Urteil des BGH vom 16.03.2015

Leitsatzentscheidung zu Beurkundung, Dingliches Recht, Verfügung, Urkunde, Verkäuferin

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotSt(Brfg) 7/14
vom
16. März 2015
in der Disziplinarsache
wegen Disziplinarverfügung
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGH/BPatGERVV Anlage zu § 1
Für den Bundesgerichtshof ist der elektronische Rechtsverkehr in notariellen
Disziplinarsachen und verwaltungsrechtlichen Notarsachen nicht eröffnet.
BGH, Beschluss vom 16. März 2015 - NotSt(Brfg) 7/14 - OLG Frankfurt am Main
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Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Dr. Herrmann, die Richterin
von Pentz, den Notar Dr. Strzyz und die Notarin Dr. Brose-Preuß
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des 2. Se-
nats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
von 24. Juni 2014 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Streitwert des Zulassungsverfahrens
wird auf 20.000 € fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger ist seit 1980 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 1986 als
Notar als bestellt. Gegen ihn ergingen 1993, 1997, 2003 und 2007 bestands-
kräftig gewordene Disziplinarverfügungen, durch die vier Verweise erteilt wur-
den, davon drei zusammen mit Geldbußen von jeweils 3.000 DM beziehungs-
weise 1.500 €. Ferner sprach der Präsident des Landgerichts 2001 eine Missbil-
ligung aus.
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Der Präsident des Oberlandesgerichts verhängte gegen den Kläger mit
der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Disziplinarverfügung vom 13. De-
zember 2012 eine Geldbuße von
25.000 €.
Dem Kläger wurde darin vorgeworfen, 2005 und 2006 im Zusammen-
hang mit der Betreuung zweier größerer Bauträgerobjekte in mindestens 23
Fällen unter Verstoß gegen Nummer II 1 Buchst. c der Berufsrichtlinien der
Notarkammer Frankfurt am Main auf der Grundlage von Belastungsvollmachten
Grundschuldbestellungen der Käufer beurkundet zu haben. Diese seien jeweils
nicht persönlich anwesend gewesen. Vielmehr seien die Grundschuldbestellun-
gen von Mitarbeitern seiner Kanzlei erklärt worden. Zudem habe er die Bestel-
lungsurkunden entgegen § 13 BeurkG nicht unterschrieben, aber dessen unge-
achtet Ausfertigungen hiervon in den Rechtsverkehr gelangen lassen. Weiterhin
legte der Präsident des Oberlandesgerichts dem Kläger zur Last, im Jahr 2006
ein privatschriftliches Testament entgegen genommen zu haben, damit es in
amtliche Verwahrung gegeben werde, ohne die nach § 30 Satz 1 BeurkG erfor-
derliche Niederschrift hierüber zu fertigen.
Des weiteren habe der Kläger in mindestens 16 Fällen die Kaufpreiszah-
lungen bei Bauträgerverträgen über ein Notaranderkonto abgewickelt, ohne
dass hierfür die nach § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG erforderlichen Voraussetzun-
gen vorgelegen hätten. Hinzu träten vier weitere derartige Fälle bei der Durch-
führung von Wohnungseigentums- und Grundstückskaufverträgen. Am 5. De-
zember 2007 habe infolge der durch den Kläger erfolgten Beglaubigung einer
Unterschrift unter eine Vollmachtsurkunde der Eindruck entstehen können, es
habe der Vollmachtgeber unterzeichnet, obgleich es sich tatsächlich um die
Unterschrift der Bevollmächtigten gehandelt habe. Am 21. Oktober 2008 habe
er einen Grundstückskaufvertrag zwischen einer 85-jährigen Verkäuferin und
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einem Erwerber beurkundet. Der Kaufpreis sei als lebenslange Rente verein-
bart worden. Weiter habe der Verkäuferin ein lebenslanges Wohnrecht in einer
der auf dem Anwesen befindlichen Wohnungen eingeräumt werden sollen. Ent-
gegen dem in der Urkunde enthaltenen Hinweis habe der Kläger das Grund-
buch nicht eingesehen. Die unterlassene Einsicht habe dazu geführt, dass ihm
verborgen geblieben sei, dass die Verkäuferin nicht Alleineigentümerin des
Grundstücks gewesen sei, sondern lediglich Miteigentümerin zu 9/10. Ferner
sei das Grundstück entgegen der Feststellung in der Kaufvertragsurkunde nicht
lastenfrei gewesen. Es sei mit einem Wohnrecht und einer Grundschuld über
150.000 DM belastet gewesen. Der Kläger habe in der Folge mehrere Beur-
kundungen vorgenommen, um den Mängeln Rechnung zu tragen. Ihm seien
vor den letzten beiden Beurkundungen Umstände bekannt geworden, aus de-
nen sich erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Verkäuferin ergeben
hätten. Gleichwohl habe er es unterlassen, in den Urkunden die Feststellungen
hierzu aufzunehmen.
