Urteil des BGH vom 08.09.2016

Leitsatzentscheidung zu Vertrag Zugunsten Dritter, Handbuch, Steuerberater, Gewerbesteuer

ECLI:DE:BGH:2016:080916UIXZR255.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 255/13
Verkündet am:
8. September 2016
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 249 Abs. 1 He, § 675 Abs. 1
Hat die steuerliche Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem
Inhalt des Vertrages auch die Interessen der Gesellschafter zum Gegenstand, ist
der Schaden unter Einbeziehung der Vermögenslagen der Gesellschafter zu be-
rechnen (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - IX ZR 191/13, ZIP
2016, 1541).
BGH, Urteil vom 8. September 2016 - IX ZR 255/13 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil
des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom
30. Oktober 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine zum Betrieb einer Praxis für Physiotherapie gegrün-
dete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Zeitraum vom 1. September 1998
bis zum 11. November 2007 von dem Beklagten zu 2 steuerlich beraten wurde.
Der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 3. Juni 2004 Mitgesell-
schafter der Beklagten zu 1, einer Steuerberatersozietät. Neben physiothera-
peutischen Heilbehandlungen erbrachte die Klägerin im Auftrag der R.
GmbH, in deren Räumen sie ihre Praxis betrieb, weitere sogenannte Well-
nessbehandlungen.
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Im Rahmen einer Betriebsprüfung in den Jahren 2007 und 2008 stellte
das zuständige Finanzamt fest, dass die von der Klägerin erbrachten Wellness-
behandlungen der Umsatz- und Gewerbesteuer unterlagen. Die Gewerbesteu-
erpflicht erfasste aufgrund der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sämtliche
Einnahmen der Klägerin. Die durch den Streithelfer der Beklagten, einen im
November 2007 von der Klägerin mandatierten Steuerberater, vor dem Finanz-
gericht erhobenen Klagen gegen die Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide
blieben erfolglos.
Die Klägerin macht den ihr infolge der unterbliebenen Ausgliederung des
Wellnessbereichs in eine gesonderte Gesellschaft verursachten Gewerbesteu-
erschaden in Höhe von 46.255,08 € sowie die vor dem Finanzgericht entstan-
denen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 7.150,03
€ geltend. Von dem von
der Klägerin an das Finanzamt nachzuentrichtenden Umsatzsteuergesamtbe-
trag in Höhe von 105.809,55
€ erklärte sich die R. GmbH in einem
mit der Klägerin geschlossenen Vergleich bereit, einen Teilbetrag in Höhe von
68.304,49
€ zu übernehmen. Insoweit begehrt die Klägerin Ersatz der darüber
hinaus nachzuzahlenden Umsatzsteuer in Höhe von 37.505,06
€ sowie der auf
die Umsatzsteuernachforderungen entfallenden Zinsen in Höhe von 17.834
€.
Das Landgericht hat der Klage gegenüber der Beklagten zu 1 in Höhe
des Gewerbesteuerschadens und der auf die Umsatzsteuernachforderung ent-
fallenden Zinsen stattgegeben. Auf die wechselseitigen Berufungen hat das
Berufungsgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz des Gewer-
besteuerschadens, der Zinsen auf die Umsatzsteuernachforderung sowie der
vor dem Finanzgericht entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt und die
Berufung hinsichtlich des Umsatzsteuerschadens zurückgewiesen. Hiergegen
wenden sich die Parteien mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen.
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Entscheidungsgründe:
Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten haben Erfolg. Sie führen
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe gegen die Be-
klagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Hinweis-
pflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsver-
trag zu. Den Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Klägerin neben physio-
therapeutischen Heilbehandlungen auch medizinisch nicht indizierte Wellness-
leistungen erbracht habe. Sie hätten die Klägerin daher auf die Umsatz- und
Gewerbesteuerpflicht ihrer Einnahmen hinweisen und eine Ausgliederung jener
Leistungen in eine neu zu gründende, personenidentische Gesellschaft empfeh-
len müssen.
