Urteil des BGH vom 10.06.2015

Leitsatzentscheidung zu Ausschlagung der Erbschaft, Letztwillige Verfügung, Erbrecht, Irrtum

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I V Z B 3 9 / 1 4
vom
10. Juni 2015
in der Nachlasssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1954, 1956, 121
Für die Anfechtung der Anfechtungserklärung der Annahme oder Aus-
schlagung der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist
(§ 1956 BGB) gelten die Fristen des § 121 BGB, nicht diejenigen des
§ 1954 BGB.
BGH, Beschluss vom 10. Juni 2015 - IV ZB 39/14 - KG Berlin
AG Berlin-Mitte
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 10. Juni 2015
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivi l-
senats des Kammergerichts in Berlin vom 28. November
2014 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Bewilligung von Ve r-
fahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren
wird auf bis zu 22.000
€ festgesetzt.
Gründe:
I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind neben einem nachverstorbenen
Bruder die Kinder der am 18. Juni 1996 verstorbenen Erblasserin; die
Beteiligten zu 3 bis 5 sind die Kinder der Beteiligten zu 1. Die Erblasse-
rin hinterließ keine letztwillige Verfügung.
Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 13. November 1996, beim
Nachlassgericht eingegangen am 19. November 1996, erklärte die Betei-
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ligte zu 1, die Erbschaft nicht annehmen zu wollen. Ihr sei die Frist zur
Ausschlagung nicht bekannt gewesen. Sie fechte daher die Versäumnis
der Ausschlagungsfrist an und schlage die Erbschaft aus. Der Nachlass
sei überschuldet. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 26. August
2013, beim Nachlassgericht eingegangen am 29. August 2013, focht die
Beteiligte zu 1 ihre Ausschlagungserklärung vom 13. November 1996 an
und begründete dies damit, sie sei im Zeitpunkt der Ausschlagung davon
ausgegangen, der Nachlass sei überschuldet, habe nunmehr indessen
erfahren, dass zum Nachlass noch ein Anteil am Nachlass einer Tante
der Erblasserin gehöre.
Der Beteiligte zu 2 hat am 12. November 2013 die Erteilung eines
Erbscheins beantragt, der aufgrund gesetzlicher Erbfolge ihn und den
nachverstorbenen Bruder zu je 1/3 und im Hinblick auf die Ausschlagung
der Beteiligten zu 1 die Beteiligten zu 3 bis 5 zu je 1/9 als Miterben aus-
weist, hilfsweise für den Fall, dass die Ausschlagung der Beteiligten zu 1
nicht wirksam sein sollte, die Erteilung eines Erbschein s, der statt der
Beteiligten zu 3 bis 5 die Beteiligte zu 1 als weitere Miterbin zu 1/3 aus-
weist. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 14. August 2014 die
zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt er-
achtet und angekündigt, dem Hauptantrag zu entsprechen . Das Be-
schwerdegericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewie-
sen. Hiergegen richtet sich ihre vom Kammergericht zugelassene
Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Begehren auf Zurückweisung des
Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 2 zum Hauptantrag weiterverfolgt.
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen E r-
folg.
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1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in ZEV 2015,
96 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Beteiligte zu 1 sei durch Aus-
schlagung als Miterbin weggefallen mit der Folge, dass an ihre Stelle i h-
re Kinder getreten seien. Die erste Anfechtungserklärung vom
13. November 1996 sei wirksam. Die Beteiligte zu 1 habe sich darüber
geirrt, dass es der Ausschlagung der Erbschaft bedürfe und die Versä u-
mung der Ausschlagungsfrist von Gesetzes wegen zur Annahme führe.
Hierin liege ein Anfechtungsgrund gemäß § 1956 BGB. Ohne den Irrtum
hätte weder die Beteiligte zu 1 noch ein unparteiischer Beobachter bei
verständiger Würdigung der Gesamtheit der Umstände die Annahme e r-
klärt oder die Abgabe einer wirksamen Ausschlagungserklärung ve r-
säumt. Für den hypothetischen Kausalverlauf seien die dem Anfechte n-
den zum Zeitpunkt des Fristablaufs bekannten und darüber hinaus auch
die für ihn damals mit zumutbarer Anstrengung erfahrbaren Umstände
zugrunde zu legen, nicht jedoch die erst wesentlich später bekannt g e-
wordenen Tatsachen, die zu der weiteren "Anfechtung der Anfechtung"
geführt haben. Aus dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Ablaufs der
Ausschlagungsfrist habe die Beteiligte zu 1 objektiv berechtigten Anlass
für die Ausschlagung wegen Überschuldung gehabt.
