Urteil des BGH vom 27.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Verjährungsfrist, Begründung der Dienstbarkeit, Abtretung, Erwerb

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 133/14
Verkündet am:
27. Februar 2015
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b
a
) Ansprüche nach §§ 440, 326 BGB a. F. wegen Rechtsmängeln der verkauften
Sache verjähren nach dem 1. Januar 2002 gemäß § 438 Abs. 1 und 2 BGB.
b) Die Verjährungsfrist von 30 Jahren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB
gilt entsprechend, wenn der Rechtsmangel in einem sonstigen dinglichen Recht
besteht, das ohne Eintragung in das Grundbuch entstanden und (vorübergehend)
gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt ist.
BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 133/14 - LG Meiningen
AG Sonneberg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Februar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner und die Richter
Dr. Kazele und Dr. Göbel
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Meiningen vom 14. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 28. April 1997 kaufte die Klägerin von der
Beklagten mehrere mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke in Thüringen. Nach
dem Vertrag „haftet [der Verkäufer] für ungehinderten Besitz- und Eigentums-
übergang sowie für Freiheit von allen Lasten und Beschränkungen, soweit die-
se in [dem Vertrag] nicht ausdrücklich vom Käufer übernommen wurden“, nicht
jedoch „für das Nichtbestehen altrechtlicher Dienstbarkeiten“. Besitz, Nutzun-
gen und Lasten gingen im Jahr 1997 auf die Klägerin über. Am
5. Dezember 2011 erhielt die Klägerin von dem Grundbuchamt eine Eintra-
gungsnachricht, der zufolge in die Grundbücher der erworbenen Grundstücke
ein Abwasserleitungsrecht nebst Schutzstreifen in Form einer beschränkten
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persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des örtlichen Zweckverbands für Was-
serversorgung und Abwasserbehandlung nach § 9 GBBerG eingetragen wor-
den sei. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich zur Abtretung der Ent-
schädigungsansprüche nach § 9 Abs. 3 GBBerG auf und verlangt von ihr mit
der am 4. März 2013 eingegangenen Klage die Abtretung der Entschädigungs-
ansprüche und Ersatz vorgerichtlicher Kosten sowie hilfsweise Auskunft über
die Höhe der erhaltenen Ausgleichszahlung und Schadensersatz.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem
Landgericht zugelassenen Revision strebt die Klägerin weiterhin die Verurtei-
lung der Beklagten an. Diese beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Klägerin Ansprüche auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 440, 326 BGB a.F. und aus
§ 281 BGB a.F. zustehen, weil die verkauften Grundstücke mit dem Abwasser-
leitungsrecht zugunsten des Zweckverbands belastet sind. Diese Ansprüche
seien aber verjährt. Sie unterlägen ab dem 1. Januar 2002 der regelmäßigen
Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB. Diese Frist ende gemäß § 199 Abs. 3
Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB spätestens nach zehn Jahren, also am
31. Dezember 2011, und sei bei Klageerhebung abgelaufen gewesen. Anders
als die Klägerin meine, sei auf den Anspruch nicht die Verjährungsfrist von
30 Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB anzuwenden. Diese Vor-
schrift betreffe nur dingliche Rechte, die bei Gefahrübergang im Grundbuch
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eingetragen seien. Dazu gehöre das Abwasserleitungsrecht, um das es hier
gehe, nicht.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im entscheidenden
Punkt nicht stand.
1. Im Ergebnis zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Beru-
fungsgerichts. Nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststel-
lungen kann die Klägerin zwar weder Abtretung des Entschädigungsanspruchs
gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG noch Auskunft über etwaige Zahlungen des Zweck-
verbands auf diesen Anspruch, wohl aber Schadenersatz wegen Nichterfüllung
verlangen.
a) Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 440
Abs. 1, § 326 BGB a.F. Die Klägerin hat die Grundstücke nach dem Vertrag
lastenfrei erworben. Sie waren aber mit dem auf Grund von § 9 Abs. 1 und 9
GBBerG, § 1 SachenR-DV kraft Gesetzes entstandenen Abwasserleitungsrecht
des Zweckverbands belastet. Eine solche Belastung ist ein Rechtsmangel (vgl.
