Urteil des BGH vom 20.07.2011

Treu Und Glauben, Meldung des Versicherungsfalles, Avb, Vorleistungspflicht, Verschulden

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 209/10
Verkündet am:
20. Juli 2011
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch d ie Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2011
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
20. August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entsche i-
dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherer
des ehemaligen Notars W. auf Ausgleich ihrer durch Pflichtverletzun-
gen des Notars verursachten Schäden nach § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO
in Anspruch.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Notars wurde m it
rechtskräftigem Haftpflichturteil zur Leistung von Schadensersatz an die
Klägerin in Höhe von 341.880,30
€ nebst Zinsen verurteilt. Im Urteil wur-
de festgestellt, dass der Notar im Rahmen der Abwicklung zweier Grun d-
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stückskaufverträge schuldhaft seine Pflichten gegenüber der Klägerin
verletzt hat, indem er die von der Klägerin auf sein Treuhandkonto g e-
zahlten Beträge an die jeweiligen Verkäufer ausgezahlt hat, ohne die E r-
füllung der Treuhandauflagen sicherzustellen. Die Klägerin hatte die
Streithelferin über beide Schadenfälle, von denen nur noch einer Gegen-
stand des Revisionsverfahrens ist, mit Schreiben vom 28. September
2007 informiert.
Im zwischen der Streithelferin und dem Vertrauensschadenversi-
cherer abgeschlossenen Vertrauensschaden-Versicherungsvertrag (im
Folgenden: AVB) findet sich unter § 4 die folgende Regelung:
"Ausschlüsse
Eine Versicherungsleistung ist ausgeschlossen aufgrund
von Schäden,
1. (…)
2. die später als vier Jahre nach ihrer Verursachung dem
Versicherer gemeldet werden; ist ein bestimmter Einze l-
schaden oder Teilbetrag eines Schadens durch mehrere
vorsätzliche unerlaubte Handlungen der Vertrauensperson
verursacht worden, so beginnt der Lauf der Nachhaftung s-
frist mit der letzten für diesen Einzelschaden oder Teilb e-
trag eines Schadens ursächlichen, vorsätzlichen unerlau b-
ten Handlung. Hat eine Vertrauensperson einen Schaden
in mehreren Teilbeträgen verursacht, so ist nur der inner-
halb der Nachhaftungsfrist verursachte Schadenteilbetrag
gedeckt."
Unter Berufung auf ihr Absonderungsrecht nach § 157 VVG a.F.
verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung des im Haftpflichturteil
titulierten Betrages.
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Das Landgericht hat die Beklagte zur Vorleistung nach § 19a
Abs. 2 Satz 2 BNotO verurteilt. Gegen dieses Urteil wendete sich die
Streithelferin mit der Berufung bezüglich eines der beiden Schadenfälle
unter Hinweis auf § 4 Ziff. 2 AVB, weil diesem Schadenfall eine Auszah-
lung bereits im Jahr 2000 zugrunde lag. Insoweit war die Beklagte vom
Landgericht zu einer Schadensersatzleistung in Höhe von 165.766,89
nebst Verzugszinsen seit dem 20. September 2008 verurteilt worden.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen rich-
tet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Z u-
rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Vorleistungs-
pflicht aus § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO nicht auf den Betrag beschränkt
sei, den der Haftpflichtversicherer im Wege des Regresses nach § 19a
Abs. 2 Satz 3 und 4 BNotO gegenüber dem Vertrauensschadenversiche-
rer geltend machen könne. Das ergebe sich aus dem Wortlaut des § 19a
Abs. 2 Satz 2 BNotO und aus dem Zweck der Regelung, einen möglichst
schnellen Ausgleich des Geschädigten zu erreichen. Unerheblich sei da-
her der Einwand der Beklagten und der Streithelferin, dass die Geschä-
digte den Schaden nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 4 Ziff. 2
AVB gemeldet habe.
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II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Vo r-
leistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers nach § 19a Abs. 2
Satz 2 BNotO durch dessen Regressansprüche gegenüber dem Vertra u-
ensschadenversicherer begrenzt. Bereits aus Wortlaut und Zweck der
Regelung ergibt sich, dass der Berufshaftpflichtversicherer nur in der
Höhe vorleistungspflichtig ist, in der eine Einstandspflicht und damit eine
Regresspflicht des Vertrauensschadenversicherers besteht. Indem § 19a
Abs. 2 Satz 2 BNotO eine Vorleistungspflicht "bis zur Höhe" der für den
Vertrauensschadenversicherer geltenden Mindestversicherungssumme
anordnet, ist zum einen klargestellt, dass es sich lediglich um eine Obe r-
grenze handelt. Zum anderen folgt aus der Formulierung, dass eine Vo r-
leistungspflicht im Verhältnis zum Vertrauensschadenversicherer ang e-
ordnet wird. Dem entspricht die Begründung des Gesetzgebers für die
Neuregelung des § 19a Abs. 2 Satz 2 BNotO. Hiernach soll eine zügige
Befriedigung des Geschädigten bei Streit über die Frage der Wissen t-
lichkeit der Pflichtverletzung zwischen Berufshaftpflicht - und Vertrauens-
schadenversicherer erreicht werden, indem eine "Vorleistungspflicht des
Berufshaftpflichtversicherers des Notars im Verhältnis zum Vertrauen s-
schadenversicherer" begründet wird (vgl. BT-Drucks. 13/11034 S. 38 f.).
