Urteil des BGH vom 01.03.2012

Verwaltung, Rüge, Entlastung, Zusammenarbeit, Kostenbeteiligung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 66/11
vom
1. März 2012
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. März 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer
des Landgerichts Köln vom 2. März 2011 wird auf Kosten der Klä-
ger als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandwert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
545,63
€.
Gründe:
I.
Die Kläger bilden mit den Beklagten eine Wohnungseigentümergemein-
schaft. In der Eigentümerversammlung am 4. Juni 2008 wurde der Antrag, die
Verwaltung zu beauftragen, den für die Renovierung eines im Sondereigentum
des Beklagten zu 1 stehenden Kellerraums gezahlten Betrag von 2.051,55
von dem Beklagten zu 1 einzuziehen, abgelehnt und der Antrag, dem Beklagten
zu 1 weitere 422,55
€ Renovierungskosten zu erstatten, angenommen. Die
Kläger verlangen, diese Beschlüsse für ungültig zu erklären und die Verwaltung
zu beauftragen, den bereits an den Beklagten zu 1 gezahlten Betrag zurückzu-
fordern.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Land-
gericht mit Beschluss vom 24. Februar 2010 als unzulässig verworfen. Diese
Entscheidung hat der Senat aufgehoben und die Sache zur erneuten Entschei-
dung an das Landgericht zurückverwiesen (Beschluss vom 11. November 2010
- V ZR 113/10). Dieses hat mit Beschluss vom 2. März 2011 die Berufung wie-
derum als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde
der Kläger, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht erreichen wollen.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der für die Zulässigkeit der Beru-
fung notwendige Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 600
€ nicht
erreicht; entsprechend der Größe ihres Miteigentumsanteils von 220,5/1000
trügen die Kläger an den aus ihrer Sicht dem Beklagten zu 1 nicht zu erstatten-
den Renovierungskosten einen Anteil von 545,63
€, dieser Betrag stelle ihr
vermögenswertes Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entschei-
dung dar. Gründe für die Zulassung der Berufung bestünden nicht.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nach § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig,
weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-
dung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordern.
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2. Entgegen der Ansicht der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbe-
schwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht not-
wendig.
a) Soweit die Kläger diese Zulässigkeitsvoraussetzung im Hinblick darauf
als erfüllt ansehen, dass - nach ihrer Ansicht - der angefochtene Beschluss von
der Entscheidung des Senats vom 17. Juli 2003 (V ZB 11/03, BGHZ 156, 19)
abweicht, scheitert die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter dem Ge-
sichtspunkt der Divergenz an fehlenden Darlegungen dazu, dass das Beru-
fungsgericht einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem die Senatsent-
scheidung tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. schon Senat, Beschluss vom
29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45).
b) Dass die Kläger zudem meinen, das Berufungsgericht habe die
Rechtsprechung des Senats in der Entscheidung vom 17. Juli 2003 (V ZB
11/03, aaO) verkannt, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde
unter dem Gesichtspunkt der Nachahmungs- oder Wiederholungsgefahr. Denn
es fehlen Darlegungen dazu, dass das Berufungsgericht nicht nur in diesem
Einzelfall eine - angebliche - Fehlentscheidung getroffen hat (vgl. ebenfalls Se-
nat, Beschluss vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 46).
c) Die von den Klägern erhobene Rüge der Verletzung ihres Anspruchs
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), die bei Erfolg zur Zu-
lässigkeit der Rechtsbeschwerde wegen des Erfordernisses einer Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung führt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152,
221, 226), ist unbeachtlich. Denn die Rüge ist nicht ausgeführt; die Kläger legen
nicht dar, worin die Gehörsverletzung liegen soll.
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d) Schließlich hat das Berufungsgericht den Klägern wirkungsvollen
Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) nicht versagt,
so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Entscheidung des Rechtsbe-
schwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. Se-
nat, Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 152, 221, 226) notwendig
ist. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600
€ nicht, so dass die
Berufung unzulässig ist (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
aa) Der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebliche Beschwer-
dewert ist auch in Wohnungseigentumssachen aus der Person des Rechtsmit-
telführers, seiner Beschwer und seinem Änderungsinteresse zu beurteilen (Se-
nat, Beschluss vom 17. September 1992 - V ZB 21/92, BGHZ 119, 216, 218 f.).
Maßgebend ist deshalb das Interesse der Kläger an der Beseitigung der ange-
fochtenen Beschlüsse (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003 - V ZB 11/03,
BGHZ 156, 19). Dieses besteht jedenfalls darin, nicht anteilig an den Kosten für
die Renovierung des im Sondereigentum des Beklagten zu 1 zu stehenden Kel-
lerraums beteiligt zu werden. Es ist mit 545,63
€ zu bewerten.
bb) Dass das Anfechtungsrecht der Kläger, welches sie nach § 43 Nr. 4
WEG geltend machen, nicht nur ihrem persönlichen Interesse, sondern auch
dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung dient
(Senat, Beschluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO), rechtfertigt keine hö-
here Bewertung. Für dieses gemeinschaftsbezogene Interesse ist zwar im We-
ge der Schätzung ein Beschwerdewert zu bestimmen, auch wenn es nicht un-
mittelbar in einer veränderten Vermögenslage Ausdruck findet (Senat, Be-
schluss vom 13. Juli 2003 - V ZB 11/03, aaO). Aber weil es in den angefochte-
nen Beschlüssen um nichts anderes als um die finanzielle Belastung der Woh-
nungseigentümer und damit um die unmittelbare Veränderung ihrer Vermö-
genslage geht, hat das Interesse der Kläger an der ordnungsmäßigen Verwal-
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tung keinen über die Heranziehung zu den Renovierungskosten hinausgehen-
den Wert (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 2009 - 14 Wx 17/07
Rn. 40, juris). Denn anders als zum Beispiel bei der Entlastung oder Nichtent-
lastung des Verwalters, bei der es um die Bekräftigung der vertrauensvollen
Zusammenarbeit der Wohnungseigentümer mit der Verwaltung geht und das
zwischen den Wohnungseigentümern nicht teilbare Interesse daran gesondert
zu bewerten ist (Senat, Beschluss vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR
2011, 1026, 1027 Rn. 12), bestimmen hier die Grundsätze der ordnungsmäßi-
gen Verwaltung ausschließlich die Kostenbeteiligung der Wohnungseigentümer
entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstands-
wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht nach § 49a Abs. 1 Satz 2
GKG dem Wert des Interesses der Kläger, mithin 545,63
€.
Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 07.08.2009 - 215 C 45/08 -
LG Köln, Entscheidung vom 02.03.2011 - 29 S 162/09 -
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