Urteil des BGH vom 24.03.2016

Leitsatzentscheidung zu Gesetzliche Vermutung, Zahlungseinstellung, Verbindlichkeit, Stundung

ECLI:DE:BGH:2016:240316UIXZR242.13.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 242/13
Verkündet am:
24. März 2016
Kirchgeßner
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 133 Abs. 1
Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, muss der Anfechtungsgegner dar-
legen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen im Zeitpunkt der angefoch-
tenen Rechtshandlung allgemein wieder aufgenommen hatte. Allein die Tatsache,
dass über die Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner
eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten
Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungsein-
stellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet worden
ist.
BGH, Urteil vom 24. März 2016 - IX ZR 242/13 - OLG Hamm
LG Paderborn
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. September 2013 im Kos-
tenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers
zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 8. Februar 2008
am 2. Juli 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der H.
M. Z. (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb ein Reisebüro und
schuldete aus dem Erwerb eines Reisebusses im Jahr 2003 dem Verkäufer
rund 60.000
€. Im Mai 2004 vereinbarte sie mit dem durch die Beklagte vertre-
tenen Verkäufer Ratenzahlungen, die sie jedoch nur bis August 2004 einhielt.
Die noch in Höhe von rund 46.000
€ offene Forderung trat der Verkäufer an die
Beklagte ab, welche die Forderung im Mai 2005 gerichtlich geltend machte. In
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der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2005 schlossen die Parteien ei-
nen Vergleich, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, 40.000
€ in monatli-
chen Raten von 2.500
€ ab September 2005 zu zahlen. In den Wintermonaten
sollten die Raten nur 1.500
€ betragen. Zuvor hatte die Schuldnerin erklärt, zur
Zahlung des Vergleichsbetrags in einer Summe nicht in der Lage zu sein. Bis
Juli 2006 zahlte die Schuldnerin Raten im Gesamtbetrag von 22.500
€ im We-
sentlichen pünktlich. Ab August 2006 kam es zu Zahlungsstockungen. Bis Au-
gust 2007 zahlte die Schuldnerin weitere 13.958,05
€.
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichts-
punkt der Insolvenzanfechtung die Erstattung der von der Schuldnerin nach
dem Vergleich vom 19. August 2005 geleisteten Zahlungen im Gesamtbetrag
von 36.458,05
€. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen. Das Oberlan-
desgericht hat ihr in Höhe eines Teilbetrags von 1.985,05
€ stattgegeben und
die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Se-
nat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt im angefochtenen Umfang zur Aufhe-
bung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-
fungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Für die Zahlungen bis Ende März
2007 habe der Kläger einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin
nicht darzulegen vermocht. Ein solcher sei zu vermuten, wenn der Schuldner
zahlungsunfähig und ihm dies bekannt sei. Habe der Schuldner seine Zahlun-
gen eingestellt, begründe dies die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Die
Zahlungseinstellung könne schon aus der Nichtzahlung einer einzigen, be-
trächtlichen Verbindlichkeit abgeleitet werden. Eine solche Verbindlichkeit habe
hier zwar bestanden, sie sei aber mit der Ratenzahlungsvereinbarung gestun-
det worden und könne bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht be-
rücksichtigt werden. Die Ansicht des Klägers, dass die eingetretene Zahlungs-
einstellung fortwirke, solange die Beklagte nicht darlege und beweise, dass der
Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen habe, werde den
Gegebenheiten des Falles nicht gerecht. Gründe sich die Zahlungseinstellung
- wie hier - auf die Nichtbedienung einer einzigen Verbindlichkeit, sei mit deren
Stundung auch die Zahlungsunfähigkeit behoben, jedenfalls die Grundlage ihrer
Feststellung ausgeräumt. Weitere fällige, unerfüllt gebliebene Forderungen
könnten mangels ausreichender Darlegung durch den Kläger nicht festgestellt
werden. Im Übrigen fehle es an der Kenntnis der Beklagten von drohender Zah-
lungsunfähigkeit. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Schuldnerin ihre
anderen Gläubiger befriedigen konnte, nachdem sie - die Beklagte - für ihre
eigene Forderung der Schuldnerin Stundung gewährt hatte. Dies gelte trotz der
ab August 2006 stockenden Zahlungen noch bis März 2007. Erst dann sei die
Beklagte von Zahlungsschwierigkeiten der Schuldnerin ausgegangen und habe
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Deshalb müsse die Beklagte nur
die im Juni und August 2007 erfolgten, inkongruenten Zahlungen im Gesamtbe-
trag von 1.985,05
€ zurückgewähren.
