Urteil des BGH vom 11.07.2012

Rendite, Versicherungsnehmer, Anleger, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Allgemeine Versicherungsbedingungen

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 151/11
Verkündet am:
11. Juli 2012
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2012
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird
das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 18. Juli 2011 aufgehoben und die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem englischen Lebens-
versicherer, Ersatz seines Vertrauensschadens wegen der Verletzung
von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss von zwei
Lebensversicherungsverträgen; hilfsweise begehrt er die Feststellung,
dass die Beklagte zur Vornahme von Auszahlungen aus den Verträgen
verpflichtet ist.
Die Beklagte bietet eine Kapitallebensversicherung "Wealthmaster
Noble" an, bei der mit einer Einmalzahlung Anteile an einem "Pool mit
garantiertem Wertzuwachs" erworben werden. Die Beklagte "garantiert"
den Anlegern, dass der Wert des einzelnen Poolanteils nicht fallen kann.
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Der Vertragswert des Anlegers ist das Produkt aus der Anzahl der ihm
zugewiesenen Poolanteile und dem Anteilswert. Das d en verschiedenen
Pools der Beklagten zugrunde liegende Gesamtvermögen wird von der
Beklagten als Teil ihres Lebensversicherungsfonds am Aktienmarkt i n-
vestiert. Im Rahmen des sogenannten Glättungsverfahrens ( "smoothing")
überführt sie einen Teil der durch die Investitionen der Vermögenswerte
erzielten Rendite in Rückstellungen und gibt nur den verbleibenden Teil
während der Vertragslaufzeit in Form des garantierten Wertzuwachses
und gegebenenfalls durch - nicht garantierte - Fälligkeitsboni an die An-
leger weiter. An den gebildeten Reserven können die Anleger auch am
Ende der Vertragslaufzeit durch einen Fälligkeitsbonus beteiligt werden,
der dem Wert der Anteile hinzugerechnet wird.
Diese Lebensversicherung war im Streitfall Bestandteil des Anla-
gemodells "Europlan", das als weitere Bestandteile die Darlehensfina n-
zierung der Einmalzahlung und die Investition in einen Investmentfonds
beinhaltete. In Deutschland wurde der "Europlan" unter anderem über
die
inzwischen
insolvente
E.
AG als sogenannte "Masterdistributorin" und von dieser beauftrag-
te Untervermittler vertrieben.
Geworben durch einen dieser Untervermittler schloss auch der
Kläger bei der Beklagten zwei Lebensversicherungsverträge "Wealth-
master Noble" mit Versicherungsbeginn zum 7. Januar 2002 (Police
Nr.
… ) und 11. Juni 2002 (Police Nr. … ) ab und zahlte
Einmalbeträge in Höhe von jeweils 100.000 €, mit denen er Anteile am
"Euro-Pool 2000EINS", einem "Pool mit garantiertem Wertzuwachs" er-
warb. Zur Finanzierung der Einmalbeträge schloss der Kläger Darl e-
hensverträge mit einer Bank ab, die einen anfänglichen effektiven Jah-
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reszins von 6,27% bzw. 6,78% vorsahen, und trat seine Ansprüche aus
den Lebensversicherungsverträgen zur Sicherheit an die Kreditgeberin
ab. Die Darlehenszinsen sollten durch regelmäßige Auszahlungen aus
der Lebensversicherung gedeckt werden. Daneben investierte der Kläger
im Rahmen des "Europlan" in zwei Wertpapierdepots, die bei Endfällig-
keit zur Tilgung der Darlehen verwendet werden sollten.
In beiden Versicherungsscheinen waren vierteljährliche Ausza h-
lungen festgelegt: Der Versicherungsschein Nr.
… sieht "regel-
mäßige Auszahlungen" in Höhe von 1.350
€ vom 20. März 2002 bis
20. September 2011, von 1.960
€ vom 20. Dezember 2011 bis 20. Sep-
tember 2016 und von 3.040
€ vom 20. Dezember 2016 bis 20. März 2041
vor. Im Versicherungsschein Nr.
… sind "regelmäßige Auszah-
lungen" in Höhe von 1.765
€ vom 20. September 2002 bis 20. März
2012, von 1.955
€ vom 20. Juni 2012 bis 20. März 2017 und von 2.245 €
vom 20. Juni 2017 bis 20. März 2042 aufgeführt.
Die Versicherungsscheine enthalten jeweils den folgenden Hi n-
weis:
"Dieser Versicherungsschein besteht aus 3 Seiten, die in
Verbindung mit C. M. Wealthmaster Noble Poli-
cenbedingungen, Betr…., zu lesen sind."
In den Policenbedingungen heißt es unter anderem:
"3.1
Auf schriftlichen Antrag des Versicherungsnehmers
werden einige oder alle dem Vertrag zugeteilte Ei n-
heiten/Anteile von C. M. eingelöst und un-
ter nachstehenden Bedingungen ein Betrag in Höhe
des
Rücknahmewerts
der
eingelösten
Einhei-
ten/Anteile (vorbehaltlich der Bestimmungen von A b-
schnitt 3.2) gezahlt:
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3.1.1 C. M. behält sich das Recht vor, das Aus-
zahlungsgesuch zu verweigern, wenn der Rücknah-
mewert der Einheiten/Anteile, die eingelöst werden
oder in einem Fonds/Pool verbleiben sollen, nach
dieser Einlösung geringer wäre als das von C.
M. gestattete und dem Versicherungsnehmer zu
diesem Zeitpunkt mitgeteilte Minimum.
3.1.2 Der Rücknahmepreis, auf den in diesem Abschnitt
Bezug genommen wird, ist der Rücknahmepreis am
Bewertungstermin unmittelbar im Anschluss an den
Eingang des vorstehend genannten Gesuchs des
Versicherungsnehmers, es sei denn, es wurden re-
gelmäßige Auszahlungen erbeten. In diesem Fall ist
es der Rücknahmepreis am Bewertungstermin unmit-
telbar vor dem/den vom Versicherungsnehmer ge-
wählten Auszahlungsdatum/daten; …
3.1.5 Werden alle einem Vertrag zugeteilten Einheiten/
Anteile eingelöst, wird der Vertrag ebenfalls aufgeh o-
ben."
Die Beklagte nahm zunächst die Auszahlungen ge mäß den Versi-
cherungsscheinen vor, reduzierte jedoch zur Deckung dieser Auszahlu n-
gen die Anzahl der dem Kläger zugewiesenen Poolanteile, so dass der
Vertragswert der Versicherungen sank. Sie übersandte dem Kläger jähr-
lich Kontoauszüge, aus denen sich unter anderem der deklarierte Wert-
zuwachs und der jeweils aktuelle Vertragswert ergab en. Im März 2005
beantragte der Kläger, die regelmäßigen Auszahlungen auszusetzen. Er
wurde später von der finanzierenden Bank zur Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen im eigenen Namen ermächtigt.
