Urteil des BGH vom 11.06.2015

Leitsatzentscheidung zu Vergütung, Treuhänder, Aufschiebende Bedingung, Vorzeitige Entlassung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 18/13
vom
11. Juni 2015
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 63 Abs. 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 aF; InsVV § 1 Abs. 1, §§ 10, 13 Abs. 1 Satz 1
aF
Wird ein Insolvenzverwalter oder Treuhänder vorzeitig aus seinem Amt entlassen,
berechnet sich seine Vergütung nach dem Schätzwert der Insolvenzmasse zum Zeit-
punkt seines Ausscheidens (Anschluss an BGH, WM 2006, 141).
InsO § 63 Abs. 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 aF; InsVV § 1 Abs. 1, § 10; ZPO § 852 Abs. 1
Ein Pflichtteilsanspruch, zu dessen Verfolgung der Schuldner den Treuhänder oder
Insolvenzverwalter ermächtigt hat, erhöht die Berechnungsgrundlage für dessen
Vergütung, auch wenn der Anspruch noch nicht durch Vertrag anerkannt oder
rechtshängig geworden ist.
BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 18/13 - LG Berlin
AG Berlin-Wedding
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 11. Juni 2015
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der
Beschluss der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom
22. März 2012 abgeändert und die Vergütung des weiteren Betei-
ligten zu 1 für seine Tätigkeit als Treuhänder auf 14.659,10
€ ein-
schließlich Umsatzsteuer festgesetzt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde und die Anschlussrechtsbe-
schwerde des weiteren Beteiligten zu 1 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der weite-
re Beteiligte zu 1 80 v.H. und der weitere Beteiligte zu 2 20 v.H.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 52.442 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 wurde am 3. März 2000 zum Treuhänder im
Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners bestellt.
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Während des Insolvenzverfahrens war der Schuldner von April 2004 bis De-
zember 2005 selbständig als Maler tätig. Im Februar 2005 verstarb die Mutter
des Schuldners. Diese hatte den Schuldner enterbt. Im Juni 2008 erhob der
weitere Beteiligte zu 1 gegen die Erbin Stufenklage mit dem Ziel, den Pflicht-
teilsanspruch des Schuldners für die Masse zu realisieren. Nach seiner Be-
rechnung belief sich der Anspruch auf 35.299,85
€. Weil der Verdacht entstan-
den war, dass der Schuldner Vermögensgegenstände an seine Ehefrau ver-
schoben hatte, schloss der weitere Beteiligte zu 1 am 28. Novem-
ber/10. Dezember 2008 mit der Ehefrau des Schuldners einen Vergleich, wo-
nach diese zur Erledigung von Erstattungsansprüchen 5.000
€ zur Masse zah-
len sollte. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 18. Dezember 2008 wurde
der weitere Beteiligte zu 1 vorzeitig aus seinem Amt entlassen und der weitere
Beteiligte zu 2 zum Treuhänder bestellt. Danach sagte sich die Ehefrau des
Schuldners von dem Vergleich über die Erstattungsansprüche los. In der münd-
lichen Verhandlung über die Pflichtteilsklage schlossen der weitere Beteiligte
zu 2 und die Erbin im Januar 2009 einen Vergleich, nach dessen Inhalt die Er-
bin 7.500
€ zu zahlen hatte.
Der weitere Beteiligte zu 1 hat beantragt, die Vergütung für seine Tätig-
keit als Treuhänder auf insgesamt 59.600,51
€ festzusetzen. Er hat dem Antrag
eine Insolvenzmasse in Höhe von 52.685,82
€ zugrunde gelegt und dabei den
Pflichtteilsanspruch (35.299,85
€), die Forderung gegen die Ehefrau des
Schuldners (5.000
€) und einen Überschuss aus der selbständigen Tätigkeit
des Schuldners in Höhe von 3.586,89 € einbezogen. Auf die sich daraus nach
§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsVV aF errechnende Regelvergütung von 7.902,87
€ hat
er Zuschläge in Höhe von 150 v.H. für die Führung des Unternehmens des
Schuldners, 50 v.H. wegen langer Verfahrensdauer und 25 v.H. wegen obstruk-
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tiven Verhaltens des Schuldners begehrt. Anstelle der tatsächlichen Auslagen
hat er für neun Jahre den Pauschsatz des § 8 Abs. 3 InsVV aF gefordert.