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II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die
subjektiven Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs
nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO können mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung nicht verneint werden.
1. Das gilt zunächst für den von § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Vor-
satz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen.
a) Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können
- weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen
handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden
(BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8). Der
von § 133 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Benachteiligungsvorsatz ist gegeben,
wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Be-
nachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung
gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfol-
ge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ein
Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, han-
delt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß der Schuld-
ner, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedi-
gen. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1
InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungs-
einstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungs-
unfähigkeit begründet. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortre-
tende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er
nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Sie kann aus
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einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeu-
tender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden
(BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 16, 18;
vom 7. Mai 2015 - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 11 ff, jeweils mwN).
b) In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht mit Recht
in Betracht gezogen, dass das Zahlungsverhalten der Schuldnerin bezüglich
ihrer restlichen Verbindlichkeit aus dem Kauf des Reisebusses die Annahme
einer Zahlungseinstellung rechtfertigen kann. Der offene Restkaufpreis von
59.196,16
€ aus dem im September 2003 geschlossenen Vertrag stellte ange-
sichts des verhältnismäßig geringen Umfangs des Geschäftsbetriebs der
Schuldnerin eine Verbindlichkeit von beträchtlicher Höhe dar. Sie war bereits im
Mai 2004 Gegenstand einer außergerichtlichen Ratenzahlungsvereinbarung
gewesen, die von der Schuldnerin in der Folgezeit nicht eingehalten wurde.
Nach der Abtretung der Forderung an die Beklagte musste diese den noch of-
fenen Betrag von 46.479,34
€ im Frühjahr 2005 gerichtlich geltend machen. In
der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2005 erklärte die Schuldnerin,
den in Aussicht genommenen Vergleichsbetrag von 40.000
€ nicht in einer
Summe bezahlen zu können. Ihr Ersuchen um Ratenzahlung beruhte danach
ersichtlich auf einem Mangel an Zahlungsmitteln und war deshalb ein zusätzli-
ches Indiz dafür, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt hatte (vgl.
BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 6/14, WM 2015, 933 Rn. 3 f mwN;
Urteil vom 30. April 2015 - IX ZR 149/14, WM 2015, 1339 Rn. 10; Beschluss
vom 24. September 2015 - IX ZR 308/14, WM 2015, 2107 Rn. 3; Urteil vom
25. Februar 2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn. 20 f).
c) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Beurteilung des Berufungsgerichts,
zum Zeitpunkt der angefochtenen Ratenzahlungen sei die Zahlungsunfähigkeit
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behoben, jedenfalls die Grundlage ihrer Feststellung ausgeräumt gewesen, weil
nach dem gerichtlichen Ratenzahlungsvergleich nicht mehr die Gesamtverbind-
lichkeit fällig gewesen sei, sondern nur die jeweils anstehende Monatsrate in
Höhe von 2.500
€ oder 1.500 €. Zwar beschränkt sich die revisionsrechtliche
Kontrolle der dem Tatrichter bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzun-
gen der Vorsatzanfechtung obliegenden Gesamtwürdigung darauf, ob sich der
Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff um-
fassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung
also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Er-
fahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM
2015, 591 Rn. 15; vom 21. Januar 2016 - IX ZR 84/13, WM 2016, 366 Rn. 10;
vom 25. Februar 2016, aaO Rn. 12). Einer solchen Überprüfung hält die Würdi-
gung des Berufungsgerichts jedoch nicht stand. Sie verstößt gegen maßgebli-
che Erfahrungssätze und lässt Beweisanzeichen unbeachtet.
aa) Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich gestundet sind,
dürfen bei der Prüfung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit nicht
berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM
2008, 452 Rn. 25; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12, WM 2013, 174 Rn. 29).
Auch der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung enthält eine solche
Stundung. Die gestundete Gesamtverbindlichkeit muss deshalb, sofern es sich
nicht um eine erzwungene Stundung handelt (vgl. dazu BGH, Urteil vom
14. Februar 2008 - IX ZR 38/04, WM 2008, 698 Rn. 22; vom 6. Dezember 2012,
aaO Rn. 34), außer Betracht bleiben, wenn es darum geht, für die Zeit nach
dem Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung eine Zahlungsunfähigkeit
- erstmals - festzustellen. Handelt es sich bei dieser Verbindlichkeit um die ein-
zige, auf welche die Zahlungsunfähigkeit gestützt werden soll, muss die Fest-
stellung scheitern.