Der Kläger behauptet, ihm sei vom Untervermittler versprochen
worden, dass eine Rendite von mindestens 8,5% erzielt werde, die Da r-
lehenszinsen hiermit gedeckt werden könnten und dass sich der "Euro-
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plan" zur Altersvorsorge eigne. Außerdem sei er unter anderem über das
"Glättungsverfahren" und die poolübergreifende Reservenbildung nicht
aufgeklärt worden. Das Verhalten des Untervermittlers sei der Beklagten
zuzurechnen, da sie den Vertrieb ihrer Lebensversicherungen in
Deutschland vollständig auf Masterdistributoren und Untervermittler au s-
gelagert habe. Er sei daher so zu stellen, als sei es zu den beiden Bete i-
ligungen am "Europlan" nicht gekommen. Der Kläger verlangt die Erstat-
tung der von ihm für den "Europlan" erbrachten Aufwendungen (Vermitt-
lungsgebühr, Fremdkapitalzinsen, Aufwendungen für Invest mentfonds
und Steuerberater) abzüglich Ausschüttungen, Freistellung von seinen
Darlehensverbindlichkeiten und Feststellung der Ersatzpflicht für weitere
Schäden, die ihm im Zusammenhang mit den Lebensversicherungsver-
trägen, den Darlehensverträgen und den Wertpapierdepots entstehen
werden. Nach rechtlichen Hinweisen des Berufungsgerichts hat er seine
Klage um den Hilfsantrag auf Feststellung erweitert, dass die Beklagte
zu regelmäßigen Auszahlungen gemäß den Versicherungsscheinen ve r-
pflichtet ist.
Die Beklagte behauptet, sie habe den "Europlan", der durch unab-
hängige Makler vertrieben worden sei, weder entwickelt noch beworben
oder angeboten. Auch von der Fremdfinanzierung habe sie keine Kennt-
nis gehabt. Sie vertritt daher die Auffassung, dass ihr ein etwaiges Ver-
schulden des Vermittlers nicht zuzurechnen sei. Die Schadensersatza n-
sprüche des Klägers seien jedenfalls verjährt, da dem Kläger spätestens
im Jahr 2005 aufgrund der jährlichen Zusendung der Kontoauszüge be-
kannt gewesen sei, dass die für sein Anlagekonzept erforderliche Rend i-
te nicht erzielt werde. Auch der Feststellungsantrag sei unbegründet,
weil die regelmäßigen Auszahlungen nach den Policenbedingungen und
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der Verbraucherinformation unter dem Vorbehalt einer ausreichenden
Kapitaldeckung durch die Poolanteile stünden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
hat auf die Berufung des Klägers festgestellt, dass die Beklagte zur Er-
füllung des Auszahlungsplans verpflichtet ist, und die Klage im Übrigen
unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgewiesen. Hierge-
gen wenden sich beide Parteien mit der Revision, soweit zu ihrem Nach-
teil erkannt worden ist. Der Kläger verfolgt seinen Hauptantrag auf
Schadensersatz weiter. Die Beklagte erstrebt die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Hauptantrag u n-
begründet. Dem Kläger sei kein Schaden entstanden, weil ihm der mi t
dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Erfüllung zustehe.
Der Zulässigkeit des hilfsweise gestellten Antrags auf Feststellung
der Erfüllungspflicht stehe die Abtretung der Ansprüche aus den Vers i-
cherungsverträgen an die Kreditgeberin nicht entgegen. Streitgegen-
stand sei trotz der Abtretung ein Rechtsverhältnis zwischen den Parte i-
en.
Der Kläger habe einen Anspruch auf die im Versicherungsschein
vorgesehenen vierteljährlichen Auszahlungen. Die im Versicherung s-
schein enthaltenen Erklärungen zu den "regelmäßigen Auszahlungen"
stellten Individualvereinbarungen dar und hätten als solche Vorrang g e-
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genüber etwaigen abweichenden Regelungen in den Policenbedingu n-
gen. Die Einschränkung der Leistungspflicht in den Policenbedingungen
sei im Übrigen überraschend, § 305c Abs. 1 BGB; jedenfalls verstoße die
Regelung gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die
"Verbraucherinformationen" seien bereits nicht wirksam in die Verträge
einbezogen. Die Leistungspflicht der Beklagten stehe daher nicht unter
dem Vorbehalt einer ausreichenden Deckung durch Poolanteile.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in al-
len Punkten stand.
1. Die Revision der Beklagten ist begründet, da das Berufungsge-
richt zu der Frage, ob eine Verpflichtung zur Erfüllung der in den Versi-
cherungsscheinen festgelegten Auszahlungspläne besteht, weitere Fes t-
stellungen treffen muss.
a) Der Antrag auf Feststellung der Erfüllungspflicht ist zulässig.
aa) Insbesondere ist die internationale Zuständigkeit deutscher
Gerichte - die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch im Revisionsve r-
fahren von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteile vom 1. März 2011
- XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 9; vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09,
BGHZ 184, 365 Rn. 17; vom 28. November 2002 - III ZR 102/02, BGHZ
153, 82, 85) - gegeben. Sie folgt sowohl aus Art. 9 Abs. 1 Buchst. b als
auch aus Art. 16 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO.
bb) Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten
Feststellung, § 256 Abs. 1 ZPO.
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(1) Zwar besteht das festzustellende Rechtsverhältnis entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zwischen den Parteien die-
ses Rechtsstreits, sondern zwischen der Beklagten und der kreditgewäh-
renden Bank, an die der Kläger seine Rechte aus den Lebensversiche-
rungsverträgen abgetreten hat. Dass die Ermächtigung der Kreditgeberin
nur die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erfasst , steht
der Zulässigkeit des auf Feststellung der Erfüllungsansprüche gericht e-
ten Antrags aber nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs kann der Feststellungsantrag auch auf Feststellung
eines Rechtsverhältnisses zwischen der beklagten Partei und einem Dri t-
ten gerichtet sein, wenn dieses zugleich für die Rechtsbeziehu ngen der
Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger an der alsba l-
digen Klärung ein rechtliches Interesse hat (BGH, Urteile vom 25. Febru-
ar 1982 - II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 125 f.; vom 16. Juni 1993 - VIII
ZR 222/92, NJW 1993, 2539, 2540 unter II 1; vom 2. Juli 2007 - II ZR
111/05, NJW 2008, 69, 71 Rn. 22, jeweils m.w.N.). Ausreichend ist, dass
der Kläger vom Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses in
seinem Rechtsbereich wenigstens mittelbar betroffen wird (BGH, Urteil
vom 16. Juni 1993 aaO). Der Kläger ist von dem streitgegenständlichen
Rechtsverhältnis aufgrund seiner Stellung als Versicherungsnehmer und
seiner Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen nicht nur mittelbar,
sondern sogar unmittelbar betroffen. Da sich die Beklagte auf den
Standpunkt stellt, die regelmäßigen Auszahlungen nur unter Rücknahme
einer die Auszahlungen deckenden Anzahl von Poolanteilen vornehmen
zu müssen, steht der Kläger vor der Wahl, entweder die Darlehenszinsen
aus eigenen Mitteln zu decken oder eine Reduzierung der Anzahl der
ihm zugewiesenen Poolanteile in Kauf zu nehmen.