Das Insolvenzgericht hat die Vergütung auf insgesamt 4.102,07
€ festge-
setzt. Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 hat das Land-
gericht die Festsetzung auf den Betrag von 34.796,34
€ geändert. Mit der vom
Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der weitere Beteiligte
zu 2 die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts. Der weitere
Beteiligte zu 1 hat Anschlussrechtsbeschwerde erhoben und verfolgt mit ihr
seinen Vergütungsantrag im Gesamtbetrag von 56.544,07
€ weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wie auch die Anschluss-
rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 sind statthaft (§ 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3
Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 ZPO; zur Rechtsbe-
schwerdebefugnis des Beteiligten zu 2 vgl. BGH, Beschluss vom 27. Septem-
ber 2012 - IX ZB 276/11, WM 2012, 2160 Rn. 3) und auch im Übrigen zulässig.
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde teilweise Erfolg. Die Anschlussrechts-
beschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Der Beteiligte zu 1 könne als
Vergütung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 InsVV 15 v.H. der Insolvenzmasse ver-
langen. Zur Insolvenzmasse gehörten neben unstreitigen Beträgen auch die
ungekürzten Einnahmen aus der Betriebsfortführung in Höhe von 3.586,89
€,
der Pflichtteilsanspruch in Höhe von 35.299,85
€ und die Forderung gegen die
Ehefrau des Schuldners in Höhe des Vergleichsbetrags von 5.000
€. Insgesamt
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ergebe sich eine Masse von 52.685,82
€, der Anteil des Beteiligten zu 1 hieran
betrage 7.902,87
€. Wegen des mit dem hiesigen Verfahren verbundenen, weit
über dem Durchschnitt vergleichbarer Verbraucherinsolvenzverfahren liegen-
den Aufwands sei der Regelsatz auf den Betrag von 15.805,74
€ zu verdop-
peln. Zusätzlich habe der Beteiligte zu 1 Anspruch auf die Auslagenpauschale
nach § 8 Abs. 3 InsVV aF für acht Jahre, mithin in Höhe von 85 v.H. der Vergü-
tung von 15.805,75
€. Zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer errechne sich
ein Betrag von (15.805,74 + 13.434,88 + 5.555,72 =) 34.796,34
€.
2. Die dagegen gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde des Beteilig-
ten zu 2 sind begründet, soweit sie sich gegen die ungekürzte Berücksichtigung
des Pflichtteilsanspruchs und gegen die Festsetzung der Auslagenpauschale
für einen Zeitraum von acht Jahren richten.
a) Die Insolvenzmasse, von welcher der Beteiligte zu 1 gemäß § 13
Abs. 1 Satz 1 InsVV in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung als Vergü-
tung für seine Tätigkeit als Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren
15 v.H. beanspruchen kann, ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts
nicht mit dem Betrag von 52.685,82
€ anzusetzen, sondern lediglich mit
24.885,97 €. Für die Bewertung gelten wegen der Verweisung in § 10 InsVV die
Grundsätze des § 1 InsVV (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2005 - IX ZB 6/03,
WM 2005, 1663; vom 12. Oktober 2006 - IX ZB 191/05, NZI 2007, 55 Rn. 7).
Maßgeblich ist, weil der Beteiligte zu 1 vorzeitig entlassen wurde, der Schätz-
wert der Masse, die bis zu seiner Ablösung seiner Verwaltung unterlegen hat
(BGH, Beschluss vom 10. November 2005 - IX ZB 168/04, WM 2006, 141,
142).
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aa) Mit Recht hat das Beschwerdegericht den Erlös aus der selbständi-
gen Tätigkeit des Schuldners im Zeitraum von April 2004 bis Dezember 2005 in
Höhe des Betrags von 3.586,89
€ zur Insolvenzmasse gerechnet (§ 1 Abs. 2
Nr. 4 Satz 2 lit. b InsVV). Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind
hiervon nicht Steuerberaterkosten in Höhe von 2.243,19
€ abzusetzen. Ein
Teilbetrag von 1.718,26
€ dieser Kosten steht ausweislich des vom Beteiligten
zu 1 mit seiner Schlussrechnung vorgelegten Kontenblatts des
Kontos 6830
nicht im Zusammenhang mit der in den Jahren 2004 und 2005 ausgeübten
selbständigen Tätigkeit des Schuldners, sondern betrifft steuerliche Leistungen
für frühere Zeiträume. Lediglich Buchhaltungskosten in Höhe von 524,93
€ sind
der Betriebsfortführung zuzuordnen. Nach den Feststellungen des Beschwer-
degerichts wurden diese Kosten jedoch bereits bei der Ermittlung des mit der
selbständigen Tätigkeit erzielten Überschusses berücksichtigt. Dass dies nicht
zuträfe, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.
