Urteil des BGH vom 10.02.2012

Nichtigkeit, Entlastung, Anfechtungsklage, Abweisung, Fristversäumnis

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 145/11
Verkündet am:
10. Februar 2012
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg
- Zivilkammer 18 - vom 11. Mai 2011 wird auf Kosten des Klägers
mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des Klägers
gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg St. Georg in der
Weise zurückgewiesen bleibt, dass die Klage hinsichtlich TOP 3
der Eigentümerversammlung vom 25. August 2008 als unzulässig
abgewiesen wird, soweit nicht die Nichtigkeit dieses Beschlusses
festgestellt worden ist.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft,
welche nach der Gemeinschaftsordnung in drei Untergemeinschaften gegliedert
ist. Am 25. August 2008 wurden auf einer Versammlung der Untergemeinschaft
A, welcher der Kläger angehört, unter anderem die Jahresabrechnung der Un-
tergemeinschaft für das Jahr 2007 (TOP 3) sowie die Entlastung von Verwal-
tungsbeirat und Verwalter (TOP 4 und 5) beschlossen. Mit seiner gegen die
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übrigen Mitglieder der Untergemeinschaft gerichteten Klage hat der Kläger die-
se Beschlüsse angefochten und zudem die Berichtigung des Versammlungs-
protokolls begehrt. Das Amtsgericht hat den Beschluss über die Entlastung des
Verwaltungsbeirats (TOP 4) für ungültig erklärt und die Klage im Übrigen abge-
wiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die teilweise Nichtig-
keit des Beschlusses über die Jahresabrechnung (TOP 3) und die Nichtigkeit
der Entlastung des Verwalters (TOP 5) festgestellt. Hinsichtlich der Protokollbe-
richtigung und der übrigen Positionen der Jahresabrechnung (TOP 3) hat die
Berufung keinen Erfolg gehabt. Mit der beschränkt auf die Frage der Be-
schlusskompetenz der Eigentümerversammlung der Untergemeinschaft A für
die Jahresrechnung 2007 und die Verwalterentlastung zugelassenen Revision
erstrebt der Kläger die Feststellung, dass der Beschluss zu TOP 3 vollständig
nichtig ist. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Klage sei, soweit die Beschlüsse nicht
wegen fehlender Beschlusskompetenz, weil nicht allein die Untergemeinschaft
A betreffend, nichtig seien, zutreffend gegen die übrigen Eigentümer dieser Un-
tergemeinschaft gerichtet worden. Denn in diesem Rahmen weise die Gemein-
schaftsordnung den Untergemeinschaften eine eigene Beschlusskompetenz zu.
Dem entspreche es, dass der Beschluss zu TOP 3 auch nur von den Mitglie-
dern der Untergemeinschaft A gefasst worden sei.
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II.
1. Die Revision richtet sich infolge der beschränkten Zulassung nur ge-
gen die Zurückweisung der Berufung gegen die Abweisung der Beschlussmän-
gelklage betreffend TOP 3.
2. Sie bleibt ohne Erfolg, da die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen
worden ist. Allerdings hätte sie bereits als unzulässig abgewiesen werden müs-
sen, da sie entgegen § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen sämtliche übrigen
Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet worden ist.
a) Der Senat hat, freilich nach Erlass des angefochtenen Urteils ent-
schieden, dass eine Anfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aus-
nahmslos gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft
als notwendige Streitgenossen zu richten ist, und zwar auch dann, wenn der
Beschluss einer Untergemeinschaft angefochten wird (Urteil vom 11. November
2011 - V ZR 45/11, MDR 2012, 81). Für eine Klage auf Feststellung der Nich-
tigkeit eines Beschlusses, welche keinen von der Anfechtungsklage zu unter-
scheidenden Streitgegenstand betrifft (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009
- V ZR 235/08, NJW 2009, 3655 Rn. 5, 20 ff. mwN), gilt nichts anderes (vgl. Se-
nat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, MDR 2012, 81; s. auch Suil-
mann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 46 Rn. 17).
b) Eine nur gegen einen Teil der Mitglieder der Wohnungseigentümer-
gemeinschaft gerichtete Klage ist in diesen Fällen unzulässig (s. nur Bärmann/
Pick, WEG, 19. Auflage, § 46 Rn. 2). Dies führt allerdings nicht zur Unzulässig-
keit der ebenfalls nur gegen die übrigen Mitglieder der Untergemeinschaft A
gerichteten Revision. Denn das Rechtsmittel ist gegen die Beklagten zu richten,
zu deren Gunsten das anzufechtende Urteil ergangen ist. Dadurch unterschei-
det sich der vorliegende Fall von jenem, in welchem bei einer zunächst gegen
alle notwendigen Streitgenossen gerichteten Klage ein Rechtsmittelverfahren
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nur gegen einen Teil der Streitgenossen durchgeführt wird. Dort führt die zu-
gunsten der in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr beteiligten Streitgenossen
eingetretene Rechtskraft der Entscheidung zur Unzulässigkeit des Rechtsmit-
tels (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, aaO).
III.
Der Senat kann nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, da sich die
Unzulässigkeit der Klage aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt. Aufgrund
der weiterreichenden Rechtswirkungen einer Abweisung als unbegründet ist
das Berufungsurteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Klage als unzu-
lässig abzuweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - III ZR 46/06, NJW-
RR 2008, 1484; Urteil vom 10. November 1999 - VIII ZR 78/98, NJW 2000, 738,
740; Urteil vom 22. Januar 1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716). Eine
Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Ziel der Behebung des Zulässig-
keitsmangels ist nicht geboten. Zwar wäre es denkbar, dass der Kläger nach
einer Zurückverweisung die Klage auf die übrigen Mitglieder der Wohnungsei-
gentümergemeinschaft erweitert. Unabhängig davon, ob dies nach § 533 ZPO
überhaupt zulässig wäre, so wäre insoweit - ausgehend von einer hier in erster
Linie in Betracht kommenden Anfechtungsklage (vgl. nur BayObLG, OLGR
2004, 98) - die Monatsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht gewahrt. Auch
eine Wiedereinsetzung nach § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG, § 233 ZPO könnte nicht
gewährt werden, da die Fristversäumnis auf einem dem Kläger nach § 85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhen
würde (vgl. Senat, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, aaO).
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IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Abweisung der
Klage als unzulässig statt als unbegründet ist kein Teilerfolg im Sinne dieser
Vorschrift (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 97 Rn. 1).
Krüger
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 15.06.2010 - 980C C 46/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 11.05.2011 - 318 S 171/10 -
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