Urteil des BGH vom 03.03.2016

Leitsatzentscheidung zu Unterhaltspflicht, Culpa in Contrahendo, Allgemeiner Rechtsgrundsatz, Verjährungsfrist

ECLI:DE:BGH:2016:030316BIXZB33.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
IX ZB 33/14
Verkündet am:
3. März 2016
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
InsO § 302 Nr. 1; ZPO § 256
Hat der Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung einen anderen
Streitgegenstand als der titulierte Anspruch, kann der Schuldner gegenüber dem
Feststellungsbegehren des Gläubigers einwenden, der Anspruch aus vorsätzlich be-
gangener unerlaubter Handlung sei verjährt (Klarstellung BGHZ 187, 337).
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3
Rechtskräftig festgestellt sind alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die vom Streitge-
genstand umfasst sind, über den mit dem Titel entschieden wurde.
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht hat einen anderen
Streitgegenstand als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch.
BGB § 213
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Ansprüche auf Unterhalt und auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung der
Unterhaltspflicht kann der Gläubiger gleichzeitig nebeneinander geltend machen; die
Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung des einen
Anspruchs erstreckt sich nicht auf den anderen Anspruch.
FamFG § 112; BGB § 823 Abs. 2 Be, l iVm StGB § 170
Der Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhalts-
pflicht ist eine Familienstreitsache.
BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - IX ZB 33/14 - OLG Köln
AG Wermelskirchen
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Grupp und Dr. Schoppmeyer
für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats
als Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Köln vom
23. Januar 2014 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewie-
sen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Der Antragsgegner war mit I. verheiratet. Aus der
Ehe gingen die 1987 und 1989 geborenen Kinder P. und S.
hervor. Im Februar 1994 trennten sich die Eheleute. Nachdem der Antragsgeg-
ner keinen Unterhalt zahlte, erhielten seine Ehefrau und seine Kinder zwischen
dem 1. Juni 1994 und dem 31. Juli 1996 von der Antragstellerin Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz.
Die Antragstellerin, die dem Antragsgegner mit Schreiben vom 1. Juni
1994 den Anspruchsübergang gemäß § 91 Abs. 3 BSHG angezeigt hatte,
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machte Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht gerichtlich geltend.
Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht Hagen am 3. Februar 1995 einen Voll-
streckungsbescheid gegen den Antragsgegner. Danach war er verpflichtet, der
Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. Juni 1994 bis 30. November 1994 rück-
ständigen Unterhalt in Höhe von 4.308 DM zu zahlen. Der Antragsgegner legte
hiergegen Einspruch ein; die Antragstellerin erweiterte daraufhin ihre Klage für
Forderungen aus Unterhaltsansprüchen ab 1. Dezember 1994. Mit Urteil vom
7. September 1995 hielt das Amtsgericht - Familiengericht - Köln den Vollstre-
ckungsbescheid aufrecht und verurteilte den Antragsgegner zudem dazu, rück-
ständigen Unterhalt für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis 31. März 1995 in
Höhe von insgesamt 6.648 DM sowie ab 1. April 1995 laufenden Unterhalt für
die Dauer des Sozialhilfebezugs für die Ehefrau und die Kinder zu zahlen.
Der Antragsgegner zahlte keinen Unterhalt. Deshalb kam es zu einem
Strafverfahren wegen einer Verletzung seiner Unterhaltspflicht gegenüber sei-
nen beiden Kindern. Das Landgericht Köln sprach gegen den Antragsgegner
mit Urteil vom 14. Juli 1999 eine Verwarnung wegen vorsätzlicher Verletzung
der Unterhaltspflicht gemäß § 170b StGB aF aus und behielt eine Verurteilung
zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60 DM vor. Es nahm dabei an,
dass der Antragsgegner im Zeitraum von Juni 1995 bis Januar 1999 seine Un-
terhaltspflicht gegenüber seinen Kindern verletzt habe.
