Urteil des BGH vom 03.03.2016

Erfüllung, Datenträger, Rechnungslegung, Auskunftserteilung

ECLI:DE:BGH:2016:030316BIIIZR17.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 17/15
vom
3. März 2016
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. März 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann sowie die Richter Hucke, Seiters, Tombrink
und Dr. Remmert
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 14. Zi-
vilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 9. Dezember
2014 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Streitwert: bis 260.000
Gründe:
I.
Die Klägerin ist ein geschlossener Immobilienfonds, der in der Rechts-
form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Wohn- und Geschäftshaus in
B. bewirtschaftete. Die Geschäftsbesorgung wurde der Beklagten übertra-
gen. Im April 2012 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin, die a.
Gesellschaft für F. management GmbH mit der Geschäftsbesorgung zu be-
trauen, im Juni 2012 kündigte die Klägerin das Geschäftsbesorgungsverhältnis
mit der Beklagten fristlos.
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Sie verlangt von der Beklagten die Herausgabe sämtlicher von ihr im
Einzelnen aufgelisteter Verwaltungsunterlagen und Datenträger sowie Aus-
kunftserteilung und Rechenschaftslegung. Das Landgericht hat ihren hierauf
gerichteten Klageanträgen stattgegeben, während es die von der Beklagten
erhobene Widerklage gegen die Klägerin und verschiedene ihrer Gesellschaf-
ter, die Drittwiderbeklagten zu 1 bis 4, auf Zahlung rückständiger Vergütungen
als jedenfalls derzeit unbegründet abgewiesen hat. Die hiergegen gerichtete
Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluss nach § 522
Abs. 2 ZPO am 9. Dezember 2014 zurückgewiesen. In ihrer Stellungnahme zu
dem dieser Entscheidung vorausgegangenen Hinweisbeschluss hatte die Be-
klagte mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2014, der am 8. Dezember 2014 bei
Gericht eingegangen ist, geltend gemacht, der Herausgabeanspruch sei zwi-
schenzeitlich erfüllt, und dem mit den Klageanträgen zu 2 und 3 verfolgten Aus-
kunfts- und Rechenschaftslegungsbegehren könne sie nicht mehr nachkom-
men, weil die Klägerin nunmehr alle Unterlagen und die beiden Computer, auf
denen die maßgeblichen Daten gespeichert seien, in Besitz habe. Dem Schrift-
satz beigefügt waren ein Übergabeprotokoll, in dem bestätigt wird, dass
51 Leitzordner und 21 Pappkartons mit losen Dokumenten in Empfang genom-
men worden seien, sowie Fotographien der äußeren Beschriftung der Leitzord-
ner.
II.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Beru-
fungsgerichts gerichtete Beschwerde der Beklagten ist zulässig und führt ge-
mäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie
zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Das Berufungsgericht hat,
wie die Beklagte mit Recht rügt, ihr Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
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1.
Die angefochtene Entscheidung ist im Wesentlichen damit begründet,
dass die Klage insgesamt zulässig sei, die Klägerin sei wirksam von der a.
Gesellschaft für F. management mbH vertreten worden, und die Klagean-
träge seien ausreichend bestimmt. In der Sache habe die Klägerin berechtig-
terweise die außerordentliche Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages
ausgesprochen, die formalen Anforderungen seien erfüllt, eine Abmahnung ha-
be nicht vorausgehen müssen. Das von der Beklagten geltend gemachte Zu-
rückbehaltungsrecht im Hinblick auf die von ihr beanspruchten vertraglichen
Vergütungsansprüche rechtfertige keine Verurteilung Zug um Zug, weil die Be-
klagte zur Vorleistung verpflichtet sei. Soweit sie den Einwand der Erfüllung der
von der Klägerin verfolgten Ansprüche erhebe, könne ihr Vortrag dazu mangels
ausreichender Substantiierung ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen.