Der Kläger habe damit eine Vielzahl von schwerwiegenden Verstößen
gegen seine, den Kernbereich notarieller Tätigkeit betreffenden Amtspflichten
begangen, so dass nur die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße in Be-
tracht komme. Bei deren Bemessung sei auch zu berücksichtigen, dass er in
der Vergangenheit bereits mehrfach mit Disziplinarmaßnahmen belegt worden
sei und die verhängten Geldbußen offensichtlich noch nicht ausreichend gewe-
sen seien, ihn zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten. Gegen diese Diszipli-
narverfügung hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Das Oberlandesgericht
hat die festgesetzte Geldbuße auf 20.000 € reduziert und die Klage im Übrigen
abgewiesen. Der Kläger beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulas-
sen.
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II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1.
Das Oberlandesgericht hat die Vorwürfe des Präsidenten des Oberlan-
desgerichts im Zusammenhang mit den Grundschuldbestellungen teilweise als
nicht begründet erachtet. Der Kläger habe lediglich in 18 Fällen § 13 Abs. 3
Satz 1 und § 49 Abs. 1 Satz 1 BeurkG verletzt, indem er die Grundschuldbestel-
lungsurkunden nicht unterschrieben und dementsprechend mit der Urschrift
nicht übereinstimmende Ausfertigungen in den Verkehr gegeben habe. In 17
dieser Fälle habe er überdies gegen seine Pflicht verstoßen, gemäß § 17
Abs. 2a BeurkG auf die Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen eines Ver-
brauchers (§ 13 BGB) hinzuwirken.
Die übrigen Vorwürfe hat das Oberlandesgericht sowohl in tatsächlicher
Hinsicht als auch weitgehend der disziplinarrechtlichen Würdigung nach für
berechtigt angesehen. Es hat allerdings insbesondere mit Blick auf die lange
Dauer des Disziplinarverfahrens die festgesetzte Geldbuße um 5.000
€ auf
20.000
€ herabgesetzt, diesen Betrag aber auch unter Berücksichtigung der im
mittleren Bereich liegenden Einkommensverhältnisse des Klägers für erforder-
lich gehalten, um dessen Fehlverhalten angemessen zu sanktionieren.
2.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist fristgemäß gestellt und - teil-
weise - auch rechtzeitig begründet worden (§ 124a Abs. 4 Satz 1, 4 VwGO
i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG und §§ 105, 109 BNotO). Der Kläger hat seinen
Antrag innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Oberlandesge-
richts dort eingelegt und zugleich hinsichtlich der Einbeziehung der früheren
Disziplinarmaßnahmen, der Beurkundung von Grundschuldbestellungen durch
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Bevollmächtigte, des Inverkehrbringens von Ausfertigungen von in der Urschrift
nicht unterschriebener Bestellungsurkunden und der unterbliebenen Nieder-
schrift über die Übergabe einer letztwilligen Verfügung begründet.
In Bezug auf die weiteren ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen hat
der Kläger seinen Zulassungsantrag erstmals mit Schriftsatz vom 7. September
2014 begründet. Die darin enthaltenen Ausführungen können im Zulassungs-
verfahren keine Berücksichtigung mehr finden, da insoweit die Begründungsfrist
nicht eingehalten ist.
a) Dieser Schriftsatz ging entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO i.V.m.