Das Amtsgericht Köln eröffnete am 20. Januar 2011 das Insolvenzver-
fahren über das Vermögen des Antragsgegners. Die Antragstellerin meldete
eine Forderung in Höhe von 14.445,97
€ für Unterhaltsrückstände aus der Zeit
vom 1. Juni 1994 bis zum 31. Juli 1996 zur Insolvenztabelle an und gab dabei
an, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung
handele. Die Forderung wurde in voller Höhe zur Tabelle festgestellt; der An-
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tragsgegner widersprach jedoch der Eigenschaft als Forderung aus unerlaubter
Handlung.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Widerspruch des Antrags-
gegners gegen die Feststellung als Forderung aus unerlaubter Handlung als
unbegründet angesehen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das
Oberlandesgericht den Antrag der Antragstellerin abgewiesen. Mit ihrer zuge-
lassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung
der amtsgerichtlichen Entscheidung.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in NZI
2014, 272 ff veröffentlicht ist, meint, der Feststellungsantrag der Antragstellerin
sei unbegründet, weil die Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung ver-
jährt sei. Die von der Antragstellerin erlangten Titel hätten nicht zur Hemmung
beziehungsweise zum Neubeginn der Verjährung geführt. Der Vollstreckungs-
bescheid vom 3. Februar 1995 und das Urteil vom 7. September 1995 beträfen
nur den jeweiligen Streitgegenstand. Die Antragstellerin habe in diesen Verfah-
ren Unterhaltsansprüche der Kinder und der Ehefrau des Antragsgegners aus
übergegangenem Recht geltend gemacht. Schadensersatzansprüche aus vor-
sätzlich unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
§ 170 StGB gingen jedoch auf einen anderen Lebenssachverhalt zurück. Erfor-
derlich sei zum einen Vorsatz des Antragsgegners und zum anderen handele
es sich um einen Anspruch der Antragstellerin aus eigenem Recht. Dies unter-
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scheide den Schadensersatzanspruch von den titulierten Unterhaltsansprü-
chen.
Ein Rechtsgrundsatz, dass sämtliche Verjährungsvorschriften einheitlich
für alle Ansprüche gelten, die aus einem anderen Grund wahlweise neben ei-
nem anderen Anspruch oder an seiner Stelle gegeben seien, ergebe sich nicht
aus § 477 Abs. 3, § 639 Abs. 2, § 209 BGB aF. Schon deshalb sei § 213 BGB
nF auf Leistungen bis 1996 nicht anzuwenden. Ohnehin setze diese Vorschrift
voraus, dass eine alternative oder selektive Konkurrenz zwischen den Ansprü-
chen bestehe. Die Antragstellerin könne jedoch Unterhaltsansprüche und An-
sprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung kumulativ verfolgen.
Verjährung für die Ansprüche aus den Jahren 1994 bis 1996 sei daher
jeweils drei Jahre nach Kenntniserlangung in den entsprechenden Monaten
eingetreten, die letzte mit Ablauf des 31. Juli 1999. Vollstreckungshandlungen
seien nur im Hinblick auf die titulierten Unterhaltsforderungen durchgeführt wor-
den und hätten daher die Verjährung der deliktischen Ansprüche nicht unter-
brochen. Gleiches gelte für freiwillige Zahlungen des Antragsgegners, die er
unter dem Druck der drohenden Zwangsvollstreckung erbracht habe. Zahlun-
gen aufgrund der Bewährungsauflage seien keine freiwilligen Zahlungen und
enthielten daher kein verjährungsrechtliches Anerkenntnis.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere hat die Antragstelle-
rin die Rechtsbeschwerde form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Zwar
ist die Antragstellerin nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt vertreten. Da das Beschwerdegericht die Sache als Familien-
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streitsache gemäß § 112 Nr. 1 FamFG behandelt hat, ergibt sich jedoch schon
aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung, dass § 114 Abs. 3 FamFG für die
Zulässigkeit des Rechtsmittels einschlägig ist. Danach kann sich die Antragstel-
lerin in Familienstreitsachen durch eigene Beschäftigte mit der Befähigung zum
Richteramt auch vor dem Bundesgerichtshof vertreten lassen. Diese Voraus-
setzungen sind im Streitfall erfüllt.
b) Es ist durch - streitigen - Beschluss zu entscheiden, weil sich das wei-
tere Verfahren nach §§ 113 ff FamFG richtet und die Antragstellerin auch in der
mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof wirksam vertreten war. Es
handelt sich um eine Familienstreitsache.
Maßgeblich ist dafür nicht die Behandlung durch das Beschwerdegericht,
sondern ob die materiellen Voraussetzungen für eine Familienstreitsache vor-
liegen. Der Schutzgedanke der Meistbegünstigung gebietet es nicht, dass das
Rechtsmittel auf dem vom vorinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen
Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren
so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung
durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wä-
re (BGH, Beschluss vom 2. September 2015 - XII ZB 75/13, FamRZ 2015, 2043
Rn. 22). Im Streitfall erweist sich die Behandlung als Familienstreitsache durch
das Beschwerdegericht allerdings als richtig.
Familienstreitsachen sind gemäß § 112 Nr. 1 FamFG Unterhaltssachen.
Nach § 231 Abs. 1 FamFG zählen zu Unterhaltssachen alle Verfahren, welche
die durch Verwandtschaft oder durch Ehe begründete gesetzliche Unterhalts-
pflicht betreffen. Hierzu gehören auch Schadensersatzansprüche, die darauf
gestützt werden, dass die gesetzliche Unterhaltspflicht nicht erfüllt worden sei,
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sofern die Schadensersatzansprüche ihre Wurzel im unterhaltsrechtlichen Ver-
hältnis haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1994 - XII ARZ 1/94, NJW
1994, 1416, 1417 zu § 621 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aF). Dies erfasst auch ein Fest-
stellungsbegehren, dass eine Verbindlichkeit auf einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 StGB
beruht (KG, FamRZ 2012, 138, 140; OLG Köln, FamRZ 2012, 1836, 1837; OLG
Celle, FamRZ 2012, 1838, 1839; OLG Hamm, FamRZ 2013, 67; Johannsen/
Henrich/Maier, Familienrecht, 6. Aufl. § 231 FamFG Rn. 11; vgl. auch OLG
Hamm, FamRZ 2012, 1741, 1742; a.A. OLG Rostock, FamRZ 2011, 910, 911).
