Urteil des BGH vom 08.12.2011

Leitsatzentscheidung zu Zwangsvollstreckung, Spanien, Anfechtungsklage, Grundstück, Aufrechnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 33/11
Verkündet am:
8. Dezember 2011
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
AnfG §§ 2, 4, 19
a) Die Anfechtung der Übereignung eines in Deutschland belegenen Grundstücks
ist nach dem deutschen Recht der Gläubigeranfechtung zu beurteilen.
b) Der Anfechtungsgläubiger muss sich nicht auf die Aufrechnung gegen Ansprüche
des Schuldners verweisen lassen, wenn diese ernsthaft zweifelhaft sind oder erst
in Zukunft in monatlich wiederkehrenden, im Verhältnis zur Gesamtsumme ge-
ringen Teilbeträgen entstehen.
c) Der Anfechtungsgläubiger kann bereits vor Durchführung der Zwangsvollstre-
ckung gegen den Schuldner in dem Umfang Anfechtungsklage erheben, in dem
eine Befriedigung durch Zugriff auf das Schuldnervermögen nicht zu erwarten ist.
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d) Die Übertragung des Hälfteanteils eines zuvor je zur Hälfte im Eigentum beider
Ehegatten stehenden Grundstücks an den anderen Ehegatten ist unentgeltlich,
wenn die gleichzeitig getroffene Vereinbarung über einen Zugewinnausgleich im
Falle der Durchführung dem übertragenden Ehegatten keinen Vorteil verschafft.
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - IX ZR 33/11 - KG Berlin
LG Berlin
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammerge-
richts in Berlin vom 3. Februar 2011 - berichtigt durch Beschluss
vom 31. März 2011 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewie-
sen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Ehemann der Beklagten (fortan: Schuldner) war Vorstandsvorsitzen-
der der klagenden Genossenschaft. Am 27. Mai 2002 schlossen der Aufsichts-
ratsvorsitzende der Klägerin und der Schuldner einen Vertrag zur Aufhebung
des Anstellungsverhältnisses des Schuldners zum 31. Dezember 2002. In der
Folgezeit zahlte die Klägerin an den Schuldner einen Betrag von 510.366,25
als Abfindung und Übergangsgeld. Mit ihrer Anfang Juli 2004 zugestellten Klage
nahm die Klägerin den Schuldner im Vorprozess auf Rückzahlung dieses Be-
trags in Anspruch.
Im Jahr 2004 waren die Beklagte und der Schuldner jeweils hälftige Mit-
eigentümer des Hausgrundstücks E. Straße in Berlin. Der Schuldner hielt
sich bereits zu diesem Zeitpunkt überwiegend in Spanien auf. Mit notariell beur-
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kundetem Vertrag vom 26. Juli 2004 vereinbarten die Eheleute, dass der hälfti-
ge Miteigentumsanteil des Schuldners auf die Beklagte übertragen werden sol-
le. Mit gesonderter notarieller Urkunde vom selben Tag trafen die Beklagte und
der Schuldner eine Vereinbarung über ihren Güterstand der Zugewinngemein-
schaft. Demnach sollten im Falle der Durchführung des Zugewinnausgleichs
das genannte Berliner Grundstück sowie nicht näher bezeichnete Kontogutha-
ben bei deutschen Banken dem Anfangsvermögen der Beklagten zugerechnet
werden. Ebenfalls sollten nicht näher bezeichnete Geschäftsanteile, Geschäfts-
beziehungen und Gewinnerwartungen aus den geschäftlichen Aktivitäten des
Schuldners in Spanien sowie dessen Guthaben bei spanischen Banken dem
Anfangsvermögen des Schuldners zugerechnet werden. Bislang ist die Ehe
nicht geschieden.
Mit Urteil vom 17. März 2008 (WM 2008, 1021) verurteilte der Bundesge-
richtshof den Schuldner zur Rückzahlung des als Abfindung und Übergangs-
geld geleisteten Betrags nebst Zinsen und führte zur Begründung aus, der Ver-
trag zur Aufhebung des Anstellungsverhältnisses des Schuldners sowie die
Vereinbarung über die Abfindung und das Übergangsgeld seien unwirksam.
Der Schuldner zahlte nicht, sondern erklärte die Aufrechnung mit Vergütungs-
ansprüchen in Höhe von 785.850
€, welche ihm aus seiner fortbestehenden
Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der Klägerin für den Zeitraum Januar
2003 bis Juni 2008 zustünden.
Im Juni 2008 meldete sich der Schuldner von der bisherigen Meldean-
schrift in der E. Straße in Berlin nach Spanien ab. In der Folgezeit versuchte
die Klägerin vergeblich, gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung unter
dieser Berliner Anschrift zu betreiben. Auf der Grundlage der im Berufungs-
rechtszug erfolgten Angaben der Beklagten ermittelte die Klägerin ein mit einer
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Finca bebautes Grundstück in Spanien sowie eine Gesellschaft nach spani-
schem Recht, deren Eigentümer beziehungsweise Alleingesellschafter der
Schuldner ist. Die Klägerin betreibt nun in Spanien die Zwangsvollstreckung in
diese Vermögensgegenstände.
Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Gläubigeranfechtung auf
Duldung der Zwangsvollstreckung in das Hausgrundstück in Berlin in Anspruch.
Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht und teilweiser Klagerück-
nahme im Berufungsrechtszug hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt,
wegen einer letztstelligen Teilforderung in Höhe von 200.000
€ aus dem Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2008 die Zwangsvollstreckung in das
Grundstück E. Straße in Berlin zum Zwecke der Befriedigung aus der Hälfte
des Versteigerungserlöses zu dulden. Die weitergehende Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zu-
gelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landge-
richtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nach § 2 AnfG be-
rechtigt, die Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners an dem
streitgegenständlichen Grundstück an die Beklagte anzufechten. Der durch Ur-
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teil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2008 titulierte Anspruch der Klägerin
sei nicht durch die Aufrechnungserklärung des Schuldners erloschen. Soweit
der Schuldner die Aufrechnung mit den von ihm behaupteten Vergütungsan-
sprüchen für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im
Vorprozess erklärt habe, könne sich die Beklagte schon entsprechend § 767
Abs. 2 ZPO nicht auf die Aufrechnung berufen. Im Übrigen bestünden die vom
Schuldner zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen nicht. Da der Schuld-
ner ab Januar 2003 gegenüber der Klägerin weder Dienste erbracht noch diese
angeboten habe, könne er keine Vergütung gemäß § 615 BGB verlangen.