Senat, Urteil vom 19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803 f.). Den
dadurch entstandenen Schaden hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen.
b) Die Beklagte ist aber nicht verpflichtet, der Klägerin den Entschädi-
gungsanspruch nach § 9 Abs. 3 GBBerG abzutreten.
aa) Sie ist allerdings Inhaberin dieses Anspruchs. Dieser steht nach § 9
Abs. 3 Satz 1 GBBerG dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zu. Das ist
derjenige, dem das Grundstück bei Entstehen der Dienstbarkeit gehört (dazu
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Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 9 ff.).
Entstanden
ist
das
Abwasserleitungsrecht
des
Zweckverbands
am
11. Januar 1995 (vgl. § 9 Abs. 1 und 9 GBBerG, §§ 1, 14 SachenR-DV). Eigen-
tümerin war seinerzeit die Beklagte.
bb) Der Anspruch muss jedoch nicht an die Klägerin abgetreten werden.
(1) Eine Verpflichtung zur Abtretung des Anspruchs nach § 9 Abs. 3
GBBerG kann sich im Wege der ergänzenden Auslegung des Kaufvertrags
oder seiner Anpassung infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313
Abs. 1 und 2 BGB ergeben (Senat, Urteil vom 7. November 2014
- V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Das setzt indes voraus, dass der Ver-
trag ohne eine solche Abtretung lückenhaft wäre. Daran fehlt es, wenn dem
Käufer
– wie hier – wegen der Dienstbarkeiten ohnehin vertragliche Ansprüche
zustehen.
(2) Aus § 281 BGB a.F. lässt sich, was die Beklagte zu Recht einwendet,
ein Abtretungsanspruch ebenfalls nicht ableiten. Diese Vorschrift ist nicht an-
wendbar, wenn
– wie hier - ein Rechtsmangel bei Abschluss des Kaufvertrags
besteht und es nicht gelingt, ihn im Rahmen der Erfüllung des Vertrags zu be-
heben (Senat, Urteil vom 13. Februar 2004
– V ZR 225/03, NJW 2004, 1873,
1874).
(3) Auch der Schadensersatzanspruch scheidet als Grundlage eines An-
spruchs auf Abtretung des Entschädigungsanspruchs aus. Der Schaden, den
die Beklagte der Klägerin zu ersetzen hat, besteht in der Belastung der gekauf-
ten Grundstücke mit dem Abwasserleitungsrecht, nicht in der Vorenthaltung des
Entschädigungsanspruchs. Daran ändert es nichts, dass der Entschädigungs-
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anspruch gemäß § 9 Abs. 3 GBBerG nach der Beeinträchtigung des Grund-
stücks zu bemessen ist. Diese Übereinstimmung in der Berechnung führt nicht
dazu, dass der eingetretene Schaden durch die Abtretung des Anspruchs nach
§ 249 BGB in Natur ausgeglichen werden könnte. Das zeigt sich beispielsweise
darin, dass die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3 Satz 3
GBBerG weit hinausgeschoben war, was bei der Berechnung des durch die
Belastung der Grundstücke mit dem Leitungsrecht entstandenen Schadens
nicht zu berücksichtigen ist.
c) Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin von der Beklagten
auch nicht Auskunft über die auf den Entschädigungsanspruch geleisteten Zah-
lungen verlangen. Diese Zahlungen können zwar - wegen der Ausrichtung der
Entschädigung an der Beeinträchtigung des Eigentums - tatsächliche Anhalts-
punkte dafür geben, wie der Schaden zu berechnen ist, der der Klägerin ent-
standen ist. Für die Berechnung des Schadens kommt es aber nicht darauf an,
was der Zweckverband der Beklagten auf Grund von § 9 GBBerG gezahlt, son-
dern darauf, welche Einbuße die Klägerin durch die Dienstbarkeiten erlitten hat.
Diese bestimmt sich nach dem Umfang des entstandenen Rechts, nicht nach
einer hierüber etwa erteilten Anlagen- und Leitungsbescheinigung gemäß § 7
SachenR-DV (Senat, Urteil vom 9. Mai 2014
– V ZR 176/13, NJW 2014, 2959
Rn. 8).
2. Anders als das Berufungsgericht meint, ist der Anspruch der Klägerin
auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht verjährt.
a) Der Anspruch verjährt in einer Frist von 30 Jahren.
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aa) Er unterlag bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 der regelmäßi-
gen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. von seinerzeit 30 Jahren. Seit dem 1.
