Urteil des BGH vom 24.03.2011

Arbeitsentgelt, Abfindung, Arbeitsgericht, Weisung, Überprüfung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 197/09
Verkündet
am:
24. März 2011
Kluckow
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 14. Oktober 2009 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war - zumindest bis zum 30. April 1993 - bei der D.
GmbH (nachfolgend: D. GmbH) beschäftigt. Mit der
Gründung der B. GmbH (nachfolgend: B. GmbH) wurde ab
dem 1. Mai 1993 die Sparte Baustoffe/Handel von der D. GmbH abgespal-
ten. Ob das Arbeitsverhältnis des Klägers damit auf die B.
GmbH überging, ist zwischen den Parteien streitig. In der Bestimmung des § 23
des einschlägigen Manteltarifvertrags (nachfolgend: Tarifvertrag) war für die
Geltendmachung arbeitsrechtlicher Ansprüche folgende Regelung getroffen:
1
- 3 -
"1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (...) und solche, die mit
dem Arbeitsverhältnis (...) in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht
innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht
werden.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht in-
nerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so
verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ab-
lehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Das gilt
nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers (...), die während eines
Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang ab-
hängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallsfrist von zwei Monaten
nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens."
Am 31. Mai 1994 kündigte die B. GmbH das Arbeitsverhältnis mit dem
Kläger mit Wirkung zum 31. Dezember 1994. Die im Juni 1994 von ihm beauf-
tragte Rechtsanwältin Dr. D. beantragte in der Folgezeit insgesamt drei
Mahnbescheide, mit welchen sie gegenüber der B. GmbH die Ansprüche des
Klägers auf Arbeitsentgelt für die Zeit seiner Freistellung von der Arbeit im Zeit-
raum April bis Oktober 1994 geltend machte. Mit Schreiben vom 18. November
1994 erklärte Rechtsanwältin Dr. D. gegenüber dem Arbeitsgericht unter
Bezugnahme auf den zuletzt gestellten Mahnbescheidsantrag, versehentlich
den falschen Schuldner angegeben zu haben, dieser sei in D. GmbH zu än-
dern. In Ihrer Anspruchsbegründung vom 27. März 1995 beantragte sie die
Verbindung der drei Verfahren und führte aus, die Ansprüche würden nunmehr
ausschließlich gegenüber der D. GmbH geltend gemacht, welche Rechts-
nachfolgerin der B. GmbH sei. Im selben Schriftsatz erhob Rechtsanwältin
Dr. D. namens des Klägers Kündigungsschutzklage, hilfsweise Klage auf
Zahlung einer Abfindung; ferner verlangte sie die Abrechnung von Provisions-
ansprüchen des Klägers und die Zahlung der sich hieraus ergebenden Provisi-
onen. Zugleich verkündete Rechtsanwältin Dr. D. der B. GmbH den Streit.
Das Arbeitsgericht wies mit Urteil vom 7. März 1996 die Klage ab, weil durch
den Betriebsübergang auf die B. GmbH ein Arbeitgeberwechsel stattgefunden
2
- 4 -
habe und die D. GmbH folglich nicht passiv legitimiert sei. Das Landesar-
beitsgericht wies die Berufung des Klägers, mit welcher dieser den Kündi-
gungsschutzantrag nicht mehr weiter verfolgte, durch Urteil vom 7. April 1997
zurück. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht im Wesentlichen aus,
das Arbeitsverhältnis des Klägers bestehe mit der B. GmbH und nicht mit der
beklagten D. GmbH.
Der Kläger erhob daraufhin am 18. November 1998 durch Rechtsanwäl-
tin Dr. D. gegen die mittlerweile in R. GmbH umfirmierte B.
GmbH Klage auf Zahlung einer Abfindung, Zahlung von Arbeitsentgelt für den
Freistellungszeitraum sowie Abrechnung und Zahlung von Provisionen. Das
Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 19. Juli 1999 ab, weil die Ansprü-
che verjährt und überdies aufgrund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist auch
verfallen seien. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Klägers mit
Urteil vom 28. Februar 2000 zurück, weil dessen Ansprüche jedenfalls aufgrund
der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen seien.