Die in Spanien ermittelten Vermögensgegenstände hinderten die Anfech-
tungsklage in dem nach teilweiser Klagerücknahme verbliebenen Umfang von
250.000
€ nicht. Die dem Schuldner als Alleingesellschafter gehörende Gesell-
schaft spanischen Rechts sei nach den vorgelegten Unterlagen überschuldet,
so dass die Zwangsvollstreckung keinen Erfolg verspreche. Welcher Erlös aus
der Zwangsvollstreckung in das mit einer Finca bebaute Grundstück des
Schuldners in Spanien erzielt werden könne, stehe zwar nicht fest, es sei aber
nicht anzunehmen, dass der Verwertungserlös den Betrag von 405.238,18
übersteigen werde. Weitere Vermögenswerte des Schuldners in Spanien seien
nicht ersichtlich. Da die titulierte Forderung der Klägerin gegen den Schuldner
einschließlich der bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht
aufgelaufenen Zinsen 655.238,18
€ betrage, werde die Klägerin voraussichtlich
im Umfang von mindestens 250.000
€ mit ihrer Forderung ausfallen.
Die Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners an die Beklag-
te sei gemäß § 4 AnfG als unentgeltliche Leistung anfechtbar, weil dieser keine
werthaltige Gegenleistung der Beklagten gegenüberstehe. Die Vereinbarung
über die Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Anfangsvermögen sei
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nur für die Durchführung des Zugewinnausgleichs im Falle der Ehescheidung
von Bedeutung und stelle jedenfalls dann keine werthaltige Gegenleistung dar,
wenn die Scheidung der Ehe nicht erfolge. Eine hinreichend bestimmte Ver-
pflichtung der Beklagten, Vermögensgegenstände an den Schuldner zu über-
tragen, sei dieser Vereinbarung nicht zu entnehmen. Soweit die Beklagte darle-
ge, durch gesonderten Vertrag die in Spanien gelegenen Vermögensbestand-
teile an den Schuldner übertragen zu haben, fehle es an schlüssiger Darlegung
solcher Übertragungsakte durch die Beklagte. Dabei obliege der Beklagten,
nähere Angaben zu einer von ihr erbrachten Gegenleistung zu machen, auch
wenn die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür treffe, dass der Mitei-
gentumsanteil unentgeltlich übertragen worden sei.
II.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung
stand.
1. Die Vertretung der Klägerin im Rechtsstreit, welche auch im Revisi-
onsverfahren von Amts wegen geprüft wird (BGH, Urteil vom 28. Februar 2005
- II ZR 220/03, WM 2005, 888, 889; vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, WM
2009, 702 Rn. 6, 9), ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist im Rechtsstreit
sowohl durch den Vorstand als auch durch den Aufsichtsrat vertreten worden.
Es kann daher offen bleiben, ob die dem Aufsichtsrat obliegende Vertretung der
Genossenschaft in Rechtsstreitigkeiten gegen gegenwärtige oder ehemalige
Vorstandsmitglieder gemäß § 39 Abs. 1 GenG (BGH, Urteil vom 26. Juni 1995
- II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 111 ff) auch den Fall einer Klage gegen die
Ehefrau eines ehemaligen Vorstandsmitglieds umfasst, mit welcher im Wege
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der Gläubigeranfechtung Ansprüche durchgesetzt werden sollen, die im frühe-
ren Anstellungsverhältnis der Genossenschaft mit dem Ehemann wurzeln (vgl.
zur Vertretung einer Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat gemäß § 112
AktG im Rechtsstreit gegen die Witwe eines Vorstandsmitglieds BGH, Urteil
vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05, WM 2006, 2308 Rn. 6).
2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
Klageforderung nach dem deutschen Recht der Gläubigeranfechtung zu beur-
teilen ist.
Entgegen der von der Revision vertretenen Rechtsauffassung bestimmt
sich das anwendbare Anfechtungsrecht nicht nach dem Wohnsitz des Schuld-
ners. Eine solche kollisionsrechtliche Anknüpfung ist zwar in der Vergangenheit
durch den Bundesgerichtshof erwogen worden (Urteil vom 5. November 1980
- VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318, 321 ff), kommt jedoch nicht mehr in Betracht,
nachdem das in Fällen mit Auslandsberührung anwendbare Recht der Gläubi-
geranfechtung durch die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Vorschrift des
§ 19 AnfG gesetzlich geregelt worden ist. Die Anfechtbarkeit einer Rechtshand-
lung außerhalb des Insolvenzverfahrens beurteilt sich nun nach dem Recht,
welchem die Wirkungen der Rechtshandlung unterliegen. Besteht die angefoch-
tene Rechtshandlung darin, dass ein Vermögensgegenstand des Schuldners an
einen Dritten übertragen worden ist, so bestimmt sich die Anfechtbarkeit nach
dem Recht, welches für die Wirksamkeit des Übertragungsakts maßgeblich ist
(OLG Düsseldorf, IPRax 2000, 534, 537; OLG Schleswig, OLGR 2004, 226,
227; OLG Düsseldorf, ZInsO 2010, 1934, 1936; Kemper in Kübler/Prütting/Bork,
InsO, Stand: August 1998, § 19 AnfG Rn. 9; Huber, AnfG, 10. Aufl., § 19 Rn. 9;
Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 19
AnfG Rn. 5; Kubis, IPRax 2000, 501, 505 f; Koch, IPRax 2007, 466, 468; ders.,
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IPRax 2008, 417, 418). Im Falle der Übertragung des Rechts an einem Grund-
stück bestimmt sich die Anfechtbarkeit entsprechend der Vorschrift des Art. 43
EGBGB nach dem Recht des Orts, an welchem das Grundstück belegen ist
(vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2007, 1966, 1967), im Streitfall folglich nach deutschem
Recht.
3. Nach der Regelung des § 2 AnfG ist ein Gläubiger zur Anfechtung be-
rechtigt, wenn dieser einen vollstreckbaren Schuldtitel über eine fällige Forde-
rung gegen den Schuldner besitzt und die Zwangsvollstreckung in dessen Ver-
mögen voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung führen wird.
Das Vorliegen dieser Rechtsschutzvoraussetzungen, von welchen die Zulässig-
keit der Anfechtungsklage abhängt (BGH, Urteil vom 2. März 2000 - IX ZR
285/99, WM 2000, 931, 932), hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht.
a) Die Aufrechnungserklärung des Schuldners gegen die Forderung der
Klägerin hindert die Zulässigkeit der Anfechtungsklage nicht.
aa) Der Anfechtungsgegner kann gegen das Bestehen der titulierten
Forderung des Gläubigers nur solche Einwendungen erheben, welche auch der
Schuldner noch vorbringen könnte (BGH, Urteil vom 11. November 1970
- VIII ZR 242/68, BGHZ 55, 20, 28; vom 23. Februar 1984 - IX ZR 26/83, BGHZ
90, 207, 210; vom 19. November 1998 - IX ZR 116/97, WM 1999, 33, 34; vom
16. August 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 23). Nach der Regelung
des § 767 Abs. 2 ZPO kann der Schuldner eines durch Urteil festgestellten An-
spruchs gegen die Zwangsvollstreckung nicht den Einwand der Aufrechnung
vorbringen, wenn sich die beiderseitigen Forderungen bereits zum Zeitpunkt der
letzten Tatsachenverhandlung aufrechenbar gegenüber gestanden haben
(BGH, Urteil vom 30. März 1994 - VIII ZR 132/92, BGHZ 125, 351, 352 f mwN;
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vom 16. August 2007 aaO Rn. 25). Die Beklagte kann sich daher nicht auf die
Aufrechnung des Schuldners mit solchen Ansprüchen berufen, welche bis zum
Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung im Vorprozess am
9. August 2006 fällig geworden sind.
bb) Für den gemäß § 767 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen Zeit-
raum nach dem 9. August 2006 standen dem Schuldner die im Wege der Auf-
rechnung geltend gemachten Vergütungsansprüche nicht zu.