bb) Dem Grunde nach zutreffend hat das Beschwerdegericht auch den
Pflichtteilsanspruch des Schuldners zu der Insolvenzmasse gezählt, aus der die
Vergütung zu ermitteln ist. Der Pflichtteilsanspruch des Schuldners entstand mit
dem Erbfall im Jahr 2005, mithin während des Insolvenzverfahrens. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehörte er ab diesem Zeitpunkt zum
Vermögen des Schuldners und damit zur Insolvenzmasse, denn der Anspruch
war - wenn auch in seiner zwangsweisen Verwertung aufschiebend bedingt
durch seine vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit - pfändbar (§ 36
Abs. 1 InsO, § 852 Abs. 1 ZPO; BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010
- IX ZB 184/09, ZInsO 2011, 45 Rn. 8 mwN). Ob ein Pflichtteilsanspruch des-
halb stets schon ab dem Zeitpunkt seines Entstehens die Berechnungsgrundla-
ge für die Vergütung des Insolvenzverwalters erhöht oder ob dies erst dann der
Fall ist, wenn der Anspruch anerkannt oder rechtshängig wird (vgl. dazu BGH,
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Beschluss vom 12. Oktober 2006 - IX ZB 191/05, ZInsO 2006, 1159 Rn. 9, 11),
weil er vorher nicht zugunsten der Insolvenzmasse realisiert werden kann,
braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn der Schuldner hat den Beteilig-
ten zu 1 alsbald nach dem Erbfall und lange vor dessen Entlassung ermächtigt,
den Pflichtteilsanspruch gegenüber der Erbin geltend zu machen und ihn zur
Masse einzuziehen. Damit hat er auf den Schutz verzichtet, den ihm die Rege-
lung in § 852 Abs. 1 ZPO wegen des persönlichen Charakters der Entschei-
dung über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gewährt.
Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht aber seiner Vergütungsberech-
nung den Pflichtteilsanspruch mit dem vollen vom Beteiligten zu 1 geltend ge-
machten Betrag von 35.299,85
€ zugrunde gelegt. Im Regelfall berechnet sich
die Vergütung des Insolvenzverwalters wie auch diejenige des Treuhänders
nach dem Wert der Insolvenzmasse, auf die sich die Schlussrechnung bezieht
(§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 10 InsVV). Wird das Verfahren nach Bestätigung eines
Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, ist die
Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zum Zeitpunkt der Beendigung des
Verfahrens zu berechnen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV). In entsprechender Wertung
muss dann, wenn die Tätigkeit des Treuhänders durch seine vorzeitige Entlas-
sung endet, die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Ent-
lassung ermittelt werden. Bezogen auf diesen Zeitpunkt im Dezember 2008
kann der Pflichtteilsanspruch des Schuldners nicht mit seinem vollen Nominal-
betrag bewertet werden. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhand-
lung vom 15. Januar 2009 über die vom Beteiligten zu 1 erhobene Stufenklage
ergibt, bestanden rechtlich begründete Zweifel daran, ob der Anspruch noch
durchsetzbar oder bereits vor Einreichung der Klage im Juni 2008 verjährt war.
Die eigens einberufene Gläubigerversammlung stimmte aus diesem Grund dem
Abschluss des vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs über eine Zahlung der
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Erbin in Höhe von
7.500 € zu. Der tatsächliche Wert des Pflichtteilsanspruchs
kann unter diesen Umständen lediglich mit dem Betrag von 7.500 € angenom-
men werden.
cc) Die Forderung in Höhe von 5.000
€ aus dem mit der Ehefrau des
Schuldners geschlossenen Vergleich zählt hingegen in vollem Umfang zur In-
solvenzmasse. Wirksame und werthaltige Forderungen sind schon vor ihrem
Einzug Vermögenswerte, welche die Masse erhöhen. Der Wirksamkeit der Ver-
gleichsforderung steht nicht entgegen, dass die damalige Vereinbarung nach
der unter Ziffer 4a getroffenen Regelung unter der aufschiebenden Bedingung
stand, dass die Ehefrau des Schuldners ihre Vermögensverhältnisse unter no-
tarieller eidesstattlicher Versicherung der Richtigkeit schriftlich offen legt und
sich daraus kein höheres pfändbares Vermögen als 30.000
€ ergibt. Ein sol-
ches Verzeichnis hat die Ehefrau des Schuldners nicht vorgelegt. Das Be-
schwerdegericht hat gleichwohl einen wirksamen Anspruch aus dem Vergleich
bejaht, weil es die Vereinbarung nicht als aufschiebende Bedingung im Rechts-
sinne ausgelegt hat. Nach Sinn und Zweck und dem Gesamtzusammenhang
der Regelung habe die Wirksamkeit der von der Ehefrau des Schuldners über-
nommenen Verpflichtung nicht von der Vorlage der genannten Unterlagen ab-
hängig sein sollen. Ihr habe auch kein Recht zugestanden, einseitig von der
Vereinbarung zurückzutreten. Diese Auslegung kann im Verfahren der Rechts-
beschwerde nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Auslegungs-
stoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche Auslegungsregeln, Denkge-
setze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind (BGH, Urteil
vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, NJW 2010, 64 Rn. 18; st. Rspr.). Solche
Auslegungsfehler werden von der Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt und sind
auch nicht erkennbar.
