Urteil des BGH vom 29.01.2015

Leitsatzentscheidung zu Ermächtigung, Rückbuchung, Genehmigung, Masseverbindlichkeit, Verwalter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 258/12
Verkündet am:
29. Januar 2015
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1
Zahlt die Bank des Schuldners nach der irrtümlichen Rückbuchung einer schon ge-
nehmigten Lastschrift den Lastschriftbetrag vor der Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens an den zum Einzug von Forderungen ermächtigten, mitbestimmenden vorläufi-
gen Insolvenzverwalter aus, gilt ihr bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzah-
lung nach der Verfahrenseröffnung nicht als Masseverbindlichkeit.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - IX ZR 258/12 - OLG Frankfurt am Main
LG Fulda
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats
in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Ok-
tober 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine österreichische GmbH, betreibt für die österreichische
A.
(A. )
das LKW-Mautsystem in Österreich. Sie beauftragte im Jahr 2006 die L.
GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) mit dem Vertrieb von Maut-
werten in Deutschland. Die vertraglichen Vereinbarungen sahen vor, dass Bar-
zahlungen der Kunden von der Schuldnerin im Namen und im Auftrag der A.
entgegengenommen und spätestens am zweiten auf den Zahlungstag
folgenden Tag von der Klägerin auf der Grundlage von bei der Schuldnerin er-
stellten Sammelbelegen von einem Konto der Schuldnerin bei einer deutschen
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Bank eingezogen wurden. Am 25. Juli 2008 wurde die Eröffnung des Insolvenz-
verfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt und der Beklagte
zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Das Insolvenzgericht ordnete einen
Zustimmungsvorbehalt an und ermächtigte den Beklagten, Bankguthaben und
sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen und Gelder entgegenzu-
nehmen. Auf Verlangen des Beklagten buchte die Bank der Schuldnerin Last-
schrifteinzüge im Gesamtbetrag von 65.181,06
€ zurück, welche die Klägerin
für den Zeitraum vom 27. Mai bis zum 31. Juli 2008 veranlasst hatte. Am
1. Oktober 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Klägerin hat sich Ansprüche der A. abtreten lassen und ver-
langt vom Beklagten aus der Insolvenzmasse Zahlung von 65.181,06
€ nebst
Zinsen. Da mit der Klage zunächst nur ein Teilbetrag von 5.001
€ geltend ge-
macht worden war, erhob der Beklagte Widerklage mit dem Antrag, festzustel-
len, dass keine weitergehende Zahlungspflicht des Beklagten bestehe. Nach
Erweiterung der Klage auf den Betrag von 65.181,06
€ hat er die Feststellung
der Erledigung der Widerklage beantragt. Das Landgericht hat der Klage statt-
gegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat
das Oberlandesgericht den zu zahlenden Betrag auf 63.784,94
€ ermäßigt. Mit
seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung
der Klage und die Feststellung der Erledigung seiner Widerklage.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klageforderung sei in Höhe
von 63.784,94
€ aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB begründet. Gegen die Ak-
tivlegitimation der Klägerin bestünden keine Bedenken, weil die der Klägerin
vertraglich eingeräumte Einzugsermächtigung auch für die streitgegenständli-
chen Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung gelte und die
A. eventuelle Ansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetre-
ten habe. Die Insolvenzmasse sei durch die Rückbuchung auf Kosten der
A. ungerechtfertigt bereichert, weil die Lastschriften bereits konkludent
genehmigt gewesen seien und der Beklagte deshalb mit seinem Lastschriftwi-
derspruch unberechtigt in eine rechtlich gesicherte Position der A. ein-
gegriffen habe. Der Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung sei eine
Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 1
Nr. 3 InsO. Die Regelung in § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO gelte nicht nur für Fälle
nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO, sondern auch für einen Bereicherungsan-
spruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, sofern er - wie hier - durch eine Handlung
des vorläufigen Insolvenzverwalters entstanden sei. Dass dem Beklagten nicht,
wie von § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO vorausgesetzt, die Verfügungsbefugnis über-
tragen gewesen sei, stehe nicht entgegen, weil der Beklagte bei der Rückforde-
rung der Lastschriftbeträge von der ihm erteilten Einzelermächtigung zum Ein-
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zug von Forderungen und zur Entgegennahme von Geld Gebrauch gemacht
habe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Der vom Berufungsgericht wegen der Rückbuchung und Auszahlung
der eingezogenen Lastschriftbeträge angenommene Bereicherungsanspruch
der Klägerin oder der A. besteht nicht.