3
Im Sommer 2000 beauftragte der Kläger Rechtsanwalt W. mit der
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Rechtsanwältin Dr. D.
wegen deren pflichtwidriger Bearbeitung des Mandats zur Durchsetzung sei-
ner arbeitsrechtlichen Ansprüche. Am 28. Dezember 2001 beantragte Rechts-
anwalt W. im Namen des Klägers einen Mahnbescheid gegen Rechtsanwäl-
tin Dr. D. . Das Landgericht wies die spätere Klage mit Urteil vom 1. April
2003 ab und führte zur Begründung aus, möglicherweise bestehende Regress-
ansprüche seien verjährt.
4
- 5 -
Am 7. Juli 2003 beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Durchset-
zung von Schadensersatzansprüchen gegen Rechtsanwalt W. . Der
Beklagte leitete in der Folgezeit keine Schritte ein, um die Verjährung möglicher
Regressansprüche gegen Rechtsanwalt W. zu hemmen.
5
Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von insge-
samt 47.602,81 € für entgangene Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung so-
wie von Provisionen und von Arbeitsentgelt für den Zeitraum der Freistellung,
welche der Kläger nach seiner Auffassung bei pflichtgemäßer Erfüllung des
Anwaltsvertrags durch Rechtsanwältin Dr. D. gegenüber seiner früheren
Arbeitgeberin hätte durchsetzen können. In dieser Höhe habe ein Regressan-
spruch bestanden, den Rechtsanwalt W. pflichtwidrig habe verjähren
lassen. Der Beklagte hafte in derselben Höhe auf Schadensersatz, weil er sei-
nerseits den Regressanspruch gegen Rechtsanwalt W. habe verjähren
lassen.
6
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt er-
klärt, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelas-
senen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen
Urteils.
7
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet, die Sache jedoch nicht zur Endentscheidung
reif.
8
- 6 -
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Kläger sei aus einer mögli-
chen Pflichtverletzung des Beklagten jedenfalls kein Schaden entstanden, weil
er keine Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwalt W. besessen
habe. Als der Kläger im Sommer 2000 Rechtsanwalt W. beauftragt
habe, seien Regressansprüche gegen Rechtsanwältin Dr. D. bereits verjährt
gewesen. Ein primärer Schadensersatzanspruch sei im Februar 1998 verjährt.
Ein Sekundäranspruch bestehe nicht, weil Rechtsanwältin Dr. D. innerhalb
der laufenden Primärverjährungsfrist keinen Anlass gehabt habe, den Kläger
auf eine ihr unterlaufene Pflichtverletzung hinzuweisen. Zwar habe die Rechts-
anwältin die ihr bekannte Verfallsfrist nicht gewahrt. Es entlaste sie jedoch, im
arbeitsgerichtlichen Verfahren keinen Anlass gehabt zu haben, von ihrem
Rechtsstandpunkt abzurücken und diesen als fehlerhaft zu erkennen. Damit
fehle es an einem von außen herangetragenen Anlass, ihre Rechtsauffassung
in Frage zu stellen. Die allgemeine Pflicht des Anwalts zur ständigen Überprü-
fung seines Rechtsstandpunkts genüge nicht als Anlass, um eine Sekundär-
pflicht auszulösen.
9
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
10
1. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sind im Hinblick auf
Regressansprüche des Klägers die Grundsätze über die Sekundärhaftung an-
wendbar. Die Verjährung eines primären Schadensersatzanspruchs des Klä-
11
- 7 -
gers gegen Rechtsanwältin Dr. D. bestimmt sich gemäß Art. 229 § 12
Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 1 EGBGB nach der Vorschrift des § 51b BRAO, welche
durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz
zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214)
mit Wirkung zum 15. Dezember 2004 aufgehoben worden ist. Unterliegt die
Primärverjährung eines Regressanspruchs altem Verjährungsrecht, so sind
auch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Sekundär-
haftung weiterhin anwendbar (BGH, Urteil vom 13. November 2008 - IX ZR
69/07, WM 2009, 283 Rn. 8; vom 3. Februar 2011 - IX ZR 105/10, z.V.b.).