Denn auch diese Ansprüche hängen entscheidend davon ab, ob der Schuldner
eine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt hat. § 231 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2
FamFG stellt darauf ab, ob die "Verfahren die […] gesetzliche Unterhaltspflicht
betreffen". Maßgeblich ist, ob die Pflichtverletzung auf das Unterhaltsverhältnis
zurückzuführen ist (Johannsen/Henrich/Maier, aaO). Ist dies der Fall, macht es
keinen Unterschied, ob die Parteien in persönlicher Hinsicht dem Bereich zuzu-
rechnen sind, der dem Familiengericht grundsätzlich zugewiesen ist, oder - wie
im Streitfall - als Sozialhilfeträger Ansprüche aus eigenem Recht geltend ma-
chen. Entscheidend ist, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch da-
rauf beruht, dass eine gesetzliche Unterhaltspflicht verletzt worden ist (vgl.
BGH, Beschluss vom 3. Mai 1976 - IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264, 274 f). Die
Beurteilung der gesetzlichen Unterhaltspflicht hat aber das Gesetz dem Famili-
enrichter zugewiesen, um den Gedanken einer Zuständigkeitskonzentration für
alle ehe- und familienbezogenen Verfahren zu verwirklichen und den Parteien
einen Richter mit der als notwendig erachteten besonderen Sachkunde zur Ver-
fügung zu stellen (BGH, aaO S. 275).
Auf das Verfahren sind daher nicht die Bestimmungen über das Revisi-
onsverfahren nach §§ 545 ff ZPO anzuwenden. Mithin konnte sich die Antrag-
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stellerin gemäß § 114 Abs. 3 FamFG auch in der mündlichen Verhandlung vor
dem Bundesgerichtshof durch eigene Angestellte mit der Befähigung zum Rich-
teramt vertreten lassen. Eine Säumnisentscheidung nach § 74 Abs. 4, § 113
Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 330 ZPO scheidet daher aus.
c) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das
Feststellungsbegehren ist unbegründet, weil - wie der Antragsgegner mit Recht
einwendet - mögliche Ansprüche der Antragstellerin aus vorsätzlich begangener
unerlaubter Handlung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände aus der Zeit vom
1. Juni 1994 bis 31. Juli 1996 verjährt sind.
aa) Zutreffend hat das Beschwerdegericht den nur gegen die Feststel-
lung, dass die Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Hand-
lung stamme, gerichteten Widerspruch des Schuldners als zulässig angesehen
(BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541 Rn. 10; vom
10. Oktober 2013 - IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265 Rn. 12).
bb) Das Beschwerdegericht nimmt weiter zutreffend an, dass das Fest-
stellungsbegehren nur Erfolg hat, wenn und soweit der Antragstellerin ein
durchsetzbarer - insbesondere unverjährter - materiell-rechtlicher Anspruch aus
einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zusteht. Hierzu genügt es
nicht, dass der Antragsgegner der zur Tabelle angemeldeten Forderung als sol-
cher nicht widersprochen hat.
Ob die von der Antragstellerin verfolgte Forderung von der Restschuld-
befreiung ausgenommen ist, richtet sich nach § 302 Nr. 1 InsO in der bis zum
30. Juni 2014 geltenden Fassung (fortan: InsO aF), weil das Insolvenzverfahren
vor dem 1. Juli 2014 eröffnet worden ist (Art. 103h EGInsO). Es kann mithin
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dahinstehen, ob der Antragstellerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichen
Unterhalt zustehen, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt
hat (§ 302 Nr. 1 InsO in der ab 1. Juli 2014 geltenden Fassung). Es kommt im
Streitfall allein darauf an, ob ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung besteht.
Gegenstand der Feststellungsklage ist bei einem relativen Recht die je-
weilige Forderung. § 302 Nr. 1 InsO aF stellt darauf ab, ob ein materiell-
rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
besteht. Nur diese Ansprüche werden gemäß § 302 Nr. 1 InsO aF von der
Restschuldbefreiung ausgenommen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob
dem Gläubiger (auch) ein anderer, wirtschaftlich auf das gleiche gerichteter An-
spruch zusteht. Entscheidend ist nicht, ob der Gläubiger den zur Tabelle fest-
gestellten Anspruch hat, sondern ob und in welchem Umfang der Gläubiger die
zur Tabelle angemeldete Forderung auch aufgrund eines Anspruchs aus einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners verlangen kann.