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b) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Gewäh-
rung eines Zuschlags in Höhe des vollen Betrags der Regelvergütung. Liegen
erhebliche Abweichungen vom typischen Tätigkeitsumfang des Treuhänders
vor, sind wie beim Insolvenzverwalter Zu- und Abschläge von der Regelvergü-
tung vorzunehmen; die Regelung in § 13 Abs. 2 InsVV aF steht dem nicht ent-
gegen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZB 176/11, WM 2012,
1135 Rn. 10 mwN). Die Bemessung vorzunehmender Zu- und Abschläge ist
jedoch - wie bei der Insolvenzverwaltervergütung nach § 3 InsVV - auch bei der
Vergütung des Treuhänders grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in
der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der
Abweichung von Maßstäben mit sich bringt (st. Rspr., etwa BGH, Beschluss
vom 13. November 2008 - IX ZB 141/07, ZInsO 2009, 55 Rn. 8).
Die Gefahr einer Maßstabsverschiebung zugunsten des Beteiligten zu 1
besteht im Streitfall nicht. Dem von der Rechtsbeschwerde hervorgehobenen
Umstand, dass das Amt des Beteiligten zu 1 vorzeitig endete (vgl. § 3 Abs. 2
lit. c InsVV), kam keine maßgebliche Bedeutung zu, weil die Vergütung des In-
solvenzverwalters tätigkeitsbezogen ist und das Insolvenzverfahren bereits
weitgehend abschlussreif war, als der Beteiligte zu 1 entlassen wurde. Die
überdurchschnittlich lange, nach Auffassung der Rechtsbeschwerde vom Betei-
ligten zu 1 verschuldete Verfahrensdauer hat das Beschwerdegericht nicht als
selbständigen Zuschlagsgrund gewertet. Es hat in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2010
- IX ZB 154/09, WM 2010, 2085 Rn. 8) lediglich die während des Verfahrens
erbrachten Tätigkeiten berücksichtigt. Ebenfalls im Einklang mit der Senats-
rechtsprechung hat das Beschwerdegericht in einer Gesamtabwägung die Ab-
weichung des vorliegenden Verfahrens von einem durchschnittlichen verein-
fachten Insolvenzverfahren bewertet und dabei die Überwachung der selbstän-
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digen Tätigkeit des Schuldners einbezogen, die es für sich genommen nicht als
ausreichend für eine Erhöhung der Regelvergütung erachtet hat.
c) Mit Erfolg rügt der Beteiligte zu 2 aber, dass das Beschwerdegericht
die dem Beteiligten zu 1 zu erstattenden Auslagen gemäß § 8 Abs. 3 InsVV in
der bis zum 6. Oktober 2004 geltenden Fassung (vgl. § 19 Abs. 1 InsVV) als
Pauschsatz für acht Jahre auf insgesamt 85 v.H. der gesetzlichen Vergütung
festgesetzt hat. Die Auslagenpauschale steht dem Treuhänder nur für Zeiträu-
me zu, in denen er insolvenzrechtlich notwendige Tätigkeiten erbracht hat, und
deshalb nicht länger als bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem das Insolvenzverfah-
ren bei angemessener, zügiger Bearbeitung durch den Verwalter abgeschlos-
sen worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2006 - IX ZB 167/04,
ZIP 2006, 483 Rn. 32; vom 10. Juli 2008 - IX ZB 152/07, NZI 2008, 544 Rn. 19;
jeweils mwN).
Nach diesen Kriterien kann die Auslagenpauschale dem Beteiligten zu 1
nicht für die gesamte Dauer des Verfahrens bis zu seiner Entlassung zugebilligt
werden. Das Beschwerdegericht hat bei seiner Beurteilung, der Beteiligte zu 1
habe in allen Jahren seiner Bestellung insolvenzrechtlich notwendige Tätigkei-
ten erbracht, zu Unrecht die Tätigkeiten des Beteiligten zu 1 zur Durchsetzung
von Anfechtungsansprüchen gegen die Ehefrau des Schuldners einbezogen.