Einen ersatzfähigen Schaden habe die Klägerin jedoch nur in Höhe der
auf die Umsatzsteuer entfallenden Verzugszinsen, der Gewerbesteuer und der
im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Rechtsverfol-
gungskosten erlitten. Die aus der Anrechnung der Gewerbe- auf die Einkom-
mensteuer folgenden Vorteile der Gesellschafterinnen seien bei der Schadens-
berechnung nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei der (teil-)rechtsfähigen
Klägerin um ein eigenständiges, von ihren Gesellschafterinnen zu trennendes
Rechtssubjekt handele. Der Geltendmachung des Umsatzsteuerschadens ste-
he ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Klägerin entgegen. Diese
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habe es unterlassen, den ihr gegenüber der vorsteuerabzugsberechtigten R.
GmbH bestehenden Anspruch auf Übernahme der Umsatzsteuer-
verbindlichkeit in voller Höhe durchzusetzen.
Eine Begrenzung der Haftung des Beklagten zu 2 gemäß § 736 Abs. 2
BGB, § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB scheide aus. Die Klägerin habe keine positive
Kenntnis von dem Ausscheiden des Beklagten zu 2 aus der Steuerberaterkanz-
lei gehabt.
II.
Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision der Beklagten nicht
in allen Punkten stand. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der
Klägerin entstandener Schaden in Höhe der insgesamt nachzuzahlenden Ge-
werbesteuer nicht angenommen werden.
1. Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz-
anspruchs ist § 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien ge-
schlossenen Beratungsvertrag. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu le-
genden Sachverhalt ist für die Schadensbetrachtung allerdings nicht aus-
schließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind auf-
grund der Ausgestaltung des den Beklagten erteilten Mandats auch die Vermö-
gensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin zu berücksichtigen. Da-
nach ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen,
dass die Klägerin grundsätzlich den ihr durch die Pflichtverletzung der Beklag-
ten entstandenen Gewerbesteuerschaden ersetzt verlangen kann. Allerdings
sind auch die bei den Gesellschafterinnen der Klägerin angefallenen Anrech-
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nungsvorteile im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung in die Ge-
samtbewertung einzubeziehen.
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung ist die Differenzhypo-
these. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögens-
schaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge
des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der-
jenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 14. Juni
2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12,
WM 2013, 1323 Rn. 20; vom 5. Februar 2015 - IX ZR 167/13, WM 2015, 790
Rn. 7; vom 10. Dezember 2015 - IX ZR 56/15, ZIP 2016, 371 Rn. 12; vom
18. Februar 2016 - IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 9). Erforderlich ist ein
Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis
betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert nicht lediglich eine
Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der
hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. BGH, Urteil vom
20. November 1997 - IX ZR 286/96, WM 1998, 142 f; vom 20. Januar 2005
- IX ZR 416/00, WM 2005, 999, 1000; vom 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM
2008, 946 Rn. 24; vom 5. Februar 2015, aaO; vom 10. Dezember 2015, aaO;
vom 18. Februar 2016, aaO).
b) Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs ist grundsätzlich das
Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter (vgl. BGH, Urteil vom
5. Februar 2015, aaO Rn. 8; vom 10. Dezember 2015, aaO Rn. 13; vom
18. Februar 2016, aaO Rn. 10). Daher kann auf Grund eines Vertrages regel-
mäßig nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsäch-
lich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (vgl. BGH, Urteil vom
26. November 1968 - VI ZR 212/66, BGHZ 51, 91, 93). Dies führt im Rahmen
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der Beraterhaftung dazu, dass der zum Ersatz verpflichtete Steuerberater
grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat, wobei
die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit
Schutzwirkung für Dritte eine Ausnahme bilden (vgl. G. Fischer in G. Fischer/
Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn.
138 zur Anwaltshaftung). Ebenso ist es dem ersatzpflichtigen Steuerberater
verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden
Handlung erlangt haben mögen (BGH, Urteil vom 5. Februar 2015, aaO).
c) Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof jedoch
insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten
an Familienangehörige oder innerhalb eines Unternehmensverbundes aner-
kannt. Hierfür ist der konkrete Auftrag entscheidend, den der Mandant dem Be-
rater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Wenn der Mandant im
Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines
Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadens-
berechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl.