Januar 2002 verjährt er gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der Frist,
welche das geltende Recht für Ansprüche vorsieht, die inhaltlich dem altrechtli-
chen Anspruch entsprechen. Das ist weder die regelmäßige noch die Verjäh-
rungsfrist des § 196 BGB für Ansprüche auf Verschaffung oder Aufhebung ding-
licher Rechte an einem Grundstück und auf die Gegenleistung, sondern die in
§ 438 Abs. 1 BGB bestimmte Verjährungsfrist für die Mängelansprüche nach
§ 437 Nr. 1 und 3 BGB. Die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. regelt, soweit
hier von Interesse, die Haftung des Verkäufers auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung auf Grund von Rechtsmängeln. Solche Ansprüche unterliegen
nach geltendem Recht weder der für den ursprünglichen Erfüllungsanspruch
vorgesehenen Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB noch der Verjährungsfrist,
die für den dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung entsprechenden An-
spruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 und 3, § 281
BGB gilt (je nach Gegenstand §§ 195, 199 BGB oder § 196 BGB). Sie unterlie-
gen ebenso wie der Anspruch auf Nacherfüllung, in den sich der Erfüllungsan-
spruch mit der mangelhaften Lieferung umwandelt, der Verjährungsfrist des
§ 438 Abs. 1 BGB. Dass die Vorschrift des § 440 Abs. 1 BGB a.F. auf bestimm-
te Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, nämlich die Vorschrif-
ten der §§ 320 bis 327 BGB a.F., verweist, ändert daran entgegen der von der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht
nichts. Das ist nämlich bei dem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
wegen eines Rechtsmangels nach geltendem Recht nicht anders (vgl. § 437 Nr.
3 BGB).
bb) Die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen eines Rechtsmangels be-
trägt nach § 438 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BGB 30 Jahre, wenn der Mangel in
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einem „sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht“. Diese
Frist gilt für den Schadensersatzanspruch der Klägerin.
(1) Unmittelbar anwendbar ist sie allerdings nicht. Sie erfasst nach ihrem
Wortlaut Mängelansprüche nur, wenn der Mangel in einem sonstigen Recht
besteht, das bei Verjährungsbeginn im Grundbuch eingetragen ist. Daran fehlt
es hier. Zu dem nach § 438 Abs. 2 BGB für den Verjährungsbeginn maßgebli-
chen Zeitpunkt der Übergabe des Grundstücks war das Recht zwar entstanden,
aber nicht im Grundbuch eingetragen.
(2) Auf solche Rechte ist die Vorschrift indessen entsprechend anzuwen-
den. Sie weist eine planwidrige Lücke auf, die plangemäß nur durch die ent-
sprechende Anwendung der Vorschrift auf außerhalb des Grundbuchs entstan-
dene, gegen den gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützte dingliche Rechte zu
schließen ist.
(a) Die Anordnung einer Verjährungsfrist von 30 Jahren in § 438 Abs. 1
Nr. 1 BGB soll sicherstellen, dass der Käufer bei einem vollständigen oder teil-
weisen Rechtsverlust auf Grund von Rechtsmängeln bei dem Verkäufer Rück-
griff nehmen kann. Das ist mit der in § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Regelfall
vorgesehenen Verjährungsfrist für Mängelrechte von zwei Jahren nicht zu errei-
chen. Der Käufer müsste nämlich 30 Jahre lang mit dem Verlust der Kaufsache
an einen Dritten rechnen, der aufgrund eines dinglichen Rechts die Herausgabe
der Kaufsache verlangen kann. Denn dessen Herausgabeanspruch verjährt
nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in dieser Frist. Er selbst könnte demgegenüber
aber ohne die Regelung in § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für die Dauer von zwei
Jahren ab Übergabe Rückgriff nehmen. Um diese sog. Eviktionsfalle zu ver-
meiden, war schon in dem Gesetzentwurf eine dem heutigen § 438 Abs. 1 Nr. 1
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Buchstabe a BGB entsprechende Sonderregelung vorgesehen (Entwurfsbe-
gründung in BT-Drucks. 14/6040 S. 227). Im weiteren Verlauf des Gesetzge-
bungsverfahrens hat der Gesetzgeber
erkannt, dass eine vergleichbare „Ge-
währleistungsfalle“ auch bei anderen Rechten an Grundstücken bestehen kann.