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bb) Anders verhält es sich, wenn feststeht, dass der Schuldner seine
Zahlungen eingestellt hatte, bevor Ratenzahlung vereinbart wurde. Eine einmal
eingetretene Zahlungseinstellung wirkt grundsätzlich fort. Sie kann nur dadurch
wieder beseitigt werden, dass die Zahlungen im Allgemeinen wieder aufge-
nommen werden. Dies hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft. Hat
der anfechtende Verwalter für einen bestimmten Zeitpunkt den ihm obliegenden
Beweis der Zahlungseinstellung des Schuldners geführt, muss der Anfech-
tungsgegner grundsätzlich beweisen, dass diese Voraussetzung zwischenzeit-
lich wieder entfallen ist (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012, aaO Rn. 33 mwN;
vom 25. Februar 2016 - IX ZR 109/15, ZInsO 2016, 628 Rn. 24). Entgegen der
Ansicht des Berufungsgerichts genügt es hierfür nicht, dass mit der Ratenzah-
lungsvereinbarung diejenige Verbindlichkeit als gestundet gilt, deren Nichtbe-
dienung die Feststellung der Zahlungseinstellung trägt. Der Anfechtungsgegner
hat vielmehr zu beweisen, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wie-
der aufgenommen hat. Dazu gehört zum einen, dass er die vereinbarten Raten
zahlt. Darüber hinaus muss der Schuldner aber auch den wesentlichen Teil sei-
ner übrigen Verbindlichkeiten bedienen (vgl. BGH, Urteil vom 20. November
2001 - IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 188; vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06, WM
2007, 1579 Rn. 23; vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 93/06, WM 2008, 452
Rn. 24 ff; vom 27. März 2008 - IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 21; vom
25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 18; vom 6. Dezember
2012, aaO Rn. 36; Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 17 Rn. 18; Uhlenbruck/Mock,
InsO, 14. Aufl., § 17 Rn. 135). Dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen.
In welchem Umfang dem Insolvenzverwalter in solchen Fällen eine se-
kundäre Darlegungslast hinsichtlich fortbestehender Zahlungsrückstände des
Schuldners gegenüber anderen Gläubigern obliegt, braucht hier nicht abschlie-
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ßend entschieden zu werden. Der Kläger hat, was das Berufungsgericht nicht
vollständig gewürdigt hat, im Streitfall vorgetragen, gegenüber der O.
GmbH habe eine seit dem 1. Juni 2005 fällige Forderung in
Höhe von 15.420,56
€ bestanden, die durch Urteil vom 12. Juni 2006 tituliert
worden sei. Auch die Kreissparkasse L. , die T. S. GmbH
und die E. GmbH hätten fällige und unerfüllte Forderungen gehabt,
wegen der zu Beginn des Jahres 2007 Zwangsvollstreckungsverfahren betrie-
ben worden seien. In Rückstand sei die Schuldnerin auch gegenüber den Sozi-
alversicherungskassen gewesen. An die Deutsche Rentenversicherung Knapp-
schaft Bahn-See Minijob-Zentrale habe die Schuldnerin von August 2005 bis
Juni 2008 keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt, weshalb diese für den
genannten Zeitraum eine Hauptforderung von 5.829,61
€ zur Insolvenztabelle
angemeldet habe. Ab Dezember 2005 bis Februar 2007 sei die Schuldnerin
auch gegenüber der m. mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
im Gesamtbetrag von 5.445,23
€, der später zur Insolvenztabelle angemeldet
worden sei, in Rückstand geraten. Die Beklagte hat diese Verbindlichkeiten
teilweise bestritten und im Übrigen nur ihre Kenntnis von Rückständen gegen-
über anderen Gläubigern in Abrede gestellt. Den ihr obliegenden Beweis, dass
die Schuldnerin ihre Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen habe, hat
sie damit nicht geführt.
2. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Kenntnis der
Beklagten von zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin (vgl.
§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) verneint hat, ist rechtlich nicht tragfähig. Die Würdi-
gung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe vom Zahlungsverhalten der
Schuldnerin gegenüber ihren anderen Gläubigern keine Kenntnis haben müs-
sen und habe aufgrund einer zufriedenstellenden Auskunft der "C. "
darauf vertrauen dürfen, dass die Schuldnerin im Anschluss an die mit der Be-
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klagten getroffene Ratenvereinbarung auch ihre anderen Gläubiger habe be-
friedigen können, widerspricht Erfahrungssätzen.