BGH, Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 11 f; vom 10. Dezember 2015, aaO
Rn. 15; vom 18. Februar 2016, aaO Rn. 12).
d) Das Berufungsgericht ist demnach zutreffend von der Entstehung ei-
nes Schadens in Höhe der zu viel entrichteten Gewerbesteuer ausgegangen.
Der Umstand, dass der Klägerin Einnahmen auch aus den Wellnessbehandlun-
gen zugeflossen sind, die sie im Fall der Ausgliederung nicht erzielt hätte, wirkt
sich entgegen der Auffassung der Revision nicht schadensmindernd aus.
Der zwischen der Klägerin und den Beklagten abgeschlossene Bera-
tungsvertrag umfasste nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
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Sachverhalt auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Kläge-
rin. Weil aufgrund des steuerrechtlichen Transparenzprinzips der von der Klä-
gerin als Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn anteilig bei den Gesell-
schafterinnen zu erfassen war (vgl. BFHE 165, 398, 401 mwN; Gummert/
Weipert/Inhester/Herrmann, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts,
4.
Aufl., § 9 Rn. 1; Prinz/Hoffmann/Schiffers, Beck’sches Handbuch der Perso-
nengesellschaften, 4. Aufl., § 1 Rn. 20 f), schloss die steuerliche Beratung der
Klägerin auch einkommensteuerliche Fragen sowie die Anfertigung der Ein-
kommensteuererklärungen der Gesellschafterinnen ein. Die Beklagten hatten
demnach die wirtschaftlichen Folgen einer Ausgliederung der nicht der Rege-
lung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterfallenden Leistungen sowohl im
Hinblick auf das Vermögen der klägerischen Gesellschaft als auch ihrer Gesell-
schafterinnen zu prüfen.
Die aus den Wellnessbehandlungen gezogenen Vorteile sind der Kläge-
rin nicht schadensmindernd entgegenzuhalten. Diese Einnahmen sind wirt-
schaftlich den Gesellschafterinnen zuzurechnen und wären diesen als Einnah-
men einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin zuzuordnen gewesen,
ohne dass für die Einnahmen aus physiotherapeutischen Heilbehandlungen
gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Gewerbesteuer angefallen wäre (vgl. BGH, Ur-
teil vom 18. Februar 2016 - IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541 Rn. 16).
e) Die den Gesellschafterinnen durch die Ermäßigung ihrer Einkom-
mensteuer gemäß § 35 Abs. 1 EStG erwachsenden Vorteile sind allerdings
grundsätzlich auf den klägerischen Schaden anzurechnen. Dies hat das Beru-
fungsgericht zu Unrecht abgelehnt. Wird die Haftung des Steuerberaters durch
die Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter in das steuerliche Bera-
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tungsmandat erweitert, muss es ihm auch möglich sein, sich auf die infolge der
fehlerhaften Beratung entstandenen Vorteile dieser Dritten zu berufen.
f) Allerdings hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen
einer möglichen Anrechnung der den Gesellschafterinnen entstandenen Vortei-
le nicht festgestellt. Die Anrechnung von Steuervorteilen scheidet regelmäßig
aus, wenn die dem Geschädigten zufließende Schadensersatzleistung ihrer-
seits zu versteuern ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1979 - VII ZR 259/77,
BGHZ 74, 103, 114; vom 28. Januar 2014 - XI ZR 495/12, BGHZ 200, 110
Rn. 11 mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände dar-
legt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der
Ersatzleistung außergewöhnliche Steuervorteile verbleiben (vgl. BGH, Urteil
vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 45; vom 1. März 2011
- XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8; vom 28. Januar 2014, aaO). Zu möglichen
außergewöhnlichen Steuervorteilen, auf welche sich die Beklagten berufen ha-
ben und für deren Vorliegen sie als Schädiger die Darlegungs- und Beweislast
tragen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, WM 2010, 1310 Rn.
