Urteil des BGH vom 02.12.2014

Leitsatzentscheidung zu Einziehung, Wichtiger Grund, Stammkapital, Merchandising, Gesellschafterversammlung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
I I Z R 3 2 2 / 1 3
Verkündet am:
2. Dezember 2014
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
GmbHG § 5 Abs. 3 Satz 2, § 34
Der Beschluss über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils ist nicht deshalb
nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen ergriffen
hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der Einziehung
verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesellschaft zu verhin-
dern.
BGH, Versäumnisurteil vom 2. Dezember 2014 - II ZR 322/13 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2014 durch den Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart
sowie die Richter Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin zu 1 wird das Urteil des
17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
30. August 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
zu ihrem Nachteil entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions-
verfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Kläger zu 2 wird des von ihm eingelegten Rechtsmittels
nach §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO für verlustig erklärt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1, eine private company limited by shares, war Inhaberin
der weltweiten Produktions- und Vertriebsrechte für die Merchandising-Artikel
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von H. . Ihr Direktor ist der Kläger zu 2. Sie gründete zusammen mit
C. die beklagte GmbH. Diese befasst sich u.a. mit dem Vertrieb von
Werbeartikeln auf dem europäischen Markt. Später trat Frau A. als
Gesellschafterin hinzu. Danach waren jedenfalls bis zum 6. Juli 2012 die Kläge-
rin zu 1 mit einem Anteil von 16.250 €, Frau A. mit einem Anteil von
6.250
€ und Herr C. mit einem Anteil von 2.500 € beteiligt. Geschäftsführer
der Beklagten war neben C. der Kläger zu 2.
Nach § 5 Abs. 2c des Gesellschaftsvertrags der Beklagten können die
Geschäftsanteile eines Gesellschafters ohne seine Zustimmung u.a. dann ein-
gezogen werden, wenn in der Person des Gesellschafters ein wichtiger Grund
gegeben ist, der seine Ausschließung aus der Gesellschaft rechtfertigt, insbe-
sondere wenn er eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentli-
che Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt.
In § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten heißt es u.a., ein
Gesellschafter dürfe ohne die Einwilligung der anderen Gesellschafter im Han-
delszweig der Gesellschaft keine Geschäfte machen.
Um Frau A. als Gesellschafterin zu gewinnen, hatte die Klägerin
zu 1 unter dem 23. August 2011 erklärt, sie bringe den grundlegenden Vertrag
zwischen ihr und der südkoreanischen Gesellschaft I.
über die Vergabe der exklusiven Merchandising-Rechte von H.
mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten für Europa in die Be-
klagte ein. In dem nachfolgend geschlossenen Nutzungsvertrag vom 1. Januar
2012 gestattete die Klägerin zu 1 der Beklagten, alle aus dem Merchandising-
Vertrag in Europa resultierenden Rechte für die Laufzeit des Vertrages unwider-
ruflich zu nutzen. Dennoch lieferte die Klägerin zu 1 im Frühsommer 2012 an
H. Händler und -Distributoren in verschiedenen europäischen Staaten
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kostenlos Werbebanner und weiteres Werbematerial aus Anlass der Fußball-
Europameisterschaft.
Wegen dieses Vorgangs beschloss die Gesellschafterversammlung der
Beklagten am 6. Juli 2012 gegen die Stimmen der Klägerin zu 1, deren Ge-
schäftsanteil einzuziehen. Zugleich wurde der Kläger zu 2 als Geschäftsführer
abberufen und sein Anstellungsvertrag gekündigt.
Mit ihren Klagen haben die Kläger beantragt, jeweils die sie betreffenden
Beschlüsse für nichtig zu erklären. Das Landgericht hat den Klagen stattgege-
ben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen und hinsichtlich der Klägerin zu
1 die Revision zugelassen. Gegen die Klageabweisung haben die Kläger Revi-
sionen eingelegt. Der Kläger zu 2 hat sein Rechtsmittel zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Über die Revision ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im
Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu
entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sach-
lichen Prüfung des Antrags beruht (BGH, Urteil vom 4. April 1962
- V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
Die Revision der Klägerin zu 1 (im Folgenden: Klägerin) hat Erfolg und
führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht. Die Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für
die Annahme, die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin sei wirksam,
nicht aus.
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisi-
onsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
Die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin sei nicht schon des-
halb unwirksam, weil die Summe der Nennbeträge der verbleibenden Ge-
schäftsanteile nicht mehr den Betrag des Stammkapitals erreiche.
Es liege auch ein wichtiger Grund vor, aus dem nach § 5 Abs. 2c des
Gesellschaftsvertrags eine Einziehung ohne Zustimmung des betroffenen Ge-
sellschafters möglich sei.