Die zweite Anfechtungserklärung vom 29. August 2013 habe nicht
zur Nichtigkeit der ersten Anfechtungserklärung geführt, da sie nicht
fristgemäß erfolgt sei. Gemäß § 121 Abs. 1 BGB müsse die Anfechtung
unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem
Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt habe. Hier habe die Beteiligte zu 1
bereits durch das Schreiben des Genealogen vom 6. August 2013 (rich-
tig: 7. August 2013) von dem Anteil am Nachlass ihrer Großtante erfa h-
ren, jedoch erst am 26. August 2013 die Anfechtungserklärung beglaubi-
gen lassen. Einer weiteren Aufklärung des Grundes für diese Verzöge-
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rung bedürfe es indessen nicht, da jedenfalls die Zehnjahresfrist des
§ 121 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Diese Frist habe am 1. Januar 2002
zu laufen begonnen und sei am 31. Dezember 2011 abgelaufen. Die Re-
gelung des § 1954 BGB sei demgegenüber weder unmittelbar noch ana-
log anzuwenden. Erfahre der Anfechtungsberechtigte später von Tats a-
chen, die seine Anfechtungserklärung als irrtumsbehaftet erscheinen li e-
ßen, sei es ihm zumutbar, unverzüglich die Anfechtung der Anfechtung
zu erklären, um möglichst schnell Rechtsklarheit zu schaffen. Darüber
hinaus bestehe kein Bedürfnis, durch eine entsprechende Anwendung
der 30-jährigen Ausschlussfrist gemäß § 1954 Abs. 4 BGB einen erneu-
ten irrtumsbedingten Wechsel der Erbfolge zu ermöglichen.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht zunächst ange-
nommen, dass die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 vom
13. November 1996 wirksam ist.
aa) Die Beteiligte zu 1 hat in ihrer Anfechtungserklärung erklärt,
sie habe die Erbschaft nicht annehmen wollen und ihr sei über die Frist
zur Ausschlagung der Erbschaft nichts bekannt gewesen. Hierin liegt ein
beachtlicher Anfechtungsgrund im Sinne des § 1956 BGB in Gestalt ei-
nes Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB (RGZ 143, 419,
423 f.; OLG Rostock NJW -RR 2012, 1356 Rn. 17; BayObLG ZEV 1994,
112).
bb) Die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 BGB setzt ferner die Kau-
salität des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung voraus. Voraus-
setzung hierfür ist bei der Erbschaftsanfechtung, dass ohne den Irrtum
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weder der Irrende selbst nach seinen persönlichen Verhältnissen und E i-
genschaften noch ein unparteiischer Beobachter bei verständiger Würd i-
gung der Gesamtheit der Umstände die Annahme erklärt oder die Abg a-
be einer wirksamen Ausschlagungserklärung versäumt hätte (vgl. RGZ
143, 419, 424). Auf dieser Grundlage ist eine objektive Wertung vorzu-
nehmen, die auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausschlagungsfrist a b-
stellt (OLG Düsseldorf NJW -RR 2013, 842 Rn. 12; OLG Hamm ZErb
2009, 137 Rn. 15; LG Bonn Rpfleger 1985, 148, 149; MünchKomm -BGB/
Leipold, 6. Aufl. § 1956 Rn. 9; Palandt/Weidlich, BGB 74. Aufl. § 1956
Rn. 3; Löhnig/Plettenberg, ZEV 2015, 99 f.). Entgegen der Auffassung
der Rechtsbeschwerde kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit
auch auf den Kenntnisstand der Beteiligten an. Bei A blauf der Ausschla-
gungsfrist war der Beteiligten zu 1 ausschließlich bekannt, dass in den
Nachlass der Erblasserin lediglich Verbindlichkeiten fielen, so dass die-
ser überschuldet war. Für die Kausalität des Irrtums kann demgegenüber
- wie das Beschwerdegericht zu Recht annimmt - nicht auf die erst spä-
ter bekannt gewordene Tatsache der Zugehörigkeit eines weiteren Ver-
mögensgegenstandes zum Nachlass abgestellt werden, die sodann zur
Anfechtungserklärung vom 26. August 2013 führte. Eine Berücksichti-
gung dieses Umstandes hätte zur Folge, dass schon die erste Anfech-
tung als unwirksam anzusehen wäre und es einer zweiten Anfechtungs-
erklärung von vornherein nicht bedürfte. Ein solches Verständnis des
Kausalitätserfordernisses losgelöst von den Erkenntnismöglichkeit en im
Zeitpunkt der ersten Anfechtungserklärung führte dazu, dass diese An-
fechtung bei späterem Bekanntwerden neuer Umstände ohne jede zeitl i-
che Befristung hinfällig wäre. Dies kommt schon aus Gründen der
Rechtssicherheit nicht in Betracht (vgl. Löhnig/Plettenberg aaO).