2. Wird die Annahme des Berufungsgerichts zur Primärverjährung eines
Regressanspruchs gegen Rechtsanwältin Dr. D. als zutreffend unterstellt,
so bestand bei Beauftragung von Rechtsanwalt W. ein unverjährter
Sekundäranspruch gegen die Rechtsanwältin.
12
a) Das Berufungsgericht hat die Pflichtverletzung von Rechtsanwältin
Dr. D. darin gesehen, die tarifvertragliche Verfallsfrist für arbeitsrechtliche
Ansprüche des Klägers nicht gewahrt zu haben. Dabei hat das Berufungsge-
richt offenbar angenommen, diese Ansprüche des Klägers seien mit Ablauf des
28. Februar 1995 verfallen. Wird dies als zutreffend unterstellt, so hat die Pri-
märverjährung des Regressanspruchs mit Ablauf dieses Tages begonnen.
Lässt ein Rechtsanwalt pflichtwidrig einen Anspruch seines Mandanten verjäh-
ren, so beginnt die Verjährung des Regressanspruchs nach der Vorschrift des
§ 51b Alt. 1 BRAO mit dem Eintritt der Verjährung des Anspruchs, welchen der
Anwalt hätte geltend machen sollen (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR
204/93, WM 1994, 2162, 2164; vom 6. Juli 2000 - IX ZR 134/99, WM 2000,
1812, 1814; vom 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1678). Ebenso
entsteht der Schaden und beginnt die Verjährung des Regressanspruchs im
13
- 8 -
Falle der Versäumung einer Ausschlussfrist mit dem Ablauf dieser Frist (Zuge-
hör in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl.,
Rn. 1345; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des
Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 1205).
b) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen
hat, folgt eine Sekundärhaftung des Rechtsanwalts nicht schon aus derjenigen
Pflichtverletzung, die dessen primäre Haftung begründet hat. Ein Sekundäran-
spruch setzt vielmehr voraus, dass der Rechtsanwalt bei der Bearbeitung des
Mandats vor Verjährung des Primäranspruchs Anlass hat zu prüfen, ob er durch
einen Fehler dem Mandanten Schaden zugefügt hat. Unerheblich ist hingegen,
ob der Rechtsanwalt seinen Fehler im Rahmen dieser Prüfung tatsächlich er-
kannt hat. Ein Sekundäranspruch kommt gleichermaßen in Betracht, wenn der
Rechtsanwalt die gebotene Überprüfung seiner Tätigkeit unterlässt, wenn er
trotz der Überprüfung seinen Fehler nicht erkennt oder wenn er trotz Erkenntnis
des Fehlers die gebotene Aufklärung des Mandanten unterlässt (BGH, Urteil
vom 23. Mai 1985 - IX ZR 102/84, BGHZ 94, 380, 386; vom 13. November
2008, aaO Rn.
11). Der Umstand, dass Rechtsanwältin
Dr. D. ihren fehlerhaften Rechtsstandpunkt im Laufe des Arbeitsgerichts-
prozesses aufrechterhalten hat, vermag einen Sekundäranspruch entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts folglich nicht auszuschließen.
14
Waren die arbeitsvertraglichen Ansprüche des Klägers wegen Verfalls ab
1. März 1995 nicht mehr durchsetzbar, so hatte Rechtsanwältin Dr. D.
bereits bei Fertigung der am 27. März 1995 beim Arbeitsgericht eingereichten
Anspruchsbegründung Anlass, dies zu prüfen. Überdies gaben die Klagabwei-
sung durch das Arbeitsgericht mit Urteil vom 7. März 1996, die Fertigung der
Berufungsbegründung sowie die Zurückweisung der Berufung durch das Lan-
15
- 9 -
desarbeitsgericht mit Urteil vom 7. April 1997 der Rechtsanwältin Anlass zur
Prüfung, ob ihr bei der Durchsetzung der Ansprüche des Klägers ein Fehler
unterlaufen war. Wurde die dreijährige Primärverjährung von Regressansprü-
chen entsprechend der Auffassung des Berufungsgerichts durch den Verfall der
arbeitsrechtlichen Ansprüche mit Ablauf des 28. Februar 1995 in Lauf gesetzt,
so hätte die Rechtsanwältin vor Eintritt der Primärverjährung mit Ablauf des
28. Februar 1998 den Kläger auf mögliche Regressansprüche sowie die inso-
weit drohende Verjährung hinweisen müssen.