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(2) Unerheblich ist, dass das Berufungsgericht im Tenor nur die
Zahlungspflicht festgestellt und offen gelassen hat, an wen die Zahlun-
gen zu leisten sind. Gegen die Zulässigkeit des entsprechenden Antrags
des Klägers bestehen - entgegen der Auffassung der Beklagten - keine
Bedenken. Durch die Bezugnahme auf den jeweiligen Versicherung s-
schein und durch Konkretisierung nach Betrag und Zahlungsdatum ist
der Rechtsgrund der Zahlungspflicht klargestellt. Als Gläubigerin kommt
gegenwärtig aufgrund der Sicherungsabtretung nur die Kreditgeberin in
Betracht. Der Antrag ist daher auf die Feststellung eines konkreten
Rechtsverhältnisses und nicht auf die - unzulässige (BGH, Urteil vom
4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99, NJW 2001, 445 unter II 2 m.w.N.) -
Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtet.
(3) Einem Feststellungsinteresse des Klägers steht weiter nicht
entgegen, dass die Beklagte bisher alle beantragten Auszahlungen g e-
leistet hat und bereit ist, diese auch weiterhin zu leisten, solange einlö s-
bare Anteile vorhanden sind. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen
Feststellung setzt voraus, dass dem Recht oder der Rechtslage eine g e-
genwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und das Feststellungsurteil
geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom 16. September
2008 - VI ZR 244/07, NJW 2009, 751, 752 unter III 1 b m.w.N.). Eine Ge-
fährdung besteht, wenn der Beklagte ein Recht des Klägers ernstlich b e-
streitet (BGH, Urteil vom 7. Februar 1986 - V ZR 201/84, NJW 1986,
2507 unter II 1).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte bestreitet,
zur Vornahme der regelmäßigen Auszahlungen ohne Reduzierung von
Anteilen verpflichtet zu sein, und stellt sich stattde ssen auf den Stand-
punkt, nur so lange Auszahlungen vornehmen zu müssen, wie auch aus-
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reichende Anteile des Klägers im Pool vorhanden sind. Dementspr e-
chend hat sie eine die regelmäßigen Auszahlungen deckende Anzahl von
Poolanteilen zurückgenommen und dem Kläger mit den jährlichen Infor-
mationen die reduzierten Vertragswerte mitgeteilt. Da die Beklagte be-
reits aktuell ihre Verpflichtung zu regelmäßigen Auszahlungen ohne R e-
duzierung von Anteilen bestreitet, hat der Kläger an der alsbaldigen
Feststellung einer vorbehaltlosen Zahlungspflicht ein rechtliches Intere s-
se.
b) Die Begründetheit des Feststellungsantrags kann der Senat
nicht abschließend prüfen. Zur Klärung der Frage, ob die Beklagte aus
den Lebensversicherungsverträgen zur Leistung der in den Versic he-
rungsscheinen vorgesehenen "regelmäßigen Auszahlungen" verpflichtet
ist, bedarf es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts .
aa) Nach dem objektiven Erklärungsgehalt von Angebot und A n-
nahme ist die Beklagte allerdings zur Vornahme der regelmäß igen Aus-
zahlungen als Teil ihres Hauptleistungsversprechens verpflichtet. Der
Kläger hat die vierteljährlichen Auszahlungen in den Anlagen zu seinen
Versicherungsanträgen vom 12. September 2001 und vom 21. Dezember
2001 beantragt. Dieses Angebot hat die Beklagte durch Zusendung der
den Anträgen inhaltlich entsprechenden Versicherungsscheine ang e-
nommen. Sowohl in den Versicherungsanträgen als auch in den Vers i-
cherungsscheinen sind die Auszahlungen hinsichtlich Betrag und Au s-
zahlungsdatum aufgeführt, ohne dass sie dort an weitere Voraussetzun-
gen, insbesondere das Bestehen eines genügenden Versicherungswerts
im Zeitpunkt der vorgesehenen Auszahlung, geknüpft sind. Ein über die
Auszahlungen hinaus gehender eventueller Mehrertrag aus der Lebens-
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versicherung sollte den zusätzlichen Gewinn des Klägers darstellen. Nur
dieser war betragsmäßig noch nicht festgelegt.
Die dem Versicherungsantrag entsprechende Wiedergabe der
Auszahlungsbeträge auf Seite 2 des Versicherungsscheins kann daher
aus objektiver Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) nicht anders verstan-
den werden, als dass diese Beträge zu den angegebenen Zahlungste r-
minen geleistet werden sollen und es sich damit um einen Bestandteil
der vom Versicherer zugesagten Versicherungsleistung handelt.
Das ergibt sich auch daraus, dass die Aufteilung in der Höhe nach
garantierte Zahlungen sowie der Höhe nach ungewisse Zusatzzahlungen
aus einer Überschussbeteiligung der üblichen Praxis bei traditionell auf
dem deutschen Versicherungsmarkt angebotenen Rentenversicherun gen
gegen Einmalzahlung entspricht. Die Angabe von festen Zahlbeträgen zu
bestimmten Terminen ohne eine an dieser Stelle vorgenommene Ei n-
schränkung lässt die genannten Zahlungen als eine garantierte Versich e-
rungsleistung erscheinen. Zusätzlich gestützt wird dieses Verständnis
dadurch, dass in der "Erklärung des Antragstellers" in den Antragsformu-
laren unter Buchstabe I. auf die "beantragten Versicherungsleistungen"
Bezug genommen wird; unter Buchstabe "H. Wichtige Hinweise" wird da-
rauf verwiesen, dass "ein Teil oder alle der Versicherungsleistungen"
hinfällig werden können, wenn die Angaben des Antragstellers nicht z u-
treffend sind. Beide Formulierungen lassen sich auf die unter F. bea n-
tragten regelmäßigen Auszahlungen beziehen.
bb) Diese Verpflichtung der Beklagten ist weder durch die "Poli-
cenbedingungen", auf die im Versicherungsschein verwiesen wird, noch
durch die dem Kläger unstreitig ausgehändigte "Verbraucherinformation"
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wirksam beschränkt oder an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft wo r-
den.
(1) Die "Verbraucherinformation" ist - wovon auch das Berufungs-
gericht ausgeht - bereits nicht Vertragsbestandteil geworden, da sich
weder in den Anträgen noch in den Versicherungsscheinen noch in den
Policenbedingungen ein Hinweis darauf findet, dass dies e Informationen
als Allgemeine Geschäftsbedingungen den Vertragsinhalt mitbestimmen
sollen; ein Einbeziehungshinweis i.S. von § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB fehlt.