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Beurteilung
des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die Lastschriftbuchungen im Um-
fang von insgesamt 63.784,94
€ bereits konkludent genehmigt gehabt, als der
Beklagte dem Lastschrifteinzug widersprach und die Rückbuchung verlangte.
aa) Feststellungen zu einer konkludent erklärten Genehmigung sind als
Ergebnis einer tatrichterlichen Auslegung im Revisionsverfahren nur beschränkt
darauf überprüfbar, ob gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungs-
grundsätze, Denkgesetze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. Zu
klären ist dabei auch, ob alle erheblichen Umstände vom Tatrichter umfassend
gewürdigt worden sind (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 58/11, WM
2012, 160 Rn. 10; vom 3. April 2012 - XI ZR 39/11, WM 2012, 933 Rn. 21, je-
weils mwN).
bb) Nach diesem Maßstab sind die Feststellungen des Berufungsgerichts
zur Frage einer konkludenten Genehmigung nicht zu beanstanden. Das Beru-
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fungsgericht hat seiner Beurteilung die in der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs anerkannten Auslegungsgrundsätze zugrunde gelegt. Eine konklu-
dente Genehmigung von Lastschriftbuchungen kommt danach in Betracht,
wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Last-
schriften aus einer laufenden Geschäftsbeziehung handelt, die der Kontoinha-
ber in der Vergangenheit bereits einmal genehmigt hat. Erhebt der Schuldner in
Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen der bereits
genehmigten Lastschriftbuchungen bewegt, gegen diesen nach einer ange-
messenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahl-
stelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung sol-
le Bestand haben (BGH, Urteil vom 27. September 2009 - XI ZR 215/10, WM
2011, 2041 Rn. 17 mwN). Dabei muss es sich nicht um eine Reihe von im We-
sentlichen gleichbleibenden Zahlungen handeln. Werden im unternehmerischen
Verkehr fortlaufend Forderungen in unterschiedlicher Höhe im Rahmen von lau-
fenden Geschäftsbeziehungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsver-
fahren eingezogen, so kommt eine konkludente Genehmigung einer Last-
schriftbuchung auch dann in Betracht, wenn sie sich innerhalb einer Schwan-
kungsbreite von bereits zuvor genehmigten Lastschriftbuchungen bewegt oder
diese nicht wesentlich über- oder unterschreitet (BGH, Urteil vom 8. November
2011 - XI ZR 158/10, WM 2011, 2358 Rn. 20; vom 1. Dezember 2011 - IX ZR
58/11, WM 2012, 160 Rn. 11, jeweils mwN). Beruhen Lastschriftbuchungen er-
kennbar auf Zahlungspflichten, deren variierende Höhe der Schuldner gegen-
über der für die Einziehung zuständigen Stelle erklärt hat, besteht aus Sicht der
kontoführenden Bank für den Schuldner nicht die Notwendigkeit zu einer um-
fassenden Überprüfung. Als Überprüfungsfrist kann eine Frist von drei Tagen
genügen. Da diesen Buchungen eine konkrete Anmeldung des Schuldners zu-
grunde liegt, kommt eine konkludente Genehmigung auch dann in Betracht,
wenn sich die einzelnen Beträge nicht innerhalb der Schwankungsbreite voran-
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gegangener Lastschriftbuchungen bewegen (BGH, Urteil vom 1. Dezember
2011, aaO Rn. 12; vom 3. April 2012 - XI ZR 39/11, WM 2012, 933 Rn. 47 f;
vom 28. Juni 2012 - IX ZR 219/10, BGHZ 194, 1 Rn. 8). Diese Grundsätze hat
das Berufungsgericht beachtet. Dass es bei der Würdigung des konkreten
Sachverhalts nicht alle erheblichen Umstände einbezogen hätte, zeigt die Revi-
sion nicht auf. Solches ist auch nicht erkennbar.
