Urteil des BGH vom 02.12.2015

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Versicherungsnehmer, Versicherer, Rechnungslegung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 28/15
Verkündet am:
2. Dezember 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG § 153; BGB § 242 Be
Macht der Versicherungsnehmer geltend, ihm stehe bei Ablauf einer kapitalbildenden
Lebensversicherung eine höhere als die vom Versicherer ausgezahlte Bewertungs-
reserve gem. § 153 Abs. 3 VVG zu, kann sich für ihn ein Auskunftsanspruch gegen
den Versicherer aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergeben.
Der Umfang des Auskunftsanspruchs, der keine Rechnungslegung um-fasst, richtet
sich nach den Umständen des Einzelfalles unter Wahrung des Grundsatzes der Ver-
hältnismäßigkeit. Hierbei kann auch ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des
Versicherers zu berücksichtigen sein.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - IV ZR 28/15 - OLG Köln
LG Köln
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2015
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des
20. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Köln
vom
19. Dezember 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entsche i-
dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere Beteiligung an
den Bewertungsreserven von zwei kapitalbildenden Lebensversicherun-
gen, die er und seine Ehefrau im Jahr 1993 bei der Rechts vorgängerin
der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) abgeschlossen hatten. Die Ver-
träge hatten eine Laufzeit bis zum 1. Januar 2013. Die Beklagte rechnete
die Verträge mit Schreiben vom 20. Dezember 2012 ab und ermittelte
unter anderem Schlusszahlungen aus Bewertungsreserven in Höhe von
6.547
€ und 6.672 €. Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. August 2013
forderten der Kläger und seine Ehefrau die Beklagte auf, den Reche n-
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weg zur Ermittlung des Anteils an den Bewertungsreserven darzulegen.
Die Beklagte erläuterte mit Schreiben vom 10. September 2013 die all-
gemeinen Grundsätze zur Berechnung der Bewertungsreser ven. Am
23. Januar 2014 trat die Ehefrau des Klägers diese m die Ansprüche aus
ihrem Versicherungsvertrag ab.
Der Kläger hat aus eigenem und abgetretenem Recht im Wege der
Stufenklage zunächst beantragt, ihm Auskunft zu erteilen über die m a-
thematische Berechnung des Anteils der zum Zeitpunkt des Ablaufs der
beiden Lebensversicherungen am 1. Januar 2013 entfallenden Beteili-
gung an den Bewertungsreserven, ferner die Richtigkeit der Berechnung
und erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern sowie an ihn den sich
aus der Auskunft ergebenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von fünf Pr o-
zentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshä n-
gigkeit zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen .
Im Berufungsverfahren hat der Kläger die Auskunftsanträge dahin abge-
ändert, ihm die begehrte Auskunft nach Maßgabe der sich aus dem
Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BaFin) 10/2008 (VA) ergebenden konkreten Berechnungsparameter
gemäß Ziff. 3.11 unter deren Benennung und Bezifferung bzw. Erläut e-
rung der Abweichung zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil
des Landgerichts unter Zurückweisung der Berufung im Üb rigen teilweise
abgeändert und die auf Auskunft gerichteten Klageanträge durch Teilur-
teil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
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I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2015, 1277 veröf-
fentlicht ist, hat ausgeführt, die zuletzt gestellten Auskunftsanträge seien
unzulässig, da sie nicht ausreichend bestimmt seien und keinen voll-
streckbaren Inhalt hätten. Soweit sie auf das Rundschreiben der BaFin
10/2008 (VA) Bezug nähmen, fehle schon eine Klarstellung, welche Be-
rechnungsparameter konkret benannt und beziffert werden sollten. Dies
sei erforderlich, weil der Mustergeschäftsplan unter Ziff. 3.11.6 alternati-
ve Berechnungsmodelle mit verschiedenen Berechnungsparametern vo r-
sehe. Überdies fehle es an der hinreichenden Bestimmtheit de r Anträge,
soweit der Kläger eine Erläuterung der Abweichung verlange, weil schon
nicht nachvollziehbar sei, was Vergleichsmaßstab für die Beurteilung sei.