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b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht ferner angenommen,
dass die zweite Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 vom 26. Au-
gust 2013 unwirksam ist und daher nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur
Nichtigkeit der ersten Anfechtungserklärung geführt hat.
aa) Anerkannt ist allerdings, dass auch eine Anfechtungserklärung
gemäß §§ 1954, 1956 BGB ihrerseits angefochten werden kann (vgl.
OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 33; BayObLGZ 1980, 23, 27; Soer-
gel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1954 Rn. 12; Erman/Schmidt, BGB 14. Aufl.
§ 1955 Rn. 5). Der Anfechtungsgrund ergibt sich aus dem Irrtum der B e-
teiligten zu 1 über die - tatsächlich nicht gegebene - Überschuldung des
Nachlasses, die eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von
§ 119 Abs. 2 BGB darstellt (Senatsurteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR
98/87, BGHZ 106, 359, 363; OLG Hamm ZErb 2009, 137 Rn. 15;
BayObLG NJW -RR 1999, 590 unter II 2 d cc).
bb) Die Anfechtungserklärung der Beteiligten zu 1 ist indessen ver-
fristet.
(1) Die Frage, nach welchen Bestimmungen sich die Frist für die
Anfechtung einer Anfechtungserklärung richtet, wird unterschiedlich b e-
urteilt. Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die allgeme i-
ne Regelung des § 121 BGB Anwendung findet, die Anfechtung mithin
ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und
ausgeschlossen ist, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre
verstrichen sind (so BayObLGZ 1980, 23, 28f.; Erman/Schmidt, BGB
14. Aufl. § 1955 Rn. 5; Palandt/Weidlich, BGB 74. Aufl. § 1955 Rn. 1;
MünchKomm-BGB/Leipold, 6. Aufl. § 1954 Rn. 21; Muscheler, Erbrecht II
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Rn. 3065; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. S. 223 f.; Malitz in Münche-
ner Anwaltshandbuch Erbrecht, 2. Aufl. § 22 Rn. 62; Kraiß, BWNotZ
1992, 31, 35). Auf dieser Grundlage war die Anfechtungsfrist hier jeden-
falls gemäß § 121 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 und Abs. 5
EGBGB nicht gewahrt, da die Zehnjahresfrist am 31. Dezember 2011
abgelaufen war.
Die Gegenauffassung wendet für die Frist zur Anfechtung der A n-
fechtungserklärung § 1954 BGB an (Soergel/Stein, BGB 13. Aufl. § 1954
Rn. 12; Damrau/Masloff, Erbrecht 3. Aufl. § 1954 Rn. 13; Löhnig/Pletten-
berg, ZEV 2015, 99). Auf der Grundlage dieser Auffassung ist hier keine
Verfristung eingetreten, da die Beteiligte zu 1 ihre Anfechtung vom
26. August 2013 innerhalb der Sechswochenfrist des § 1954 Abs. 1 BGB
erklärt hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfec h-
tungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat
(§ 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies war hier das Schreiben der Genealo-
gen vom 7. August 2013, durch das die Beteiligte zu 1 vom Anteil am
Nachlass der Großtante als Gegenstand des Nachlasses der Erblasserin
erfuhr. Ein Ausschluss der Anfechtung gemäß § 1954 Abs. 4 BGB kommt
ebenfalls nicht in Betracht, da seit der ersten Anfechtungserklärung noch
keine 30 Jahre verstrichen waren.
(2) Die zuerst genannte Auffassung trifft zu. Die Anfechtungserkl ä-
rung der Beteiligten zu 1 ist mithin verfristet. Eine unmittelbare Anwen-
dung von § 1954 Abs. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht,
weil hier nicht die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung,
sondern die Anfechtung der Anfechtungserklärung in Rede steht (M u-
scheler, Erbrecht II Rn. 3065; a.A. Löhnig/Plettenberg, ZEV 2015, 99).
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Da diese in den §§ 1954, 1956 f. BGB nicht geregelt ist, gelten für sie die
allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB.