Grundlage für die Erteilung einer Verbraucherinformation war § 10a VAG
in der vom 28. Dezember 2000 bis 30. April 2002 gültigen Fassung. Da-
nach dient die Verbraucherinformation allein der Unterrichtung des Ve r-
sicherungsnehmers über die - anderweitig geregelten - für das Versiche-
rungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und Rechte, dagegen nicht e i-
ner abändernden Ausgestaltung jener Regelungen. Es handelt sich fol g-
lich nur um eine allgemeine Information, die allenfalls ergänzend zur I n-
terpretation der Vertragsbedingungen herangezogen werden kann, in s-
besondere soweit diese erläuterungsbedürftig sein sollten. D ie Qualität
Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist ihr nicht beizumessen.
(2) Dagegen sind die Policenbedingungen wirksam in den Vertrag
einbezogen. Hierfür kann es dahinstehen, ob die vom Kläger unter Buch-
stabe I. des Antragsformulars abgegebene Erklärung über den Erhalt der
Policenbedingungen, die sich ihrem Wortlaut nach eher als reine Em p-
fangsbestätigung darstellt, für eine Einbeziehung gemäß § 305 BGB ge-
nügt. Denn eine Einbeziehung ist zumindest aufgrund des Hinweises im
Versicherungsschein erfolgt.
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Im Anschluss an das Berufungsgericht kann zugunsten der Beklag-
ten angenommen werden, dass die von ihr vorgelegten Policenbedin-
gungen übergeben worden sind.
(3) Jedoch lässt sich diesen Policenbedingungen, insbesondere
deren Nr. 3, nicht entnehmen, dass die beantragten und im Versiche-
rungsschein wiedergegebenen Auszahlungen davon abhängig sein so l-
len, dass genügend Anteile mit einem ausreichenden Rücknahmewert
zum vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt vorhanden sind.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach gefestigter
Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer
Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs
verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines
Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse
und damit auch auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993
- IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig).
Danach ist nicht anzunehmen, dass die Regelungen unter Nr. 3.1
der Policenbedingungen auch auf solche Auszahlungen Anwendung fi n-
den sollen, die dem Versicherungsnehmer auf seinen Versicherungsa n-
trag hin bereits im Versicherungsschein vorbehaltlos als zu erbringende
Versicherungsleistung zugesagt sind. Ein durchschnittlicher Versiche-
rungsnehmer muss nicht damit rechnen, dass diese Leistung an weitere,
im Versicherungsschein nicht genannte Voraussetzungen ge knüpft sein
soll. Er wird die Formulierung "Auf schriftlichen Antrag des Versiche-
rungsnehmers" am Satzanfang der Klausel deshalb so verstehen, dass
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sie nur solche Anträge erfasst, die erst nach Vertragsschluss von ihm
gestellt werden und über die der Versicherer nach Maßgabe der Vers i-
cherungsbedingungen neu zu entscheiden hat. Dagegen wird er die im
Versicherungsantrag gestellten Auszahlungsanträge als durch die Au f-
nahme der entsprechenden Auszahlungen in den Versicherungsschein
positiv beschieden ansehen.
Diesem Verständnis stehen auch die weiteren Bestimmungen unter
Nr. 3.1.2 und Nr. 3.1.5 der Policenbedingungen nicht entgegen. Zwar
wird in Abschnitt Nr. 3.1.2 hinsichtlich des Bewertungstermins zwischen
einmaligen und regelmäßigen Auszahlungen differenziert; jedoch lässt
sich auch daraus nicht der Schluss ziehen, dass bereits bei Vertragsan-
bahnung erbetene und mit dem Vertragsschluss vereinbarte Auszahlu n-
gen der Klausel unterliegen sollen. Zum einen müssen regelmäßige Au s-
zahlungen nicht zwingend bei Vertragsschluss beantragt werden. Zum
anderen wäre es wenig einleuchtend, dass auch für eine unter Buchsta-
be F. des Antragsformulars beantragte, im Versicherungsschein entha l-
tene, aber erst erheblich später fällig werdende unregelmäßige Ausza h-
lung der "Bewertungstermin unmittelbar im Anschluss an den Eingang
des vorstehend genannten Gesuchs des Versicherungsnehmers" maß-
geblich sein soll. Diese Regelungspricht daher ebenfalls dafür, dass sie
nur für nach Vertragsschluss beantragte, sofort fällige Auszahlungen
Geltung beanspruchen will. Unter diesen Umständen kann auch der
Nr. 3.1.5 der Policenbedingungen nur entnommen werden, dass sie die
Rechtsfolgen einer Einlösung aller zugeteilten Anteile aufgrund nachträ g-
licher Auszahlungsgesuche des Versicherungsnehmers regeln will.
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(4) Bei einem anderen Verständnis verstößt die das Leistungsver-
sprechen einschränkende Regelung gegen das Transparenzgebot nach
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Dieses verlangt vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingu n-
gen, dass die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar
und durchschaubar dargestellt sind und die Klauseln darüber hinaus die
wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie
dies nach den Umständen gefordert werden kann (Senatsur teile vom
26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 16; vom
23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210, 213 f.; vom 8. Oktober
1997 - IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394, 401). Eine Regelung hält deshalb
einer Inhaltskontrolle nach dem Transparenzgebot auch dann nicht
stand, wenn sie an verschiedenen Stellen in den Bedi ngungen niederge-
legt ist, die nur schwer miteinander in Zusammenhang zu bringen sind,
oder wenn der Regelungsgehalt auf andere Weise durch die Verteilung
auf mehrere Stellen verdunkelt wird (Senatsurteil vom 23. Februar 2005
aaO S. 214).
Diesen Anforderungen genügt die Regelung in den Policenbedin-
gungen, sofern sie auch im Versicherungsantrag beantragte und in den
Versicherungsschein aufgenommene Auszahlungen erfassen sollte,
nicht. Die Klauseln verdeutlichen dem Versicherungsnehmer nicht hinre i-
chend, dass auch gemäß Versicherungsschein versprochene Zahlungen
dann nicht bis zum Schluss in voller Höhe erbracht werden können,
wenn die verbleibenden Anteile nicht einen ausreichenden Wertzuwachs
erreichen. Selbst wenn es als noch hinnehmbar angesehen wird, dass
bei der Nennung der Auszahlungsbeträge auf Seite 2 des Versiche-
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rungsscheins jeglicher Vorbehalt im Hinblick auf die Wertentwicklung der
Anteile fehlt, weil auf Seite 1 des Versicherungsscheins pauschal auf die
Policenbedingungen verwiesen ist, so hätte dann jedenfalls in diesen
Bedingungen ein klarer Hinweis auf die zusätzlichen Voraussetzungen
für die Auszahlung enthalten sein müssen.
