Urteil des BGH vom 23.03.2016

Quote, Feststellungsklage, Fonds, Ermessen

ECLI:DE:BGH:2016:230316BIXZB73.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 73/15
vom
23. März 2016
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Vill, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Pape
und Dr. Schoppmeyer
am 23. März 2016
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. August
2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Beschwerdewert: bis zu 1.0
00 €
Gründe:
I.
Die Kläger erwarben Kommanditbeteiligungen an einer Fonds KG. Die
S. GmbH (fortan: Schuldnerin) ist Gründungsge-
sellschafterin und Komplementärin des Fonds. Die Kläger machten Schadens-
ersatzansprüche aus dem Erwerb der Kommanditbeteiligungen gegen die
Schuldnerin geltend. Das Amtsgericht München eröffnete mit Beschluss vom
1
- 3 -
26. April 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und
bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2013 meldeten die Kläger zwei Forderungen
über 10.500
€ jeweils zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € zur Tabelle
an. Der Beklagte lehnte die Feststellung zur Tabelle ab.
Mit ihrer Feststellungsklage beantragen die Kläger in erster Linie, Insol-
venzforderungen über 21.000
€ Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte aus
den Kommanditbeteiligungen der Kläger festzustellen. Der Beklagte machte in
erster Instanz unter anderem geltend, dass die liquiden Mittel gerade ausrei-
chend seien, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Eine Quote sei
nicht zu erwarten. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen
und den Streitwert auf 500 € festgesetzt. Die von den Klägern eingelegte Beru-
fung hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden
sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der nach § 511 Abs. 2 ZPO erfor-
derliche Beschwerdewert
von über 600 € sei nicht erreicht. Gemäß § 182 InsO
in Verbindung mit § 3 ZPO komme es auf das wirtschaftliche Interesse des
Gläubigers an der Feststellung seiner Forderung an. Maßgeblicher Zeitpunkt für
die Streitwertfestsetzung sei gemäß § 182 InsO derjenige der Klageerhebung.
Zu diesem Zeitpunkt sei keine Quote zu erwarten gewesen. Änderungen, die im
2
3
4
5
- 4 -
Laufe des Rechtsstreits einträten, seien unerheblich. Dass zum Zeitpunkt der
Einlegung des Rechtsmittels möglicherweise eine andere Quote zu erwarten
gewesen sei, ändere nichts. § 4 ZPO besage nur, dass ein Steigen oder Sinken
des Wertes des Streitwerts im Vergleich zum Tag des Eingangs der Klage oder
des Eingangs der Rechtsmittelschrift ohne Einfluss auf die Zuständigkeit oder
die Zulässigkeit des Rechtsmittels sei.
2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerde-
gerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Wie die Rechtsbeschwerde darlegt,
weicht das Berufungsgericht mit seiner Rechtsprechung vom allgemeinen Ver-
ständnis des § 4 ZPO ab.
a) Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil das Berufungsge-
richt § 4 ZPO missversteht. Ob eine Berufung die erforderliche Beschwerde-
summe erreicht, richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einle-
gung der Berufung. Dies gilt - wie der Senat mit Beschluss vom 14. Januar
2016 (IX ZB 57/15, ZIP 2016, 342) näher begründet und entschieden hat - auch
für die Fälle, in denen sich bei unverändertem Streitgegenstand der Wert des
Beschwerdegegenstandes gegenüber dem Zuständigkeitsstreitwert erster In-
stanz verändert hat.
Daher kommt es für die Frage, ob die Mindestbeschwer erreicht ist, da-
rauf an, welche Quote gemäß § 182 InsO für die Forderung zum Zeitpunkt der
Einlegung der Berufung zu erwarten war (BGH, Beschluss vom 14. Januar
2016 - IX ZB 57/15, ZIP 2016, 342 Rn. 13 mwN). § 182 InsO bestimmt lediglich,
welche Maßstäbe für die Wertberechnung bei einer Klage auf Feststellung einer
6
7
8
- 5 -
Forderung anzulegen sind, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von
einem Insolvenzgläubiger bestritten wird. Der Zeitpunkt für die Wertberechnung
richtet sich jedoch nach den allgemeinen Regeln (§ 4 InsO in Verbindung mit
§ 4 Abs. 1 ZPO).
b) Nach diesen Maßstäben ist die Berufung der Kläger zulässig. Da das
Landgericht die Feststellungsklage in vollem Umfang abgewiesen hat, ist für die
Beschwer der Kläger maßgeblich, welchen Wert die Feststellungsklage bei Ein-
legung der Berufung hatte. Dies war hier der 28. Mai 2015. Nach den ausführli-
chen Angaben des Beklagten, die sich die Kläger zu eigen gemacht haben und
an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, war am 28. Mai 2015 mit
einer Quote zu rechnen. Auf der Grundlage dieser Ausführungen schätzt der
Senat nach freiem Ermessen, dass diese Quote jedenfalls 3 v.H. betragen wird.
Schon dies ergibt gemäß § 182 InsO, § 3 ZPO im Streitfall eine Beschwerde-
summe von mindestens 630
€, welche die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
übersteigt.
9
- 6 -
3. Das Berufungsgericht wird daher in der Sache zu entscheiden haben.
Kayser
Vill
Lohmann
Pape
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 22.04.2015 - 35 O 5119/14 -
OLG München, Entscheidung vom 26.08.2015 - 13 U 1908/15 -
10