Mithin ist es unerheblich, dass Unterhaltsansprüche aus den Jahren 1994 bis
1996 gemäß § 91 BSHG auf die Antragstellerin übergegangen und zur Tabelle
festgestellt sind.
cc) Die im Streitfall allein in Betracht kommenden Ansprüche der Antrag-
stellerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF (mit
Wirkung ab 1. April 1998 wörtlich identisch § 170 Abs. 1 StGB) sind jedoch
- wie das Beschwerdegericht im Ergebnis zu Recht annimmt - verjährt. Ihre Ver-
jährung richtete sich ursprünglich nach § 852 BGB aF (Art. 229 § 6 EGBGB).
Die Verjährung war bereits abgelaufen, als die Antragstellerin die Ansprüche
zur Insolvenztabelle anmeldete, so dass keine Verjährungshemmung nach
§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB eintrat.
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(1) Der Verjährungseinwand ist auch unter den Umständen des Streitfal-
les im Feststellungsprozess zu prüfen. Die Antragstellerin beruft sich zu Un-
recht auf die Senatsentscheidungen vom 2. Dezember 2010 (IX ZR 247/09,
BGHZ 187, 337) und vom 10. Oktober 2013 (IX ZR 30/13, ZIP 2013, 2265).
Soweit in diesen Entscheidungen von einem Feststellungsanspruch gesprochen
wird, meint dies das prozessuale Feststellungsbegehren. Es genügt für den Er-
folg eines solchen Feststellungsbegehrens jedoch nicht, dass dem Antragsteller
ein unverjährter Anspruch auf eine Leistung zusteht, vielmehr muss gerade der
Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung durchsetz-
bar und nicht verjährt sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 aaO
Rn. 12).
Begehrt eine Partei gemäß § 256 ZPO die Feststellung, es handele sich
bei einer Forderung um eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung, ist Streitgegenstand die Frage, ob ein entsprechendes
Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht (vgl. Zöller/
Vollkommer, ZPO 31. Aufl., Einl Rn. 77; § 322 Rn. 9). Das Gericht muss dann
klären, ob dem Gläubiger ein durchsetzbarer - insbesondere unverjährter - ma-
teriell-rechtlicher Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten
Handlung zusteht. Es kann sich nicht darauf beschränken zu prüfen, ob der
Schuldner im Hinblick auf die geltend gemachte Forderung vorsätzlich gehan-
delt hat. Soweit der Senat entschieden hat, dass ein "Feststellungsanspruch"
nicht verjährt, bezieht sich dies allein darauf, dass - solange der materiell-
rechtliche Anspruch nicht verjährt ist - auch die Feststellung verlangt werden
kann, dass es sich um einen Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen uner-
laubten Handlung handelt. Denn die Klage auf Feststellung, dass eine Forde-
rung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vorliegt, ist eine
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Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Septem-
ber 2002 - IX ZB 180/02, BGHZ 152, 166, 171 f). Für die Frage, ob eine solche
Klage Erfolg hat, ist allein erforderlich, dass der Kläger ein rechtliches Interesse
an der Feststellung hat und das behauptete Rechtsverhältnis in Wirklichkeit be-
steht. Das Feststellungsinteresse ergibt sich bei einem Anspruch aus einer vor-
sätzlich begangenen unerlaubten Handlung aus den erweiterten Vollstre-
ckungsmöglichkeiten des § 850f Abs. 2 ZPO oder § 302 Nr. 1 InsO. Soll - wie
im Streitfall - festgestellt werden, dass eine Verbindlichkeit aus einer vorsätzlich
begangenen unerlaubten Handlung herrührt, ist diese Klage nur begründet,
wenn der Anspruch (weiter) durchsetzbar, insbesondere also nicht verjährt ist.
(2) Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus vorsätzlich be-
gangener unerlaubter Handlung beträgt drei Jahre (§ 852 Abs. 1 BGB aF; § 195
BGB nF). Eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre gemäß § 197
Abs. 1 Nr. 3 BGB (ebenso § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB aF) ist nicht erfolgt, weil
etwaige Ansprüche der Antragstellerin aus einer vorsätzlichen Verletzung der
Unterhaltspflicht nicht rechtskräftig festgestellt sind. Weder der Vollstreckungs-
bescheid des Amtsgerichts Hagen vom 3. Februar 1995 noch das Urteil des
Amtsgerichts Köln vom 7. September 1995 erstrecken sich auf diese Ansprü-
che.