Eine klare und durchschaubare Darstellung in diesem Sinne hätte
es erfordert, den Versicherungsnehmer unmissverständlich darauf hin-
zuweisen, dass es sich auch insoweit um den einschränkenden Bedi n-
gungen unterliegende Auszahlungsgesuche "auf schriftlichen Antrag des
Versicherungsnehmers" sowie um eine Einlösung von Anteilen i.S. von
Nr. 3.1 der Bedingungen handelt. Dies erschließt sich dem durchschnitt-
lichen Versicherungsnehmer nicht, sondern kann allenfalls einer ihn
überfordernden Gesamtschau der Regelungen entnommen werden. Da-
bei wäre ein eindeutiger Hinweis problemlos und somit "den Umständen
nach" möglich gewesen.
Ferner fehlt in den Bedingungen ein ausreichend deutlicher Hi n-
weis auf die wirtschaftlichen Nachteile vorzeitiger Auszahlungen, die
insbesondere darin liegen, dass das Kapital aufgezehrt werden kann und
dass weitere scheinbar vorbehaltlos festgelegte Auszahlungen nicht ge-
sichert sind.
Die mangelnde Transparenz der Regelung wird auch durch die z u-
sätzlichen Erläuterungen in der Verbraucherinformation nicht beseitigt. In
deren Nr. 5.2.1 fehlt jeglicher Bezug der Aussage zu vorzeitigen Ausza h-
lungen und Nr. 5.2.2 enthält lediglich den allgemeinen Hinweis auf eine
verringerte Rendite aufgrund vorzeitiger Auszahlungen, macht aber nicht
deutlich, dass dies die zugesagten Auszahlungen selbst in Frage stellen
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kann. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann dieser Aussage
ebenfalls nur entnehmen, dass die von ihm erhoffte Gesamtrendite g e-
ringer ausfallen wird als wenn er auf vorzeitige Auszahlungen verzichtet.
Er wird dies jedoch vornehmlich auf den zusätzlich zu bereits festgele g-
ten Auszahlungsbeträgen erhofften Überschuss beziehen, dagegen nicht
annehmen, dass von diesem Hinweis auch betragsmäßig festgelegte
Auszahlungen betroffen sein sollen. Hierdurch wird die Gefahr, dass die
als Versicherungsleistung aufgeführten Zahlungen summenmäßig am
Ende nicht erbracht werden, eher verschleiert als aufgezeigt. Auch in
Nr. 10 der Verbraucherinformation findet sich unter der Überschrift "Aus-
zahlungen" kein deutlicher Hinweis darauf, dass in den Versicherung s-
schein betragsmäßig aufgenommene Auszahlungen vom Eintri tt einer
bestimmten Wertentwicklung abhängig sein sollen.
Der Hinweis auf das Risiko des Totalverlustes des eingesetzten
Kapitals im Prospekt zum Europlan ist für die Frage der Transparenz der
Regelungen in den Policenbedingungen unerheblich. Im "Beratungspro-
tokoll" wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beklagte für den
Prospekt nicht verantwortlich ist, sowie darauf, dass für die Wealthmas-
ter-Police das Antragsformular und die Versicherungsbedingungen allein
verbindlich sind. Der Kläger hatte daher keinen Anlass, den Inhalt des
Prospekts zur Beurteilung seiner Rechte und Pflichten aus dem Leben s-
versicherungsvertrag heranzuziehen.
cc) Allerdings hätte das Berufungsgericht der unter Beweis gestel l-
ten Behauptung nachgehen müssen, der Vermittler habe dem Kläger mit
der erforderlichen Klarheit erläutert, dass die im Versicherungsschein
vorgesehenen regelmäßigen Auszahlungen nur gegen Rücknahme von
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Anteilen geleistet werden, und der Kläger habe diese Erläuterung ve r-
standen und als Vertragsinhalt akzeptiert.
Zwar hat die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und
damit auch der hier in Rede stehenden Allgemeinen Versicherungsb e-
dingungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen,
der am Willen und Interesse der beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet
sein muss, so dass es grundsätzlich auf das Verständnis der Versiche r-
ten in ihrer Gesamtheit und nicht nur auf das Verständnis der am vorli e-
genden Verfahren beteiligten Parteien ankommt. Jedoch erfährt dieser
Grundsatz eine Einschränkung dann, wenn sich Verwender und Kunde
oder Versicherter im Einzelfall über ein von dem Ergebnis objektiver
Auslegung abweichendes Verständnis des Sinngehalts der Regelung
- auch durch schlüssiges Handeln - einigen; dann geht diese überein-
stimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung dem Ergebnis
der objektiven Auslegung vor (Senatsurteil vom 14. Juni 2006 - IV ZR
54/05, VersR 2006, 1246 unter II 3).
dd) Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift
gegenüber den Erfüllungsansprüchen nicht. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1
Halbsatz 2 VVG a.F. verjährt der Erfüllungsanspruch in fünf Jahren, w o-
bei der Lauf der Verjährung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. erst mit
Schluss des Jahres beginnt, in dem die Leistung verlangt werden kann.
Das setzt die Fälligkeit des Anspruchs voraus (Senatsurteil vom 13. März
2002 - IV ZR 40/01, VersR 2002, 698 unter 2; st. Rspr.). Auch der Lauf
der nunmehr geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195
BGB i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB beginnt frühestens mit Ende des Jahres, in
dem der Anspruch entstanden, d.h. fällig geworden ist (BGH, Urteil vom
8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, NJW -RR 2009, 378 Rn. 17 m.w.N.; st.
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- 20 -
Rspr.).Der Feststellungsantrag bezieht sich auf Zahlungen, die ab dem
20. September 2011 fällig werden. Da die den Feststellungsantrag bein-
haltende Klageerweiterung der Beklagten bereits im Juli 2011 zugestellt
wurde, kommt eine Verjährung nicht in Betracht.
2. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsgericht
hat den Eintritt eines Schadens mit einer rechtlich nicht tragfähigen B e-
gründung verneint.
a) Auf der Grundlage des revisionsrechtlich maßgeblichen Sac h-
verhalts hat die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen ihre
Aufklärungspflichten verletzt.