§ 64 Abs. 2 Satz 2 BDG, §§ 105, 109 BNotO nicht innerhalb von zwei Monaten
nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim Bundesgerichtshof ein. Die
Frist lief gemäß § 188 Abs. 2 BGB i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 57 Abs. 2 VwGO,
§ 3 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO am 8. September 2014 ab, nachdem dem
Kläger das angefochtene Urteil am 8. Juli 2014 zugestellt worden war. Das am
7. September 2014 beim Bundesgerichtshof eingegangene Telefax mit dem
Begründungsschriftsatz war, wie dem Kläger bereits mitgeteilt wurde, unvoll-
ständig. Das Fax hat von 28 Seiten nur die ersten 15 vollständig enthalten; Sei-
te 16 ist unvollständig gewesen und die übrigen, insbesondere die letzte mit der
Unterschrift, haben gefehlt. Auch die über das Elektronische Gerichts- und
Verwaltungspostfach des Bundesgerichtshofs ebenfalls am 7. September 2014
übersandte Nachricht konnte die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags
nicht wahren. Für den Bundesgerichtshof ist der elektronische Rechtsverkehr in
notariellen Disziplinarsachen und verwaltungsrechtlichen Notarsachen nicht
eröffnet (siehe Anlage zu § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechts-
verkehr beim Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht vom 24. August
2007, BGBl. I S. 2130; zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur
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Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Re-
gelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. Okto-
ber 2013, BGBl. I S. 3799), worüber der Kläger ebenfalls bereits unterrichtet
worden ist. Darauf, ob die elektronisch übermittelte Nachricht auch deshalb
nicht fristwahrend war, weil darin der Begründungsschriftsatz selbst nicht ent-
halten war, sondern nur ein Link zu einer pdf-Datei, kann auf sich beruhen.
b) Dem Kläger ist nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge-
währen.
Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhal-
tung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags verhindert war (§ 60
Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 3 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO). So hat
er nicht positiv vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Ursache für die
Unvollständigkeit der Telefaxsendung nicht in seiner Sphäre lag oder für ihn
nicht erkennbar war. Für einen Fehler im Verantwortungsbereich des Gerichts
gibt es auch keinen Anhaltspunkt. Seinen Rechtsirrtum, der elektronische
Rechtsverkehr zum Bundesgerichtshof sei in notariellen Disziplinarsachen er-
öffnet, hätte er als Rechtskundiger vermeiden können, indem er sich über die
einschlägigen Vorschriften vergewisserte.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist ihm auch nicht deshalb Wiederein-
setzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Rechtspflegerin des Senats
ihn nicht bereits am Montag, dem 8. September 2014, dem letzten Tag der Be-
gründungsfrist, auf die Unvollständigkeit des Telefaxes, den Umstand, dass die
elektronische Nachricht den Schriftsatz selbst nicht enthielt, und auf die fehlen-
de Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs für die vorliegende Verfah-
rensart hingewiesen, sondern ihn "erst" mit Schreiben vom Folgetag über die
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ersten beiden Gesichtspunkte unterrichtet hat. Das Gericht war nicht verpflich-
tet, am letzten Tag der Begründungsfrist zu prüfen, ob die Begründungsschrift
ordnungsgemäß eingegangen war, um erforderlichenfalls sofort durch entspre-
chende Hinweise auf die Behebung der Mängel hinzuwirken. Im Interesse der
Funktionsfähigkeit der Justiz sind der gerichtlichen Fürsorgepflicht enge Gren-
zen gesetzt. Nur unter besonderen Umständen kann ein Gericht gehalten sein,
einer drohenden Fristversäumnis seitens der Partei entgegenzuwirken. Solche
Umstände sind hier nicht ersichtlich. Eine Partei kann nicht erwarten, dass die
Prüfung der Formvorschriften unmittelbar nach Eingang der Begründung des
Zulassungsantrags erfolgt. Im Hinblick auf den übrigen Geschäftsanfall ist es
nicht zu beanstanden, wenn erst bei der Bearbeitung des Falls und damit nach
Ablauf der Fristen die Zulässigkeit des Antrags, einschließlich der Einhaltung
der notwendigen Form, überprüft wird (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 15. Juni
2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364). Aus diesem Grunde durfte der Kläger
auch nicht damit rechnen, dass er noch am 8. September 2014 einen Hinweis
erhalten werde, wenn, wie es der Fall ist, er seinen Schriftsatz im Wege des
elektronischen Rechtsverkehrs nicht wirksam einreichen konnte.