Gedacht hat er an den eher seltenen Fall, dass zwischen der Beurkundung des
Kaufvertrags und der Übergabe des Grundstücks ein Recht an dem Grundstück
zur Eintragung gelangt, etwa weil ein schwebender Eintragungsantrag bei der
Einsicht in das Verzeichnis unerledigter Anträge (sog. Markentabelle) überse-
hen oder weil nach der Beurkundung ein neuer Eintragungsantrag gestellt wur-
de. In solchen Fällen rechtfertigt der Gesetzgeber die Anwendung der Verjäh-
rungsfrist von 30 Jahren damit, dass diese Rechte den Käufer genauso beein-
trächtigten wie auf Herausgabe gerichtete dingliche Rechte, dass der Käufer
von dem Entstehen solcher Rechte nicht unterrichtet werde und dass er später
oft lange Zeit nichts von dem Recht erfahre (vgl. Beschlussempfehlung in BT-
Drucks. 14/7052 S. 196).
(b) Übersehen hat der Gesetzgeber, dass das gleiche Problem bei au-
ßerhalb des Grundbuchs entstandenen nicht eingetragenen Rechten besteht,
die gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützt sind. Ihr Vorhanden-
sein kann der Käufer in aller Regel noch weniger erkennen als Rechte, die nach
der Beurkundung des Kaufvertrags zur Eintragung gelangen. Ein effektiver
Rückgriff des Käufers gegenüber dem Verkäufer wäre bei dem Eintritt eines
teilweisen Rechtsverlusts auf Grund solcher Rechte genauso wenig sicherge-
stellt wie bei den eingetragenen Rechten, wenn für seine Mängelansprüche die
kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren nach § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gälte. Ein
sachlicher Grund, dem Käufer einen effektiven Rückgriff gegen den Verkäufer
bei solchen Rechten zu versagen, ist nicht erkennbar.
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(c) Die Regelung führte ohne eine entsprechende Anwendung auf solche
Rechte auch zu vom Zufall bestimmten, widersprüchlichen Ergebnissen. Nicht
eingetragene dingliche Rechte können jederzeit in das Grundbuch eingetragen
werden. Das gilt für dingliche Rechte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des
Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 und seinem Wiederinkrafttreten
in den neuen Bundesländern am 3. Oktober 1990 ebenso wie für die mit § 9
Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 11, 14 SachenR-DV gesetzlich begründeten
Dienstbarkeiten (vgl. Art. 187 Abs. 1 Satz 2, Art. 233 § 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3,
§ 5 Abs. 3 Satz 1 EGBGB einerseits und § 9 Abs. 5 GBBerG, §§ 8, 9 SachenR-
DV andererseits). Weshalb dem Käufer der Rückgriff nur erhalten werden soll,
wenn diese zufällig zwischen dem Abschluss des Kaufvertrags und der Über-
gabe des Grundstücks an den Käufer zur Eintragung gelangen, bei späterer
Eintragung aber nicht, erschließt sich nicht. Diese Unterscheidung wäre umso
unverständlicher, als die Vorschrift nach ihrem Wortlaut Mängelansprüche des
Käufers auch erfasst, wenn der Mangel in dem Fortbestand eines schon bei
Abschluss des Kaufvertrags eingetragenen sonstigen dinglichen Rechts be-
steht, das der Verkäufer nach dem Vertrag zur Löschung bringen sollte, aber
bis zur Übergabe nicht zur Löschung hat bringen können. In solchen Fällen be-
dürfte der Käufer des Schutzes der Verjährungsfrist von 30 Jahren nicht, den er
aber dennoch genießt. Er könnte sich gegen einen Rechtsverlust besser schüt-
zen als bei dinglichen Rechten, die - wie hier - außerhalb des Grundbuchs ent-
standen, nicht eingetragen und (vorübergehend) gegen einen gutgläubig lasten-
freien Erwerb geschützt sind und bei denen er auf den Schutz einer langen Ver-
jährungsfrist tatsächlich angewiesen ist.