Der Forderungsübergang nach § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO und der Auf-
wendungsersatzanspruch nach § 19a Abs. 2 Satz 4 BNotO sollen ihm für
seine Vorleistung einen vollen Ausgleich gewähren. Mit dem Charakter
als Vorleistungspflicht wäre eine Erweiterung der Einstandspflicht des
Berufshaftpflichtversicherers über die des Vertrauensschadenversich e-
rers hinaus und damit unabhängig von einer Regressmöglichkeit nicht zu
vereinbaren. Zwar gehen nach § 19a Abs. 2 Satz 3 BNotO auch die An-
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sprüche des Geschädigten gegen den Notar auf den Berufshaftpflich t-
versicherer über. Es würde jedoch dem durch die Regressansprüche ve r-
folgten Ziel eines vollen Ausgleichs der Vorleistung w idersprechen, wenn
der Berufshaftpflichtversicherer das Insolvenzrisiko des Notars tragen
müsste. Dieses Risiko ist bei Notaren, die sich zu wissentlichen Pflicht-
verletzungen verleiten lassen, generell erhöht.
2. Das Berufungsgericht wird sich daher mit der Frage zu befassen
haben, ob die Ausschlussfrist in § 4 Ziff. 2 AVB einer Einstandspflicht
des Vertrauensschadenversicherers und damit einer Vorleistungspflicht
der Beklagten entgegensteht.
a) Gegen eine Wirksamkeit des § 4 Ziff. 2 AVB bestehen im Hin-
blick auf den hier anwendbaren § 9 AGBG (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB)
keine Bedenken.
aa) Bei der Inhaltskontrolle der Klausel ist zu berücksichtigen,
dass die Notarkammer als Versicherungsnehmerin einen Entlastungsbe-
weis führen kann.
Allerdings wurde in § 4 Ziff. 2 AVB eine Ausschlussfrist und nicht
etwa eine Obliegenheit der Versicherungsnehmerin vereinbart, so dass
der Leistungsausschluss grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. O b-
liegenheiten des Versicherungsnehmers, die von ihm ein bestimmtes
Verhalten zur Aufklärung des Sachverhalts verlangen, unterscheiden
sich von einer Befristung der Geltendmachung versicherungsv ertragli-
cher Ansprüche. Eine Befristung bezweckt objektiv eine zeitliche B e-
grenzung der Leistungspflicht des Versicherers. Sie begründet nicht vo r-
wiegend eine Verhaltensnorm für den Versicherungsnehmer, sondern
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zielt in erster Linie darauf, unabhängig vom Verhalten des Versiche-
rungsnehmers die regelmäßig schwer aufklärbaren und kaum übersehb a-
ren Spätschäden von der Deckungspflicht auszunehmen (Senatsurteil e
vom 24. März 1982 - IVa ZR 226/80, VersR 1982, 567 unter II 2 b; vom
15. April 1992 - IV ZR 198/91, VersR 1992, 819 unter I 2 a; vom 2. No-
vember 1994 - IV ZR 324/93, VersR 1995, 82 unter 2 b). Auch die Vie r-
jahresfrist für die Meldung von Schäden dient für den durchschnittlichen
Versicherungsnehmer erkennbar einer objektiven Risikobegre nzung. Sie
schafft durch die Anknüpfung an die Verursachung des Schadens eine
objektive zeitliche Grenze für die Deckungspflicht und dient ersich tlich
dem Zweck, solche Schadenfälle von der Deckung auszunehmen, deren
Ursache durch die mindestens vier Jahre zurückliegende Pfl ichtverlet-
zung schwerer aufklärbar ist.
Eine Anknüpfung an die Kenntnis des Versicherungsnehmers von
der Pflichtverletzung und/oder der Schadenentstehung durch eine ent-
sprechende Anwendung des § 852 BGB a.F. scheidet aus. Die "Nachhaf-
tungsfrist" soll erkennbar eine klare zeitliche Begrenzung der Leistung s-
pflicht des Versicherers festlegen. Dieser Zweck würde bei einer A n-
knüpfung an die Kenntnis des Versicherungsnehmers oder des Gesch ä-
digten verfehlt (ebenso für § 4 Abs. 4 ARB: Senatsurteil vom 15. April
1992 aaO).