Soweit der Kläger Auskunft über die mathematische Berechnung
der auf die jeweiligen Lebensversicherungen entfallenden Anteile an den
Bewertungsreserven begehre, stehe ihm ein solcher Anspruch nicht zu.
Der Versicherungsnehmer, der der Auffassung sei, der an ihn ausg e-
kehrte Anteil der Bewertungsreserven sei unzutreffend ermittelt, trage
hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Da er in der Regel nicht über die
entsprechenden Informationen verfüge, könne er einen Leistungsantrag
grundsätzlich im Wege der Stufenklage mit einer Klage auf Auskunft v or-
bereiten. Im Rahmen der danach bestehenden Auskunftspflicht des Ver-
sicherers gem. § 242 BGB schulde dieser indessen nicht die Darlegung
der mathematischen Berechnung des auf den einzelnen Vertrag entfa l-
lenden Anteils an den Bewertungsreserven. Damit werd e eine vom Ver-
sicherer nicht geschuldete Rechnungslegung begehrt. Der Versicherer
müsse auch unter Berücksichtigung seines Geheimhaltungsinteresses
keine Begründung im Einzelnen dafür geben, wie er die dem Versiche-
rungsnehmer zur Verfügung gestellten Informationen ermittelt habe, oder
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eine Auskunft über die von ihm durchgeführte mathematische Berec h-
nung. Danach könne der Kläger nur Auskunft in Gestalt der Informati o-
nen verlangen, die er für die Berechnung des auf ihn entfallenden Anteils
an den Bewertungsreserven benötige, und auch nur, soweit diese ihm
nicht ohnehin - etwa aufgrund des Geschäftsberichts der Beklagten - be-
kannt seien. Hier könne der Kläger seinen Anspruch insbesondere nach
dem im Geschäftsplanmuster für die Überschussbeteiligung gemäß dem
Rundschreiben der BaFin 10/2008 (VA) vom 25. September 2008 be-
schriebenen Verfahren berechnen. Abzuändern sei das Urteil des Lan d-
gerichts lediglich, soweit dieses auch den noch nicht bezifferten Lei s-
tungsantrag abgewiesen habe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht zunächst angenommen,
die zuletzt gestellten Auskunftsanträge genügten nicht den Bestimmt -
heitsanforderungen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen be-
stimmten Antrag enthalten. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt,
wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den
Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt,
Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entschei-
dung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des
Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten
abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne
eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt
(Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - IV ZR 39/10, VersR 2013, 1381 Rn. 20;
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BGH, Versäumnisurteil vom 28. November 2002 - I ZR 168/00, NJW
2003, 668 unter II 2 b (1)). Insbesondere muss vermieden werden, dass
Unklarheiten hinsichtlich eines Antrags in das spätere Vollstreckungsve r-
fahren verlagert werden. Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe
kommt nur in Betracht, wenn einerseits für den Kläger eine weitere Ko n-
kretisierung nicht möglich oder zumutbar ist, an dererseits für die Partei-
en kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht, so dass die Reichweite von A n-
trag und Urteil feststeht (Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - IV ZR 39/10
aaO; BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 12/05, GRUR 2008, 357
Rn. 22).
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügen die
auf Auskunft gerichteten Klageanträge diesen Anforderungen. Insbeson-
dere war der Kläger nicht verpflichtet, die von der Beklagten angewend e-
ten Berechnungsparameter gemäß Rundschreiben der BaFin 10/2008
(VA) im Einzelnen zu benennen und zu beziffern. Zwar enthält der von
der BaFin herausgegebene Mustergeschäftsplan für die Überschussb e-
teiligung des Altbestands in der Lebensversicherung unter Ziff. 3.11.6
hinsichtlich der Berechnung des einzelvertraglichen Anteils verschiedene
Modelle und Berechnungsfaktoren. Der Kläger ist aber ohne Kenntnis
der von der Beklagten vorgenommenen Art und Weise der Berechnung
zu näheren Angaben nicht in der Lage. Sein Antrag dient gerade dazu zu
erfahren, welches der Verfahren mit den dort genannten verschiedenen
Berechnungsparametern die Beklagte angewendet hat.