Der zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Klägerin und dem
Schuldner mit Wirkung zum 1. Januar 2003 geschlossene Aufhebungsvertrag
war unwirksam (BGH, Urteil vom 17. März 2008 - II ZR 239/06, WM 2008, 1021
Rn. 10 ff), so dass das Anstellungsverhältnis des Schuldners mit der Klägerin
durch diese Vereinbarung nicht beendet worden ist. Das bis zum 31. Mai 2006
befristete Anstellungsverhältnis hat jedenfalls über diesen Zeitpunkt hinaus
nicht mehr fortbestanden. Entgegen der vom Schuldner in seiner Aufrech-
nungserklärung vom 27. Juni 2008 vertretenen Rechtsauffassung ergibt sich
der Fortbestand des Anstellungsvertrages nicht aus dessen Bestimmung, wo-
nach sich dieses Vertragsverhältnis stillschweigend um jeweils ein Jahr verlän-
gert, wenn es nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende
von einer Seite gekündigt worden ist.
Da die Klägerin nach der Niederlegung des Vorstandsamts durch den
Schuldner am 13. Juni 2002 einen anderen Vorstandsvorsitzenden bestellte
und damit die satzungsmäßige Anzahl von Vorstandsmitgliedern wieder erreicht
war, musste der Schuldner erkennen, dass die Klägerin dessen weitere Tätig-
keit als Vorstandsvorsitzender ablehnte. Auch die Beklagte hat vorgetragen, der
Schuldner habe davon ausgehen dürfen, dass seine Dienste nicht mehr er-
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wünscht seien. Angesichts des Umstands, dass sich der Schuldner nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls seit dem Jahr 2004 überwie-
gend in Spanien aufgehalten hat, war aus der Sicht der Klägerin nicht zu erwar-
ten, dass der Schuldner an einer Wiederaufnahme seiner Vorstandstätigkeit
überhaupt interessiert war. Auch wenn im Vorprozess über die Wirksamkeit der
Vereinbarungen gestritten worden ist, welche der Aufsichtsratsvorsitzende der
Klägerin und der Schuldner im Rahmen von dessen Ausscheiden aus dem Vor-
standsamt getroffenen haben, konnte der Schuldner keinesfalls den Willen der
Klägerin annehmen, das Anstellungsverhältnis - im Fall der Unwirksamkeit des
Aufhebungsvertrags - über dessen Befristung zum 31. Mai 2006 hinaus fortzu-
führen. Damit ist der Anstellungsvertrag jedenfalls zum 31. Mai 2006 beendet
worden.
Die vom Schuldner in der Aufrechnungserklärung vom 27. Juni 2008 ver-
tretene Auffassung, sein Anstellungsverhältnis mit der Klägerin dauere aufgrund
stillschweigender Verlängerung bis zu jenem Zeitpunkt an, ist auch vom
Schuldner selbst in der Folgezeit aufgegeben worden. In dem vom Schuldner
gegen die hiesige Klägerin angestrengten Rechtsstreit hat der Schuldner aus-
weislich der dortigen Klageschrift vom 17. November 2009, welche die Beklagte
vorgelegt hat, dargelegt, sein Anstellungsverhältnis mit der Klägerin sei or-
dentlich zum 31. Mai 2006 beendet worden.
b) Die vom Schuldner behaupteten Gegenansprüche hindern die Zuläs-
sigkeit der Anfechtungsklage auch nicht deshalb, weil die Klägerin hiergegen
die Aufrechnung mit ihrer Forderung aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 17. März 2008 erklären könnte.
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Der Umstand, dass sich der Schuldner und damit auch die Beklagte ent-
sprechend § 767 Abs. 2 ZPO nicht auf den Aufrechnungseinwand berufen kön-
nen, soweit die Aufrechnungslage bereits am 9. August 2006 bestanden hat,
hindert allerdings die Klägerin nicht, ihrerseits gegenüber dem Schuldner die
Aufrechnung zu erklären. Der Gläubiger muss grundsätzlich vorrangig gegen-
über der Anfechtung eine im Verhältnis zum Schuldner bestehende Aufrech-
nungsmöglichkeit wahrnehmen. Soweit sich der Anfechtungsgläubiger durch
Aufrechnung gegenüber dem Schuldner befriedigen kann, ist die Bereitstellung
des vom Schuldner weggegebenen Vermögenswerts zur Befriedigung des
Gläubigers nicht gemäß § 11 Abs. 1 AnfG erforderlich (BGH, Urteil vom 16. Au-
gust 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 44 f). Der Anfechtungsgläubiger
muss sich aber nicht auf die Möglichkeit einer Aufrechnung gegenüber dem
Schuldner verweisen lassen, wenn die Forderung des Schuldners ernsthaft be-
stritten ist (BGH, Urteil vom 16. August 2007, aaO Rn. 52 f). Eine möglicher-
weise bestehende Aufrechnungslage steht der Anfechtungsklage daher nicht
entgegen, weil das Bestehen der vom Schuldner behaupteten Forderungen ge-
gen die Klägerin ernstlich zweifelhaft ist.