Ausschlussfristen in Versicherungsverträgen, die auf die Untäti g-
keit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist abstellen, sind
jedoch nach ständiger Senatsrechtsprechung unter Berücksichtigung der
Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versi-
cherungsnehmers einschränkend auszulegen. Der Versicherer kann sich
hiernach auf die Versäumung der Ausschlussfrist nicht berufen, wenn
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den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung, was Letzterer zu b e-
weisen hat, kein Verschulden trifft (zu § 12 Abs. 3 VVG: BGH, Urteil vom
8. Februar 1965 - II ZR 171/62, BGHZ 43, 235; Senatsurteil vom 9. Fe-
bruar 1977 - IV ZR 25/75, VersR 1977, 442 unter II 1; zu § 4 Abs. 4 ARB:
Senatsurteil vom 15. April 1992 aaO unter II 1; zu § 18 Abs. 3 Nr. 2 AKB:
Senatsurteil vom 24. März 1982 aaO unter II 2 c; zu § 7 Abschn. 1 Nr. 1
Abs. 2 AUB 88: Senatsurteil vom 19. November 1997 - IV ZR 348/96,
VersR 1998, 175 unter 2 b cc; zu § 1 Abs. 3 Satz 2 BB-BUZ: Senatsurteil
vom 2. November 1994 aaO unter 2 c). Anlass, von dieser Rechtspre-
chung für die Ausschlussfrist in den gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO ab-
geschlossenen Vertrauensschadenversicherungen abzuweichen, besteht
nicht. Vielmehr bedarf es zum Schutz des Geschädigten, dessen Int e-
ressen die Versicherung dient, dieser Möglichkeit eines Entlastungsb e-
weises, zumal der Geschädigte von den Versicherungsbedingungen nicht
notwendig Kenntnis hat und sich diese Kenntnis zunächst über die
Notarkammer oder den Vertrauensschadenfonds verschaffen muss. In
vielen Fällen wird daher die Versäumung der Ausschlussfrist nicht auf
einem Verschulden des Geschädigten beruhen. Allerdings ist dem Ver-
trauensschadenversicherer die Berufung auf die Fristversäumnis nach
Treu und Glauben nur dann zu versagen, wenn weder ein Verschu lden
der Notarkammer als Versicherungsnehmerin noch ein solches des G e-
schädigten, zu dessen Gunsten ihre Pflicht zur treuhänderischen Einzi e-
hung und Auskehrung besteht, vorliegt.
bb) Ohne diese Möglichkeit eines Entlastungsbeweises in Erwä-
gung zu ziehen, sieht ein Teil der Literatur die Ausschlussfrist als u n-
wirksam an. Ein vollständiger Ausschluss von Spätschäden sei mit dem
gesetzgeberischen Ziel, einen möglichst umfassenden, der Staatsha f-
tung vergleichbaren Vermögensschutz zu gewährleisten, nicht in Ein-
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klang zu bringen (Brügge in Gräfe/Brügge, Vermögensschaden-Haft-
pflichtversicherung [2006] A IV Rn. 227; Haug, Die Amtshaftung des No-
tars 2. Aufl. Rn. 319).
Nach anderer Auffassung ist die Ausschlussfrist mit den gesetzl i-
chen Vorgaben in § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO zu vereinbaren, da der Ge-
setzgeber hierin mit Ausnahme der Versicherungssumme und der Ja h-
reshöchstsumme keine Vorgaben für die Ausgestaltung des Versich e-
rungsvertrages gemacht habe (Bresgen in Haug/Zimmerm ann, Die Amts-
haftung des Notars 3. Aufl. Rn. 868 ff.; Sandkühler in Arndt/Lerch/Sand-
kühler, BNotO 6. Aufl. § 19a Rn. 15; einschränkend Barchewitz, MDR
2008, 1258, 1261). Der Ausschlusstatbestand sei zudem marktüb lich
(Bresgen aaO).
cc) Unter Berücksichtigung der Möglichkeit eines Entla stungsbe-
weises führt die Ausschlussfrist nicht zu einer unangemessen en Benach-
teiligung der Notarkammer i.S. von § 9 AGBG. Insbesondere wird der
Zweck der Pflichtversicherung nicht gefährdet (§ 9 Abs. 2 Ziff. 2 AGBG).