(d) Das mit § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB verfolgte Regelungsziel lässt sich nur
erreichen, wenn Mängelansprüche auch dann in 30 Jahren verjähren, wenn der
Mangel in einem außerhalb des Grundbuchs entstandenen, nicht eingetragenen
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und gegen einen gutgläubig lastenfreien Erwerb geschützten dinglichen Recht
besteht.
b) Diese Frist begann, weil sie nicht kürzer ist als die bisherige, gemäß
Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EGBGB, § 198 Satz 1 BGB a.F. mit dem
Entstehen des Schadensersatzanspruchs. Das ist hier der Zeitpunkt, in dem
feststand, dass die Beklagte den Rechtsmangel nicht mehr würde beseitigen
können und deshalb eine Fristsetzung entbehrlich wurde (vgl. Senat, Urteil vom
19. November 1999 - V ZR 321/98, NJW 2000, 803, 804). Dieser Zeitpunkt ist
hier nicht festgestellt, muss aber auch nicht festgestellt werden. Denn die Ver-
jährung konnte nicht vor dem Abschluss des Vertrags am 28. April 1997 begin-
nen und war bei Einreichung der vorliegenden Klage am 4. März 2013 noch
nicht abgelaufen.
3. Die Klageabweisung ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach den
für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen auch nicht
aus einem anderen Grund gerechtfertigt.
a) Die Parteien haben zwar vereinbart, dass die Beklagte nicht für das
Nichtbestehen „altrechtlicher Dienstbarkeiten“ einzustehen hat. Mit diesem Haf-
tungsausschluss hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Er könnte im Re-
visionsverfahren deshalb nur berücksichtigt werden, wenn die Vertragsurkunde
eindeutig wäre und eine weitere Sachaufklärung die Feststellung zusätzlicher
für die Auslegung relevanter Umstände nicht erwarten ließe (vgl. Senat, Urteil
vom 15. Juni 2012
– V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 12). Daran fehlt es hier.
Dass die Haftung der Beklagten für das Nichtbestehen von Dienstbarkeiten wie
derjenigen zugunsten des Zweckverbands mit der genannten Regelung ausge-
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schlossen werden sollte, ist zweifelhaft. Nach dem Text der Urkunde und dem
bislang erkennbar gewordenen Zweck der Regelung ist das nicht der Fall.
b) Ein Haftungsausschluss, der von der gesetzlichen Regelung abweicht,
die die beiderseitigen Interessen angemessen gewichtet, ist im Zweifel eng
auszulegen (Senat, Urteile vom 24. Januar 2003 - V ZR 248/02, NJW 2003,
1316, 1317 und vom 5. November 2010 - V ZR 228/09, NJW 2011, 1217
Rn. 17). Danach erfasst die angeführte Regelung Dienstbarkeiten nach § 9
GBBerG und § 1 SachenR-DV nicht.
aa) Altrechtlich ist eine Dienstbarkeit nach dem Wortsinn, wenn sie nach
einem nicht mehr geltenden und damit „alten“ Recht begründet worden ist. Zu
diesen alten Rechten gehören die vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs am 1. Januar 1900 geltenden Partikularrechte und das bis zum
2. Oktober 1990 geltende Recht der DDR. Nach geltendem Recht entstandene
Dienstbarkeiten sind dagegen keine altrechtlichen Dienstbarkeiten. Das gilt ins-
besondere für die am 11. Januar 1995 und damit nur etwas mehr als zwei Jahre
vor dem Abschluss des Kaufvertrags entstandenen Dienstbarkeiten für was-
serwirtschaftliche Leitungen und Anlagen, um die es hier geht.
bb) Daran ändert der Umstand, dass sie durch Gesetz begründet worden
und nicht eingetragen sind, nichts. Das Motiv der Parteien für den Ausschluss
der Rechtsmängelhaftung für altrechtliche Dienstbarkeiten mag der Umstand
sein, dass diese Rechte oft nicht im Grundbuch eingetragen sind und - vorbe-
haltlich abweichender landesrechtlicher Regelung - gegen einen gutgläubig las-
tenfreien Erwerb geschützt sind (vgl. Art. 187 Abs. 1 EGBGB). Die Parteien ha-
ben aber gerade nicht auf die fehlende Eintragung, sondern auf die Bestellung
unter einem nicht mehr geltenden Recht abgestellt.