Angesichts der im Tenor des erstinstanzlichen Urteils zu Nummer 1 umfang-
reich beschriebenen Geschäftsunterlagen genüge die Beklagte ihrer Substanti-
ierungspflicht nicht dadurch, dass sie pauschal die Erfüllung der Herausgabe
sämtlicher darin aufgelisteter Verwaltungsunterlagen und Datenträger behaup-
te. Die vorgelegten Fotografien ließen lediglich die äußere Beschriftung erken-
nen, zum Inhalt der Ordner und Pappkartons fehle jeder Vortrag. Ebenso wenig
könne angenommen werden, dass der Beklagten die Erfüllung des mit den Kla-
geanträgen zu 2 und 3 verfolgten Begehrens unmöglich sei. Da in dem geräum-
ten Büro im Keller der verkauften Immobilie nach dem Vorbringen der Beklag-
ten nur die den Geschäftsbetrieb der Klägerin betreffenden Geschäftsunterla-
gen vorhanden gewesen sein sollen, könne die Beklagte Auskunft aus ihren
eigenen Geschäftsunterlagen heraus leisten und entsprechend Rechnung le-
gen. Insgesamt habe es deshalb vor einer abschließenden Entscheidung nicht
der vorherigen Anhörung der Klägerin zu diesem Vorbringen bedurft.
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2.
Diese Würdigung berücksichtigt, wie die Beschwerde mit Recht rügt, das
Vorbringen der Beklagten zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs (Klagean-
trag zu 1) und zu der aus ihrer Sicht zwischenzeitlich eingetretenen Unmöglich-
keit, dem mit den Klageanträgen zu 2 und 3 verfolgten Begehren auf Aus-
kunftserteilung und Rechnungslegung nachzukommen, nicht hinreichend. Ent-
gegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Vortrag dazu nicht als
insgesamt zu wenig konkret und unsubstantiiert und deshalb unbeachtlich an-
gesehen werden.
a) Die Beklagte hat im Anschluss an den Hinweisbeschluss des Beru-
fungsgerichts mit ihrem Schriftsatz vom 4. Dezember 2014 ausgeführt, im No-
vember 2014 habe der Zeuge B. in ihrem Namen die Kellerräume in der
zwischenzeitlich verkauften Fondsimmobilie aufgesucht; dort habe sie sämtliche
den Geschäftsbetrieb der Klägerin betreffenden Akten, Ordner, papierenen und
sonstigen Unterlagen einschließlich der beiden für die Gesellschaft genutzten
Computer mit den darauf gespeicherten, die Gesellschaft betreffenden digitalen
Programmen und Dokumenten aufbewahrt; ausgenommen davon seien vier
Aktenordner mit zum Bestand der Buchhaltung gehörigen Dokumenten, die sie
in persönliche Verwahrung genommen habe. Der Zeuge habe festgestellt, dass
die beiden Computer fehlten, die Ordner und andere Unterlagen aber an Ort
und Stelle vorhanden gewesen seien. Im Auftrag der Beklagten habe er sodann
51 Leitzordner und 21 Pappkartons mit losen Dokumenten einschließlich der
vier von ihr in persönliche Verwahrung genommenen Ordner der Geschäftsfüh-
rerin der angeblich neuen Geschäftsbesorgerin nach Fertigung eines fotografi-
schen Inhaltsverzeichnisses ausgehändigt. Zusammen mit den beiden von ihr
bereits entfernten beiden Rechnern sei die Klägerin damit im Vollbesitz sämtli-
cher von ihr mit dem Klageantrag zu 1 heraus verlangten Verwaltungsunterla-
gen und Datenträger. Es sei nichts entfernt, und es seien auch anderweitig kei-
ne Unterlagen der Klägerin zurückbehalten worden. Zu diesem Vorbringen hat
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die Beklagte zudem Beweis angeboten. Weiter hat sie geltend gemacht, ohne
Zugriff auf die übergebenen Verwaltungsunterlagen und die gespeicherten
Computerdaten sei ihr die Erfüllung der weiter geltend gemachten Ansprüche
auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung nicht mehr möglich.