aa) Soweit sich der Schuldner eines Anspruchs auf Zahlung der verein-
barten Vergütung als Vorstandsvorsitzender für den Zeitraum vom 1. Januar
2003 bis zum 31. Mai 2006 berühmt, begegnet dieser Anspruch nach Grund
und Höhe in mehrfacher Hinsicht rechtlichen Bedenken. Wenn unterstellt wird,
dass das Anstellungsverhältnis des Schuldners mit der Klägerin wegen der Un-
wirksamkeit des Aufhebungsvertrags vom 27. Mai 2002 bis zum 31. Mai 2006
nicht anderweitig beendet worden ist, scheidet zwar ein Vergütungsanspruch
gemäß § 615 Satz 1 BGB für diesen Zeitraum nicht notwendig schon deshalb
aus, weil der Schuldner seine Dienstleistung nicht mehr angeboten hat. Denn
ein Leistungsangebot ist zur Begründung von Annahmeverzug nicht erforder-
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lich, wenn die dienstberechtigte Gesellschaft zu erkennen gibt, den Vorstand
keinesfalls weiter beschäftigen zu wollen, was insbesondere dann der Fall sein
kann, wenn die Gesellschaft einen anderen Vorstand eingesetzt hat (vgl. zum
GmbH-Geschäftsführer BGH, Urteil vom 28. Oktober 1996 - II ZR 14/96,
NJW-RR 1997, 537, 538 a.E.; vom 9. Oktober 2000 - II ZR 75/99, WM 2000,
2384, 2385). Nahe liegend ist, dass dem Annahmeverzug der Klägerin die feh-
lende Leistungsbereitschaft des Schuldners entgegensteht (§ 297 BGB), nach-
dem dieser sich jedenfalls seit dem Jahr 2004 überwiegend in Spanien aufge-
halten und beruflich neu orientiert hat. Auf einen gegebenenfalls bestehenden
Vergütungsanspruch müsste sich der Schuldner schließlich nach der Regelung
des § 615 Satz 2 BGB seine anderweitig bestandenen Erwerbsmöglichkeiten
anrechnen lassen. Im Hinblick auf diese Ungewissheit bedeutet die von der Be-
klagten behauptete Aufrechnungslage keine gegenüber der Gläubigeranfech-
tung vorrangig zu nutzende Befriedigungsmöglichkeit.
bb) Die Klägerin muss sich auch nicht auf die Aufrechnung mit ihrer For-
derung gegen die Ansprüche des Schuldners verweisen lassen, welche diesem
während des Revisionsverfahrens durch das Landgericht Berlin zuerkannt wor-
den sind.
Wie die Revision vorbringt, hat das Landgericht Berlin die Klägerin mit
Urteil vom 6. Juli 2011 verurteilt, an den Schuldner ein monatliches Ruhegeld in
Höhe von 6.286,36
€ zu zahlen, erstmals zum 1. Juli 2011. Zwar kann neuer
Sachvortrag im Revisionsverfahren trotz der Regelung des § 559 Abs. 1 Satz 1
ZPO ausnahmsweise beachtlich sein, wenn das Vorbringen unstreitig ist und
schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen (BGH, Urteil
vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214, 220 f; vom 29. Juni 2004
- IX ZR 201/98, WM 2004, 1648, 1654). Ob der neue Vortrag berücksichti-
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gungsfähig ist, kann jedoch dahinstehen, weil auch die nun vorgebrachte Auf-
rechnungsmöglichkeit die Zulässigkeit der Anfechtungsklage nicht berührt.
Zum einen steht schon nicht fest, ob dieses Urteil Bestand hat. Zum an-
deren muss sich die Klägerin auf die Möglichkeit, künftig mit ihrer Forderung
gegen die monatlich wiederkehrenden Ansprüche des Schuldners gemäß dem
landgerichtlichen Urteil vom 6. Juli 2011 aufzurechnen, nicht verweisen lassen
(vgl. zur künftigen Pfändung laufender Bezüge des Schuldners BGH, Urteil vom
22. September 1982 - VIII ZR 293/81, WM 1982, 1259, 1260). Maßgeblicher
Zeitpunkt für die Unzulänglichkeit des Schuldnervermögens im Sinne der Rege-
lung des § 2 AnfG ist der Schluss der letzten mündlichen Verhandlung (BGH,
Urteil vom 27. September 1990 - IX ZR 67/90, WM 1990, 1981, 1982; Huber,
AnfG, 10. Aufl., § 2 Rn. 22; Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand: Febru-
ar 2000, § 2 AnfG Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR
226/94, WM 1996, 1649, 1652). Liegt zu diesem Zeitpunkt kein ausreichendes
Schuldnervermögen vor, so ist eine Anfechtungsklage auch dann zulässig,
wenn die Möglichkeit besteht, dass das Schuldnervermögen zu einem späteren
Zeitpunkt für die Befriedigung des Gläubigers ausreichen wird (Huber, aaO).
c) Die Anfechtungsklage ist im Umfang der Verurteilung durch das Beru-
fungsgericht auch nicht deshalb unzulässig, weil die Gläubigerin voraussichtlich
durch Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner in Spanien einen Teil
ihrer Forderung wird durchsetzen können.
aa) Der Anfechtungsgläubiger kann einen Dritten gemäß § 11 Abs. 1
Satz 1 AnfG nur insoweit in Anspruch nehmen, als dies zur Befriedigung des
Gläubigers erforderlich ist. Es steht nicht im Belieben des Gläubigers, den
Schuldner zu schonen und stattdessen den Empfänger von Zuwendungen des
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Schuldners in Anspruch zu nehmen (BGH, Urteil vom 27. September 1990
- IX ZR 67/90, WM 1990, 1981, 1983; vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, WM
1996, 1649, 1651). Soweit der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung
gegen den Schuldner Befriedigung erlangen kann, kommt eine Anfechtungskla-
ge daher nicht in Betracht. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffas-
sung folgt aus dem Vorrang der Inanspruchnahme des Schuldners aber nicht,
dass der Gläubiger eine Anfechtungsklage erst erheben kann, nachdem er
sämtliche Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Schuldner ausgeschöpft hat.
Nach der Regelung des § 2 AnfG ist eine Anfechtungsklage nicht nur
dann zulässig, wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner erfolglos
geblieben ist, sondern auch dann, wenn anzunehmen ist, dass die Zwangsvoll-
streckung nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wer-
de. Entgegen der vom Reichsgericht vertretenen Auffassung (RGZ 22, 44, 48)
folgt hieraus allerdings nicht, dass ein Gläubiger seine gesamte Forderung im
Wege der Gläubigeranfechtung gegen einen Dritten durchsetzen kann, sofern
das Schuldnervermögen zwar die Gläubigerforderung nicht vollständig abdeckt,
jedoch ein Teilbetrag gegenüber dem Schuldner durchgesetzt werden kann. Die
Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner ist vielmehr grundsätzlich auch
dann vorrangig gegenüber der Gläubigeranfechtung, wenn diese nur eine Teil-
befriedigung des Gläubigers verspricht. Hinsichtlich des Teilbetrags, welchen
der Gläubiger gegenüber dem Schuldner durchsetzen kann, ist die Inanspruch-
nahme eines Dritten im Wege der Anfechtungsklage nicht zulässig (BGH, Urteil
vom 16. August 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 49). Kann der Anfech-
tungsgläubiger aus Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner
noch einen Erlös erzielen, so ist im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen ei-
nen Dritten folglich eine Prognose anzustellen, in welcher Höhe der Anfech-
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tungsgläubiger hieraus Befriedigung erwarten kann (vgl. BGH, Urteil vom