aa) Das Verhalten des Untervermittlers ist ihr nach § 278 BGB zu-
zurechnen. Übernimmt ein Vermittler mit Wissen und Wollen einer Ve r-
tragspartei Aufgaben, die typischerweise ihr obliegen, steht der Vermit t-
ler - unabhängig von seiner etwaigen Selbständigkeit und einer Tätigkeit
auch für den Vertragspartner - in ihrem Lager, wird in ihrem Pflichten-
kreis tätig und ist als ihre Hilfsperson zu betrachten (BGH, Urteile vom
14. November 2000 - XI ZR 336/99, VersR 2001, 188 unter II 2; vom
9. Juli 1998 - III ZR 158/97, VersR 1998, 1093 unter II 2; vom 24. Sep-
tember 1996 - XI ZR 318/95, VersR 1997, 877 unter II 1). Eine solche
umfassende Aufgabenübertragung ist hier gegeben. Die Beklagte hat ih-
re Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" unter Verzicht auf ein ei-
genes Vertriebssystem im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs
über rechtlich selbständige Vermittler, die ihrerseits Untervermittler ei n-
gesetzt haben, veräußert, ohne selbst mit den Kunden in Kontakt zu tr e-
ten. Sie hat es also diesen Vermittlern überlassen, den Versicheru ngsin-
teressenten die Angebote der Beklagten nahezubringen, ihnen dabei die
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- 21 -
notwendigen Auskünfte zum Vertragsinhalt und zum angebotenen Vers i-
cherungsprodukt zu geben, auftauchende Fragen hierzu zu beantworten
und die Verhandlungen bis zum Abschluss zu führen.
bb) Zur Frage der Aufklärungspflichtverletzung, insbesondere zum
Inhalt des Vertragsgesprächs, hat das Berufungsgericht, das einen
Schaden verneint hat, keine Feststellungen getroffen. Bereits auf Grund-
lage des unstreitigen Vortrags ist jedoch von einer Pflichtverletzung im
Rahmen der Vertragsverhandlungen auszugehen.
(1) Der Abschluss der streitgegenständlichen kapitalbildenden L e-
bensversicherung stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlag e-
geschäft dar. Gegenüber der Renditeerwartung war die Versicherung des
Todesfallrisikos von untergeordneter Bedeutung. Dies zeigt sich schon
daran, dass die garantierte Todesfallleistung nur "101,00% des Rück-
nahmewertes von Einheiten/Anteilen" beträgt. Die Beklagte war daher
nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Aufklä-
rung bei Anlagegeschäften verpflichtet, den Kläger bereits im Rahmen
der Vertragsverhandlungen über alle Umstände verständlich und vol l-
ständig zu informieren, die für seinen Anlageentschluss von besonderer
Bedeutung waren. Das gilt insbesondere für die mit der angebotenen B e-
teiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken (vgl. BGH, Urteile
vom 9. Juli 1998 aaO unter I 1; vom 21. März 2005 - II ZR 140/03, WM
2005, 833 unter II 2 b; vom 17. Februar 2011 - III ZR 144/10 NJW-RR
2011, 910 Rn. 9).
(2) Eine Verletzung dieser Aufklärungspflichten ist zunächst darin
zu sehen, dass die Beklagte ein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes,
zu positives Bild der Renditeerwartung gegeben hat. Bei Vertragsab-
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- 22 -
schluss wurde gegenüber dem Kläger der Eindruck erweckt, dass die
Prognose einer Durchschnittsrendite von 8,5% realistisch ist. Der Kläger
behauptet, der Untervermittler habe die Kurzberechnung Anlage K 5
- der durchgehend eine Rendite von 8,5% zugrunde gelegt wurde - er-
stellt. Die Beklagte bestreitet dies zwar, verweist aber ihrerseits auf "un-
verbindliche Musterberechnungen", mit denen der Kläger über die zu er-
wartende Wertentwicklung aufgeklärt worden sei. Auch in diesen Be-
rechnungen wird jeweils auf den Seiten 5 und 6 eine Wertentwicklung
von 8,5% zugrunde gelegt, die auf Seite 1 bei der Ablaufleistung und auf
Seite 2-4 bei der Todesfallleistung als alleiniger Wert angenommen wird.
Sowohl die Kurz- als auch die Musterberechnungen erwecken den Ein-
druck, dass mit dieser Rendite aufgrund einer sachlich gerechtfertigten
Prognose gerechnet werden kann. Tatsächlich hat die Beklagte - wie
sich auch aus Ziff. 5 der Hinweise zu den "unverbindlichen Musterbe-
rechnungen" ergibt - aber nur die Prognose einer Wertentwicklung von
6% als gerechtfertigt angesehen. Werden konkrete Aussagen über eine
zu erwartende Wertentwicklung gemacht, müssen diese ein realistisches
Bild vermitteln; zeichnet sich bereits bei Vertragsschluss ab, dass diese
Werte tatsächlich nicht erreicht werden können, ist der Interessent hier-
über aufzuklären (vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2012 - IV ZR 194/09,
VersR 2012, 601 Rn. 38; BGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 71/07,
NJW 2008, 3059 unter 1 b; OLG Düsseldorf VersR 2001, 705 unter 1).
An einer solchen Aufklärung fehlt es. Sie ergibt sich insbesondere nicht
aus Ziff. 5 der Hinweise in den "unverbindlichen Musterberechnungen".
Auch wenn dort die von der Beklagten tatsächlich angenommene Wer t-
entwicklung von 6% erwähnt wird, ist dieser Hinweis angesichts des U m-
stands, dass auf sämtlichen Seiten zuvor die Musterberechnung durc h-
gehend auf der Grundlage einer Rendite von 8,5% durchgeführt wurde
und sich der Hinweis auf die tatsächlich angenommene - niedrigere -
- 23 -
Wertentwicklung nur kleingedruckt und erst auf Seite 7 der Musterbe-
rechnung findet, nicht ausreichend; Anordnung und Kontext des Hinwe i-
ses gewährleisten nicht, dass der Anleger hiervon in der gebotenen We i-
se Kenntnis nimmt. Auf die streitige Frage, ob die "unverbindliche Mus-
terberechnung" dem Kläger vor Vertragsschluss zugegangen ist, kommt
es daher nicht an. Zur Aufklärung ungeeignet ist auch der Hinweis in den
"Beratungsprotokollen", dass das Endkapital bzw. die Europlan-Rente
niedriger als kalkuliert ausfallen könne, "falls die kalkulierte Rendite von
8,5% bezogen auf das Nettoanlagevermögen nicht erreicht wird". Viel-
mehr wird hiermit nochmals bekräftigt, dass eine Ren dite von 8,5% als
realistische Kalkulationsgrundlage anzusehen ist. Nach den "Beratungs-
protokollen" wurde der Kläger zwar auch darüber informiert, dass "die
garantierte Jahresdividende in der Regel niedriger ist als der Effekti v-
zinssatz für das aufzunehmende Darlehen". Die Rendite setzt sich aber
aus dem garantierten Wertzuwachs und dem nicht garantierten Fällig-
keitsbonus zusammen, so dass auch dieser Hinweis nichts über die Ge-
samthöhe der zu erwartenden Wertentwicklung aussagt.
(3) Der Kläger beanstandet darüber hinaus zu Recht die Informati-
onen zur Verwaltung der Versicherungsbeiträge. Er trägt vor, er sei nicht
auf das Glättungsverfahren ("smoothing") hingewiesen worden, das dazu
führe, dass hohe Renditen nicht zu erzielen seien.