c) Die Tatsache, dass der Schriftsatz vom 7. September 2014 nicht
rechtzeitig beim Bundesgerichtshof einging, führt dazu, dass die darin enthalte-
ne weitere Begründung des Antrags des Klägers, die Berufung gegen das an-
gefochtene Urteil zuzulassen, bei der Entscheidung des Senats nicht berück-
sichtigt werden kann. Die Prüfung des Berufungsgerichts ist im Zulassungsver-
fahren auf die vorgetragene Antragsbegründung beschränkt (z.B. Seibert in So-
dan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124a Rn. 205). Bei einem teilbaren Streitgegen-
stand muss sich die Begründung auf sämtliche Teile des Urteils erstrecken,
hinsichtlich deren eine Abänderung beantragt ist (Seibert, aaO Rn. 114 zur Be-
rufung; vgl. auch Bader in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/Albedyll, VwGO,
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5. Aufl., § 124a Rn. 82; Happ in Eyermann/Fröhler, VwGO, 14. Aufl., § 124a
Rn. 61). Dabei ist nach Fristablauf eingereichter Vortrag unbeachtlich (OVG
Lüneburg, NVwZ-RR 2009, 360; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 124a
Rn. 48; vgl. auch BVerwG NVwZ 2003, 490, 491; OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 7 RN 8.13, juris Rn. 6 f.). Der Streitge-
genstand des vorliegenden Rechtsstreits ist teilbar. Auch wenn das Prinzip der
Einheit des Dienstvergehens gilt, das grundsätzlich zur Folge hat, dass alle be-
kannten Pflichtverstöße in einem Verfahren zu verfolgen sind (z.B. Senatsbe-
schluss vom 31. Juli 2000 - NotSt (B) 1/00, NJW-RR 2001, 498) und eine ein-
heitliche Disziplinarmaßnahme zu verhängen ist, verbleibt es dabei, dass den
einzelnen dem Kläger vorgeworfenen Amtspflichtverstößen inhaltlich selbstän-
dige Sachverhalte zugrunde liegen. Sie sind hinsichtlich ihrer disziplinarrechtli-
chen Relevanz jeweils einzeln zu würdigen und fließen auch als Teilelemente in
die Bemessung der einheitlichen Sanktion ein. Insbesondere unter Berücksich-
tigung des Zwecks des Begründungserfordernisses gemäß § 124a Abs. 4 Satz
4 VwGO, dem Berufungsgericht ohne weitere Ermittlungen die Prüfung zu er-
möglichen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt (Gaier NVwZ
2011, 385, 389; siehe auch BVerwG NJW 1996, 1554; OVG Lüneburg NVwZ-
RR 2009, 360), ist es geboten, diejenigen Teile eines trennbaren Streitgegen-
stands bei der Zulassungsentscheidung unberücksichtigt zu lassen, hinsichtlich
deren eine Begründung des Zulassungsantrags nicht oder nicht rechtzeitig vor-
liegt. Denn insoweit ist dem Berufungsgericht eine Prüfung der einzelnen Zu-
lassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO ohne eigene Ermittlung nicht möglich
beziehungsweise versagt.
3.
Soweit der Kläger seinen Zulassungsantrag rechtzeitig begründet hat,
besteht kein Grund für die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m.
§ 64 Abs. 2 Satz 2 BDG, §§ 105, 109 BNotO). Insbesondere hat die Rechtssa-
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che weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 64
Abs. 2 Satz 2 BDG, §§ 105, 109 BNotO) noch weist sie besondere Schwierig-
keiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG, §§ 105,
109 BNotO) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des
Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG,
§§ 105, 109 BNotO).