27. Juni 1979 - VIII ZR 297/77, WM 1979, 977, 978).
Entgegen der Rechtsauffassung der Revision hindert der Umstand, dass
pfändbares Vermögen des Schuldners vorhanden ist, eine Anfechtungsklage
jedoch nicht für den Teil der Forderung, welchen der Gläubiger gegenüber dem
Schuldner voraussichtlich nicht wird durchsetzen können (BGH, Urteil vom
16. August 2007, aaO Rn. 49, 54). Wenn aufgrund des unzureichenden
Schuldnervermögens feststeht, dass der Empfänger einer Zuwendung die
Zwangsvollstreckung in den erworbenen Gegenstand zu dulden haben wird, so
besteht kein schutzwürdiges Interesse dieses Dritten, erst nach Abschluss der
Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner in Anspruch genommen zu
werden. Der Gläubiger müsste hingegen befürchten, die gesetzlichen Anfech-
tungsfristen zu versäumen, wenn er eine Anfechtungsklage erst nach Aus-
schöpfung aller Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Schuldner erheben
könnte. Entgegen der Auffassung der Revision schützt die Möglichkeit einer
fristwahrenden Absichtsanzeige gemäß § 7 Abs. 2 AnfG den Gläubiger nicht
hinreichend gegen die Versäumung der Anfechtungsfristen. Dabei kann dahin-
stehen, ob diese Regelung über ihren Wortlaut hinaus eine fristwahrende Ab-
sichtsanzeige auch dann ermöglicht, wenn der Schuldner zwar zur vollständi-
gen Befriedigung des Gläubigers nicht in der Lage ist, jedoch eine teilweise Be-
friedigung aus dem pfändbaren Vermögen des Schuldners noch erlangt werden
kann. Gerade in solchen Fällen, in welchen - wie vorliegend - die Zwangsvoll-
streckung im Ausland vorgenommen werden muss, kann bis zum Abschluss
sämtlicher Vollstreckungsmaßnahmen auch die nach der Regelung des § 7
Abs. 2 AnfG vorgesehene Ausschlussfrist von zwei Jahren verstrichen sein.
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bb) Die Prognose, ob die bestehenden Vollstreckungsmöglichkeiten ge-
gen den Schuldner zur vollständigen Befriedigung der Klägerin führen werden,
ist auf deren gesamte fällige und titulierte Forderung zu beziehen. Entgegen der
Auffassung der Revision ist für diese Prognose hingegen ohne Bedeutung,
dass die Klägerin die Gläubigeranfechtung nach der teilweisen Klagerücknah-
me nur noch aus einem Teil ihrer titulierten Forderung betreibt. Da sich der
Gläubiger - wie ausgeführt - nach der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG
nur insoweit im Wege der Anfechtung an den Zuwendungsempfänger halten
kann, als seine Forderung gegenüber dem Schuldner nicht einbringlich ist,
muss es dem Gläubiger auch möglich sein, die Anfechtungsklage auf diesen
Teil der Forderung zu beschränken. Die von der Revision vertretene Auffas-
sung, wonach die Prognose fehlender Vollstreckungsaussichten nur auf den in
der Anfechtungsklage geltend gemachten Betrag zu beziehen sei, führte dem-
gegenüber zu dem widersinnigen Ergebnis, dass der Gläubiger die Anfech-
tungsklage zunächst aus der gesamten titulierten Forderung betreiben müsste,
diese Klage jedoch teilweise unzulässig wäre, soweit die titulierte Forderung
durch pfändbares Vermögen des Schuldners gedeckt ist.
cc) Die vom Berufungsgericht getroffene Prognose, die Klägerin werde
nach Verwertung des pfändbaren Schuldnervermögens in Spanien mit ihrer
titulierten Forderung in Höhe von mindestens 250.000
€ ausfallen, ist revisions-
rechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar hat der Gläubiger im Anfechtungsprozess zur vollen Überzeugung
des Gerichts (§ 286 ZPO) nachzuweisen, dass die Zwangsvollstreckung in das
Vermögen des Schuldners nicht zu seiner vollständigen Befriedigung führen
werde, wobei dieser Beweis nach allgemeinen Grundsätzen bei Vorliegen von
Beweisanzeichen erleichtert werden oder beim Eingreifen eines Anscheinsbe-
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- 18 -
weises als geführt gelten kann (BGH, Urteil vom 27. September 1990 - IX ZR
67/90, WM 1990, 1981, 1982; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - IX ZR
226/94, WM 1996, 1649, 1652). Wenn jedoch feststeht, dass das pfändbare
Schuldnervermögen nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers aus-
reicht, kann die Prognose, in welcher Höhe der Gläubiger in der Zwangsvoll-
streckung gegen den Schuldner mit seiner Forderung ausfallen wird, nach
Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO auf der Grundlage eines reduzierten Beweis-
maßes getroffen werden. Nach diesem Beweismaß durfte das Berufungsgericht
entgegen der Auffassung der Revision ohne die Einholung von Sachverständi-
gengutachten abschätzen, inwieweit die Klägerin mit ihrer Forderung auch nach
der Vollstreckung in die bekannten Vermögenswerte des Schuldners in Spanien
voraussichtlich ausfallen wird.
(1) Gemäß § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO
kann die Höhe einer Forderung in vermögensrechtlichen Streitigkeiten nach
dem Ermessen des Gerichts geschätzt werden, wenn die vollständige Aufklä-
rung aller hierfür maßgeblichen Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist,
die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis ste-
hen. Der Schätzung nach dieser Bestimmung unterliegen beispielsweise die
Prognose, ob ein Bürgschaftsgläubiger bei der Erteilung der Bürgschaft mit
Zahlungen des Bürgen vernünftigerweise rechnen durfte (BGH, Urteil vom
25. April 1996 - IX ZR 177/95, BGHZ 132, 328, 338), sowie die Beurteilung der
Unzulänglichkeit der Konkursmasse, wenn ein Gläubiger trotz der vom Kon-
kursverwalter angezeigten Masseunzulänglichkeit auf eine Verurteilung des
Konkursverwalters anträgt (BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 - IX ZR 191/98,
BGHZ 147, 28, 38). Auch für die Bestimmung, inwieweit ein Gläubiger voraus-
sichtlich mit seiner Forderung gegen den Schuldner ausfallen wird und daher
insoweit einen Dritten im Wege der Gläubigeranfechtung in Anspruch nehmen
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kann (§§ 2, 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG), können die verminderten Beweisanforde-
rungen nach dieser Regelung anzuwenden sein.