b) Der Umstand, dass die im Rahmen des Lastschrifteinzugs erfolgten
Belastungsbuchungen der Schuldnerbank auf dem Konto der Schuldnerin noch
vor den gegenläufigen Erklärungen des Beklagten von der Schuldnerin geneh-
migt worden waren, führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nach der
Rückbuchung der eingezogenen Beträge jedoch nicht zu einem Anspruch der
Klägerin oder der A. gegen den Beklagten wegen ungerechtfertigter
Bereicherung der Insolvenzmasse. Die Schuldnerin hat durch die Rückbuchung
der Lastschrifteinzüge auf ihrem Bankkonto keine Forderung gegen ihre Bank
zurückerlangt, sondern lediglich eine Buchposition. Diese Buchposition ist nicht
durch Genehmigung der Klägerin zum Forderungserwerb erstarkt. Sie beruht
nicht auf einer Leistung der Klägerin und geht auch nicht auf deren Kosten. Die
infolge unbegründeter Rückbuchung eines wirksamen Lastschrifteinzugs ent-
standene Buchposition des Schuldners gegenüber seiner Bank kann deshalb
nicht als ungerechtfertigte Vermögensverschiebung im Valutaverhältnis rück-
gängig gemacht werden (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - IX ZR 37/09, BGHZ
186, 242 Rn. 30; vom 28. Juni 2012, aaO Rn. 12 ff). Entsprechendes gilt, wenn
- wie der Beklagte behauptet - die auf das Konto der Schuldnerin zurückge-
buchten Beträge an den Beklagten ausbezahlt worden sein sollten. Auch in die-
sem Fall hat die Insolvenzmasse nichts auf Kosten der Klägerin oder der
A. erlangt.
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2. Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts kann
nicht abschließend beurteilt werden, ob die angefochtene Entscheidung aus
anderen Gründen im Ergebnis richtig ist (§ 561 ZPO). Sollte der von der
Schuldnerbank zurückgebuchte Betrag entsprechend der hiermit erlangten blo-
ßen Buchposition erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Be-
klagten ausgezahlt worden sein, hätte die Klägerin aus abgetretenem Recht der
Schuldnerbank einen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus der Insolvenzmasse zu
befriedigenden Anspruch gegen den Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in
der vom Berufungsgericht zuerkannten Höhe.
a) Die Klägerin hat durch mehrere Abtretungen unter anderem auch die-
jenigen Ansprüche erworben, welche der Bank der Schuldnerin gegen die Mas-
se oder den Beklagten zustehen, weil dieser den streitgegenständlichen Last-
schriftbuchungen widersprach und ihre Rückbuchung veranlasste. Es ist zwi-
schen den Parteien unstreitig, dass diese Ansprüche mit Vereinbarung vom
5./8. Juli 2011 von der Schuldnerbank (C. AG) an die Bank der
Klägerin (S. AG) abgetreten wurden und
sodann mit Vereinbarung vom 11. Juli 2011 von der Bank der Klägerin an die
A. und - bereits am 6./8. Juli 2011 vereinbart - von der A. an die
Klägerin.
b) Ein Anspruch der Schuldnerbank gegen den Beklagten auf Zahlung
des zurückgebuchten Betrags aus der Insolvenzmasse in dem vom Berufungs-
gericht angenommenen Umfang bestand, wenn die Schuldnerbank den zurück-
gebuchten Betrag nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Beklag-
ten ausgezahlt hat.
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aa) Die Versagung der Genehmigung einer Lastschriftbuchung durch
einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt geht ins Leere,
wenn die Buchung - wie hier - bereits zuvor wirksam genehmigt wurde. In die-
sem Fall ist im Deckungsverhältnis zwischen der Schuldnerbank und dem
Schuldner bereits vor der Erklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters der
Aufwendungsersatzanspruch der Schuldnerbank in Höhe des Lastschriftbetra-
ges entstanden und die von ihr vorgenommene Belastungsbuchung des
Schuldnerkontos mit Rechtsgrund erfolgt. Indem die Schuldnerbank aufgrund
des Widerspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters den Lastschriftbetrag
dem Konto wieder gutschreibt, will sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Konto-
berichtigung nachkommen, die aber wegen der zuvor konkludent erteilten Ge-
nehmigung nicht besteht. Die Rückbuchung begründet unter diesen Umständen
keine Forderung des Schuldners gegen seine Bank, sondern lediglich eine
Buchposition. Diese kann von der Schuldnerbank berichtigt werden. Ein auf
Zahlung gerichteter Anspruch der Schuldnerbank gegen den Schuldner oder
den Insolvenzverwalter entsteht erst, wenn die Schuldnerbank den zurückge-
buchten Betrag auszahlt (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 320/09, WM
2011, 743 Rn. 19; vom 27. September 2011 - XI ZR 328/09, WM 2011, 2259
Rn. 20 f mwN). Sofern im Streitfall eine solche Auszahlung nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens erfolgt sein sollte, handelte es sich bei dem dann be-
stehenden Anspruch der Schuldnerbank auf Rückzahlung wegen ungerechtfer-
tigter Bereicherung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO um eine Masseverbindlichkeit.