Unstreitig gibt die Beklagte im Rahmen des Glättungsverfahrens
nur einen Teil der mit den Einmalzahlungen erzielten Rendite über den
deklarierten Wertzuwachs an die Anleger weiter und überführt den ande-
ren Teil in Rücklagen, die einer Stützung von Auszahlungen und dekla-
rierten Wertzuwächsen bei negativer Entwicklung an den Aktienmärkten
dienen sollen. Der Umfang der Reservenbildung unterliegt der Ermes-
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- 24 -
sensentscheidung der Beklagten. An den gebildeten Reserven können
die Anleger durch die - nicht garantierten - Fälligkeitsboni beteiligt wer-
den, die auf die am Ende der Vertragslauf zeit verbliebenen Anteile, ge-
gebenenfalls auch auf beantragte regelmäßige Auszahlungen geleistet
werden.
Im Vorfeld des Vertragsschlusses hätte es einer Aufklärung über
die Besonderheiten des so beschriebenen Glättungsverfahrens bedurft.
Dass die Beklagte unter Berücksichtigung der Vergangenheitsrenditen
und einer Prognose der zukünftigen Wertentwicklung entscheidet, in we l-
cher Höhe die Gesamtrendite in Reserven fließt, dass also die Anleger
gegebenenfalls nur zu einem geringen Anteil hieran beteiligt werden, ist
für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung. In den Police n-
bedingungen findet sich entgegen der Auffassung der Be klagten keine
Erläuterung des Glättungsverfahrens. Unter Nr. 2.9.2 b) wird im letzten
Satz lediglich darauf hingewiesen, dass es "unter besonders schlechten
Investmentbedingungen … zu einem sehr niedrigen deklarierten Wertzu-
wachs kommen (kann), um dadurch die Interessen der Anleger zu schüt-
zen". Ähnlich nichtssagend ist Nr. 5.2.3 Abs. 3 der Verbraucherinformati-
on. Hiernach kann "unter besonders schlechten Investmentbedingungen
(…) der deklarierte Wertzuwachs besonders niedrig sein, um den Pool zu
schützen. C. M. hat jedoch seit 1824 noch nie eine Bonuszah-
lung ausgelassen - selbst durch Weltkriege und Börsenkrisen hindurch".
Auch aus dieser Formulierung kann der Versicherungsnehmer die Fun k-
tionsweise und die Bedeutung des Glättungsverfahrens für die Entwic k-
lung des Vertragswertes nicht ersehen.
(4) Auch über die poolübergreifende Reservenbildung wurde der
Kläger nicht hinreichend aufgeklärt. Er beanstandet, dass die Beklagte
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alle Vermögenswerte einheitlich in ihrem Lebensversicherungsfond s
verwalte und für alle Pools gemeinsame Rücklagen bilde, so dass es zu
einer Quersubventionierung zwischen den einzelnen Pools komme. Die-
se Behauptung wird von der Beklagten nicht bestritten; sie verweist le-
diglich darauf, dass die "Pools" nur dem Zweck dienten, die von der Be-
klagten an den jeweiligen Versicherungsnehmer zu erbringenden Lei s-
tungen zu berechnen. Die als Einmalzahlungen erbrachten Vermögen s-
werte würden dagegen im Lebensversicherungsfonds der Beklagten zu-
sammengefasst. Zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger werde
primär auf die für die einzelnen Pools gebildeten Reserven, sekundär auf
die Gesamtreserven im Lebensversicherungsfonds zurück gegriffen.
Bei dieser poolübergreifenden Reservenbildung handelt es sich um
einen für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstand, über den die
Beklagte hätte aufklären müssen. Die Policenbedingungen enthalten
hierzu keine Erläuterung. Unter Nr. 2 heißt es lediglich:
"2.1 C. M. unterhält oder veranlasst die Unterhal-
tung einer Reihe deutlich abgegrenzter Investmentfonds
und Pools mit garantiertem Wertzuwachs, die jeweils
durch ein getrenntes Konto oder eine getrennte Aufste l-
lung innerhalb des Lebensversicherungsfonds von
C. M. vertreten sind. Jeder interne Invest-
mentfonds/Pool ist in Einheiten/Anteile unterteilt.
(…)
2.6 Die Unterteilung der Fonds/Pools in Einheiten/Anteile
und die Zuteilung geschehen lediglich zum Zweck der
Berechnung von Leistungen, die unter bestimmte n von
C. M. ausgestellten Verträgen zahlbar sind.
Die Vermögenswerte der Fonds/Pools gehören immer
C. M. , während der Versicherungsnehmer
- unter dem Vorbehalt der Policenbedingungen - einen
Anspruch auf den Wert der zugeteilten Einheiten/Anteile
besitzt."
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- 26 -
Dass für alle Pools der Beklagten (auch) gemeinsame Reserven
gebildet werden mit der Folge, dass die mit der Einmalzahlung des Kl ä-
gers erwirtschaftete Rendite auch zur Gewährleistung von Garantiea n-
sprüchen der Anleger anderer Pools verwendet werden kann, ergibt sich
hieraus nicht mit der erforderlichen Klarheit. Vielmehr wird durch die
Formulierung unter Nr. 2.1 der Eindruck erweckt, dass eine Quersubven-
tionierung ausgeschlossen ist. Auch hierin liegt eine Aufklärungspflicht-
verletzung der Beklagten.
b) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, ist dem Kläger
durch den Abschluss der Lebensversicherungsverträge ein Schaden ent-
standen.
Dieser liegt in der Belastung mit für den Kläger nachteiligen Ve r-
trägen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der
Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Information eine für ihn nachte i-
lige Kapitalanlage erworben hat, in der Regel bereits durch deren Erwerb
geschädigt (Urteile vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306,
309 f.; vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05, NJW -RR 2006, 685 Rn. 17;
vom 19. Juli 2004 - II ZR 354/02, NJW-RR 2004, 1407 unter II). Zwar
setzt der auf Rückabwicklung des Vertrages aufgrund einer Verletzung
von Aufklärungspflichten gerichtete Schadensersatzanspruch einen Ver-
mögensschaden voraus (BGH, Urteile vom 26. September 1997 - V ZR
29/96, NJW 1998, 302 unter II 2 a bb; vom 19. Dezember 1997 - V ZR
112/96, NJW 1998, 898 unter III 1 a; vom 8. März 2005 aaO; vom
30. März 2007 - V ZR 89/06, MDR 2007, 823; ebenso OLG Celle NJW-
RR 2006, 1283, 1284). Hierfür genügt aber jeder wirtschaftliche Nachteil,
der für den Gläubiger mit dem aufgrund der Aufklärungspflichtverletzung
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eingegangenen Vertrag verbunden ist, so z.B. die nachhaltige Beei n-
trächtigung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit (Urteil vom 30. März
