ganzen Senat,
Urteil vom 21. Oktober 2016 - V ZR 230/15, WM 2016, 2381 Rn. 26 f.). Ebenso
unerheblich ist es, dass der Kläger alternativ zu dem Austausch der Titel eine
dahingehende Zusage gefordert haben soll. Mit diesem Vorbringen hat sich das
Berufungsgericht in dem Zurückweisungsbeschluss auseinandergesetzt und ist
7
8
- 7 -
gleichwohl unter nachvollziehbarer Würdigung der Gesamtumstände zu dem
Ergebnis gelangt, dass es dem Kläger ausschließlich darum ging, das
Zwangsversteigerungsverfahren zu verzögern.
cc) Die angefochtene Entscheidung ist auch im Übrigen frei von Rechts-
fehlern. Sie wirft keine sonstigen Fragen auf, die eine Entscheidung des Revisi-
onsgerichts erforderten. Von einer Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2
Halbsatz 2 ZPO abgesehen. Die angestrebte Revision hat deshalb keine Aus-
sicht auf Erfolg.
III.
1. Der Beklagten zu 1 sind ohne weitere Sachprüfung die Kosten aufzu-
erlegen, die auf den erledigten Teil entfallen, nachdem sie durch ihren Prozess-
bevollmächtigten erklärt hat, die Kosten des zwischen ihr und dem Kläger ge-
führten Rechtsstreits zu übernehmen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 307 ZPO
entsprechend); eine Entscheidung über die Kosten unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist nicht erforder-
lich (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2006 - VI ZR 77/05, NJW-RR 2006, 929
Rn. 4 f. mwN).
Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die
Kosten des Rechtsstreits insgesamt sind nunmehr analog § 92 ZPO nach Quo-
ten zu verteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für das Verfahren der Nicht-
zulassungsbeschwerde im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und
der Beklagten zu 2 zwei Gerichtsgebühren anfallen (vgl. KV 1242), während im
Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 wegen
der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nur eine Gerichtsgebühr zu
9
10
11
- 8 -
berechnen ist (vgl. KV 1243). Da die von dem Berufungsgericht aufrecht erhal-
tene Kostenentscheidung des Landgerichts gegenstandslos geworden ist, so-
weit sie den für erledigt erklärten Teil betrifft (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO,
31. Aufl., § 91a Rn. 12 mwN), muss sie neu gefasst werden.
2. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Betrag der (verjährten)
Zinsansprüche. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Nennbetrag des voll-
streckbaren Anspruchs ohne Rücksicht auf seine Realisierbarkeit anzusetzen
(vgl. nur BGH, Beschluss vom 17. September 2014 - XII ZB 284/13, NJW 2015,
251 Rn. 15).
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 24.02.2015 - 14 O 246/14 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 03.09.2015 - I-5 U 40/15 -
12