Zur Anfechtung von Rechtshandlungen des Schuldners ist im vereinfachten
Insolvenzverfahren nach § 313 Abs. 2 InsO aF nicht der Treuhänder, sondern
jeder Insolvenzgläubiger berechtigt. Es gehörte deshalb nicht zu den Aufgaben
des Beteiligten zu 1, Anfechtungsansprüche gegen die Ehefrau des Schuldners
zu verfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - IX ZB 176/11, WM
2012, 1135 Rn. 11 f). Auf der Grundlage der Feststellungen des Beschwerde-
gerichts kann danach die Auslagenpauschale für die Jahre 2006 und 2007 nicht
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gewährt werden, weil der Beteiligte zu 1 in diesem Zeitraum keine insolvenz-
rechtlich erforderlichen Tätigkeiten erbracht hat.
Ohne Rechtsfehler durfte das Beschwerdegericht dagegen die Zeiten, in
denen sich der Beteiligte zu 1 mit dem Pflichtteilsanspruch des Schuldners be-
fasste, berücksichtigen. Denn der Schuldner hatte den Beteiligten zu 1, wie
oben ausgeführt wurde, ermächtigt, diesen Anspruch zugunsten der Masse gel-
tend zu machen.
3. Die Anschlussrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 bleibt ohne Er-
folg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, den Zuschlag zur Regelvergü-
tung des Beteiligten zu 1 mit insgesamt 100 v.H. und nicht, wie von diesem be-
gehrt, mit 225 v.H. zu bemessen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Bemessung von Zuschlägen ist, wie bereits ausgeführt wurde
(oben unter II.2.b), auch bei der Vergütung des Treuhänders grundsätzlich Auf-
gabe des Tatrichters und in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu über-
prüfen, ob sie die Gefahr der Abweichung von Maßstäben mit sich bringt. Eine
solche Gefahr besteht zu Lasten des Beteiligten zu 1 nicht.
b) Entgegen der Ansicht der Anschlussrechtsbeschwerde erklärt sich die
Differenz zwischen der gewährten und der beantragten Höhe des Gesamtzu-
schlags nicht allein daraus, dass das Beschwerdegericht einen Zuschlag für die
Führung des Unternehmens des Schuldners nicht für gerechtfertigt gehalten
hätte. Das Beschwerdegericht hat lediglich gemeint, für sich genommen reiche
der Aufwand des Treuhänders im Zusammenhang mit der selbständigen Tätig-
keit des Schuldners nicht aus, um eine "deutlich" über dem Regelsatz liegende
Vergütung zu rechtfertigen. Es hat diesen Aufwand aber in die Bewertung der
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gesamten Erschwernisse einbezogen, die es außergewöhnlich hoch über dem
Durchschnitt vergleichbarer Verbraucherinsolvenzverfahren gesehen hat und
die deshalb insgesamt zu einer Verdoppelung der Regelvergütung geführt ha-
ben. Dies lässt, auch im Blick auf die Beurteilung im Beschluss des Senats vom
24. Mai 2005 (IX ZB 6/03, WM 2005, 1663, 1664 f), keinen falschen Maßstab
erkennen. Die Bewertung beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände
der vom Schuldner ausgeübten selbständigen Tätigkeit und der vom Beteiligten
zu 1 dabei zu erbringenden zusätzlichen Leistungen. Anhaltspunkte dafür, dass
das Beschwerdegericht die Führung des Unternehmens des Schuldners durch
den Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht als deutliche Abwei-
chung vom Regelfall angesehen hätte, sind nicht erkennbar.
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4. Die Vergütung des Beteiligten zu 1 berechnet sich daher wie folgt:
Insolvenzmasse
8.799,08 € (unstreitige Beträge)
+
3.586,89 € (Überschuss aus der selbständigen Tätigkeit)
+
7.500,00 € (Wert des Pflichtteilsanspruchs)
+
5.000,00 € (Forderung gegen die Ehefrau des Schuldners)
24.885,97 €
Regelvergütung
3.732,90 € (15 v.H. der Insolvenzmasse, § 13 InsVV aF)
Zuschlag 100 v.H.
3.732,90 €
Vergütung
7.465,80 €
19 v.H. USt
1.418,50 €
Auslagen
4.852,77
€ (65 v.H. der Vergütung, § 8 Abs. 3 InsVV aF)
19 v.H. USt
922,03
Gesamtbetrag 14.659,10
Kaiser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
AG Berlin-Wedding, Entscheidung vom 11.02.2011 - 39 IK 11/99 -
LG Berlin, Entscheidung vom 22.03.2012 - 85 T 156/11 -
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