Die Frage, welcher Erlös aus einer Zwangsvollstreckung in bekannte
Vermögenswerte erzielt werden kann, entzieht sich naturgemäß schon deshalb
einer genauen Berechnung, weil sich die im Falle einer Versteigerung abgege-
ben Gebote nicht vorhersehen lassen. Auch die Ermittlung des Verkehrswerts
für den Fall einer freihändigen Veräußerung kann mit erheblichen Unwägbarkei-
ten behaftet sein, wenn die den Marktwert bestimmenden Eigenschaften des
Vermögensgegenstandes nicht in den Einzelheiten bekannt sind. Eine verlässli-
che Verkehrswertbeurteilung durch einen Sachverständigen setzt regelmäßig
voraus, dass dem Sachverständigen gestattet wird, den zu beurteilenden Ge-
genstand in Augenschein zu nehmen. Ein solcher Augenschein kann jedoch
nach der Regelung des § 371 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 144 ZPO
gegenüber dem Schuldner oder einem Dritten, welcher den Gegenstand in Be-
sitz hat, häufig nicht durchgesetzt werden, wenn eine Wohnung betroffen ist
(§ 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO), die Duldung nicht zumutbar ist oder der Schuldner
oder Dritte ein Zeugnisverweigerungsrecht besitzt (§ 144 Abs. 2 ZPO). Diese
Bewertungsschwierigkeiten rechtfertigen es, den Umfang der Unzulänglichkeit
des Schuldnervermögens zu schätzen, sofern eine ausreichende Tatsachen-
grundlage für die Schätzung vorhanden ist und genauere Feststellungen nicht
oder nur mit erheblichem Aufwand getroffen werden können. Nach der Rege-
lung des § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 ZPO kann damit das an-
sonsten bestehende Erfordernis entfallen, ein Sachverständigengutachten ein-
zuholen, um den voraussichtlichen Vollstreckungserlös aus der Verwertung ei-
nes Grundstücks (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1993 - IX ZR 198/92, WM
1993, 1603 f; vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 276/02, WM 2006, 490, 492) oder
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den Wert eines Unternehmens (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR
266/04, WM 2007, 1569 Rn. 9) festzustellen.
(2) Nach dem hier anwendbaren Beweismaß des § 287 Abs. 2 ZPO ist
die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die
Klägerin werde auch nach Verwertung des pfändbaren Schuldnervermögens in
Spanien mit ihrer titulierten Forderung insoweit ausfallen, als die Klägerin ihre
Anfechtungsklage im Berufungsrechtszug zuletzt noch verfolgt hat.
Das Berufungsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Verwer-
tung des mit einer Finca bebauten Grundstücks des Schuldners in Spanien un-
ter Berücksichtigung der Vollstreckungskosten keinen Reinerlös von mehr als
405.238,18
€ erbringen wird. Von der Klägerin war der Verkehrswert dieses
Hausgrundstücks auf 267.757,32
€ geschätzt worden. Die Beklagte hatte dem-
gegenüber vorgebracht, nach dem Erwerb der Finca im Jahr 1997 zu einem
Kaufpreis von umgerechnet 212.186
€ seien bis zu dem Abschluss der streitge-
genständlichen Vereinbarung zwischen dem Schuldner und der Beklagten ins-
gesamt 138.293
€ in wertsteigernde Maßnahmen investiert worden, bezogen
auf das Jahr 2004 habe der Wert dieses Hausgrundstücks daher bei mindes-
tens 350.000
€ gelegen. Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsgericht im
Wege der Schätzung die Prognose treffen, dass zum Zeitpunkt der letzten Be-
rufungsverhandlung aus einer Verwertung im Wege der Zwangsvollstreckung
kein Reinerlös von mehr als 405.238,18
€ zu erwarten sei. Die hierbei herange-
zogenen Gesichtspunkte, dass bei einer Verwertung im Rahmen der Zwangs-
versteigerung regelmäßig ein geringerer Erlös als bei freihändigem Verkauf er-
zielt werden kann und hierbei Kosten anfallen sowie der Hinweis auf den allge-
mein bekannten Preisverfall auf dem spanischen Immobilienmarkt, sind revisi-
onsrechtlich nicht zu beanstanden.
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An dieser Schätzung war das Berufungsgericht auch nicht deshalb ge-
hindert, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Januar 2011 vorgetragen hat,
ausweislich eines im Sommer 2006 erstellten Wertgutachtens habe das Grund-
stück zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 539.971
€ besessen. Die Beklagte
hat hierbei keine Anknüpfungstatsachen genannt, welche diese erhebliche
Wertsteigerung gegenüber ihrer Wertangabe für das Jahr 2004 erklärte. Sie hat
im Übrigen lediglich pauschal auf die in spanischer Sprache abgefasste Urkun-
de Bezug genommen, was den erforderlichen Sachvortrag in der Gerichtsspra-
che nicht ersetzt. Zudem ist die Wertangabe für den Sommer 2006 nicht maß-
geblich für die Frage, welcher Vollstreckungserlös zum Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 24. Januar 2011 zu er-
warten ist. Die Beklagte selbst hat im Rechtsstreit vorgetragen, aufgrund der
Banken- und Immobilienkrise in Spanien seien die Verkehrswerte spanischer
Immobilien später in sich zusammen gebrochen.
Nach dem Maßstab des § 287 Abs. 2 ZPO ist auch die tatrichterliche
Würdigung nicht zu beanstanden, eine Vollstreckung in die I. SL,
deren Alleingesellschafter der Schuldner ist, verspreche keinen Erfolg. Zwar hat
das Berufungsgericht offenbar übersehen, dass die Beklagte das nach ihrem
Vortrag im Eigentum dieser spanischen Gesellschaft stehende Grundstück im
Wert von rund 135.000
€ konkret bezeichnet hat, wie die Revision aufzeigt. Das
Berufungsgericht hat jedoch gerade darauf abgestellt, dass die Schulden dieser
Gesellschaft ausweislich der letzten zum Handelsregister eingereichten Bilanz
den Betrag von 135.000
€ deutlich übersteigen. Aus der zum Handelsregister
eingereichten Bilanz der I. SL für das Jahr 2004, auf welche das
Berufungsgericht sich bezogen hat, ergibt sich ein negatives Eigenkapital dieser
Gesellschaft in Höhe von über 170.000
€, für die Folgejahre hat die Gesell-
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schaft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Jahresabschluss
mehr zum Handelsregister eingereicht. Auf dieser Tatsachengrundlage konnte
das Berufungsgericht nach dem Maßstab des § 287 Abs. 2 ZPO die Aussichts-
losigkeit einer Vollstreckung in die Gesellschaftsanteile des Schuldners anneh-
men. Die Revision zeigt keinen weiteren Sachvortrag zu Anknüpfungstatsachen
auf, aufgrund derer das Berufungsgericht die Vollstreckungsaussichten - gege-
benenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen - zuverlässiger hätte ermitteln kön-
nen.
4. Die Anfechtungsklage ist auch begründet, soweit das Berufungsgericht
dieser stattgegeben hat.
a) Die Übertragung des Miteigentumsanteils des Schuldners an dem
streitgegenständlichen Grundstück ist gemäß § 4 Abs. 1 AnfG als unentgeltliche
Leistung anfechtbar.
Eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne der anfechtungsrechtlichen
Bestimmungen (§ 4 Abs. 1 AnfG, § 134 Abs. 1 InsO) liegt im Zwei-Personen-
Verhältnis vor, wenn der Empfänger vereinbarungsgemäß keine angemessene
Gegenleistung an den Schuldner zu erbringen hat (BGH, Urteil vom 3. März
2005 - IX ZR 441/00, BGHZ 162, 276, 279; vom 16. August 2007 - IX ZR 63/06,
BGHZ 173, 328 Rn. 55; vom 16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174,
228 Rn. 8). Dies hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht.
aa) Die Übertragung der Miteigentumshälfte an die Beklagte erfolgte
nicht deshalb entgeltlich, weil die Beklagte und der Schuldner hierdurch sowie
durch die mit gesonderter notarieller Urkunde vom 26. Juli 2004 getroffene Ver-
einbarung den Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgestaltet haben.
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(1) Eine Zuwendung unter Ehegatten, die um der Ehe willen oder als Bei-
trag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft
erbracht wird und darin ihre Geschäftsgrundlage hat, stellt keine Schenkung
dar, sondern eine ehebedingte Zuwendung (BGH, Urteil vom 9. Juli 2008
- XII ZR 179/05, BGHZ 177, 193 Rn. 15 mwN). Anfechtungsrechtlich ist die Ab-
grenzung zwischen Schenkungen und ehebedingten Zuwendungen jedoch
nicht maßgeblich. Allein der Umstand, dass die Übertragung eines Vermögens-
gegenstandes im Rahmen einer ehebedingten Zuwendung erfolgt ist, stellt kei-
ne Gegenleistung dar, welche die Unentgeltlichkeit des Empfangs im Sinne der
anfechtungsrechtlichen Vorschriften ausschließt (BGH, Urteil vom 21. Januar
1999 - IX ZR 429/97, WM 1999, 394, 395; vom 17. Juli 2008 - IX ZR 245/06,
WM 2008, 1695 Rn. 9). In der Insolvenz eines Ehegatten sind güterrechtliche
Vereinbarungen (§ 1408 Abs. 1 BGB) nicht anders zu behandeln als schuld-
rechtliche Vereinbarungen zwischen Eheleuten (BGH, Urteil vom 1. Juli 2010
- IX ZR 58/09, WM 2010, 1659 Rn. 13). Für die Anfechtbarkeit einer Zuwen-
dung zwischen Eheleuten nach dem Anfechtungsgesetz gilt nichts anderes.
(2) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ergibt sich
eine Gegenleistung der Beklagten auch nicht daraus, dass diese im Rahmen
der Regelung zum Zugewinnausgleich eine eigene Rechtsposition aufgegeben
hätte.
Da durch die notarielle Vereinbarung vom 26. Juli 2004 das streitgegen-
ständliche Hausgrundstück E. Straße in Berlin dem Anfangsvermögen der
Beklagten und die Vermögenswerte des Schuldners in Spanien dessen An-
fangsvermögen zugeordnet werden, sind diese Vermögenswerte bei der Be-
rechnung des Zugewinns des jeweiligen Ehegatten nicht zu berücksichtigen
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(§§ 1373, 1374 Abs. 1 BGB). Eine solche ehevertragliche Vereinbarung, durch
welche im Ergebnis bestimmte Gegenstände aus dem Zugewinnausgleich aus-
genommen werden, ist grundsätzlich zulässig (BGH, Urteil vom 1. Dezember
1983 - IX ZR 41/83, BGHZ 89, 137, 141; vom 26. März 1997 - XII ZR 250/95,
NJW 1997, 2239, 2240). Die dingliche Berechtigung der Ehegatten an den hier-
von erfassten Vermögenswerten bleibt dabei unberührt. Diese Vereinbarung
wirkt sich erst aus, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet ist
und damit die Ausgleichsforderung desjenigen Ehegatten entsteht, der den ge-
ringeren Zugewinn erzielt hat (§ 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB).
Es kann hier dahinstehen, ob eine Vereinbarung über den Zugewinnaus-
gleich eine Gegenleistung darstellen kann, welche die Unentgeltlichkeit einer
Zuwendung im Sinne des § 4 Abs. 1 AnfG ausschließt, wenn der Zugewinnaus-
gleichsanspruch noch nicht entstanden ist und nicht feststeht, ob der Güter-
stand der Zugewinngemeinschaft auf andere Weise als durch Tod eines Ehe-
gatten (§ 1372 BGB) beendet werden wird. Die Vereinbarung vom 26. Juli 2004
über den Zugewinnausgleich kann jedenfalls deshalb nicht als Gegenleistung
der Beklagten angesehen werden, weil die dort getroffene Regelung im Falle
der Durchführung des Zugewinnausgleichs dem Schuldner keinen Vorteil auf
Kosten der Beklagten verschaffte.
Die güterrechtliche Vereinbarung, wonach das künftige Alleineigentum
am Hausgrundstück E. Straße in Berlin sowie Kontoguthaben bei deutschen
Banken dem Anfangsvermögen der Beklagten zugerechnet werden sollen, be-
nachteiligt die Beklagte im Falle der Durchführung des Zugewinnausgleichs
nicht, sondern begünstigt diese, weil diese Vermögenswerte bei der Berech-
nung des Zugewinns der Beklagten außer Betracht blieben (§ 1373 BGB).
Nachteilig für die Beklagte ist bei Durchführung des Zugewinnausgleichs die
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Vereinbarung, wonach sämtliche Vermögenswerte aus den geschäftlichen Akti-
vitäten des Schuldners in Spanien sowie dessen Guthaben bei spanischen
Banken dem Anfangsvermögen des Ehemannes zuzurechnen seien. Auf die
bei Beendigung des Güterstands entstehende Ausgleichsforderung wirkte sich
die güterrechtliche Vereinbarung daher nur dann zum Nachteil der Beklagten
aus, wenn die hierdurch dem Anfangsvermögen des Ehemannes zugeschlage-
nen Vermögenswerte den Wert des Hausgrundstücks E. Straße in Berlin
sowie der Guthaben bei deutschen Banken überstiege, welches zum Anfangs-
vermögen der Beklagten zugerechnet worden ist.
Den Verkehrswert der früheren Miteigentumshälfte des Schuldners am
Hausgrundstück E. Straße in Berlin haben der Schuldner und die Beklagte in
der Übertragungsvereinbarung mit 200.000
€ angegeben. Hieraus ergibt sich,
dass die Parteien dieser Vereinbarung den Wert des gesamten Hausgrund-
stücks, das die Eheleute während der Ehezeit erworben haben, zu diesem Zeit-
punkt mit 400.000
€ geschätzt haben. In diesem Umfang erhöhte sich aufgrund
der güterrechtlichen Vereinbarung das Anfangsvermögen der Beklagten und
verminderte sich folglich deren Zugewinn. Dass die dem Anfangsvermögen des
Schuldners zugerechneten Vermögenswerte in Spanien einen höheren Vermö-
genswert aufwiesen, hat weder die Beklagte ausdrücklich behauptet noch ist
dies aus den Feststellungen des Berufungsgerichts oder dem sonstigen Partei-
vorbringen ersichtlich. Die von der Beklagten genannte Gesellschaft I.