Die Vertrauensschadenversicherungen der Notarkammern dienen
in erster Linie der Schadloshaltung des Geschädigten (Senatsurteile vom
12. Dezember 1990 - IV ZR 213/89, VersR 1991, 299 unter I 3 a; vom
27. Mai 1998 - IV ZR 166/97, VersR 1998, 1016 unter 1; vom 30. Sep-
tember 1998 - IV ZR 323/97, VersR 1998, 1504 unter II 2; BGH, Urteil
vom 29. Juli 1991 - NotZ 25/90, NJW 1992, 2423 unter II 1 c aa; ebenso:
Wolff, VersR 1993, 272, 273; MünchKomm-VVG/Dageförde, § 43 Rn. 21;
a.A. Zimmermann, DNotZ 1982, 90, 91). Die Einführung der Versich e-
rungspflicht beruhte auf der Überlegung, dass der Notar als Träger eines
öffentlichen Amtes Funktionen ausübt, die aus dem Aufgabenbereich des
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Staates abgeleitet sind, während andererseits seine Zahlungsfähigkeit
von seinen Vermögensverhältnissen abhängt, was für den Geschädigten
schwer erträglich ist und eine Erweiterung der Versicherungspflicht in
Ergänzung
des
neuen
Staatshaftungsrechts
erforderte
(BT-Drucks. 8/2782, S. 9; Bericht der Abgeordneten Lambinus und
Dr. Langner, BT-Drucks. 9/597, S. 9). Mit der Ergänzung der Berufshaft-
pflichtversicherung durch eine Gruppenanschluss- und eine Vertrauens-
schadenversicherung wollte der Gesetzgeber den Vermögensschutz s i-
cherstellen, den die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer
Amtsträger schafft (Senatsurteil vom 30. September 1998 aaO).
Allerdings gefährdet nicht schon jede Leistungsbegrenzung den
Vertragszweck. Eine Gefährdung liegt vielmehr erst dann vor, wenn mit
der Begrenzung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und
damit der Versicherungsvertrag in Bezug auf das versicherte Risiko
zwecklos wird (Senatsurteil vom 19. November 1997 aaO unter 2 b aa).
Bereits durch die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises werden jedoch
Härtefälle, in denen die rechtzeitige Schadenmeldung unverschuldet un-
terblieben ist, vermieden. Die relativ lange Frist von vier Jahren begrenzt
zudem das Risiko, dass im Einzelfall der Schaden erst nach Fristablauf
entsteht. Die Fälle, in denen Schäden infolge notarieller Pflichtverletzung
erst vier Jahre nach ihrer Verursachung entstehen bzw. entdeckt werden,
dürften zwar insbesondere im Zusammenhang mit Grundstücksgeschä f-
ten vorkommen, aber in erster Linie bei - regelmäßig fahrlässigen - Bera-
tungspflichtverletzungen. Schäden aufgrund wissentlicher Pflichtverle t-
zungen, insbesondere solche, die bei der Abwicklung von Grundstück s-
geschäften entstehen, werden dagegen in der Regel frühzeitig für den
Geschädigten erkennbar. Zu berücksichtigen ist weiter, dass für die Me l-
dung des Versicherungsfalles keine hohen Anforderungen zu stellen
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sind. Insbesondere ist nach dem Vertrauensschaden-Versicherungsver-
trag eine schlüssige Darstellung nicht erforderlich (Br esgen in Haug/
Zimmermann aaO Rn. 859). Auch ist in der Regel eine Meldung inner-
halb der Vierjahresfrist gegenüber der Notarkammer zur Fristwahrung
ausreichend, da diese nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Statuts des Notarver-
sicherungsfonds zur unverzüglichen Anzeige gegenüber dem Notarvers i-
cherungsfonds verpflichtet ist, sobald sich die Möglichkeit eines Vertra u-
ensschadenfalles abzeichnet. Nach alledem ist die Gefahr von Härtefäl-
len gering. Auf der anderen Seite wird durch die Ausschlussfrist dem I n-
teresse des Vertrauensschadenversicherers Rechnung getragen, seine
Einstandspflicht klar zu begrenzen, sich Gewissheit über seine Lei s-
tungspflicht zu verschaffen und ihn vor einer Inanspruchnahme für so l-
che Schäden zu schützen, bei denen infolge Zeitablaufs die Aufklärung
des Ursachenzusammenhangs und der Wissentlichkeit der Pflichtverle t-
zung regelmäßig schwierig ist.
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b) Es bedarf daher weiterer Feststellungen durch das Berufungs-
gericht, ob die Frist des § 4 Ziff. 2 AVB versäumt wurde und ob sich die
Geschädigte, deren Kenntnis und Verhalten der Notarkammer als Vers i-
cherungsnehmerin zuzurechnen ist (§ 79 Abs. 1 VVG a.F.), gegebenen-
falls entlasten kann, indem sie darlegt und nachweist, dass sie an der
Versäumung kein Verschulden trifft.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 25.09.2009 - 26 O 18834/08 -
OLG München, Entscheidung vom 20.08.2010 - 25 U 5157/09 -
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