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cc) Solchen Rechten können die mit § 9 Abs. 1, 9 und 11 GBBerG, §§ 1,
14 SachenR-DV begründeten Dienstbarkeiten auch nicht gleich gestellt werden.
Sie sichern zwar eine Mitbenutzung fremder Grundstücke nachträglich ab, die
vor dem 3. Oktober 1990 in der DDR bestanden hat. Sie sind aber gerade des-
halb begründet worden, weil die bei dem Wirksamwerden des Beitritts am
3. Oktober 1990 vorübergehend aufrechterhaltenen Mitbenutzungsrechte bis zu
ihrem Wegfall wegen der Vielzahl der Fälle nicht auf rechtsgeschäftlichem We-
ge durch Dienstbarkeiten würden ersetzt werden können und weil sehr viele
Leitungen und Anlagen gar nicht durch Mitbenutzungsrechte abgesichert waren
(Begründung der Regelung in BT-Drucks. 12/6228 S. 74 f.). An den ehemals
volkseigenen Grundstücken war eine solche Absicherung rechtlich auch nicht
möglich (Senat, Urteile vom 14. November 2003 - V ZR 72/03, WM 2004, 1394,
1395 f. und vom 23. Januar 2015 - V ZR 318/13, juris Rn. 31). Hinzu kommt,
dass mit den Dienstbarkeiten gleichzeitig ein Entschädigungsanspruch begrün-
det wurde, der demjenigen zusteht, dem das Grundstück bei deren Entstehen
gehört (Senat, Urteil vom 7. November 2014 - V ZR 250/13, ZfIR 2015, 107
Rn. 9). Ein schlichter Haftungsausschluss ohne Regelung zu dem Entschädi-
gungsanspruch liegt deshalb, anders als bei altrechtlichen Dienstbarkeiten,
eher fern.
III.
Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist mangels
der erforderlichen Feststellungen nicht entscheidungsreif. Sie ist deshalb zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-
weisen. Dafür weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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1. a) Ein Anspruch auf Schadensersatz bestünde nach § 439 BGB a.F.
nicht, wenn die Klägerin den Rechtsmangel gekannt haben sollte. Kenntnis er-
fordert positive Gewissheit. Anders als nach dem geltenden § 442 Abs. 1 Satz 2
BGB genügt (grob) fahrlässige Unkenntnis nicht. Die Kenntnis der Klägerin
kann deshalb nicht damit begründet werden, dass Käufer von Grundstücken im
Beitrittsgebiet allgemein mit dem Vorhandensein nicht eingetragener dinglicher
Rechte rechnen mussten. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der
Beklagten auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 7. November 2014 (V ZR
250/13, ZfIR 2015, 107 Rn. 18). Mit dem angeführten Argument hat der Senat
darin nicht die Kenntnis des Käufers von einem konkreten Recht begründet,
sondern lediglich die Zuordnung des Entschädigungsanspruchs nach § 9 Abs. 3
GBBerG an denjenigen gerechtfertigt, der bei Begründung der Dienstbarkeit
Eigentümer des belasteten Grundstücks war.
b) Kenntnis ist ferner nicht schon gegeben, wenn der Käufer Kenntnis
von Anknüpfungstatsachen - hier etwa dem Vorhandensein von Kanaldeckeln
oder Anlagen, die auf Abwasserleitungen hindeuten - hatte. Es muss vielmehr
hinzukommen, dass er auch die rechtlichen Folgen solcher ihm bekannter Tat-
sachen kennt (BGH, Urteil vom 29. Mai 1954
– II ZR 163/53, BGHZ 13, 341,
345). Dabei wäre hier zu berücksichtigen, dass die Dienstbarkeiten nicht schon
durch § 9 GBBerG begründet worden sind, sondern erst mit dem Inkrafttreten
von § 1 Satz 1 SachenR-DV, durch den § 9 GBBerG auf die in § 9 Abs. 9 Nr. 1
GBBerG bezeichneten Abwasserentsorgungsleitungen und -anlagen erstreckt
wurde. Mit dieser Erstreckung sind Dienstbarkeiten nicht zur Absicherung jeder
Abwasserleitung, sondern nur für Abwasserleitungen und Anlagen zur Fortlei-
tung von Abwasser begründet worden, die zur öffentlichen Abwasserentsor-
gung gehören. Keineswegs eindeutig sind schließlich Lage und Umfang solcher
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Rechte (vgl. zum Schutzstreifen bei Wasserleitungen: Senat, Urteil vom
9. Mai 2014 - V ZR 176/13, NJW 2014, 2959 Rn. 13).
2. Für die Auslegung des Haftungsausschlusses kann zwar auf außer-
halb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (vgl. Senat, Urteil
vom 5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164 f.). An dem aufgezeigten
Grundsatz, dass ein Haftungsausschluss im Zweifel eng auszulegen ist, ändert
das aber nichts.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Brückner
Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
AG Sonneberg, Entscheidung vom 05.12.2013 - 3 C 83/13 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 14.05.2014 - 3 S 5/14 (3) -
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