(a) Für § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB genügt jedes die Leistungspflicht ganz
allgemein feststellende Urteil (BGH, Urteil vom 3. November 1988 - IX ZR
203/87, ZIP 1988, 1570, 1571). Soweit eine zusprechende Entscheidung über
den Streitgegenstand ergeht, sind die vom Streitgegenstand umfassten An-
sprüche rechtskräftig festgestellt und verjähren in 30 Jahren. Die Hemmung der
Verjährung durch Klageerhebung erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche,
die zum Streitgegenstand gehören (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 - XI ZR
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42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 22; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - XI ZB 12/12,
BGHZ 203, 1 Rn. 145 f; Urteil vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14, WM 2015,
1322 Rn. 10 f). Dies gilt gleichermaßen für die Verjährung der mit dem Urteils-
ausspruch rechtskräftig festgestellten Ansprüche im Sinne des § 197 Abs. 1
Nr. 3 BGB. Diese Norm meint den prozessualen Anspruch (BGH, Urteil vom
2. Dezember 2010 - IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 Rn. 11). Die Grenzen der
Verjährungshemmung sind mit denen der Rechtskraft kongruent (BGH, Urteil
vom 2. Mai 2002 - III ZR 135/01, BGHZ 151, 1, 2). Die Rechtskraft, auf die
§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB abstellt, erfasst mithin den Streitgegenstand insgesamt.
(b) Streitgegenstand der von der Antragstellerin erwirkten Titel sind je-
doch ausschließlich (wiederkehrende) Leistungen aus einem Unterhaltsverhält-
nis. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB
aF hat einen anderen Streitgegenstand als der Unterhaltsanspruch aus § 1601
BGB oder § 1361 BGB.
Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren
(Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge
konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Klä-
ger die begehrte Rechtsfolge herleitet (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum An-
spruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom
Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen
nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachen-
komplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens
vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprü-
che erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entschei-
dung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig
davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien
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vorgetragen worden sind oder nicht (ständige Rechtsprechung, jüngst etwa
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 - IX ZR 207/11, WM 2012, 2242 Rn. 14; vom
22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 mwN; vom 4. Juli 2014
- V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rn. 12; vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14, ZIP
2015, 1442 Rn. 11; vom 23. Juni 2015 - II ZR 166/14, WM 2015, 1679 Rn. 14).
Auch wenn Ansprüche wirtschaftlich auf das Gleiche gerichtet sind und
der Kläger die Leistung nur einmal verlangen kann, können die verschiedenen
materiell-rechtlichen Ansprüche unterschiedliche Streitgegenstände aufweisen;
dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Ansprüche sowohl in ih-
ren materiell-rechtlichen Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden
sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158, 167;
vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, NJW 1993, 2173, insoweit in BGHZ 122, 363
nicht abgedruckt). Entscheidend ist, ob sich die dem jeweiligen Anspruch zu-
grunde liegenden Lebenssachverhalte in wesentlichen Punkten unterscheiden,
oder ob es sich nur um marginale Abweichungen handelt, die bei natürlicher
Betrachtung nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung haben. Unter-
schiedliche Streitgegenstände weisen daher etwa die auf einem Vergleich be-
ruhende Zahlungspflicht und die ursprüngliche Schadensersatz- oder Entschä-
digungsforderung auf (BGH, Urteil vom 4. Juli 2014 - V ZR 298/13, NJW 2014,
3314 Rn. 11). Ebenso handelt es sich bei einem abstrakten Saldoanerkenntnis
im Verhältnis zur kausalen Saldoforderung um einen anderen Streitgegenstand
(BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 - XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121 Rn. 32).
Auch Schadensersatzansprüche nach § 823 BGB und der nachbarrechtliche
Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stellen unterschiedliche
Streitgegenstände dar (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 217/09
Rn. 10, insoweit in NJW 2010, 3158 nicht abgedruckt). Eine auf Vertragserfül-
lung gestützte Klage hat einen anderen Streitgegenstand als der Schadenser-
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satz wegen vorsätzlicher culpa in contrahendo (BGH, Urteil vom 15. Januar
2001
- II ZR 48/99, NJW 2001, 1210, 1211; vgl. auch zum Schaden beim Einge-
hungsbetrug BGH, Urteil vom 15. November 2011 - VI ZR 4/11, WM 2012, 138
Rn. 9 f). Gleiches gilt im Verhältnis einer Klage auf Maklerprovision zum Scha-
densersatzanspruch wegen entgangener Maklerprovision (BGH, Urteil vom
13. Juni 1996 - III ZR 40/96, NJW-RR 1996, 1276, 1277 unter 5.).
(c) Nach diesen Maßstäben handelt es sich im Verhältnis zwischen Un-
terhaltsanspruch und deliktischem Anspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung
der Unterhaltspflicht um zwei verschiedene Streitgegenstände. Diese Ansprü-
che sind sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in ihren Folgen verschieden
und beruhen auf in wesentlichen Punkten unterschiedlichen Lebenssachverhal-
ten. Die Antragstellerin hat die Titel gegen den Antragsgegner aus den nach
§ 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31. Juli 1996 geltenden Fassung auf
sie übergegangenen Unterhaltsansprüchen der Kinder und der Ehefrau des
Antragsgegners erwirkt.