SL, deren Alleingesellschafter der Schuldner ist, weist auch nach den
Wertangaben der Beklagten nicht annähernd einen Wert von 400.000
€ auf.
Das mit einer Finca bebaute Hausgrundstück des Schuldners in Spanien ist
nicht Gegenstand der güterrechtlichen Vereinbarung, welche lediglich "sämtli-
che geschäftlichen Aktivitäten wie Geschäftsanteile, Geschäftsbeziehungen und
Gewinnerwartungen" aus der geschäftlichen Aktivität des Schuldners in Spani-
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en sowie dessen Kontenguthaben bei spanischen Banken erfasst. Anderes
Vermögen des Schuldners in Spanien, welches nach der Vereinbarung vom
26. Juli 2004 dessen Anfangsvermögen zugeordnet worden ist, hat auch die
Beklagte nicht dargelegt, welcher insoweit eine sekundäre Behauptungslast
oblag (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, WM 1999, 226,
228 f; vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 276/02, WM 2006, 490, 491 f; vom 19. Mai
2009 - IX ZR 129/06, WM 2009, 1333 Rn. 34).
bb) Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat und
auch von der Revision nicht angegriffen wird, ergibt sich eine Gegenleistung der
Beklagten auch nicht aus deren Vortrag, ihre Mitinhaberschaft an gemeinsamen
Vermögenswerten in Spanien auf den Schuldner übertragen zu haben. Weder
enthält die Vereinbarung vom 26. Juli 2004 die Verpflichtung der Beklagten zur
Übertragung von Vermögensgegenständen auf den Schuldner, noch hat die
Beklagte konkrete Übertragungsakte vorgetragen.
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Anfech-
tung der Übertragung des Miteigentumsanteils am streitgegenständlichen
Grundstück die Zwangsvollstreckung in das gesamte Grundstück ermöglicht,
nachdem die Beklagte als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen wor-
den ist und damit das frühere Bruchteilseigentum des Schuldners nicht mehr
besteht. Die Beklagte muss die Zwangsvollstreckung in das Grundstück jedoch
nur zum Zwecke der Befriedigung der Klägerin aus der Hälfte des Versteige-
rungserlöses dulden, weil dieser Anteil dem Schuldner bei Fortbestand von
dessen Miteigentum zugestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1984
- IX ZR 26/83, BGHZ 90, 207, 213 ff, 218 f; vom 17. Juli 2008 - IX ZR 245/06,
WM 2008, 1695 Rn. 12). Dem hat das Berufungsgericht durch die Fassung der
Urteilsformel Rechnung getragen.
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- 27 -
III.
Die Revision der Beklagten kann nicht mit der Maßgabe zurückgewiesen
werden, dass diese in Höhe eines Teilbetrags von 250.000
€ aus dem Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2008 zur Duldung der Zwangsvollstre-
ckung verurteilt wird. Zwar kann die Berichtigung einer Entscheidung gemäß
§ 319 Abs. 1 ZPO auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen, welches mit der
Sache selbst befasst ist (BGH, Beschluss vom 9. Februar 1989 - V ZB 25/88,
BGHZ 106, 370, 373; Urteil vom 3. Juli 1996 - VIII ZR 221/95, BGHZ 133, 184,
191). Eine offenbare Unrichtigkeit des Berufungsurteils liegt aber nicht vor.
Die Klägerin hatte vor dem Berufungsgericht zuletzt beantragt, die Be-
klagte "wegen einer letztstelligen Teilforderung in Höhe von 250.000
€ aus dem
Urteil des Bundesgerichtshofs (...) und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
(...)" zur Duldung der Zwangsvollstreckung zu verurteilen. Das Berufungsgericht
hat diesen Antrag offensichtlich in der Weise ausgelegt, dass die Klägerin die
Duldung der Zwangsvollstreckung aus beiden Vollstreckungstiteln in Höhe von
insgesamt 250.000
€ erstrebt.
Der Revisionserwiderung liegt demgegenüber eine Auslegung zugrunde,
wonach die Duldung der Zwangsvollstreckung sowohl aus dem Urteil des Bun-
desgerichtshofs in Höhe von 250.000
€ wie auch aus dem Kostenfestsetzungs-
beschluss beantragt gewesen sei, insgesamt jedoch nur im Umfang von
250.000
€. Ein solchermaßen gefasster Berufungsantrag wäre jedoch wegen
fehlender Bestimmtheit unzulässig gewesen.
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- 28 -
Das Bestimmtheitserfordernis hindert einen Gläubiger zwar grundsätzlich
nicht, die Gläubigeranfechtung für mehrere befriedigungsbedürftige Forderun-
gen in einer Klage zu verbinden. Der Antrag muss aber eindeutig festlegen, in
welchem Umfang und in welcher Weise die Anfechtungsansprüche zur Ent-
scheidung gestellt werden (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1986 - IX ZR 11/86,
BGHZ 99, 274, 278 f). Die Klägerin konnte nicht eine Anfechtungsforderung in
Höhe von insgesamt 250.000
€ sowohl auf das im Vorprozess ergangene Urteil
als auch auf den Kostenfestsetzungsbeschluss stützen, ohne festzulegen, in
welcher Weise sich dieser Gesamtbetrag auf die beiden Forderungen verteilen
sollte. Der Antrag zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfest-
setzungsbeschluss ist auch weder als Hilfsantrag gefasst, noch hat ihn das Be-
rufungsgericht in diesem Sinne verstanden.
Vor diesem Hintergrund kam eine Auslegung der zuletzt gestellten Beru-
fungsanträge in der Weise in Betracht, dass sich die beantragte Duldung der
Zwangsvollstreckung in Höhe von insgesamt 250.000
€ auf die Forderung aus
dem Kostenfestsetzungsbeschluss in voller Höhe und im Übrigen auf eine ent-
sprechende Teilforderung aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs bezog. Unter
Berücksichtigung der bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht aufgelaufenen Zinsen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ver-
bleibt nach einer solchen Auslegung eine Anfechtungsforderung aus dem Urteil
in Höhe von rund 200.000
€. Es erscheint möglich, dass das Berufungsgericht
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aus diesem Grunde nur im Umfang von 200.000
€ verurteilt hat (§ 308 Abs. 1
Satz 1 ZPO).
Kayser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 22.06.2009 - 18 O 427/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.02.2011 - 22 U 177/09 -