Urteil des BGH vom 12.07.2004

Leitsatzentscheidung zu Entlassung, Bezirk, Amt, Bundesstaat, Bauer

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 7/04
vom
12. Juli 2004
in dem Verfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BNotO §§ 4, 6
Die Landesjustizverwaltung übt ihr Organisationsermessen nicht bereits aus dem
Grunde fehlerhaft aus, weil sie einen Notar aus einem anderen Bundesland deshalb
in die Auswahl über den geeigneten Bewerber nicht aufnimmt, weil er die dort übli-
che Mindestverweildauer nicht erfüllt hat.
BGH, Beschl. v. 12. Juli 2004 - NotZ 7/04 - OLG Köln
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wegen Übertragung einer Notarstelle
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 12. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Tropf und Becker sowie die Notare Dr. Lintz und Eule
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom
4. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfah-
rens zu tragen und die der Antragsgegnerin und der weiteren Be-
teiligten im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen
Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit 1. August 2001 Notar mit dem Amtssitz in
B. , Bezirk des Oberlandesgerichts Brandenburg. Nach einer Tätigkeit als
Rechtsanwalt in den Jahren 1995 bis 1997 war er ab .1997 Notaranwärter
im Bezirk der Notarkammer Brandenburg, ab .1999 Notarassessor im Dienst
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des Landes Brandenburg. Er bewarb sich um die vom Justizministerium Nord-
rhein-Westfalen am 15.3.2003 ausgeschriebenen Notarstelle in Wuppertal-
V. . Die Antragsgegnerin teilte ihm am 28.7.2003 mit, sie beabsichtige,
die Stelle einem anderen Bewerber, einem Notarassessor aus Sachsen, zu
übertragen. Am 5.8.2003 begründete sie ihre Entscheidung.
Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist vor
dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Mit der sofortigen Beschwerde
verfolgt der Antragsteller seinen Antrag, die Antragsgegnerin zur erneuten Ent-
scheidung zu verpflichten, fort und beantragt auch in der Beschwerdeinstanz
den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Besetzung der
Notarstelle auf einen Mitbewerber. Diese beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4
BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen ihr Organisationsermessen
bei der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle, der die freie Berufsausübung
des Antragstellers (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) beeinträchtigte (vgl. Senats-
beschl. v. 26. März 2001, NotZ 31/00, ZNotP 2001, 243; v. 14. Juli 2003, NotZ
47/02, ZNotP 2003, 470; vgl. auch BVerfG, 1 BvR 26/03 v. 17. Juli 2003; 1 BvR
819/01 und 1 BvR 826/01 v. 20. September 2002, DNotZ 2002, 891, liegt nicht
vor.
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Die Antragsgegnerin hat, im Anschluß an einen Bericht der Rheinischen
Notarkammer, die Hintersetzung des Antragstellers bei ihrer Besetzungsent-
scheidung mit den Interessen des Landes Brandenburg begründet, das sich
ebenfalls des Mittels der Mindestverweildauer bedient. Schon diese Erwägung
trägt die Entscheidung zugunsten des Mitbewerbers. Wie der Senat entschie-
den hat, ist die Justizverwaltung eines (alten) Bundeslandes zwar nicht ohne
weiteres verpflichtet und auch in der Regel nicht in der Lage, durch ihre Perso-
nalpolitik die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern zu
gewährleisten (Beschl. v. 2. Dezember 2002, NotZ 13/02, aaO). Sie ist aber
auch nicht, was zum Erfolg der Beschwerde erforderlich wäre, gehalten, diese
schlechterdings außer acht zu lassen. Unter dem Gesichtspunkt des bundes-
freundlichen Verhaltens (BVerfGE 12, 205, 254; 61, 149, 205; 81, 310, 337;
allg. zur Bundestreue Bauer in H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 1998,
Art. 20 - Bundesstaat - Rdn. 26 f.) war die Antragsgegnerin jedenfalls, wenn ihr
dies selbst zumutbar erschien, befugt, das Interesse des Landes Brandenburg
an der Stelle, die der Antragsteller innehat, zu berücksichtigen. Solche Ge-
sichtspunkte treten allerdings, was beim "Bestellungswechsel" aus einem neu-
en in ein altes Bundesland vielfach der Fall sein wird, zurück, wenn die bishe-
rige Stelle mit dem Weggang des Amtsinhabers eingezogen wird (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 20. September 2002, aaO, S. 893). Die Antragsgegnerin kann sich
indessen auf eine Stellungnahme des Landes Brandenburg berufen, wonach
im Falle des Antragstellers hiervon nicht auszugehen ist.
Dem stehen die Überlegungen des Antragstellers zum rechtstechni-
schen Vorgang des "Bestellungswechsels" nicht entgegen. Die Entlassung aus
dem bisherigen Notaramt, die die Justizverwaltung in Brandenburg nicht ver-
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hindern könnte (§ 48 BNotO), ließe allerdings für die Antragsgegnerin den
Grund, auf die Brandenburger Belange Rücksicht zu nehmen, entfallen. Diesen
Weg hat der Antragsteller aber nicht eingeschlagen. Er würde ihn dem Risiko
aussetzen, im Falle des Mißerfolgs seiner Bewerbung den Beruf als Notar (bis
auf weiteres) nicht ausüben zu können. Was der Antragsteller anstrebt, ist die
Bestellung zum Notar in einem anderen Bundesland, verbunden mit dem "Risi-
ko" des Amtssitzwechsels im eigenen Lande, mithin risikolos. Der Sache nach
geht es um einen Amtssitzwechsel in den äußeren Formen der Entlassung aus
dem Amt und der Neubestellung für ein anderes Land. Die Entlassung soll erst
herbeigeführt werden, wenn der Erfolg der Bewerbung gesichert ist. Hält der
Antragsteller aber im Bewerbungsverfahren an dem bisherigen Amt fest, so
muß er es sich auch gefallen lassen, wenn bei der Besetzungsentscheidung
die Belange des Landes, dem die innegehabte Stelle zuzurechnen ist, Berück-
sichtigung finden.
2. Darauf, ob die Auswahlentscheidung selbst (§ 6 Abs. 3 BNotO) den
Rügen des Antragstellers standhielte, kommt es nicht mehr an.
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3. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat sich mit der
Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers erledigt.
Schlick Tropf Becker
Lintz Eule