c)
Die
dreijährige
Verjährungsfrist des Sekundäranspruchs nach § 51b
BRAO a.F. beginnt mit dem Eintritt der Primärverjährung zu laufen, sofern das
Mandat zu diesem Zeitpunkt noch fortbesteht, andernfalls mit Beendigung des
Mandats (BGH, Urteil vom 23. Mai 1985, aaO S. 390). Haftungsrechtlich nahm
Rechtsanwältin Dr. D. bis zum Abschluss des zweiten Berufungsverfahrens
einen einheitlichen Auftrag im Sinne des § 51b Fall 2 BRAO a.F. wahr. Die Se-
kundärverjährung begann folglich mit Eintritt der Primärverjährung - nicht be-
reits zu einem früheren Zeitpunkt mit Mandatsende - zu laufen. Eine mit Ablauf
des 28. Februar 1998 begonnene dreijährige Verjährungsfrist des Sekundäran-
spruchs wäre danach bei der Beauftragung von Rechtsanwalt W.
durch den Kläger im Sommer 2000 noch nicht abgelaufen.
16
III.
Wegen des Rechtsfehlers ist das Berufungsurteil aufzuheben und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-
rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine ersetzende Sachentschei-
dung des Senats ist schon deshalb nicht möglich, weil die Feststellungen des
17
- 10 -
Berufungsgerichts dessen Annahme nicht tragen, die arbeitsrechtlichen An-
sprüche des Klägers seien einheitlich mit Ablauf des 28. Februar 1995 verfallen
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
1. Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die jeweiligen Ansprüche nach
Maßgabe der tarifvertraglichen Ausschlussregelung hätten geltend gemacht
werden müssen, ist zur Bestimmung der Verjährung des Regressanspruchs im
Hinblick auf die geltend gemachten Schadenspositionen jeweils gesondert zu
beurteilen.
18
a) Der dem Geschädigten aufgrund eines bestimmten Verhaltens er-
wachsende Schaden ist grundsätzlich als einheitliches Ganzes aufzufassen mit
der Folge, dass der gesamte Schadensersatzanspruch einschließlich des An-
spruchs auf Ersatz für die Zukunft voraussehbarer Nachteile einer einheitlichen
Verjährung unterliegt (BGH, Urteil vom 14. März 1968 - VII ZR 77/65, BGHZ 50,
21, 23 f; vom 23. März 1987 - II ZR 190/86, BGHZ 100, 228, 231 f). Die Verjäh-
rung des Regressanspruchs nach § 51b Alt. 1 BRAO a.F. beginnt damit auch
im Hinblick auf voraussehbare künftige Nachteile des Mandanten einheitlich in
dem Zeitpunkt, zu welchem dem Mandanten aus der Pflichtverletzung des
Rechtsanwalts ein erster Teilschaden erwachsen ist (BGH, Urteil vom 1. Febru-
ar 1990 - IX ZR 82/89, WM 1990, 815, 816; vom 5. November 1992 - IX ZR
200/91, WM 1993, 610, 612; vom 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, WM 2002,
1078, 1080). Ist der Mandant hingegen durch mehrere selbständige Handlun-
gen oder pflichtwidrige Unterlassungen geschädigt worden, so unterliegt der
Regressanspruch im Hinblick auf den aus der jeweiligen Pflichtverletzung er-
wachsenen Schaden einer jeweils gesondert zu bestimmenden Verjährung
(BGH, Urteil vom 21. Februar 2002, aaO).
