Urteil des BGH vom 24.11.2014

Urkunde, Überweisung, Verwahrung, Einheit, Verfügung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotSt(Brfg) 5 /14
vom
24. November 2014
in der Disziplinarsache
wegen Disziplinarverfügung
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Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 24. November 2014
durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen und den
Richter Prof. Dr. Radtke sowie die Notare Dr. Strzyz und Dr. Frank
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des
2. Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main vom 23. April 2014 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 400 Euro
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger ist seit 1977 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und seit Ok-
tober 1982 als Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main tätig;
er hat seinen Amtssitz in B. /O. .
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1. Im November 2011 wurden im Auftrag des Präsidenten des Landge-
richts Darmstadt die Geschäfte des Klägers geprüft. Der daraufhin erstellte
Prüfbericht sah folgende Vorgänge als aufklärungsbedürftig an:
(a) Die Überweisung eines Betrages von 1.011,50 Euro von dem
Notaranderkonto auf das Geschäftskonto der Sozietät des Klägers mit dem
Rechtsanwalt und Notar R. Die Überweisung stand im Zusammenhang mit an-
waltlicher Tätigkeit von Rechtsanwalt R.
(b) Im Zusammenhang mit der Urkunde zu UR-Nr. fehlte auf dem
Deckblatt der genannten Urkunde ein Vermerk über eine spätere Änderungsur-
kunde; dieser befand sich auf der Rückseite der Urkunde. Der tatsächliche
Grundbuchstand sei in der Urkunde nicht wiedergegeben worden, weil bezüg-
lich des Kaufgegenstandes aufgrund von Vorbeurkundungen eines anderen
Notars erst Grundbucheintragungen erfolgen. In der Urkunde des Klägers seien
diese Eintragungen aber als bereits feststehend beurkundet worden.
(c) Bezüglich der vorstehend genannten Urkunde zu UR-Nr. stell-
te der mit der Notarprüfung Beauftragte zudem fest, dass die Urkundenrolle
EDV-unterstützt in Loseblattform geführt wurde und dass die bereits vollständig
ausgedruckte Seite 3 der Urkunde nochmals ausgedruckt worden war.
2. Aufgrund dieser Vorgänge verhängte der Präsident des Landgerichts
Darmstadt mit Disziplinarverfügung vom 24. Juni 2013 gegen den Kläger wegen
eines Dienstvergehens in vier Punkten eine Geldbuße in Höhe von 500,00 Eu-
ro. Im Einzelnen wurde die Entnahme von dem Notaranderkonto als wenigstens
fahrlässiger Verstoß gegen die Amtspflichten aus § 14 BNotO in Verbindung mit
§ 54b Abs. 3 BeurkG (Ziffer 1 der Disziplinarverfügung) beurteilt. Darüber hin-
aus stellte die Disziplinarverfügung im Zusammenhang mit dem Änderungs-
vermerk bezüglich der Urkunde zu UR-Nr. darauf ab, dass dieser ver-
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steckt auf der Rückseite der Haupturkunde angebracht worden sei und so spä-
ter die Änderung der Urkunde nicht mehr zu erkennen gewesen sei. Hinsichtlich
der Beurkundung habe es nicht in der Macht des Klägers gelegen, die in der
Urkunde als feststehend angegebenen Grundbucheintragungen selbst vorzu-
nehmen. Der noch nicht feststehende Rechtszustand hätte den Urkundsbetei-
ligten deutlich gemacht werden müssen (Ziffer 3 der Disziplinarverfügung). Die
vorgenommene Änderung bereits abgeschlossener Seiten in der Urkundenrolle
durch neu ausgedruckte Seiten verstoße gegen § 14 Abs. 1 BNotO i.V.m. § 17
Abs. 1 Satz 4 DONot; es hätte ein Korrekturvermerk gemäß § 7 Abs. 2 DONot
in datierter und unterschriebener Form angebracht werden müssen (Ziffer 4 der
Disziplinarverfügung).
3. Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruch Klage gegen die Diszip-
linarverfügung vom 24. Juni 2013 erhoben.
4. Das Oberlandesgericht hat die Disziplinarverfügung in der Fassung
des Widerspruchsbescheids insoweit aufgehoben, als dem Kläger auch vorge-
worfen worden war, einen näher bezeichneten Antrag auf Eigentumsumschrei-
bung verspätet gestellt zu haben (Ziffer 2 der Disziplinarverfügung). Die Geld-
buße hat es auf 400,00 Euro herabgesetzt und die Klage im Übrigen abgewie-
sen.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das
Urteil des Oberlandesgerichts zuzulassen.
II.
Der Antrag ist unbegründet. Ein Grund für die Zulassung der Berufung
gemäß § 105 BNotO, § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO be-
steht nicht.
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1. Der Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (hier i.V.m. § 105
BNotO; § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG) - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des an-
gefochtenen Urteils - ist nur gegeben, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren
einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsa-
chenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat
(BVerfGE 110, 77, 83; BVerfGE 125, 104, 140; BVerfG, Beschluss vom
20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 - juris Rn. 17; Beschluss vom 16. Juli
2013 - 1 BvR 3057/11 - juris Rn. 36; Senat, Beschluss vom 25. November 2013
- NotZ(Brfg) 13/13, BGHZ 199, 148 Rn. 8). Zweifel an der Richtigkeit einzelner
Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund aber
dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit des Ergebnisses
erfassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03, NVwZ-RR
2004, 542 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11
- juris Rn. 40).
a) An diesen Grundsätzen gemessen, bestehen keine Zweifel an der
Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Entscheidung des Oberlandesge-
richts, die angefochtene Disziplinarverfügung lediglich teilweise aufzuheben und
die dort verhängte Geldbuße herabzusetzen, ist bei der im Rahmen der Ent-
scheidung über die Zulassung der Berufung gebotenen summarischen Prüfung
(vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 25. November 2013 - NotZ(Brfg) 13/13,
BGHZ 199, 148 Rn. 8; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 124 Rn. 7) nicht zu
beanstanden.