a) Ein Grund zur Zulassung der Berufung ist nicht erkennbar, soweit der
Kläger die Würdigung des Oberlandesgerichts hinsichtlich der vielfachen Beur-
kundung von Grundschuldbestellungen durch bevollmächtigte Mitarbeiter seiner
Kanzlei angreift. Mit Recht hat die Vorinstanz in Einklang mit der angefochtenen
Verfügung das betreffende Vorgehen des Klägers als einen schuldhaften Ver-
stoß gegen seine notariellen Amtspflichten angesehen. Nach § 17 Abs. 2a
Satz 2 Nr. 1 BeurkG soll der Notar bei Verbraucherverträgen darauf hinwirken,
dass der Verbraucher die rechtsgeschäftlichen Erklärungen vor ihm persönlich
oder durch eine Vertrauensperson abgibt. Hiervon ist der Kläger bei den in Re-
de stehenden Grundschuldbestellungen in einer Vielzahl von Fällen abgewi-
chen, ohne dass jeweils besondere Gründe vorlagen. Überdies bestimmen die
Berufsrichtlinien der Notarkammer Frankfurt am Main in ihrer Nummer II 1
Buchst. c, dass die systematische Beurkundung mit Mitarbeitern des Notars als
Vertreter unzulässig ist. Die Bestellung von Grundpfandrechten ist hiervon nur
ausgenommen, wenn die zugrunde liegende Urkunde die Belehrung der Betei-
ligten enthält. Der Kläger hat im Disziplinarverfahren zwar geltend gemacht, die
Kaufvertragsurkunden, deren Vollzug die Grundschuldbestellungen dienen soll-
ten, hätten eine entsprechende Belehrung enthalten. Hiermit hat sich die ange-
fochtene Verfügung jedoch auseinandergesetzt und die verwendete Klausel für
unzureichend angesehen. Es könne ausgeschlossen werden, dass die Beleh-
rung dem juristischen Laien die notwendige Aufklärung über die Folgen der
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Vollstreckungsunterwerfung verschaffe. Diese Würdigung teilt der Senat unein-
geschränkt. Insbesondere trifft der vom Oberlandesgericht insoweit hervorge-
hobene Umstand zu, dass die Belehrung hinsichtlich der Übernahme der per-
sönlichen Haftung der die Grundschuld bestellenden Verbraucher und der in-
soweit erklärten Vollstreckungsunterwerfung unklar blieb.
Zu Unrecht rügt der Kläger in diesem Zusammenhang weiter, das Ober-
landesgericht habe sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit sei-
nem Vorbringen auseinandergesetzt, er habe den Käufern im Rahmen der Be-
urkundung der Kaufverträge die Bedeutung der darin enthaltenen Belastungs-
vollmacht umfassend mündlich erklärt. Dies ist bereits in der angefochtenen
Verfügung berücksichtigt worden. Darin hebt der Präsident des Oberlandesge-
richts hervor, dass die "Belehrung schriftlich (d.h. zum Nachlesen)" zu erfolgen
habe. Dies trifft zu. Insbesondere ergibt sich dies aus Nummer II 1 Buchst. c der
Berufsrichtlinien der Notarkammer Frankfurt am Main. Darin ist ausdrücklich
bestimmt, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit einer systematischen Beur-
kundung der Bestellung von Grundpfandrechten mit Mitarbeitern des Notars ist,
dass die zugrunde liegende Urkunde die Belehrung der Beteiligten enthält.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend anzumerken, dass der Senat
nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts teilt, eine Amtspflichtverletzung
des Klägers habe nur in Bezug auf die in den Grundschuldbestellungsurkunden
formularmäßig enthaltene Übernahme der persönlichen Haftung bestanden.
Diese Einschränkung lässt sich weder § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG noch
der zitierten Bestimmung der Berufsrichtlinien der Notarkammer Frankfurt am
Main entnehmen und ist auch der Sache nach nicht gerechtfertigt. Auch soweit
es sich um die Belastung des Grundeigentums mit einem Grundpfandrecht
handelt, wird das Vermögen der Käufer erheblich geschmälert. Zwar sind sie
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zum Zeitpunkt der Belastung in der Regel noch nicht Eigentümer des verkauf-
ten Grundstücks oder der zu erwerbenden Wohnung. Jedoch wirkt das Grund-
pfandrecht - entsprechend seinem Zweck, die zum Erwerb der Immobilie von
den Käufern aufgenommenen Darlehen zu besichern - als dingliches Recht
über den Eigentumsübergang auf die Erwerber fort und lastet sodann auf deren
Vermögen.
b) Ein Zulassungsgrund ist auch nicht ersichtlich, soweit sich der Kläger
gegen die Ausführungen der Vorinstanz zu dem Verstoß gegen § 13 Abs. 3
Satz 1 BeurkG (fehlende Unterschrift unter den Grundschuldbestellungsurkun-
den) wendet. Der Fehler von Büroangestellten des Klägers, Ausfertigungen der
noch nicht unterschriebenen Urkunden beim Grundbuchamt einzureichen, ent-
lastet ihn nicht von dem Verstoß gegen § 13 Abs. 3 Satz 1 BeurkG. Der Notar
hat die Urkunde zum Abschluss des Beurkundungsverfahrens zu unterschrei-
ben (Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 13 Rn. 86), gerade um derartige Fehler bei
der Abwicklung des beurkundeten Geschäfts zu vermeiden. Er darf erst gar
nicht die Situation entstehen lassen, dass es infolge einer Unaufmerksamkeit
des Büropersonals dazu kommt, dass in der Urschrift von ihm nicht unter-
schriebene Urkunden als Ausfertigungen in den Rechtsverkehr gelangen.