19
- 11 -
b) Der vom Kläger geltend gemachte Schaden setzt sich zusammen aus
Ansprüchen auf Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auf
Zahlung während des Arbeitsverhältnisses verdienter Provisionen sowie auf
Zahlung von Arbeitsentgelt für den Freistellungszeitraum, welche der Kläger
nach seiner Auffassung bei pflichtgemäßer Bearbeitung des Mandats durch
Rechtsanwältin Dr. D. gegenüber seinem früheren Arbeitgeber hätte
durchsetzen können. Es handelt sich dabei um drei unterschiedliche Ansprü-
che, welche zwar insgesamt aus dem früheren Arbeitsverhältnis des Klägers
erwuchsen, im Übrigen jedoch rechtlich gänzlich unabhängig voneinander zu
beurteilen waren. Während der Anspruch auf Abfindung gerade voraussetzte,
dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung wirksam beendet
worden war, konnten Ansprüche auf Provisionszahlung sowie Arbeitsentgelt
unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigung bestehen. Auch die Fälligkeit
der jeweiligen Ansprüche sowie die hieran anknüpfenden Verjährungs- und Ver-
fallsfristen folgten jeweils unterschiedlichen Regeln. Hat Rechtsanwältin Dr. D.
den Kläger dadurch geschädigt, dass sie im Hinblick auf sämtliche Ansprü-
che die rechtzeitige Geltendmachung versäumt hat, so liegt daher eine Mehr-
zahl gesonderter Pflichtverletzungen vor mit der Folge, dass auch die Verjäh-
rung des Regressanspruchs im Hinblick auf den jeweiligen Schaden einer ge-
sondert zu bestimmenden Verjährung unterliegt.
20
2. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich der Zeit-
punkt des Verfalls der arbeitsrechtlichen Ansprüche des Klägers nicht.
21
Das Berufungsgericht hat die nach Maßgabe der zweistufigen Aus-
schlussklausel des Tarifvertrags erforderlichen Feststellungen nicht getroffen,
wann die vom Kläger behaupteten arbeitsrechtlichen Ansprüche jeweils fällig
geworden sind, ob diese vom Kläger rechtzeitig schriftlich geltend gemacht
22
- 12 -
worden sind und zu welchem Zeitpunkt diese gegebenenfalls hätten gerichtlich
geltend gemacht werden müssen. Der Verweis des landgerichtlichen Urteils
auf die arbeitsgerichtlichen Urteile im Vorprozess gegen die in R.
GmbH umfirmierte B. GmbH kann die erforderlichen Feststellungen nicht
ersetzen, weil auch das Landesarbeitsgericht weder zur Fälligkeit der Ansprü-
che noch zur Frage der Geltendmachung durch den Kläger abschließende
Feststellungen getroffen hat. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr dahinge-
stellt sein lassen, ob der Kläger einen Teil seiner Ansprüche bereits im Herbst
1994 schriftlich geltend gemacht habe, weil er für diesen Fall innerhalb von zwei
Monaten nach deren Ablehnung oder Unterbleiben einer Stellungnahme die
Ansprüche hätte gerichtlich geltend machen müssen, was durch die Streitver-
kündung an die B. GmbH am 27. März 1995 jedenfalls nicht rechtzeitig er-
folgt sei; sollte hingegen eine außergerichtliche Geltendmachung fehlen, so wä-
ren die Ansprüche erstmals mit der Streitverkündung vom 27. März 1995 gel-
tend gemacht worden. Dies hätte bei spätestens zum 31. Dezember 1994 ein-
getretener Fälligkeit aller Ansprüche die tarifvertragliche Verfallsfrist ebenfalls
nicht gewahrt. Aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ergibt sich überdies
nicht, dass eine schriftliche Geltendmachung im Herbst 1994 im Hinblick auf
sämtliche Ansprüche die Ausschlussfrist des § 23 Nr. 1 des Tarifvertrags ge-
wahrt hätte. Die Feststellung, die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Klägers sei-
en spätestens zum 28. Februar 1995 verfallen, schließt daher nicht aus, dass
einzelne Ansprüche schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr durchsetz-
bar waren und damit ein Regressanspruch gegen Rechtsanwältin
Dr. D. auch unter Berücksichtigung einer Sekundärverjährung bei Beauf-
tragung von Rechtsanwalt W. durch den Kläger teilweise schon ver-
jährt war.