2007 aaO). Wer durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum A b-
schluss eines Vertrages verleitet wird, den er ohne dieses Verhalten
nicht geschlossen hätte, kann auch bei objektiver Werthaltigkei t von
Leistung und Gegenleistung einen Vermögensschaden dadurch erleiden,
dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (Urteile vom
8. März 2005 aaO; vom 26. September 1997 aaO unter II 2 b cc).
Das ist hier der Fall. Die Verträge sind für den Kläger trotz beste-
hender Erfüllungsansprüche nachteilig, da sie ihn in seiner wirtschaftli-
chen Dispositionsfreiheit beeinträchtigen. Er muss die Darlehensverbind-
lichkeiten, zu deren Eingehung er aufgrund der Renditeversprechen der
Beklagten veranlasst worden ist, nach einer Laufzeit von rund 15 Jahren
zurückführen. Hierfür muss er entweder den Verkaufserlös aus den ne-
ben den Lebensversicherungsverträgen aus Eigenmitteln angesparten
Investmentfondsdepots verwenden oder außerplanmäßige Auszahlungen
aus den Lebensversicherungsverträgen beantragen. Ein weiterer wirt-
schaftlicher Nachteil ergibt sich aus der enttäuschten langfristigen G e-
winnerwartung. Der Kläger muss damit rechnen, dass der deklarierte
Wertzuwachs deutlich niedriger ausfällt als mit den "unverbindlichen
Musterberechnungen" auf Basis einer Rendite von 8,5% prognostiziert.
Möglich ist auch, dass ein Fälligkeitsbonus, mit dem die Anleger am E n-
de der Laufzeit an den gebildeten Reserven teilnehmen können, nicht
ausgezahlt werden wird. Bei zutreffender Information hätte der Kläger
erkennen können, dass der versprochene langfristige Gewinn, der nie d-
rige Kreditzinsen und hohe Renditen voraussetzt, nicht erzielt werden
kann.
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c) Die Aufklärungspflichtverletzungen sind für den Abschluss der
Lebensversicherungsverträge und der Darlehensverträge ursächlich. Für
den Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Aufklärung
und der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung b e-
gründete tatsächliche Vermutung (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - III ZR
249/09, VersR 2011, 395 Rn. 20 m.w.N.; siehe dazu im Einzelnen BGH,
Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10 Rn. 28 ff., zur Veröffentlichung in
BGHZ vorgesehen). Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, die
diese Vermutung entkräften könnten.
d) Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht die Verjäh-
rungseinrede der Beklagten nicht entgegen.
aa) Eine Anwendung des § 12 Abs. 1 VVG a.F. unter dem Ge-
sichtspunkt, dass der Ersatzanspruch aus vorvertraglichem Verschulden
wirtschaftlich an die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs getre-
ten ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2009 - IV ZR 195/08,
VersR 2010, 373 Rn. 12; vom 21. Januar 2004 - IV ZR 44/03, VersR
2004, 361 unter II 1 b), kommt hier nicht in Betracht. Der Kläger verlangt,
so gestellt zu werden, als hätte er die Lebensversicherungsverträge nicht
geschlossen. Der auf eine Rückabwicklung des Vertrages gerichtete
Schadensersatzanspruch verjährt nach den allgemeinen verjährung s-
rechtlichen Regelungen der §§ 195 ff. BGB (Senatsurteil vom 15. Fe-
bruar 2012 - IV ZR 194/09, VersR 2012, 601 Rn. 29), also innerhalb ei-
ner Frist von drei Jahren (§ 195 BGB).
bb) Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem
Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der
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Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt
hat.
(1) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist objektiv mit dem
Abschluss der für ihn wirtschaftlich nachteiligen Lebensversicherungs-
verträge entstanden. Zwar ist der für den Verjährungsbeginn maßgebli-
che Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es
zu einer konkreten Verschlechterung der Vermögenslage des Gläubigers
gekommen ist, während der Eintritt einer risikobehafteten Situation dafür
nicht ausreicht. Jedoch kann der auf einer Aufklärungspflichtverletzung
beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, weil
seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entspr e-
chenden Kapitalanlage bereits für sich genommen einen Schaden dar-
stellen und ihn daher - unabhängig von der ursprünglichen Werthaltigkeit
der Anlage - dazu berechtigen, im Wege des Schadensersatzes die
Rückabwicklung zu verlangen (s.o. unter II 2 b); der Anspruch entsteht
hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der
Anlage (Senatsurteil vom 15. Februar 2012 aaO Rn. 31; BGH, Urteile
vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1623 Rn. 10; vom
8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 24; vom 10. November
2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46 und vom 8. März 2005 aaO
S. 309 f.), hier also im Jahr 2002.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte der Kläger j e-
doch weder bei Abschluss der Verträge noch im Jahr 2005 Kenntnis oder
grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umstän-
den. Hierzu gehört bei unzureichender Aufklärung auch die Kenntnis der
Umstände, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufkläru ng ergibt (BGH,
Urteile vom 28. Mai 2002 - XI ZR 150/01, VersR 2003, 511 unter II 3;
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vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27; jeweils
m.w.N.). Wird ein Schadensersatzanspruch auf verschiedene Aufkl ä-
rungsfehler gestützt, ist die Verjährung getrennt für jede einzelne Pflich t-
verletzung zu prüfen. Das gilt auch, wenn die Aufklärungsfehler in de n-
selben Schaden, z.B. den Erwerb einer Kapitalanlage, münden (BGH,
Urteil vom 24. März 2011 - III ZR 81/10, NJW -RR 2011, 842 Rn. 14).
Ob der Kläger aus den ihm in den Jahren 2003, 2004 und 2005
übersandten jährlichen Kontoauszügen, mit denen er über de n jeweils
deklarierten Wertzuwachs, die Anzahl der Anteile und den Vertragswert
informiert wurde, ersehen konnte, dass ihm ein falsches Bild der zu e r-
wartenden Rendite vermittelt worden war, kann offenbleiben.
Aus den Kontoauszügen ergibt sich jedenfalls keine Kenntnis oder
grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von den Pflichtverletzungen, die
aus einer unterlassenen Aufklärung über das Glättungsverfahren und die
poolübergreifende Reservenbildung resultieren. Auch bei nochmaliger
Überprüfung der ihm übergebenen Unterlagen (Policenbedingungen,
Pool- und Verbraucherinformation, Europlan-Prospekt) hätte der Kläger
weder die Funktion und die Bedeutung des Glättungsverfahrens noch die
einheitliche Reservenbildung im Lebensversicherungsfonds für die ve r-
schiedenen "Pools mit garantiertem Wertzuwachs" der Beklagten erse-
hen können. Dass hierin einer der Gründe für den niedrigen Wertzu-
wachs der Poolanteile liegen könnte, konnte sich ihm auch aufgrund der
Komplexität der Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" nicht er-
schließen.
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III. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, da das Berufungsgericht
die erforderlichen Feststellungen zum geltend gemachten Schadense r-
satzanspruch und gegebenenfalls zum Erfüllungsanspruch treffen muss.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 08.07.2010 - 4 O 284/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.07.2011 - 7 U 146/10 -
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