Streitgegenstand eines Unterhaltsprozesses ist das Begehren auf - im
Allgemeinen - wiederkehrende Leistungen aus einem Unterhaltsverhältnis.
Demgegenüber ist Kern des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung
mit § 170 StGB der aus einem bestimmten Verhalten entstandene Schaden.
Während für die Ansprüche auf Unterhalt neben dem die Unterhaltspflicht be-
gründenden Verwandtschaftsverhältnis Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers
und Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners entscheidend sind, setzt der
Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1
StGB (oder - insoweit gleichlautend - § 170b Abs. 1 StGB aF) voraus, dass der
Unterhaltsschuldner einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt und
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dies den Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet oder diesen ohne
die Hilfe anderer gefährdete. Weiter muss der Schuldner hierbei bedingt vor-
sätzlich im Hinblick auf Unterhaltspflicht, Nichterfüllung und Gefährdung des
Lebensbedarfs handeln und dem Gläubiger hieraus ein Schaden entstanden
sein. Erst Nichterfüllung, Gefährdung des Lebensbedarfs, hierauf bezogener
Vorsatz und Schadenseintritt charakterisieren den Lebenssachverhalt dieses
Anspruchs. Auch in den Folgen unterscheiden sich die Ansprüche deutlich. Der
Unterhaltsanspruch besteht nur - und soweit - wie der Unterhaltsschuldner be-
dürftig ist und kann im Allgemeinen erst für die Zukunft verlangt werden (vgl.
§ 1613 Abs. 1 BGB), dafür aber typischerweise regelmäßig wiederkehrend. Der
Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170 Abs. 1 StGB erstreckt
sich über den Unterhaltsschaden hinaus auf alle übrigen adäquat kausal verur-
sachten Vermögensschäden, greift jedoch nur bei einer Gefährdung des Le-
bensbedarfs und ist zudem beschränkt auf Schäden aus in der Vergangenheit
nicht erfüllten Unterhaltsforderungen.
Gegenstand der von der Antragstellerin erwirkten Vollstreckungstitel war
nur ein Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht. Die Antragstellerin hat
sowohl im Vollstreckungsbescheid als auch im Unterhaltsurteil ausdrücklich
Unterhaltsansprüche der Kinder und der Ehefrau des Antragsgegners geltend
gemacht. Dass zugleich über Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB
in Verbindung mit § 170b StGB aF entschieden wurde, ist nicht ersichtlich. We-
der dem Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Köln vom 7. September
1995 noch dem Sachvortrag der Antragstellerin lässt sich entnehmen, dass die
Antragstellerin mit den Vollstreckungstiteln auch Schadensersatzansprüche aus
eigenem oder übergegangenem Recht verfolgen wollte. Denn der Kläger be-
stimmt durch seinen Sachvortrag den Streitgegenstand einer Klage. Soweit der
Antragstellerin Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbin-
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dung mit § 170 StGB aus eigenem Recht zustanden (vgl. BGH, Beschluss vom
11. Mai 2010 - IX ZB 163/09, NJW 2010, 2353 Rn. 6 mwN), waren diese schon
deshalb nicht Streitgegenstand des Vollstreckungsbescheids und des Unter-
haltsurteils, weil die Antragstellerin jedenfalls nur fremde Ansprüche gerichtlich
verfolgt hat. Bei der Frage, ob eine Klage auf eigene oder abgetretene Ansprü-
che gestützt wird, handelt es sich nicht um verschiedene rechtliche Begründun-
gen desselben prozessualen Anspruchs, sondern um verschiedene Streitge-
genstände (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922
Rn. 19 mwN).
(d) Mithin kann dahinstehen, ob die Antragstellerin zum Zeitpunkt der
Unterhaltsprozesse etwaige Schadensersatzansprüche der Ehefrau und Kinder
gegen den Antragsgegner nach § 90 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom
23. März 1994 auf sich übergeleitet hat oder ob bereits der gesetzliche Forde-
rungsübergang nach § 91 BSHG in der bis 31. Juli 1996 geltenden Fassung
Schadensersatzansprüche der Ehefrau und der Kinder nach § 823 Abs. 2 BGB
in Verbindung mit § 170 StGB erfasst. Ebenso kann offenbleiben, ob insoweit
nicht ein gesetzlicher Forderungsübergang nach § 116 SGB X in Betracht
kommt. Denn diese Ansprüche waren weder Streitgegenstand des Vollstre-
ckungsbescheides vom 3. Februar 1995 noch des Unterhaltsurteils vom 7. Sep-
tember 1995.
(3) Die Anmeldung der Ansprüche zur Tabelle am 11. April 2011 war
nicht geeignet, die Verjährung des Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB zu hemmen. Ein etwai-
ger Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF
war zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.