b) Mit diesen Behauptungen der Beklagten in dem am 8. Dezember 2014
bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat sich das Berufungsgericht nicht mehr
im Einzelnen auseinandergesetzt, sondern bereits am 9. Dezember 2014 eine
die Berufung zurückweisende Entscheidung getroffen. Entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts kann dieses Vorbringen der Beklagten aber nicht
als nicht einlassungsfähig angesehen werden. Die Beklagte hat deutlich ge-
macht, dass dem Herausgabeanspruch vollständig entsprochen worden sei und
sie aufgrund des Umstandes, dass sie auf Datenträger und Papierunterlagen
keinen Zugriff mehr habe, die geforderten Auskünfte nicht mehr erteilen und
auch keine Rechnungslegung vornehmen könne. Entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts war es im seinerzeitigen Verfahrensstadium nicht notwendig,
dieses Vorbringen weiter zu substantiieren. Mit der Behauptung, sämtliche Un-
terlagen und Datenträger seien der Klägerin ausgehändigt worden, hat die Be-
klagte auch vorgetragen, die im Tenor des landgerichtlichen Urteils unter Num-
mer 1 aufgeführten Dokumente und Datenträger seien der Klägerin überlassen
worden. Eine detailiierte Aufzählung wäre dabei eine bloße Förmelei. Demnach
wäre es vielmehr nun Sache der Klägerin gewesen, zu den Behauptungen der
Beklagten und insbesondere zur Vollständigkeit der erhaltenen Unterlagen Stel-
lung zu nehmen sowie darzulegen, weshalb die Beklagte nach wie vor noch in
der Lage ist, die geforderten weiteren Auskünfte zu erteilen und eine Rech-
nungslegung entsprechend den Klageanträgen zu 2 und 3 vorzunehmen. Ihr
wäre in diesem Zusammenhang deshalb auch Gelegenheit zu geben gewesen,
gegebenenfalls erforderliche prozessuale Erklärungen abzugeben.
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c) Der zu Unrecht als unsubstantiiert angesehene Vortrag ist entschei-
dungserheblich. Nach dem im Verfahren vor dem Senat als zutreffend zu unter-
stellenden Vorbringen der Beklagten ist die Erfüllung des Herausgabean-
spruchs eingetreten und können weitere Auskünfte von der Beklagten aufgrund
der geänderten Sachlage nicht mehr erteilt und eine Rechnungslegung nicht
mehr vorgenommen werden.
Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts steht dieser Beur-
teilung der am Tag der Übergabe der Unterlagen, dem 17. November 2014,
gestellte Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Berufung nicht entgegen;
insbesondere lässt sich dies ohne entsprechende Äußerung der Klägerin nicht
dahin deuten, dass sie damit ihr Klagebegehren als noch immer in keiner Weise
als erfüllt ansehen will. Dies gilt umso weniger, als nicht festgestellt ist, dass es
sich nicht lediglich um eine zeitliche Überschneidung handelt. Es ist auch nicht
ausreichend ersichtlich, aus welchem Grund das Berufungsgericht der Auffas-
sung ist, die Beklagte sei trotz der behaupteten Tatsache, nicht mehr über Un-
terlagen und Daten zu verfügen, nach wie vor ohne Weiteres in der Lage, ihrer
Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht zu genügen, weil sich dies aus ihren
eigenen Geschäftsunterlagen ermitteln lasse.
3.
Sollte sich danach das bisher nicht hinreichend berücksichtigte Vorbrin-
gen der Beklagten als zutreffend erweisen, lässt sich nicht ausschließen, dass
das Berufungsgericht, gegebenenfalls nach etwaigen prozessualen Erklärungen
der Klägerin, zu einer anderen Entscheidung, auch bezüglich der Widerklage
der Beklagten, kommt. Das Berufungsgericht wird deshalb eine entsprechende
weitere Aufklärung des Sachverhalts über die Richtigkeit des Vorbringens der
Beklagten bezüglich einer möglichen vollständigen oder teilweisen Erfüllung
des Klageantrags zu 1 sowie hinsichtlich einer für die Beklagte noch bestehen-
den Möglichkeit zur Erteilung der geforderten Auskünfte und zur Rechnungsle-
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gung vorzunehmen und gegebenenfalls die angebotenen Beweise zu erheben
haben. Sodann wird es auf dieser Grundlage über die Frage, ob die Vorausset-
zungen für die mit der Klage verfolgten Ansprüche noch immer vorliegen, und
über die Widerklage erneut zu befinden haben.
Das Berufungsgericht wird auch Gelegenheit haben, sich gegebenenfalls
mit den weiteren Erwägungen der Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzu-
setzen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahrensstadium keine
Veranlassung hat.
Herrmann
Hucke
Seiters
Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 06.05.2014 - 5 O 789/12 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 09.12.2014 - 14 U 35/14 -
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