Nach § 60 Abs. 3 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO hat das Gericht
bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit
auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu über-
prüfen. Es ist nicht auf die Prüfung beschränkt, ob die dem Kläger zum Vorwurf
gemachte Verhaltensweise (Lebenssachverhalt) tatsächlich gegeben und dis-
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ziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat - bejahenden-
falls - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (vgl. § 88 VwGO i.V.m.
§ 3 BDG, § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO) im Interesse der Verfahrensbeschleuni-
gung (§ 4 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO) auch darüber zu entscheiden,
welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer
Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft in
Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO niederge-
legten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Diszipli-
narmaßnahmenobergrenze vielmehr eine eigene "Ermessensentscheidung". Es
kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern
und an Stelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen
(Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2012 - NotSt(Brfg) 5/11, ZNotP 2012, 359
Rn. 3 m.w.N.; vom 17. März 2014 - NotSt(Brfg) 1/13, DNotZ 2014, 470, 471).
b) Diese Grundsätze bei der Überprüfung der Disziplinarverfügung hat
das Oberlandesgericht beachtet. Es ist von einem einheitlichen Dienstvergehen
gemäß § 95 BNotO ausgegangen.
Hinsichtlich der mit § 54b Abs. 3 Satz 8 BeurkG nicht zu vereinbarenden
Überweisung in Höhe von 1.011,50 Euro von dem Notaranderkonto auf ein Ge-
schäftskonto der Anwaltssozietät des Klägers hat dieser den Vorgang als sol-
chen und die darin liegende fahrlässige Amtspflichtverletzung eingeräumt. Das
Oberlandesgericht durfte diese Pflichtverletzung als schwerwiegend bewerten.
Verstöße gegen die Vorschriften über die notarielle Verwahrung gemäß
§§ 54a ff. BeurkG betreffen den Kernbereich notarieller Pflichten (Sandkühler in
Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 97 Rn. 11) und erweisen sich grund-
sätzlich als schwerwiegend (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2003 - NotSt(Brfg)
5/02, DNotZ 2004, 226 f.). Angesichts der besonderen Bedeutung der Regelun-
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gen über die notarielle Verwahrung für die Amtsausübung des Notars wird das
Gewicht der Amtspflichtverletzung durch die seitens des Klägers veranlasste
spätere Korrektur des Überweisungsfehlers lediglich in einem gewissen Maße
vermindert.
Das vorgenannte Dienstvergehen rechtfertigt bereits für sich gesehen die
von dem Oberlandesgericht festgesetzte Geldbuße, so dass auf die weiteren
Vorwürfe amtspflichtwidrigen Verhaltens des Klägers nicht eingegangen werden
muss. Selbst wenn in Bezug auf diese Vorwürfe Zweifel an der Richtigkeit ein-
zelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen im oberlandesgerichtli-
chen Urteil bestünden, würden diese sich angesichts des für § 95 BNotO gel-
tenden Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens (siehe nur Lohmann in
Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 95 Rn. 20 m.w.N.) aus dem vor-
stehend genannten Grund nicht auf die Richtigkeit des Ergebnisses auswirken.
Dies ist jedoch - wie ausgeführt - für den Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO maßgeblich.
2. Auch der Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (hier i.V.m.
§ 105 BNotO; § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG) - grundsätzliche Bedeutung der Rechts-
sache - ist nicht gegeben.
Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn es im konkreten Fall auf eine
konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage ankommt, die über den von der ersten
Instanz entschiedenen Fall hinausgeht und an deren Klärung daher im Interes-
se der Einheit oder der Fortbildung des Rechts auch für vergleichbare Fälle ein
Interesse besteht (BVerfG NVwZ 2010, 434, 641; BVerwG NVwZ 2005, 709;
Dietz, in Gärditz, VwGO, § 124 Rn. 40 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind
gerade nicht gegeben, wenn die Streitfrage bereits in der obergerichtlichen
Rechtsprechung geklärt ist (Dietz aaO).
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Das Vorliegen solcher Tatsachen- oder Rechtsfragen ist in Bezug auf die
die Disziplinarmaßnahme rechtfertigende Amtspflichtverletzung des Verstoßes
gegen § 54b Abs. 3 Satz 8 BeurkG weder dargetan noch ersichtlich.
3. Der Zulassungsgrund aus § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (hier i.V.m. § 105
BNotO; § 64 Abs. 2 Satz 2 BDG) - Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem
die angefochtene Entscheidung beruhen kann - greift im Hinblick auf das zu
II.1. Ausgeführte ebenfalls nicht ein. Verfahrensmängel im Zusammenhang mit
der dort genannten Amtspflichtverletzung sind nicht dargetan und auch nicht
ersichtlich.
Soweit der Kläger auf Verfahrensmängel in Bezug auf den der Ziffer 4
der Disziplinarverfügung zugrunde gelegten Sachverhalt abstellen will, würde
das Urteil des Oberlandesgerichts darauf nicht beruhen (vgl. II.1.).
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III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111b Abs. 1 BNotO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 111g Abs. 1 Satz 1
BNotO in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.
Galke Diederichsen Radtke
Strzyz Frank
Vorinstanz:
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 23.04.14 - 2 Not 6/13
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