26; vom 15. Juli 2010, aaO; vom 28. Januar 2014, aaO), enthält das Beru-
fungsurteil keine Feststellungen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision sind mögliche Fehler des
Streithelfers weder geeignet, den Zurechnungszusammenhang zwischen der
Pflichtverletzung der Beklagten und dem der Klägerin entstandenen Schaden in
Höhe der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zu unterbrechen, noch ein
Mitverschulden der Klägerin zu begründen.
a) Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch das
Eingreifen eines Dritten ist nur dann anzunehmen, wenn es als gänzlich unge-
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wöhnliche Beeinflussung des Geschehensablaufs zu werten ist (vgl. BGH, Urteil
vom 7. April 2005 - IX ZR 132/01, WM 2005, 1812, 1813; G. Fischer in
G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl.,
§ 5 Rn. 51). Das Verhalten Dritter entlastet somit regelmäßig nicht den Erst-
schädiger, sondern begründet zum Schutz des Geschädigten allenfalls eine
eigene, zusätzliche Haftung (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005, aaO). Dement-
sprechend wird der von einer früheren Vertragsverletzung eines Beraters aus-
gehende Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbro-
chen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt oder Steuerbera-
ter eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst worden ist,
die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, die ihr
obliegende Pflicht jedoch nicht beachtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005,
aaO mwN). Die Bewertung des Berufungsgerichts, wonach die Entscheidung
des Streithelfers, gegen die Gewerbe- und Umsatzsteuerbescheide vor dem
zuständigen Finanzgericht zunächst fristwahrend Klage einzureichen, nicht
schlechterdings unverständlich und unsachgemäß erscheint und damit nicht
geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zu unterbrechen, begegnet in-
soweit keinen Bedenken.
b) Rechtsanwälte oder Steuerberater, die nacheinander demselben Auf-
traggeber Schaden zugefügt haben, haften im Allgemeinen diesem als Ge-
samtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme ei-
nes der ersatzpflichtigen Berater den Schadensbeitrag des anderen als Mitver-
schulden entgegenhalten lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens
des Mandanten setzt vielmehr voraus, dass dieser sich des zweiten Beraters
bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr
oder Minderung des Schadens zu erfüllen, welcher durch den in Anspruch ge-
nommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994
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- IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822, 2824; vom 7. April 2005, aaO mwN; Fischer,
DB 2010, 2600, 2604). Vertraut der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfül-
lung durch den später in Anspruch genommenen Berater, muss er sich regel-
mäßig keinen schuldhaften Schadensbeitrag anrechnen lassen (vgl. BGH, Urteil
vom 14. Juli 1994, aaO; vom 4. Mai 2000 - IX ZR 142/99, WM 2000, 1591,
1595; Fischer, aaO). Eine Beauftragung des Streithelfers zur Behebung eines
erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehlers des Beklagten zu 2
hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es ist vielmehr im Rahmen einer
zulässigen tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die
Klägerin, welche von der Beklagten zu 1 noch im Dezember 2008 die schriftli-
che Empfehlung zur Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage erhielt, auf die
sachgerechte Erfüllung der Vertragspflichten durch die Beklagten vertraut habe.
3. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Haftung auch des Beklagten
zu 2 angenommen. Die für eine Enthaftung gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160
Abs. 1 HGB maßgebliche Fünfjahresfrist beginnt mit der positiven Kenntnis des
Gesellschaftsgläubigers von dem Ausscheiden des Mitgesellschafters (vgl.
BGH, Urteil vom 24. September 2007 - II ZR 284/05, BGHZ 174, 7 Rn. 13 ff
mwN). Die Beweislast für die fristauslösende positive Kenntnis trägt hierbei der
ausgeschiedene Gesellschafter (vgl. MünchKomm-HGB/Schmidt, 4. Aufl., § 160
Rn. 27; Wertenbruch, NZG 2008, 216, 217). Die Beklagten haben jedoch für
den - bestrittenen - Zugang eines das Ausscheiden des Beklagten zu 2 anzei-
genden Rundschreibens bei der Klägerin bereits keinen Beweis angeboten.
