Urteil des BGH vom 25.02.2016

Zwangsvollstreckung, Verkündung, Vollstreckbarkeit, Verfassungsbeschwerde

ECLI:DE:BGH:2016:250216BVZA35.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZA 35/15
vom
25. Februar 2016
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland, den Richter Dr. Kazele und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Der
Antrag
des
Schuldners
auf
Bewilligung
von
Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem vollstreck-
baren Vergleich über Pflichtteilsansprüche. In dem Verfahren über die Zwangs-
versteigerung des Grundstücks des Schuldners ist dem Ersteher der Zuschlag
erteilt worden. In dem Zuschlagsbeschluss hat das Vollstreckungsgericht Erin-
nerungen und Anträge des Schuldners auf Vollstreckungsschutz und einstweili-
ge Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zurückgewiesen. Die da-
gegen gerichtete Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht zurückge-
wiesen. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Schuldner beantragt,
ihm für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe
zu bewilligen.
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II.
Dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht zu entspre-
chen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde - ohne nähere
Begründung - zugelassen hat, begründet die Erfolgsaussicht nicht (vgl. Senat,
Beschluss vom 19. September 2014 - V ZA 16/14, juris Rn. 2; Beschluss vom
15. Januar 2015 - V ZB 191/14, juris Rn. 3). Erforderlich ist vielmehr, dass die
anzufechtende Entscheidung Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung
aufwirft oder in der Sache unzutreffend ist. Das ist nicht der Fall.
2. Nach § 100 Abs. 1 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur darauf
gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a ZVG verletzt
oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde ge-
legten Bedingungen erteilt worden ist. Das Beschwerdegericht nimmt zu Recht
an, dass Zuschlagsversagungsgründe nicht vorliegen.
a) Ein nach § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu prüfender Zu-
schlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG ist nicht gegeben.
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Insbe-
sondere ist die Vollstreckungsklausel erteilt. Da das Vollstreckungsgericht zu
einer materiellen Überprüfung des Titels weder berechtigt noch in der Lage ist,
wird ihm dessen Vollstreckbarkeit durch die Vollstreckungsklausel in formalisier-
ter Form vorgegeben (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 47/06,
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NJW 2007, 3357 Rn. 11; Beschluss vom 21. September 2006 - V ZB 76/06,
NJW-RR 2007, 358 Rn. 8).
bb) Die Zuschlagsbeschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass
das Vollstreckungsgericht nicht vor Erteilung des Zuschlags über die während
des Zwangsversteigerungsverfahrens zulässigerweise erhobenen Erinnerungen
nach § 766 ZPO sowie über die Anträge nach § 765 a ZPO des Schuldners
entschieden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2014 - V ZA 16/14,
juris Rn. 3; Beschluss vom 19. Februar 2009 - V ZB 118/08, NJW-RR 2009,
1429 Rn. 18; Urteil vom 13. Juli 1965 - V ZR 269/62, BGHZ 44, 138, 140). Die
Rechte des Schuldners werden dadurch gewahrt, dass das Vollstreckungsge-
richt bei der Beschlussfassung über den Zuschlag - gemäß § 79 ZVG im
Grundsatz ohne Bindung an Entscheidungen, die es selbst erlassen hat -
nochmals das gesamte bisherige Verfahren darauf zu überprüfen hat, ob es
ordnungsgemäß war, und dass diese Entscheidung, wenn auch mit den sich
aus § 100 Abs. 1 ZVG ergebenden Einschränkungen, der sofortigen Beschwer-
de unterliegt (Senat, Beschluss vom 19. September 2014 - V ZA 16/14, juris
Rn. 3). Tatsächlich haben sich das Vollstreckungsgericht und das Beschwerde-
gericht im Rahmen der Entscheidung über den Zuschlag mit den Einwendun-
gen des Schuldners befasst und über seine Anträge und Rechtsmittel entschie-
den. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Das Beschwerdegericht hat insbeson-
dere rechtsfehlerfrei angenommen, dass eine Härte im Sinne des § 765 a ZPO
nicht gegeben ist. Die Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre-
ckung nach § 769 Abs. 2 ZPO sind überholt.