Auch für eine entsprechende Anwendung von § 1954 BGB besteht
keine Veranlassung. Zwar bestimmt § 1957 Abs. 1 BGB, dass die An-
fechtung der Annahme als Ausschlagung und die Anfechtung der Au s-
schlagung als Annahme gilt. Dies hat aber nicht zur Konsequenz, dass
allein deshalb die Anfechtung einer Anfechtung der Annahme (bzw. der
Versäumung der Ausschlagungsfrist) hinsichtlich der Anfechtungsfrist
wie die Anfechtung einer Ausschlagung und die Anfechtung einer An-
fechtung der Ausschlagung wie die Anfechtung einer Annahme behandelt
werden müssten. Angefochten wird in derartigen Fällen nicht die fingierte
Ausschlagung oder Annahme, sondern die Anfechtungserklärung selbst.
Die Fiktion des § 1957 Abs. 1 BGB hat lediglich den Sinn, der Anfech-
tung einer Annahme bzw. der Anfechtung einer Ausschlagung eine über
die bloße Nichtigkeit der angefochtenen Willenserklärung hinausgehende
Wirkung zu verleihen, damit sofort erbrechtlich klare Verhältnisse ge-
schaffen werden und ein nochmaliger Schwebezustand vermieden wird
(vgl. BayObLGZ 1980, 23, 28). Darum geht es hier nicht, da die Anfech-
tung der Anfechtungserklärung von selbst den Rechtszustand wiederhe r-
stellt, der vor der ersten Anfechtungserklärung bestanden hat. Darüber
hinaus lehnt sich die Fristenregelung des § 1954 BGB an die Bestim-
mung des § 1944 BGB über die Ausschlagungsfrist an. Der Gleichlauf
von Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist ist daher angesichts der in
§ 1957 Abs. 1 BGB angeordneten Wirkung der Anfechtung konsequent
(vgl. Muscheler aaO). Darum handelt es sich bei der Anfechtung einer
Anfechtungserklärung nicht.
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Auch aus praktischen Gründen besteht kein Bedarf für eine A n-
wendung der längeren Anfechtungsfristen des § 1954 BGB gegenüber
denjenigen in § 121 BGB. Hat ein Beteiligter bereits einmal seine A n-
nahme oder Ausschlagung angefochten und erfährt er später, dass diese
Anfechtungserklärung auf einem Irrtum beruhte, so ist es ihm zuzum u-
ten, nunmehr unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB die
Anfechtung zu erklären, damit möglichst schnell Rechtssicherheit herg e-
stellt wird. Weder bedarf er hierzu einer sechswöchigen Überlegungsfrist
gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 BGB noch ist es sachgerecht, gemäß § 1954
Abs. 4 BGB erst nach Ablauf von 30 Jahren eine Anfechtung der Anfech-
tungserklärung auszuschließen. Dies könnte bei mehrfachen , zeitlich hin-
tereinander gestaffelten Anfechtungserklärungen (vgl. etwa den Fall OLG
Hamm ZErb 2009, 137) eine endgültige Klärung der Rechtsnachfolge
nach dem Erblasser für einen unabsehbaren Zeitraum erschweren.
Gegen eine Anwendung von § 1954 BGB spricht auch das Wer-
tungskonzept des Gesetzgebers im Bereich des Verjährungsrechts, der
die frühere 30-jährige Verjährungsfrist für erbrechtliche Ansprüche ge-
mäß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 abge-
schafft hat. Dem steht auch nicht die Regelung des zum 1. Januar 2010
neu eingeführten § 199 Abs. 3a BGB entgegen, wonach Ansprüche, die
auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis e i-
ner Verfügung von Todes wegen voraussetzt, ohne Rücksicht auf die
Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entst e-
hung des Anspruchs an verjähren. Mit dieser Formulierung hat der G e-
setzgeber gegenüber der bisherigen Rechtslage zum Ausdruck gebracht,
dass nicht sämtliche erbrechtlichen Ansprüche erfasst sind, sondern nur
solche, die originär und unmittelbar mit dem Erbfall verknüpft sind und
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nicht nur in irgendeiner Weise mit ihm in Zusammenhang stehen
(MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. § 199 Rn. 50). Erfasst von der Vo r-
schrift werden etwa Fälle, bei denen es um die schwierige und zeitau f-
wändige Feststellung der Erben geht, bei denen ein Testament erst spät
aufgefunden wird oder dessen Gültigkeit erst nach langer Zeit geklärt
werden kann (BT-Drucks. 16/8954 S. 12; MünchKomm-BGB/Grothe
aaO). Um eine vergleichbare Fallgestaltung handelt es sich bei der An-
fechtung einer Anfechtungserklärung von vornherein nicht.
III. Wegen der Erfolglosigkeit der Rechtsbeschwerde ist zugleich
der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 14.08.2014 - 62 VI 539/96 -
KG Berlin, Entscheidung vom 28.11.2014 - 6 W 140/14 -
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