Urteil des BGH vom 17.11.2016

Widerruf, Rechtsstaatsprinzip, Eigenschaft, Veröffentlichung

ECLI:DE:BGH:2016:171116BVZB77.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 77/16
vom
17. November 2016
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der
2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. Mai 2016
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Lüneburg
zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.000 €.
Gründe:
I.
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung und auf Widerruf von Äuße-
rungen in Anspruch, die dieser in seiner damaligen Eigenschaft als Vorsitzen-
der des Verwaltungsbeirats in einem in der Eigentümerversammlung vorgetra-
genen Bericht des Beirats getätigt hat. Das Landgericht hat die Klage abgewie-
sen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht Stade
als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Kläger die
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Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache
an das Landgericht Stade, hilfsweise an das Landgericht Lüneburg erreichen.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte
und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Allerdings ist für die Entscheidung über die Berufung nicht das von
dem Kläger angerufene Landgericht Stade, sondern gemäß § 72 Abs. 2 GVG
das Landgericht Lüneburg zuständig, weil der Streit der Parteien eine Woh-
nungseigentumssache im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG ist. Wie der Senat mit Be-
schluss vom heutigen Tag in dem Verfahren V ZB 73/16 (zur Veröffentlichung
bestimmt), entschieden hat, liegt eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG
vor, wenn ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer
auf Unterlassung bzw. auf Widerruf von Äußerungen in Anspruch genommen
wird, die er - wie hier - in einer Wohnungseigentümerversammlung getätigt hat,
es sei denn, ein Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsverhältnis der Woh-
nungseigentümer ist offensichtlich nicht gegeben.
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2. Die angefochtene Entscheidung verletzt jedoch den Anspruch des
Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG
i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 77, 275, 284), weil das angerufe-
ne unzuständige Berufungsgericht die Sache nicht an das nach § 72 Abs. 2
Satz 1 GVG zuständige Landgericht Lüneburg verwiesen, sondern die Berufung
als unzulässig verworfen hat. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Se-
nats vom heutigen Tag in der Sache V ZB 73/16 Bezug genommen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Buxtehude, Entscheidung vom 25.02.2016 - 31 C 648/15 -
LG Stade, Entscheidung vom 13.05.2016 - 2 S 10/16 -
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