- 13 -
IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
23
1. Indem das Berufungsurteil ausführt, Rechtsanwältin Dr. D. hätte
zumindest die B. GmbH neben der D. GmbH in Anspruch nehmen müssen,
um den sichersten Weg zu gehen, hat das Berufungsgericht sich offenbar der
Auffassung des Landgerichts angeschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis des
Klägers auf die B. GmbH übergegangen war und folglich mit der Umstellung
des Mahnantrags sowie den darauffolgenden Klageanträgen gegen die D.
GmbH pflichtwidrig die falsche Partei in Anspruch genommen wurde. Auf dieser
Grundlage könnte es auf die Behauptung des Beklagten ankommen, der Kläger
habe seine Rechtsanwältin am 17. November 1994 telefonisch angewiesen,
den Mahnbescheid nur noch gegen die D. GmbH zu richten.
24
Soweit die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Klägers erstmals mit der
Anspruchsbegründung gegenüber der D. GmbH und gleichzeitiger Streitver-
kündung an die B. GmbH am 27. März 1995 geltend gemacht worden waren,
kommt es auf eine solche Weisung allerdings nicht an, wenn die Ansprüche zu
diesem Zeitpunkt bereits verfallen waren und die Ausschlussfrist damit unab-
hängig von der Frage versäumt worden ist, gegenüber welcher Partei die An-
sprüche hätten erhoben werden müssen. Während die Ansprüche auf Abfin-
dung sowie Provisionen erstmals mit der Anspruchsbegründung vom 27. März
1995 gerichtlich geltend gemacht wurden, waren Ansprüche auf Zahlung von
Arbeitsentgelt für den Freistellungszeitraum bereits teilweise Bestandteil der
vorangegangenen Mahnverfahren. Aus den Urteilen der Vorinstanzen ergibt
sich dabei nicht, ob die nun im Rahmen des Schadensersatzes geltend ge-
machten Ansprüche auf Arbeitsentgelt denjenigen Zeitraum betreffen, welcher
25
- 14 -
Gegenstand der Mahnverfahren gewesen ist. Es ist daher denkbar, dass
Rechtsanwältin Dr. D. insoweit die Verfallsfrist zunächst gewahrt hatte und
der Verfall gegenüber der B. GmbH erst durch die möglicherweise auf Wei-
sung des Klägers erfolgte Umstellung des Mahnverfahrens auf die D. GmbH
eingetreten ist. Sollte die Behauptung einer entsprechenden Weisung nach
Maßgabe des § 531 Abs. 2 ZPO beachtlich sein, wird das Berufungsgericht ge-
gebenenfalls zu prüfen haben, ob eine Weisung des Klägers an seine Rechts-
anwältin vorgelegen hat, welche diese von der Pflicht zur eigenständigen Prü-
fung entband, gegenüber welcher Partei die Ansprüche des Klägers geltend zu
machen waren.
2. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folge-
richtig - bislang keine Feststellungen zur Frage getroffen hat, ob der Kläger tat-
sächlich über weitere arbeitsrechtliche Ansprüche verfügt hat, welche innerhalb
der tarifvertraglichen Ausschlussfristen hätten durchgesetzt werden können.
Das Berufungsgericht wird zu beachten haben, dass ein Grundurteil nur erge-
hen darf, wenn nicht nur alle den Anspruchsgrund betreffenden Fragen geklärt
sind, sondern auch nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich
ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 2. Oktober
2000 - II ZR 54/99, WM 2000, 2427; vom 7. März 2005 - II ZR 144/03, WM
2005, 1624, 1625). Das Landgericht hat demgegenüber im Hinblick auf die vom
Kläger behaupteten Provisionsforderungen substantiierten Vortrag genügen
lassen, ohne selbst Feststellungen zu treffen, ob dem Kläger wahrscheinlich
weitere Provisionsforderungen gegen seine frühere Arbeitgeberin zugestanden
haben. Bezüglich der behaupteten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Frei-
26
- 15 -
stellungszeitraum beschränkt sich das landgerichtliche Urteil auf die nicht näher
begründete Annahme, dem Kläger hätten "restliche Urlaubsentgeltansprüche"
zugestanden. Dies genügt für den Erlass eines Grundurteils nicht.
Kayser Raebel Vill
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 16.02.2009 - 6 O 107/06 -
OLG Jena, Entscheidung vom 14.10.2009 - 8 U 209/09 -