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(a) Der Anspruch unterlag ursprünglich der Verjährungsfrist des § 852
Abs. 1 BGB aF. Danach verjährte der Anspruch auf Ersatz des Schadens in
drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden
und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese
Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an.
Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht allerdings, dass die Kennt-
nis schon mit der Nichtzahlung des Unterhalts im jeweiligen Monat beginne.
Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Sinne des
§ 852 Abs. 1 BGB aF ist erst vorhanden, wenn dem Geschädigten zuzumuten
ist, aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine
Schadensersatzklage, zumindest als Feststellungsklage zu erheben, die bei
verständiger Würdigung der ihm bekannten anspruchsbegründenden Tatsa-
chen Erfolgsaussicht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteil vom
6. November 2007 - VI ZR 182/06, VersR 2008, 129 Rn. 15 mwN). Kenntnis
von der Person des Ersatzpflichtigen erfordert auch die Kenntnis von Tatsa-
chen, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers hinweisen (Palandt/
Thomas, BGB, 61. Aufl., § 852 Rn. 11; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl.,
§ 852 Rn. 70 mwN). Auch insoweit genügt, dass der Geschädigte die objektiven
Umstände kennt, die ihm die Schlüsse auf die subjektive Tatseite erlauben
(BGH, Urteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 285/86, NJW-RR 1988, 411, 412
unter II. 2. b.). Der Verletzte muss bei kritischer Würdigung der für den Schaden
ursächlichen Handlungen des Schädigers zu der Überzeugung gelangt sein,
dieser habe schuldhaft gehandelt (BGH, Urteil vom 27. November 1963 - Ib ZR
49/62, NJW 1964, 493, 494). Sofern der Anspruch - wie im Streitfall - nur be-
steht, wenn der Schuldner vorsätzlich handelt, muss der Gläubiger mithin auch
Tatsachen kennen, die einen Schluss auf vorsätzliches Handeln ermöglichen.
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Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlich nicht
erbrachter Unterhaltsleistungen aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170
StGB beginnt daher nicht schon dann, wenn der Gläubiger weiß, dass der
Schuldner den monatlichen Unterhalt nicht bezahlt. Vielmehr ist auch erforder-
lich, dass der Gläubiger Tatsachen kennt, aus denen eine entsprechende Leis-
tungsfähigkeit des Schuldners folgt, weil dies Tatbestandsmerkmal des § 170
StGB ist (im Ergebnis übereinstimmend Fischer, StGB, 63. Aufl., § 170 Rn. 8
mwN; Schönke/Schröder/Lenckner/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 170 Rn. 19 mwN).
Insbesondere muss der Gläubiger Tatsachen kennen, aus denen sich ergibt,
dass der Schuldner hinreichende Einkünfte erzielt oder - bei ausreichenden
Bemühungen - erzielen könnte und dass der Schuldner bedingt vorsätzlich
handelt. Im Streitfall hat das Beschwerdegericht zur Kenntnis solcher Tatsa-
chen bereits im Jahr 1994 nichts festgestellt. Der - für den Beginn der Verjäh-
rungsfrist darlegungs- und beweispflichtige - Antragsgegner trägt hierzu nichts
vor.
Ob die Antragstellerin schon während der ausbleibenden Unterhaltszah-
lungen in den Jahren 1994 bis 1996 zu einem bestimmten Zeitpunkt hinsichtlich
einzelner Unterhaltsraten Tatsachen kannte, die den für eine Feststellungsklage
erforderlichen Schluss auf eine Leistungsfähigkeit und bedingten Vorsatz des
Schuldners zuließen, kann jedoch im Streitfall dahinstehen. Eine entsprechende
Kenntnis der Antragstellerin mag vorgelegen haben, sobald das Unterhaltsurteil
vom 7. September 1995 rechtskräftig geworden ist und der Antragsgegner
gleichwohl keinen Unterhalt zahlte. Jedenfalls hatte die Antragstellerin Kenntnis
des gegen den Antragsteller eingeleiteten Strafverfahrens wegen Verletzung
der Unterhaltspflicht und erfuhr noch im Jahr 1999 von der strafrechtlichen Ver-
urteilung des Antragsgegners wegen Verletzung seiner Unterhaltspflicht. Dies
genügt, um die Verjährungsfrist des § 852 BGB aF in Gang zu setzen (vgl.
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BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 280/90, WM 1991, 2135). Die drei-
jährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB aF lief damit spätestens am
31. Dezember 2002 ab. Die Neuregelung des Verjährungsrechts aufgrund des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts führt zu keiner Verlängerung
der Verjährung (Art. 229 § 6 Abs. 1, 3 EGBGB).