Bei der Auslegung eines Klageantrags ist überdies nicht an dessen
buchstäblichem Sinn zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu
erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasje-
nige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig
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ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom
12. Dezember 2014 - V ZR 53/14, MDR 2015, 329 Rn. 9). Zu berücksich-
tigen ist hierbei, dass das Prozessrecht das materielle Recht verwirkl i-
chen, dagegen nicht dessen Durchsetzung vermeidbar hindern soll. In-
folgedessen müssen Klageanträge im Zweifel so ausgelegt werden, wie
es dem Inhalt des mit der Klage verfolgten materiellen Anspruchs ent-
spricht (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 312/96, NJW -RR
1998, 1005 unter II 1). Auf dieser Grundlage kann der Auskunftsantrag
hier nicht deshalb als unbestimmt angesehen werden, weil er nicht die
Informationen enthält, die der Kläger erst durch den Auskunftsanspruch
materiell-rechtlich erfahren will. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger
eine Erläuterung der Abweichung verlangt. Vergleichsmaßstab hierfür
sind die im Rundschreiben der BaFin 10/2008 (VA) angegebenen Be-
rechnungsparameter. Die Beklagte soll mithin mitteilen, welche der im
Rundschreiben der BaFin genannten Berechnungsparameter sie ang e-
wendet und wie sie diese beziffert sowie ob und gegebenenfalls welche
Abweichungen sie hiervon vorgenommen hat. Dies hat in Verbindung mit
dem von der Beklagten erstellten Geschäftsplan zu erfolgen. Damit ist
dem Erfordernis der Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
Genüge getan.
2. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-
zuverweisen, damit es über die Begründetheit der zulässigen Klage b e-
finden kann.
a) Die vom Berufungsgericht - hilfsweise - angestellten Überlegun-
gen zur Begründetheit der Klage gelten als nicht geschrieben und sind
vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht zu beachten (BGH, Urteile vom
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19. Oktober 2012 - V ZR 233/11, ZWE 2013, 47 Rn. 14; vom 31. Mai
2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 45). Auf die Begründetheit der
Klage darf das Revisionsgericht in derartigen Fällen nur eingehen, wenn
das Berufungsurteil im Übrigen einen Sachverhalt ergibt, der für die
rechtliche Beurteilung eine verwertbare tatsächliche Grundlage bietet,
und bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erscheint.
Diese Voraussetzung ist etwa erfüllt, wenn der Klagevortrag in jeder
Richtung unschlüssig ist und auch durch weiteres Parteivorbringen nicht
schlüssig gemacht werden kann (BGH, Urteile vom 31. Mai 2011 aaO;
vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, NJW 2012, 455 Rn. 29; vom
29. Juni 2010 - VI ZR 122/09, VersR 2011, 137 Rn. 13).
b) Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Ob dem Kläger der von
ihm geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht, lässt sich jedenfalls
mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung aufgrund der dort
getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
aa) Gemäß § 153 Abs. 1 VVG steht dem Versicherungsnehmer ei-
ne Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven
(Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist
- wie hier nicht - durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen.
Gemäß § 153 Abs. 3 Satz 1 VVG hat der Versicherer die Bewertungsre-
serven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientie r-
ten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendi gung des Vertra-
ges wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zug e-
teilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt (§ 153 Abs. 3 Satz 2
Halbsatz 1 VVG). § 153 VVG findet gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Halb-
satz 1 EGVVG ab dem 1. Januar 2008 auch auf die hier geschlossenen
Altverträge Anwendung. Zwar gelten nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Halb-
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satz 2 EGVVG vereinbarte Verteilungsgrundsätze als angemessen. Di e-
se Regelung hat für Bewertungsreserven aber keine Bedeutung, weil bei
Altverträgen keine Vereinbarungen über deren Verteilung getroffen wur-
den (Senatsurteil vom 11. Februar 2015 - IV ZR 213/14, VersR 2015,
433 Rn. 11). Unter einem verursachungsorientierten Verfahren ist zu
verstehen, dass der Versicherer die Versichertengemeinschaft in A b-
rechnungsverbände einteilen kann (Senatsurteil aaO Rn. 12). Die Ermitt-
lung der Bewertungsreserve richtet sich hierbei nach §§ 54 ff. der Ver-
ordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen,
RechVersV (Senatsurteil aaO Rn. 15).
