Urteil des BGH vom 22.03.2016

Treu Und Glauben, Versicherungsnehmer, Versicherer, Lebensversicherung

ECLI:DE:BGH:2016:220316BIVZR130.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 130/15
vom
22. März 2016
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 22. März 2016
beschlossen:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Januar
2015 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO auf Kosten der
Klägerseite zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
bis 9.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerseite
(Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) war gemäß § 552a ZPO z u-
rückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorlie-
gen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat hat die
Parteien mit Beschluss vom 27. Januar 2016 auf die beabsichtigte Zu-
rückweisung hingewiesen. Auf die dortigen Gründe wird ergänzend B e-
zug genommen. Der Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. März 2016
gibt keine Veranlassung, von der Zurückweisung der Revision abzus e-
hen.
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Entgegen dessen Auffassung greift hier der Einwand nicht, dass
schon nach Maßstäben des Europarechts das Berufungsgericht gehi n-
dert gewesen sei, Verwirkung anzunehmen. Die Maßstäbe für die Be-
rücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe
im Einzelnen Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202,
102 Rn. 41 f.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 43 ff.). Die Annahme recht s-
missbräuchlichen Verhaltens steht hier im Einklang mit dieser Recht-
sprechung.
Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch
nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen,
berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung
von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsau s-
übung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte
in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte
ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des G e-
richtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (BVerfG aaO
Rn. 44 m.w.N.).
Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträc h-
tigt auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die pra k-
tische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck
des Widerspruchsrechts nicht. Die Erwägungen der Zweiten und Dritten
Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehru ng der Versiche-
rungsnehmer über ihr Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages si-
cherzustellen, werden hier nicht berührt. Ob d. VN ordnungsgemäß über
das Widerspruchsrecht belehrt wurde, ist hier ausnahmsweise nicht ent-
scheidungserheblich. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass d. VN durch
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sein Verhalten im Zusammenhang mit dem zweimaligen Einsatz des Ve r-
sicherungsvertrages zur Sicherung eines Kredits bei dem Versicherer
den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013 - 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015 - 11 U 112/13 -