Urteil des BGH vom 16.12.2014

Verwalter, Anteil, Verfahrenskosten, Unzumutbarkeit, Vorschuss

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 35/14
vom
16. Dezember 2014
in dem Prozesskostenhilfeverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin
Lohmann und den Richter Dr. Fischer
am 16. Dezember 2014
beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beab-
sichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 9. Zi-
vilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in
Schleswig vom 22. Oktober 2014 wird abgelehnt.
Gründe:
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach
§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Jedenfalls einem wirtschaftlich Beteilig-
ten ist es zuzumuten, die Kosten des beabsichtigten Rechtsmittelverfahrens
aufzubringen.
1. Zahlungen auf die Prozesskosten sind den wirtschaftlich Beteiligten
zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und
für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse so-
wie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungswei-
se bei einem Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung deutlich größer sein
wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wer-
tenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung
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im Falle des Obsiegens, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubi-
gerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - V ZB
138/11, NZI 2012, 626 Rn. 8; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO
2012, 2198 Rn. 2; vom 21. November 2013 - IX ZA 20/13, ZInsO 2014, 79
Rn. 3; jeweils mwN).
Das Erfordernis der Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung durch wirt-
schaftlich Beteiligte im Rahmen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO gilt auch für den
Steuerfiskus (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007 - IX ZR 77/06, nv mwN). Un-
beachtlich ist, ob der jeweilige Beteiligte bereit ist, sich an den entstehenden
Kosten zu beteiligen (BGH, Beschluss vom 13. September 2012, aaO Rn. 6
mwN; vom 21. November 2013, aaO Rn. 4).
2. Nach diesen Grundsätzen ist jedenfalls dem Finanzamt O.
(Gläubiger Nr. des Gläubigerverzeichnisses) die Aufbringung der Verfah-
renskosten zumutbar. Anerkannt ist eine Forderung in Höhe von 64.625,43
€.
Die Beteiligung dieses Gläubigers an den insgesamt angemeldeten und nicht
nur für den Ausfall anerkannten Forderungen beträgt unter Berücksichtigung
der zurückgenommenen Anmeldungen rund 83 v.H. Ausgehend von dem
Streitwert, den die Instanzgerichte festgesetzt haben und den auch der Antrag-
steller seinem Antrag zugrunde legt, beträgt der wirtschaftliche Nutzen des be-
absichtigten Rechtsmittels für die Masse im Erfolgsfall 100.000 €. Wenn davon
nur 50.000 € zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger gelangen, entfallen auf
den Gläubiger zu
41.500 €. Dies ist mehr als das Sechsfache der Kosten der
beabsichtigten Rechtsverfolgung, die lediglich 6.189,51 € betragen [2,0 Ge-
richtsgebühr und 2,3 Rechtsanwaltsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und
Umsatzsteuer].
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3. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom
3. Mai 2012, aaO Rn. 16 ff) ist bei der Anwendung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO
zu Lasten des Insolvenzverwalters davon auszugehen, dass auch die Ausfall-
gläubiger zu den Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung heranzuziehen
sind. Dies soll gelten, solange der Verwalter nicht dargetan hat, dass diese
Gläubiger auch ohne die Rechtsverfolgung - schon aufgrund ihres Absonde-
rungsrechts - mit einer weitgehenden Befriedigung ihrer Ansprüche rechnen
können und deshalb wirtschaftlich nicht in erheblichem Maße an einem Erfolg
der Rechtsverfolgung teilhaben werden.
Ob diese Entscheidung auch im vorliegenden Fall anzuwenden ist, kann
offenbleiben. Gegebenenfalls wäre neben dem Gläubiger zu der S.
(Gläubigerin Nr. des Gläubigerverzeichnisses) die anteilige
Aufbringung der Kosten zumutbar. Mit Blick auf die Gläubigerin zu ist eine
Forderung für den Ausfall in Höhe von 227.594,75 € anerkannt. Dies entspricht
rund 68 v.H. der noch angemeldeten Forderungen. Unterstellt man wiederum,
dass im Falle des Prozesserfolgs 50.000 € zur Verteilung an die Insolvenzgläu-
biger gelangen, kann die Gläubigerin zu mit einer Quotenverbesserung von
etwa 34.000 € rechnen. Dies ist mehr als das Siebenfache der anteilig zu
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v.H. aufzubringenden Kosten (= 4.827,82 €). Unter Berücksichtigung auch
der für den Ausfall anerkannten Forderungen beträgt die Beteiligung des Gläu-
bigers zu
rund 19 v.H., was eine Quotenerhöhung von etwa 9.500 € möglich
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erscheinen lässt. Dies ist ebenfalls ein Vielfaches der nur zu einem Anteil in
Höhe von rund 22 v.H. aufzubringenden Kosten der Rechtsverfolgung
(
= 1.361,70 €).
Kayser
Gehrlein
Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
LG Lübeck, Entscheidung vom 11.02.2014 - 9 O 222/12 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 22.10.2014 - 9 U 33/14 -