Urteil des BGH vom 07.06.2016

Ablauf der Frist, Unterzeichnung, Kartellrecht, Auflage

ECLI:DE:BGH:2016:070616BKVZ53.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
KVZ 53/15
vom
7. Juni 2016
in der Kartellverwaltungssache
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juni 2016 durch die
Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Beschwerde der Betroffenen gegen die Nichtzulassung der
Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 1. Kartellsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. September 2015 wird zu-
rückgewiesen.
Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einschließ-
lich der außergerichtlichen Kosten des Bundeskartellamts trägt die
Betroffene.
Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird
auf 1,5 Millionen Euro festgesetzt.
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Gründe:
I.
Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 26. Februar 2015 gemäß
§ 32 GWB festgestellt, dass die Betroffene gegen § 1 GWB verstoße, indem sie bei
der Vermietung von Räumen an Markenhersteller in dem von ihr betriebenen Ein-
kaufszentrum Vertragsklauseln verwendet, die ein Wettbewerbsverbot vorsehen. Der
Beschluss ist der Betroffenen am 3. März 2015 zugestellt worden. Sie hat noch am
selben Tag Beschwerde eingelegt. Am 4. Mai 2015, einem Montag, ist ein das
Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Telefax beim Beschwerdegericht einge-
gangen. Im Rubrum dieses Schriftsatzes werden als Verfahrensbevollmächtigte der
Betroffenen
„ P.
und
K. ,
Rechtsanwälte
LLP“ genannt. Am Ende des Schriftsatzes sind die Namen dieser
beiden Anwälte maschinenschriftlich wiedergegeben. Darüber befindet sich eine
handschriftlich geleistete Unterschrift, welcher ebenfalls handschriftlich der Zusatz
„i.A.“ vorangestellt ist. Auf Anfrage des Vorsitzenden des Beschwerdesenats teilte
Rechtsanwalt K. mit, die Unterschrift stamme von Rechtsanwalt M. , ei-
nem angestellten Anwalt der LLP. Der Vorsitzende wies die Verfahrensbeteiligten mit
Verfügung vom 12. August 2015 darauf hin, dass fraglich sei, ob die Frist zur Be-
gründung der Beschwerde gewahrt worden sei, und gab Gelegenheit zur Stellung-
nahme. Die Betroffene hat daraufhin vorgetragen, Rechtsanwalt M. sei bereits
vor Einreichung der Beschwerdebegründung von ihr formlos bevollmächtigt worden,
zudem sei ihm von den Rechtsanwälten P. und K. formlos Untervoll-
macht erteilt worden. Zugleich hat die Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand beantragt und eine Beschwerdebegründung mit den Unterschriften von
P. und K. vorgelegt.
Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Betroffenen auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zurückgewiesen, die Beschwerde als unzulässig verworfen und
die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
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Die Betroffene wendet sich gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde,
soweit ihre Beschwerde als unzulässig verworfen worden ist. Das Bundeskartellamt
und die Beigeladene haben von einer Äußerung abgesehen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen
für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 1 GWB liegen
nicht vor.
1. Ein bestimmender Schriftsatz in einem dem Anwaltszwang unterliegenden
Verfahren muss grundsätzlich von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterzeichnet
sein, der bei dem betreffenden Gericht auftreten darf und Prozessvollmacht hat. Das
Erfordernis einer solchen Unterschrift stellt sicher, dass der Unterzeichner die Ver-
antwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt. Wird die Unterschrift lediglich
mit dem Zusatz „i.A.“ geleistet, gibt der Rechtsanwalt damit nach der vom Beschwer-
degericht zutreffend wiedergegebenen gefestigten Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zu erkennen, dass er nicht die Verantwor-
tung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen, sondern gegenüber dem Gericht
nur als Erklärungsbote auftreten will. Der Frage, ob diese Rechtsprechung auch für
das kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren Geltung beansprucht, kommt keine
grundsätzliche Bedeutung zu. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt weder abwei-
chende Entscheidungen der allgemeinen oder der besonderen Verwaltungsgerichts-
barkeit auf noch legt sie dar, dass diese Rechtsprechung in der kartellverwaltungsge-
richtlichen Rechtsprechung und Literatur in Zweifel gezogen wird. In einer Entschei-
dung aus dem Jahr 1985 ist der Kartellsenat des Kammergerichts ohne Weiteres
davon ausgegangen, dass für das kartellverwaltungsgerichtliche Verfahren die glei-
chen Regeln für bestimmende Schriftsätze gelten wie für die anderen Gerichtszweige
(KG WuW/E OLG 3675, 3676). Die Kommentarliteratur sieht das nicht anders
(Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 5. Auflage, § 66 Rn. 3; Lembach in Lan-
gen/Bunte, Deutsches Kartellrecht, 12. Auflage, § 66 Rn. 13; Bracher in Frankfurter
Kommentar zum Kartellrecht, Stand Mai 2009, § 66 GWB Rn. 11). Soweit in der
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Rechtsprechung die Bedeutung des Zusatzes „i.A.“ bei der Unterzeichnung durch
den Mitarbeiter einer Behörde abweichend beurteilt wird, ist dies durch die sachli-
chen Unterschiede zwischen einer hierarchisch strukturierten Behörde und einer An-
waltskanzlei gerechtfertigt.
2. Der von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter als grundsätzlich angese-
henen Rechtsfrage, ob bei der Prüfung der Stellung des
mit dem Zusatz „i.A.“ unter-
zeichnenden Rechtsanwalts auch Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Ge-
richt erst nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung bekannt werden oder
hätten werden müssen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs ist die Klärung der Identität und Postulationsfä-
higkeit zu einem späteren Zeitpunkt nur dann zulässig, wenn bis zum Fristablauf klar
ist, dass die Unterschrift von einem Rechtsanwalt stammt (BGH, Beschluss vom
26. April 2012 - VII ZB 83/10 Rn. 11, NJW-RR 2012, 1139; Beschluss vom
25. September 2012 - VIII ZB 22/12 Rn. 14, NJW 2013, 237). Nach den nicht ange-
griffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts war diese Voraussetzung im Streit-
fall nicht erfüllt. Im Übrigen wäre die Unterschrift von Rechtsanwalt M. wegen
der Verwendung des Zusatzes „i.A.“ auch dann unzureichend, wenn bereits bei Ab-
lauf der Frist zur Beschwerdebegründung seine Identität und seine Zulassung als
Rechtsanwalt bekannt gewesen wären.
3. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Si-
cherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Mit seiner Beurteilung, dass im
Streitfall nicht die Voraussetzungen vorliegen, unter denen das Fehlen einer Unter-
schrift des Rechtsanwalts ausnahmsweise unschädlich ist, weicht das Beschwerde-
gericht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Insbesondere rechtfer-
tigt der Umstand, dass beim Beschwerdegericht bereits zuvor ein von P. und
K. unterzeichneter Schriftsatz eingegangen war, mit dem der Antrag auf An-
ordnung der aufschiebenden Wirkung begründet wurde und der in weiten Teilen mit
der Beschwerdebegründung identisch ist, keine andere Beurteilung. Nachdem diese,
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wie die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Abrede stellt, von dem früheren Schrift-
satz nicht unerheblich abweicht, musste das Beschwerdegericht aus dessen Unter-
zeichnung durch die genannten Rechtsanwälte nicht den Schluss ziehen, dass sie
auch die Verantwortung für den Inhalt der Beschwerdebegründung übernehmen woll-
ten.
Limperg
Meier-Beck
Kirchhoff
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.09.2015 - VI-Kart 3/15 (V) -