bb) Wurde der zurückgebuchte Lastschriftbetrag hingegen bereits vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Schuldnerin oder an den Beklagten
ausgezahlt, ist der Anspruch auf Rückzahlung eine bloße Insolvenzforderung.
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(1) § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist auf diesen Fall nicht anwendbar. Denn die-
se Norm setzt voraus, dass die Bereicherung erst nach der Eröffnung des In-
solvenzverfahrens der Masse zugeflossen ist (BGH, Urteil vom 20. September
2007 - IX ZR 91/06, WM 2007, 2299 Rn. 9; vom 7. Mai 2009 - IX ZR 61/08, ZIP
2009, 1477 Rn. 12; vom 13. Januar 2011 - IX ZR 233/09, ZInsO 2011, 388
Rn. 10).
(2) Auch § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO verleiht dem Rückzahlungsanspruch
nicht die Qualität einer Masseverbindlichkeit. Nach dieser Norm gelten Verbind-
lichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind,
auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners überge-
gangen ist, nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeit. Eine
unmittelbare Anwendung der Bestimmung scheidet aus, weil das Insolvenzge-
richt bei der Bestellung des Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter dem
Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 Fall 1 InsO), weshalb die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des
Schuldners nicht auf den Beklagten übergegangen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 1
InsO), sondern lediglich die Wirksamkeit von Verfügungen des Schuldners von
der Zustimmung des Beklagten abhängig gemacht hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Fall 2 InsO).
Auch eine entsprechende Anwendung von § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO auf
Rechtshandlungen eines solchen bloß mitbestimmenden vorläufigen Insolvenz-
verwalters kommt nicht in Betracht. Masseverbindlichkeiten kann dieser nur
begründen, wenn ihm vom Insolvenzgericht die Ermächtigung erteilt worden ist,
einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren
Insolvenzmasse einzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01,
BGHZ 151, 353, 363 ff; vom 20. September 2007 - IX ZR 91/06, WM 2007,
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2299 Rn. 9; vom 7. Mai 2009 - IX ZR 61/08, ZIP 2009, 1477 Rn. 13; vom
13. Januar 2011, aaO Rn. 9; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. März 2012 - IX ZR
78/11, WM 2012, 706 Rn. 27). Eine diesen Anforderungen genügende Ein-
zelermächtigung liegt im Streitfall nicht vor. Stellt man darauf ab, dass der Be-
reicherungsanspruch der Schuldnerbank eine Folge des Widerspruchs des Be-
klagten gegen die Lastschriftbuchungen war, fehlt es von vorneherein an einer
hierauf bezogenen Einzelermächtigung. Widerspricht ein mitbestimmender vor-
läufiger Insolvenzverwalter einer Lastschriftbuchung, verweigert er damit seine
Zustimmung zu der zunächst unberechtigt erfolgten Belastung des Schuldner-
kontos. Hierzu ist er bereits aufgrund des Zustimmungsvorbehalts nach § 21
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 InsO berechtigt. Einer gesonderten Ermächtigung
zum Widerspruch bedarf es nicht, und eine solche wurde auch nicht erteilt.