c) Die Berufung ist auch nicht zuzulassen, soweit sich der Kläger gegen
die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu der unterbliebenen Niederschrift
über die Übergabe einer letztwilligen Verfügung wendet. Das Oberlandesgericht
hat zutreffend hervorgehoben, dass der Verstoß gegen § 30 Satz 1 BeurkG zur
Unwirksamkeit der Beurkundung führte (vgl. z.B. Baumann in Eylmann/Vaasen,
BNotO, BeurkG, 3. Aufl., § 30 BeurkG Rn. 9; Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 30
Rn. 21).
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Dem Umstand, dass der Verstoß des Klägers gegen § 30 Satz 1 BeurkG
letztlich ohne Folgen geblieben ist, hat das Oberlandesgericht dadurch Rech-
nung getragen, dass es das Dienstvergehen bei seinen Erwägungen zur Be-
messung der Geldbuße als weniger schwerwiegend beurteilt hat.
d) Dem Zulassungsantrag vom 7. August 2014 mag bei Anwendung ei-
nes großzügigen Maßstabs auch eine Begründung hinsichtlich der Bemessung
der Disziplinarmaßnahme insgesamt zu entnehmen sein. Indessen ist ein Zu-
lassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG,
§§ 105, 109 BNotO auch insoweit nicht erkennbar. Die Höhe der Geldbuße be-
gegnet unter Berücksichtigung der vom Kläger nicht beziehungsweise nicht mit
Erfolg angegriffenen tatsächlichen Feststellungen nicht ihm nachteiligen Zwei-
feln an ihrer Rechtmäßigkeit und Angemessenheit.
aa) Entgegen der Ansicht des Klägers durfte in der Disziplinarverfügung
vom 13. Dezember 2012 berücksichtigt werden, dass gegen ihn 1993, 1997,
2001, 2003 und 2007 bereits Verweise erteilt, Geldbußen verhängt und eine
Missbilligung ausgesprochen worden waren. Bei der Bemessung einer Diszipli-
narmaßnahme ist einer der nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichti-
genden Umstände des Einzelfalls die bisherige Führung des Notars (Sandküh-
ler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 97 Rn. 10), wobei sich frühere
Disziplinarmaßnahmen regelmäßig verschärfend auswirken (Herrmann in
Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 97 Rn. 4).
Der Kläger kann nicht mehr geltend machen, die früher verhängten
Sanktionen seien zu Unrecht erfolgt oder unverhältnismäßig gewesen. Dies
wäre mit der Bestandskraft der seinerzeit ergangenen Verfügungen nicht ver-
einbar.
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Schließlich steht der Berücksichtigung der früheren Disziplinarmaßnah-
men nicht § 110a Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 BNotO entgegen. Nach diesen
Regelungen dürfen nach Ablauf der in § 110a Abs. 1 Satz 1 beziehungsweise
Abs. 5 Satz 2 BNotO bestimmten Tilgungsfristen frühere Verweise, Geldbußen
und Missbilligungen bei weiteren Disziplinarmaßnahmen nicht mehr berücksich-
tigt werden. Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
Disziplinarverfügung (vgl. Urban/Wittkowski, BDG 2011, § 16 Rn. 7) lagen zwar
der 1993 erteilte Verweis und die zugleich verhängte Geldbuße (unanfechtbar
seit 1995), der 1997 erteilte Verweis und die 2001 ausgesprochene Missbilli-
gung mehr als zehn (§ 110a Abs. 1 Satz 1 BNotO) beziehungsweise fünf
(§ 110a Abs. 5 Satz 2 BNotO) Jahre zurück. Die Tilgungsfristen endeten jedoch
gemäß § 110a Abs. 3 BNotO nicht, da jeweils vor ihrem Ablauf neue Diszipli-
narverfahren schwebten und berücksichtigungsfähige Disziplinarmaßnahmen
verhängt wurden.