a) Hatte die Beklagte im August 2005 im Blick auf das bisherige Zah-
lungsverhalten der Schuldnerin und auf deren Ersuchen um Ratenzahlung die
Zahlungseinstellung der Schuldnerin erkannt, oblag es ihr, darzulegen und zu
beweisen, warum sie später davon ausging, die Schuldnerin habe ihre Zahlun-
gen möglicherweise allgemein wieder aufgenommen (BGH, Urteil vom 27. März
2008 - IX ZR 98/07, WM 2008, 840 Rn. 23; vom 6. Dezember 2012 - IX ZR
3/12, WM 2013, 174 Rn. 33 mwN; vom 25. Februar 2016 - IX ZR 109/15, ZInsO
2016, 628 Rn. 24). Der Abschluss der Ratenvereinbarung und die nachfolgende
ratenweise Tilgung ihrer eigenen Forderung ließen ihre Kenntnis von der Zah-
lungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht entfallen. Allein dieser Umstand legte
nicht nahe, dass die Schuldnerin ihre Zahlungsfähigkeit zurückgewonnen und
ihre Zahlungen im Wesentlichen vollständig wieder aufgenommen hatte. Kon-
krete Tatsachen, denen zufolge sich die Liquiditätslage der Schuldnerin verbes-
sert hatte, waren der Beklagten nicht bekannt geworden.
b) Ein Gläubiger, der mit dem Schuldner nach Eintritt der Zahlungsein-
stellung eine Ratenzahlungsvereinbarung zur Abwendung der allein aus seiner
Forderung herzuleitenden Insolvenz schließt, kann regelmäßig nicht davon
ausgehen, dass die Forderungen anderer Gläubiger, mit denen bei einem ge-
werblich tätigen Schuldner immer zu rechnen ist (BGH, Urteil vom 6. Dezember
2012, aaO Rn. 15; vom 25. Februar 2016, aaO Rn. 11 mwN), in vergleichbarer
Weise bedient werden wie seine eigenen. Er kann sich nicht der Erkenntnis
verschließen, dass andere Gläubiger davon absehen, in gleicher Weise wie er
Druck auf den Schuldner auszuüben, um ihre Forderungen einzutreiben. Viel-
mehr muss er damit rechnen, dass andere Gläubiger die schleppende Zah-
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lungsweise des Schuldners und damit die Nichtbegleichung ihrer Forderungen
hinnehmen. Darum entspricht es einer allgemeinen Lebenserfahrung, dass
Schuldner - um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern - unter dem Druck ei-
nes besonders auf Zahlung drängenden Gläubigers Zahlungen bevorzugt an
diesen leisten, um ihn zum Stillhalten zu bewegen. Vor diesem Hintergrund
verbietet sich im Regelfall ein Schluss des Gläubigers dahin, dass - nur weil er
selbst Zahlungen erhalten hat - der Schuldner seine Zahlungen auch im Allge-
meinen wieder aufgenommen habe (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012,
aaO Rn. 42 mwN; vom 25. Februar 2016, aaO Rn. 30).
c) Die vom Berufungsgericht angeführte Auskunft der "C. "
rechtfertigt im Streitfall keine abweichende Beurteilung. Ihre Aussagen über
eine positive Entwicklung des Unternehmens der Schuldnerin, eine gute Auf-
tragslage und eine Zahlungsweise ohne Beanstandungen sind allgemein gehal-
ten und entkräften die Beweisanzeichen, die sich aus dem tatsächlichen Zah-
lungsverhalten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten ergaben, nicht. Zu-
dem datiert die Auskunft vom 22. März 2005. Schon deshalb konnte die Beklag-
te ihr für die Frage, ob die Schuldnerin nach Abschluss der Ratenzahlungsver-
einbarung vom 19. August 2005 ihre Zahlungen allgemein, also auch gegen-
über den anderen Gläubigern wieder aufgenommen hatte, keine besondere
Bedeutung beimessen.
III.
Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, denn sie ist noch nicht
zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Stützt sich der Insolvenz-
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verwalter im Insolvenzanfechtungsprozess zum Nachweis der Zahlungsunfä-
higkeit des Schuldners auf ein oder mehrere Beweisanzeichen und auf die im
Falle einer Zahlungseinstellung bestehende gesetzliche Vermutung, hat das
Gericht im Rahmen des Prozessrechts auf Antrag des Anfechtungsgegners zur
Entkräftung der Beweisanzeichen und zur Widerlegung der Vermutung durch
einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen zu lassen (BGH, Be-
schluss vom 26. März 2015 - IX ZR 134/13, WM 2015, 1025 Rn. 6 mwN). Einen
solchen Beweisantrag hat die Beklagte gestellt.
Kayser
Gehrlein
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Paderborn, Entscheidung vom 18.10.2012 - 4 O 500/11 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 12.09.2013 - I-27 U 158/12 -