Macht der Versicherungsnehmer geltend, die ihm vom Versicherer
bei Vertragsende ausgezahlte Bewertungsreserve sei zu gering und ihm
stehe ein höherer Betrag zu, so ist er hierfür darlegungs - und beweis-
pflichtig (Reiff in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 153 Rn. 32; HK-VVG/
Brambach, 2. Aufl. § 153 Rn. 73, 75; Winter in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl.
§ 153 Rn. 208; einschränkend Langheid in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl.
§ 153 Rn. 56). Damit der Versicherungsnehmer einen derartigen A n-
spruch durchzusetzen vermag, kann sich für ihn ein Auskunftsanspruch
aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB ergeben.
Hiernach trifft den Schuldner ausnahmsweise eine Auskunftspflicht,
wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und U m-
fang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Be-
seitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.
Umfang und Inhalt der zur erteilenden Auskunft richten sich danach, we l-
che Informationen der Berechtigte benötigt, um seinen Anspruch geltend
machen zu können, soweit dem nicht Zumutbarkeitsgesichtspunkte oder
andere Grenzen entgegenstehen. Der Auskunftsanspruch umfasst hie r-
bei grundsätzlich nicht die Verpflichtung zur Vorlage der fiktiven vers i-
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cherungstechnischen Bilanzen oder anderer Geschäftsunterlage n und
auch kein Einsichtsrecht. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat
unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und u n-
ter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Dabei
sind sowohl die Art und Schwere der Rechtsverletzung als auch die bei-
derseitigen Interessen des Berechtigten und des Verpflichteten ang e-
messen zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 11. Februar 2015 - IV ZR
213/14 aaO Rn. 24; vom 24. März 2010 - IV ZR 296/07, VersR 2010, 656
Rn. 29 f. m.w.N.).
Der Senat hat in seiner neueren Rechtsprechung mehrfach Au s-
kunftsansprüche im Zusammenhang mit der Berechnung des Rüc k-
kaufswerts abgelehnt. Im Urteil vom 26. Juni 2013 hat er wesentlich d a-
rauf abgestellt, dass der Kläger Auskunft in Form zahlreicher Ein zelan-
gaben verlangte, die inhaltlich weitgehend auf eine vom Versicherer
nicht geschuldete Rechnungslegung nach § 259 Abs. 1 BGB hinausli e-
fen. Ferner hat er auf das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des Ve r-
sicherers verwiesen (IV ZR 39/10, VersR 2013, 13 81 Rn. 26). Auch in
seinem Beschluss vom 7. Januar 2014 war entscheidend, dass ein Au s-
kunftsanspruch, der zwecks Berechnung des Rückkaufswerts unter a n-
derem die Überlassung des Algorithmus und der zugrunde liegenden
Einsatzwerte an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten zum
Inhalt habe, nicht in Betracht kommt (IV ZR 216/13, VersR 2014, 822
Rn. 19). Ferner steht dem Versicherungsnehmer kein Auskunftsanspruch
zu, wenn vom Bestehen eines weitergehenden Zahlungsanspruchs , zu
dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, von vornherein nicht
ausgegangen werden kann (Senatsurteil vom 11. Februar 2015 - IV ZR
213/14 aaO Rn. 26).