bb) Die angefochtene Entscheidung ist auch hinsichtlich des Disziplinar-
maßes nicht zu beanstanden. Wie bereits zuvor ausgeführt, hat der Kläger in
Bezug auf den Tatkomplex der systematischen Beurkundung von Grundschuld-
bestellungen durch Vertreter nicht nur hinsichtlich der Unterwerfung der Erwer-
ber unter die Zwangsvollstreckung in ihr persönliches Vermögen gegen seine
Amtspflichten als Notar verstoßen. Vielmehr trifft dies aus den ausgeführten
Gründen auch auf die dingliche Belastung zu. Demzufolge vermag der Senat
auch nicht die Würdigung des Oberlandesgerichts zu teilen, dass es sich bei
den Vorgängen im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Grundpfand-
rechtsbestellungen um ein weniger schwer wiegendes Fehlverhalten handelt.
Vielmehr fällt dem Kläger insoweit ein mindestens mittelgradiges Verschulden
zur Last.
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Die verhängte
Geldbuße von 20.000 € wäre ohnedies nahezu bereits
allein für die Vorgänge im Zusammenhang mit der Beurkundung des Grund-
stückskaufvertrags vom 21. Oktober 2008 zur UR-Nr. 346/2008 des Klägers
angemessen gewesen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass weder
in der Disziplinarverfügung noch in dem angefochtenen Urteil hinreichend in
den Blick genommen wurde, dass dem Kläger nicht nur ein Verstoß gegen § 21
Abs. 1 Satz 1 BeurkG anzulasten ist, wonach sich der Notar bei Geschäften, die
im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte betreffen, über den
Grundbuchinhalt unterrichten soll. Vielmehr hat der Kläger, was noch stärker ins
Gewicht fällt, gegen seine Wahrheitspflicht verstoßen, die eine Kardinalpflicht
des Notars ist (BGH, Urteile vom 21. November 1996 - IX ZR 182/95, BGHZ
134, 100, 107 und vom 4. Juni 1992 - IX ZR 58/91, NJW-RR 1992, 1176,
1177 f.). Bei allen Amtsgeschäften hat der Notar vor allem die Wahrheit zu be-
zeugen. Er darf nur bekunden, was er nach gewissenhafter Prüfung als zutref-
fend erkannt hat. Er muss die Wahrheit deutlich sagen und jeden falschen
Schein vermeiden (BGH aaO). Indem der Kläger in die Kaufvertragsurkunde
aufnahm, er habe "das Grundbuch am 16.10.08 eingesehen", obgleich er dies
unterlassen hatte, beurkundete er unter Verstoß gegen diese grundlegende
notarielle Pflicht eine unrichtige Tatsache. Dabei handelte der Kläger - folgt man
seiner Einlassung, er habe sich auf einen von den Beteiligten vorgelegten älte-
ren Grundbuchauszug verlassen - vorsätzlich. Denn er wusste bei der Beur-
kundung, dass er das Grundbuch an dem genannten Tag nicht eingesehen hat-
te.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er habe die Ver-
fehlungen, die Gegenstand der früheren Maßnahmen gewesen oder bei Ge-
schäftsprüfungen beanstandet worden seien, stets umgehend abgestellt, so
dass auch im vorliegenden Verfahren der erzieherische Effekt ohne oder jeden-
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falls mit einer milderen Sanktion erreicht werde. Der Umstand, dass der Kläger
immer wieder Dienstvergehen begangen hat, macht deutlich, dass er seinen
Amtspflichten als Notar insgesamt eine bemerkenswerte Gleichgültigkeit entge-
gen bringt. Nachdem die früheren Maßnahmen nicht ausgereicht haben, ihn zu
einer durchgängig gewissenhaften Amtsführung anzuhalten, war nunmehr eine
deutlich höhere Geldbuße geboten.
Soweit der Kläger darauf abstellt, die Höhe der Geldbuße belaste ihn
angesichts seiner Einkommensverhältnisse übermäßig, hat sich das Oberlan-
desgericht hiermit im Einzelnen auseinander gesetzt und ist zu einer auch vom
Senat für zutreffend erachteten Abwägung gekommen. Das Gewicht des
Dienstvergehens ließ eine mildere Sanktion nicht zu.
Galke
Herrmann
v. Pentz
Strzyz
Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.06.2014 - 2 Not 1/13 -
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