(b) Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides Ende 1994 und die
Klageerhebung im Jahr 1995 haben die Verjährung ebensowenig gehemmt wie
das gegen den Antragsgegner wegen Verletzung der Unterhaltspflicht geführte
Strafverfahren. Streitgegenstand der zivilrechtlichen Verfahren war allein der
Unterhaltsanspruch; dass die Antragstellerin in diesen Verfahren auch einen
Sachverhalt zur Entscheidung unterbreitet hat, mit dem sie Ansprüche aus
§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b StGB aF verfolgte, zeigt sie nicht
auf. Es lässt sich auch den Titeln nicht entnehmen. Das Strafverfahren hat auf
die zivilrechtliche Verjährung keinen Einfluss.
(c) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch eine Hemmung der Ver-
jährung analog § 477 Abs. 3, § 639 Abs. 1 BGB aF oder gemäß § 213 BGB nF
verneint.
Es besteht kein Anlass, die Sondervorschriften der § 477 Abs. 3, § 639
Abs. 1 BGB aF auf das Verhältnis zwischen einem Unterhaltsanspruch und ei-
nem Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhalts-
pflicht zu übertragen. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass bei mehreren al-
ternativ gegebenen Ansprüchen die Hemmung der Verjährung des einen An-
spruchs auch für den anderen Anspruch wirkte, bestand nicht.
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Auf § 213 BGB nF kommt es nicht an. Die Antragstellerin zeigt nicht auf,
dass nach dem Inkrafttreten des § 213 BGB nF zum 1. Januar 2002 ein Tatbe-
stand verwirklicht worden ist, der zu einer Hemmung, einer Ablaufhemmung
oder einem Neubeginn der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen
der vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht im Zeitraum von Juni 1994 bis
Juli 1996 geführt haben könnte. Unabhängig davon ist § 213 BGB nF nicht an-
wendbar, wenn die Ansprüche kumulativ verfolgt werden können (Staudinger/
Peters/Jacoby, BGB, 2014, § 213 Rn. 7). So liegt der Fall bei Ansprüchen auf
Unterhalt und Schadensersatz wegen Verletzung der Unterhaltspflicht, die der
Gläubiger gleichzeitig nebeneinander geltend machen kann. § 213 BGB setzt
aber voraus, dass das eine Begehren das andere ausschließt (BGH, Urteil vom
29. April 2015 - VIII ZR 180/14, zVb in BGHZ 205, 151 Rn. 26; Staudinger/
Peters/Jacoby, aaO Rn. 4, 6).
(d) Eine Hemmung der Verjährung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a)
BGB (oder § 204 Satz 2 BGB aF) kommt nicht in Betracht. Zwar gilt dieser
Hemmungstatbestand auch für Schadensersatzansprüche von Kindern gegen
ihre Eltern. Im Streitfall macht die Antragstellerin jedoch Schadensersatzan-
sprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF
aus eigenem Recht geltend.
Unabhängig davon wäre Verjährung selbst dann eingetreten, wenn die
Antragstellerin Schadensersatzansprüche der Kinder verfolgen würde. Denn die
Hemmung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) BGB endet, sobald der Anspruch
auf einen Dritten übergegangen ist (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012
- XII ZB 461/11, NJW-RR 2012, 579 Rn. 20; Urteil vom 23. August 2006
- XII ZR 26/04, NJW 2006, 3561 Rn. 14). Deshalb kann offen bleiben, ob der
Forderungsübergang nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31. Juli
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1996 geltenden Fassung auch Schadensersatzansprüche der Kinder nach
§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 170b Abs. 1 StGB aF umfasst. Sollten
solche Ansprüche bereits mit Zahlung der Sozialhilfe in den Jahren 1994 bis
1996 auf die Antragstellerin übergegangen sein, bliebe eine Hemmung ohne
Auswirkungen auf den Eintritt der Verjährung, weil die Verjährung solcher über-
gegangener Ansprüche dann bereits spätestens 1999 zu laufen begonnen hätte
(vgl. oben unter 2. b) cc) (
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) (a)). Dass die Antragstellerin solche Ansprüche
- sofern sie nicht bereits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG übergegangen sein
sollten - etwa gemäß § 90 BSHG oder § 93 SGB XII erst zu einem Zeitpunkt auf
sich übergeleitet hat, dass eine Verjährungshemmung durch Anmeldung zur
Insolvenztabelle noch möglich gewesen wäre, zeigt sie nicht auf.
(e) Ein Neubeginn der Verjährung nach § 212 Abs. 1 BGB scheidet aus.
Gegen die tatrichterliche Würdigung des Beschwerdegerichts, dass die im
Streitfall vorgenommenen Vollstreckungshandlungen und die erbrachten Teil-
zahlungen keinen Einfluss auf die Verjährung der Schadensersatzansprüche
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haben, wendet sich die Antragstellerin nicht. Revisionsrechtlich erhebliche Feh-
ler sind nicht ersichtlich.
Kayser
Gehrlein
Vill
Grupp
Schoppmeyer
Vorinstanzen:
AG Wermelskirchen, Entscheidung vom 06.06.2013 - 5 F 170/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.01.2014 - 27 UF 113/13 -