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bb) Auf dieser Grundlage durfte das Berufungsgericht einen Aus-
kunftsanspruch des Klägers jedenfalls nicht mit der gegebe nen Begrün-
dung verneinen. Namentlich kann der Kläger die für die Berechnung des
von ihm geltend gemachten höheren Anteils an den Bewertungsreserven
erforderlichen Informationen nicht ohne weiteres dem Geschäftsplanmus-
ter für die Überschussbeteiligung gemäß dem Rundschreiben der BaFin
10/2008 (VA) vom 25. September 2008 entnehmen und schon gar nicht
seinen Anspruch selbst berechnen. Dieser Mustergeschäftsplan besteht
allein bezüglich der hier maßgeblichen Ziff. 3.11 (Beteiligung an den Be-
wertungsreserven) aus sieben Seiten mit elf Unterpunkten. Dort sind
verschiedene Formeln und Alternativen für die Berechnung der Bewe r-
tungsreserve genannt, die dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer
ohne Kenntnis der für seinen Vertrag maßgeblichen Parameter eine B e-
rechnung des ihm zustehenden Anteils an den Bewertungsreserven nicht
erlauben. Angesichts der außerordentlichen Komplexität der in dem Mu s-
tergeschäftsplan der BaFin vorgesehenen Berechnungswege ist es ihm
auch nicht zuzumuten, aus dem umfangreichen Text heraus e inzelne von
ihm benötigte Informationen näher zu konkretisieren. Dies setzte voraus,
dass sich die eigentliche Berechnung der Bewertungsreserve bei Mitte i-
lung einzelner Parameter ohne weiteres aus dem Mustergeschäftsplan
der BaFin entnehmen ließe. Dies ist indessen nicht der Fall.
cc) Ein Auskunftsanspruch des Klägers scheidet auch nicht de s-
halb aus, weil bereits feststünde, dass ein weiterer Zahlungsanspruch
nicht in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 11. Februar 2015 - IV ZR
213/14, VersR 2015, 433 Rn. 26). Der Kläger geht von einem weiteren
Zahlungsanspruch von jedenfalls
8.791 € aus. Ob und gegebenenfalls in
welcher Höhe dieser besteht, lässt sich derzeit nicht endgültig beurteilen.
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Eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist durch die Schreiben der Be-
klagten vom 20. Dezember 2012, mit denen sie nur den isolierten Betrag
der Schlusszahlung aus Bewertungsreserven mitgeteilt hat, sowie vom
10. September 2013, mit denen die Beklagte lediglich abstrakte Ausfü h-
rungen zur Zuteilung der Bewertungsreserven gemacht hat, jedenfalls
nicht eingetreten.
III. Das Berufungsgericht wird daher nach Zurückverweisung der
Sache auf der Grundlage des bisherigen und gegebenenfalls ergänze n-
den Vorbringens der Parteien zu prüfen haben, ob dem Kläger der von
ihm geltend gemachte Auskunftsanspruch ganz oder zumindest teilweise
zusteht. Hierbei wird es im Rahmen seiner Entscheidungsfindung eine r-
seits zu berücksichtigen haben, dass dem Versicherungsnehmer zur
Durchsetzung seines Anspruchs aus § 153 Abs. 3 VVG grundsätzlich ein
Auskunftsanspruch zustehen kann (Senatsurteil vom 11. Februar 2015
- IV ZR 213/14 aaO Rn. 24 f.). Dazu wird der Kläger ergänzend darzule-
gen haben, welche Informationen er im Einzelnen benötigt , die ihm bis-
her, auch aus dem von ihm selbst vorgelegten Geschäftsbericht der Be-
klagten für das Jahr 2012, nicht vorliegen oder aus allgemein zugängl i-
chen Quellen nicht zur Verfügung stehen. Andererseits wird das Beru-
fungsgericht ein gegebenenfalls berechtigtes Geheimhaltungsinteresse
der Beklagten in Rechnung zu stellen haben (Senatsurteil vom 26. Juni
2013 - IV ZR 39/10, VersR 2013, 1381 Rn. 26; Senatsbeschluss vom
7. Januar 2014 - IV ZR 216/13, VersR 2014, 822 Rn. 19). Schließlich
wird auch unter Berücksichtigung der weiten Fassung des Antrags, mit
dem eine mathematische Berechnung verlangt wird, zu beachten sein,
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dass der Versicherer lediglich Auskunft, nicht dagegen Rechnungslegung
schuldet (Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - IV ZR 39/10 aaO Rn. 26).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 04.08.2014 - 26 O 43/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.12.2014 - 20 U 150/14 -