cc) Das Beschwerdegericht geht auch zu Recht davon aus, dass der
Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag ordnungsgemäß
bestimmt worden ist (§ 87 Abs. 1 ZVG). Das Vollstreckungsgericht hat den
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Termin zwar entgegen der Sollvorschrift des § 87 Abs. 2 ZVG über eine Woche
hinaus angesetzt und wiederholt vertagt. Das musste jedoch geschehen, um
über Anträge und Rechtsmittel des Schuldners zu entscheiden. Im Übrigen
kann die Zuschlagsbeschwerde auf eine verfahrensfehlerhafte Bestimmung des
Termins zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag nach § 87 Abs. 2
ZVG nur dann gestützt werden, wenn der Zuschlag auf dem Verfahrensfehler
beruht (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 25/11, NJW-RR 2011, 1434
Rn. 7). Auch daran fehlt es.
dd) Der Zuschlagsbeschluss ist nicht deswegen unwirksam, weil nicht
der Rechtspfleger, sondern der Richter über den Zuschlag entschieden hat. Es
spricht schon vieles dafür, dass der Richter für die Entscheidung über den Zu-
schlag zuständig war, weil bei der Beschlussfassung auch über die Erinnerung
des Schuldners nach § 766 ZPO zu entscheiden war, so dass zwischen seinem
und dem Geschäft des Rechtspflegers ein so enger Zusammenhang bestand,
dass eine getrennte Behandlung nicht sachdienlich war (§ 5 Abs. 1 Nr. 2
RPflG). Jedenfalls folgt die Wirksamkeit des Zuschlagsbeschlusses aus § 8
Abs. 1 RPflG.
ee) Das Beschwerdegericht nimmt rechtsfehlerfrei an, dass der Zuschlag
den Schuldner nicht in seinen Grundrechten verletzt (Art. 6 Abs. 1, Art. 13,
Art. 14 Abs. 1 GG, Art 19 Abs. 4 GG). Ohne Erfolg macht der Schuldner gel-
tend, seine Grundrechte bedürften eines besonderen Schutzes, weil es um die
Zwangsvollstreckung wegen eines Pflichtteilsanspruchs gehe. Für das Vollstre-
ckungsgericht sind die materiellen Grundlagen eines Vollstreckungstitels ohne
Belang (siehe auch oben 2 a) aa)). Die Zuschlagsbeschwerde kann deshalb
auch nicht darauf gestützt werden, der vollstreckbare Vergleich sei mit den
§§ 2303, 2313 BGB unvereinbar.
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b) Auch der Zuschlagsversagungsgrund des § 85 a ZVG ist nicht gege-
ben. Nach dieser Vorschrift ist der Zuschlag zu versagen, wenn im ersten Ver-
steigerungstermin ein Meistgebot abgegeben wird, das einschließlich des Kapi-
talwerts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rech-
ten die Hälfte des Grundstückswerts nicht erreicht. Das ist nicht der Fall. Aus-
zugehen ist von dem durch das Vollstreckungsgericht festgesetzten Grund-
stückswert von 241.000 €. Der Ersteher hat in dem ersten Versteigerungstermin
ein Bargebot von 110.000 € abgegeben. An dem zugeschlagenen Grundstück
bleibt das eingetragene Recht Abt. III Nr. 5 der Beteiligten zu 4 mit einem Wert
von 40.
000 € bestehen. Abgegeben wurde damit ein Meistgebot einschließlich
der bestehenbleibenden Rechte in Höhe von 150.000 €. Das überschreitet die
Hälfe des Grundstückswerts.
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3. Der Entscheidung über den Zuschlag steht schließlich nicht entgegen,
dass der Schuldner gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel Verfas-
sungsbeschwerde eingelegt hat. Die Verfassungsbeschwerde nimmt dem Titel
nicht die Vollstreckbarkeit. Das Vollstreckungsgericht hat vielmehr von der Zu-
lässigkeit der Zwangsvollstreckung auszugehen, wenn und solange diese nicht
nach § 775 Nr. 1 ZPO eingestellt ist. Eine Aussetzung des Zwangsversteige-
rungsverfahrens nach § 148 ZPO ist unzulässig, da die in dem Verfahren zu
treffenden Entscheidungen eilbedürftig sind (allgemeine Ansicht, vgl. Stöber,
ZVG, 21. Aufl., Einleitung Rn. 27; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 148 Rn. 4).
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Gießen, Entscheidung vom 09.09.2015 - 420 K 19/13 -
LG Gießen, Entscheidung vom 25.11.2015 - 7 T 368/15 -
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