Allein aus der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur leicht abwei-
chenden Gestaltung des Briefkopfes der Sozietät musste die Klägerin nicht auf
eine Änderung der Gesellschafterstellung des Beklagten zu 2 schließen (vgl.
auch MünchKomm-HGB/Schmidt, 2. Aufl., § 160 Rn. 27).
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III.
Die Revision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg. Mit der Begründung des
Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der gel-
tend gemachten Umsatzsteuernachzahlung nicht verneint werden.
1. Mit Recht ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen,
dass der Vergleichsabschluss zwischen der Klägerin und der R.
GmbH nicht den Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und
Schadenseintritt unterbricht. Grundsätzlich schließt es eine für den Schaden
mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten nicht ohne weiteres aus,
den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in
Gang gesetzt hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297
Rn. 44; G. Fischer in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der
Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 46). Bestand für die Zweithandlung der Ge-
schädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbe-
gründende Ereignis herausgefordert und erweist sich die Reaktion auch nicht
als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszu-
sammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (vgl. BGH, Urteil
vom 14. Juni 2012, aaO). Der im Zusammenhang mit einer aufgrund der voran-
gegangenen fehlerhaften Beratung entstandenen Unsicherheit geschlossene
Vergleich ist in der Regel als eine vernünftige Reaktion des Geschädigten in
diesem Sinne anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - IX ZR 14/98,
BB 1999, 762, 764; Beschluss vom 22. Oktober 2009 - IX ZR 237/06, nv
Rn. 6 f; G. Fischer, aaO Rn. 47; jeweils mwN).
Die Entscheidung der Klägerin, von einer gerichtlichen Geltendmachung
der Umsatzsteuerforderung gegenüber der R. GmbH abzusehen,
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stellt kein unsachgemäßes Verhalten dar. Der Abschluss eines außergerichtli-
chen
Vergleichs
nach
vorangegangenen
Verhandlungen
mit
der
R. GmbH beruht nicht auf ungewöhnlichen Umständen, sondern liegt
innerhalb eines normalen Geschehensablaufs. Verursacht der ersatzpflichtige
Berater eine für den Geschädigten ungünstige Situation gegenüber dessen Ver-
tragspartner, entspricht es insoweit der Lebenserfahrung, dass der Dritte mög-
licherweise auch Vorteile aus dieser Situation zu ziehen sucht (vgl. BGH, Urteil
vom 11. März 1980 - VI ZR 91/79, VersR 1980, 649, 650; G. Fischer, aaO
Rn. 49).
2. Jedoch hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der
Klägerin auf Ersatz des Umsatzsteuerschadens seien wegen ihres Mitverschul-
dens gemäß § 254 Abs. 2 BGB in vollem Umfang ausgeschlossen, der revisi-
onsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Grundsätzlich kann die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im
Rahmen des § 254 BGB im Revisionsverfahren nur dahingehend überprüft
werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig be-
rücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu Grunde ge-
legt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, NJW 2013,
3442 Rn. 28; vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13, NJW 2014, 2493 Rn. 6; jeweils
mwN). Das Berufungsgericht hat es jedoch unterlassen, sämtliche wechselsei-
tige Schadensbeiträge der Parteien festzustellen und aufgrund der konkreten
Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Es hat sich insoweit da-
rauf beschränkt, aus der Tatsache des Vergleichsschlusses zwischen der Klä-
gerin und der R. GmbH ein anspruchsausschließendes Mitverschul-
den abzuleiten, ohne sich mit möglichen Schadensbeiträgen der Beklagten
auseinanderzusetzen.
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b) Insbesondere hinsichtlich der zu dem Vergleichsschluss zwischen
Klägerin und R. GmbH führenden Umstände fehlt es bislang an
Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine abschließende Würdigung des klä-
gerischen Verhaltens ist aber nur möglich, wenn sämtliche Gesichtspunkte, die
zur teilweisen Aufgabe der gegenüber der R. GmbH bestehenden
Ersatzansprüche führten, neben dem Verursachungsbeitrag der Beklagten bei
der Abwägung berücksichtigt werden.
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IV.
Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-
gericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Kayser
Lohmann
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 13.07.2012 - 4 O 119/10 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 30.10.2013 - 3 U 97/12 -
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