Bei der Entgegennahme einer Auszahlung der von der Schuldnerbank
zurückgebuchten Beträge vor der Verfahrenseröffnung handelte der Beklagte
zwar auf der Grundlage einer Einzelermächtigung. Die vom Insolvenzgericht
ausgesprochene Ermächtigung des Beklagten, Bankguthaben und sonstige
Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegen-
zunehmen, war ausreichend bestimmt und auch sonst wirksam (vgl. BGH, Urteil
vom 18. Juli 2002 - IX ZR 195/01, BGHZ 151, 353, 365, 367). Es handelte sich
bei dieser Ermächtigung aber nicht um eine Ermächtigung zur Eingehung von
Verbindlichkeiten zu Lasten der späteren Masse im Sinne der Rechtsprechung
des erkennenden Senats (BGH, Urteil vom 20. September 2007 - IX ZR 91/06,
WM 2007, 2299 Rn. 1, 9). Unter der Geltung der Konkursordnung konnte der
Sequester keine Masseverbindlichkeiten begründen. Abweichend hiervon räumt
§ 55 Abs. 2 InsO ein solches Recht dem verfügungsbefugten vorläufigen Insol-
venzverwalter ein. Damit soll insbesondere Geschäftspartnern des insolventen
Unternehmens ein Anreiz gegeben werden, die Geschäftsbeziehungen mit ei-
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nem vorläufigen Insolvenzverwalter fortzusetzen sowie ihm Geld- und Waren-
kredit zu gewähren (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002, aaO S. 359 mwN). Wird
kein allgemeines Verfügungsverbot, sondern nur ein Zustimmungsvorbehalt
angeordnet, ist der vorläufige Insolvenzverwalter rechtlich nicht in der Lage,
selbständig Geschäfte abzuschließen. Ein Vertrauen der Geschäftspartner kann
sich in diesem Fall nur an Einzelermächtigungen ausrichten. Solche kann das
Insolvenzgericht nach § 22 Abs. 2 InsO erteilen, soweit sie erforderlich sind, um
auch einem nicht verfügungsbefugten vorläufigen Verwalter die Erfüllung seiner
Aufgaben zu ermöglichen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und des gebotenen
Schutzes des Vertragspartners muss allerdings aus der jeweiligen Ermächti-
gung selbst unmissverständlich zu erkennen sein, mit welchen Befugnissen der
vorläufige Insolvenzverwalter ausgestattet ist (BGH, Urteil vom 18. Juli 2002,
aaO S. 367). Deshalb muss sich aus der Ermächtigung auch eindeutig ergeben,
ob und in welchem Umfang der vorläufige Verwalter Verbindlichkeiten zu Las-
ten der späteren Masse begründen kann. Die allgemeine Ermächtigung zum
Einzug von Forderungen genügt dem nicht. Sie verleiht dem vorläufigen Ver-
walter nur die Verfügungsmacht über die Forderungen des Schuldners und be-
wirkt, dass die Forderungen durch die Zahlung an den vorläufigen Verwalter
erlöschen. Auf die Begründung von Masseverbindlichkeiten erstreckt sich eine
solche Ermächtigung nicht. Der Senat hat deshalb schon in dem Grundsatzur-
teil vom 18. Juli 2002 (aaO S. 365) zwischen einer Ermächtigung zum Forde-
rungseinzug und Ermächtigungen zur Eingehung von Verpflichtungen zu Lasten
der Insolvenzmasse unterschieden.
(3) Eine andere Frage ist es, ob im Falle der Anordnung eines allgemei-
nen Verfügungsverbots der Anspruch eines Gläubigers wegen einer während
des Eröffnungsverfahrens eingetretenen ungerechtfertigten Bereicherung ge-
mäß § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als
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Masseverbindlichkeit gilt. Diese im Schrifttum umstrittene (vgl. MünchKomm-
InsO/Hefermehl, 3. Aufl., § 55 Rn. 212 mwN) Frage braucht hier nicht beantwor-
tet zu werden.
c) Mithin kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, ob die zu Un-
recht zurückgebuchten Lastschriftbeträge nach der Eröffnung des Insolvenzver-
fahrens an den Beklagten ausgezahlt wurden. Dazu enthält das Berufungsurteil
keine eindeutige Feststellung. Bei der Darstellung des Sachverhalts ist nur von
der Rückbuchung der Lastschriften die Rede. Im Rahmen der Begründung wird
ausgeführt, die Rückbelastungen seien vor der Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens zur Masse gelangt. Ob damit eine Auszahlung gemeint ist, lässt sich dem
Urteil nicht entnehmen. Auch aus dem vom Berufungsurteil in Bezug genom-
menen Tatbestand des Urteils des Landgerichts ergibt sich insoweit nichts.
III.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
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zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Kayser
Gehrlein
Fischer
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Fulda, Entscheidung vom 30.09.2011 - 7 O 13/11 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 16.10.2012 - 14 U 222/11 -