Die Klägerin habe in Umsetzung ihrer Zusage vom 23. August 2011, die
weltweiten Produktions- und Vertriebsrechte für die Merchandising-Artikel von
H. in die Beklagte einzubringen, mit dieser zum 1. Januar 2012 einen
Nutzungsvertrag geschlossen. Dessen ungeachtet leugne sie nun, dass der
Beklagten ein exklusives Nutzungsrecht zustehe. Damit zerstöre sie die wirt-
schaftliche Grundlage der Beklagten.
Zugleich habe die Klägerin gegen das im Gesellschaftsvertrag vereinbar-
te Wettbewerbsverbot verstoßen. Dass sie die Werbeartikel kostenlos verteilt
habe, ändere daran nichts. Der massive und kostspielige Auftritt der Klägerin
sei dahin zu deuten, dass sie die Geschäfte wieder an sich ziehen und die Be-
klagte aus dem Markt drängen wolle. Das sei für die Mitgesellschafter umso
weniger zumutbar, als die Klägerin keine geldlichen Mittel in die Beklagte ein-
gebracht habe, sondern allein die Nutzungsmöglichkeiten aus dem Merchandi-
sing-Vertrag.
Schließlich könne sich die Klägerin nicht darauf stützen, dass ihr Mitge-
sellschafter C. mit ihrem Vorgehen einverstanden gewesen sei. Zum einen
ersetze die Zustimmung eines Gesellschafters nicht die Zustimmung der Ge-
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sellschafterversammlung. Zum anderen sei dieser Vortrag verspätet. Im Übri-
gen ergebe sich aus der Bekundung des Zeugen K. nicht, dass C. davon
unterrichtet worden sei, dass der Versand der Werbeartikel ohne Nennung der
Beklagten als des für Europa zuständigen Unternehmens habe erfolgen sollen.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem ent-
scheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass die Klägerin bei der Abstimmung über die Einziehung ihres Geschäftsan-
teils aus wichtigem Grund kein Stimmrecht hatte. Das entspricht der Rechtspre-
chung des Senats (BGH, Urteil vom 21. Juni 2010 - II ZR 230/08, ZIP 2010,
1640 Rn. 13) und wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
2. Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend angenommen hat, ist der
Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils der Klägerin nicht deshalb
nichtig, weil die Gesellschafterversammlung nicht gleichzeitig Maßnahmen er-
griffen hat, um ein Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der nach der
Einziehung verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital der Gesell-
schaft zu verhindern.
a) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum ist um-
stritten, ob ein Einziehungsbeschluss auch dann wirksam sein kann, wenn
durch die Einziehung eine Divergenz zwischen der Summe der Nennbeträge
der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital entsteht, oder ob in
diesem Fall - jedenfalls nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008
(MoMiG) - der Einziehungsbeschluss nichtig oder jedenfalls anfechtbar ist.
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Die Vertreter der zuletzt genannten Meinung (OLG München, Beschluss
vom 21. September 2011 - 7 U 2413/11, juris Rn. 3 ff.; LG Essen, NZG 2010,
867, 868 f.; LG Neubrandenburg, ZIP 2011, 1214; Görner in Rowedder/
Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl., § 34 Rn. 26; T. Fleischer in Henssler/Strohn,
Gesellschaftsrecht,
2. Aufl.,
GmbHG,
§ 34
Rn. 23;
BeckOKGmbHG/
Ziemons/Jaeger, Stand: 1. März 2014, § 5 Rn. 93; Gehrlein, Der Konzern 2007,
771, 774; Heckschen, NZG 2010, 521, 524; Römermann, DB 2010, 209 f.;
Wachter, GmbHR 2008, Sonderheft MoMiG 5, 11; Meyer, NZG 2009, 1201,
1202; Haberstroh, NZG 2010, 1094 ff.; für Anfechtbarkeit: Michalski/Sosnitza,
GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 122; Clevinghaus, RNotZ 2011, 449, 460 f.) berufen
sich auf den Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG. Danach muss die Summe
der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen.
Weiter wird die Begründung des Regierungsentwurfs des MoMiG herangezo-
gen, in der es heißt:
"Bei der Einziehung des Geschäftsanteils eines anderen Gesell-
schafters gemäß § 34 bleibt (…) das Stammkapital gleich, ob-
wohl sich die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile auf-
grund der Einziehung des einen Geschäftsanteils verringert. Ein
solches Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der Ge-
schäftsanteile und des Nennbetrags des Stammkapitals ist künf-
tig im Gegensatz zum geltenden Recht unzulässig. Die Zulässig-
keit einer Abweichung der Summe der Nennbeträge der Ge-
schäftsanteile vom Nennbetrag des Stammkapitals im geltenden
Recht ist im Schrifttum zu Recht kritisiert worden. Um eine sol-
che, nach dem neu gefassten § 5 Abs. 3 Satz 2 unzulässige Ab-
weichung zu vermeiden, bleibt den Gesellschaftern die Möglich-
keit, die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung zu verbinden,
die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile durch eine
nominelle Aufstockung an das Stammkapital anzupassen oder
einen neuen Geschäftsanteil zu bilden." (BT-Drucks. 16/6140
S. 31).
Die Gegenmeinung nimmt an, dass ein Einziehungsbeschluss nicht des-
halb nichtig oder anfechtbar ist, weil die Summe der Nennbeträge der verblei-
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benden Geschäftsanteile und das Stammkapital infolge der Einziehung aus-
einanderfallen (OLG Rostock, GmbHR 2013, 752, 753 ff.; LG Dortmund, ZIP
2012, 1247, 1248; Ulmer, DB 2010, 321, 322 f.; Ulmer/Casper in Ulmer/
Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 5 Rn. 24; Ulmer/Habersack in Ulmer/
Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 43 Rn. 65a; Bayer in Lutter/Hommelhoff,
GmbHG, 18. Aufl., § 5 Rn. 6; Sandhaus in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG,
2. Aufl., § 34 Rn. 46 ff.; Franzmann/Born in Gehrlein/Ekkenga/Simon, GmbHG,
2. Aufl., § 5 Rn. 14; C. Schäfer in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl.,
GmbHG, § 5 Rn. 7; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., § 34
Rn. 17b; Altmeppen in Altmeppen/Roth, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 83 ff.;
MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 65; Wicke, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 3;
Braun, GmbHR 2010, 82, 83; Blunk, GmbHR 2010, 1037; Blath, GmbHR 2010,
1177, 1178 f.). Sie beruft sich auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG.
Danach wurde das Auseinanderfallen der Summe der Nennwerte der Ge-
schäftsanteile und des Stammkapitals nach einer Einziehung überwiegend als
bloßer "Schönheitsfehler" angesehen, der keine rechtlichen Konsequenzen hat-
te (BayObLG, NJW-RR 1992, 736, 737; Niemeier, Rechtstatsachen und
Rechtsfragen der Einziehung von GmbH-Anteilen, 1982, S. 360 ff.; Scholz/
Westermann, GmbHG, 10. Aufl., 2006, § 34 Rn. 62, 66; K. Schmidt, Gesell-
schaftsrecht, § 35 III 2 b; K. Müller, DB 1999, 2045, 2046; Wolff, GmbHR 1999,
958, 959 f.; Tschernig, GmbHR 1999, 691, 695; Bacher/von Blumenthal, NZG
2008, 406, 408).
Vermittelnde Meinungen nehmen dagegen an, die Einziehung sei in die-
sen Fällen vorläufig wirksam und werde nach fruchtlosem Ablauf einer be-
stimmten Frist rückwirkend nichtig (Wanner-Laufer, NJW 2010, 1499, 1501 ff.),
die Gesellschaft erwerbe den eingezogenen Geschäftsanteil automatisch
(Meyer, NZG 2009, 1201, 1203; Stehmann, GmbHR 2013, 574, 576 ff.) oder die
Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile würden sich automatisch ent-
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sprechend erhöhen (Lutter in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl., § 34
Rn. 3 ff.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 84 f.).
b) Die Gegenmeinung, die in dem Auseinanderfallen der Summe der
Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile und dem Stammkapital kei-
nen Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrund sieht, ist zutreffend.
aa) Der Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG ist für die Lösung des
Problems unergiebig. Danach besteht zwar das Gebot einer Konvergenz zwi-
schen der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und dem Stammkapi-
tal. Es wird aber nicht gesagt, wie sich dieses Gebot auf die Einziehung aus-
wirkt, die in § 34 GmbHG eigenständig geregelt ist und bei der eine Divergenz
zwischen der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und dem Stamm-
kapital immer dann auftritt, wenn die Gesellschafter die Einziehung nicht mit
einer Kapitalherabsetzung, einer Aufstockung der übrigen Geschäftsanteile
oder der Bildung eines neuen Geschäftsanteils verbinden.
bb) Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des MoMiG lässt sich
für die zu lösende Frage ebenfalls nichts Entscheidendes herleiten. Auch dort
wird zwar gesagt, das Auseinanderfallen der Summe der Nennbeträge der ver-
bleibenden Geschäftsanteile und des Stammkapitals sei unzulässig, nicht aber,
welche Rechtsfolge sich daraus in Bezug auf die Wirksamkeit von Einziehungs-
beschlüssen ergeben soll, ob insbesondere derartige Beschlüsse künftig nichtig
sein sollen, wenn eine Divergenz in dem genannten Sinn entsteht. Zudem ist
durch das MoMiG § 34 GmbHG nicht und § 5 Abs. 3 Satz 2 GmbHG nF
- entsprechend § 5 Abs. 3 Satz 3 GmbHG aF - nur dahingehend geändert wor-
den ist, dass es statt "Gesamtbetrag der Stammeinlagen" nun heißt: "Summe
der Nennbeträge aller Geschäftsanteile". Damit wird nur der geänderten Aus-
drucksweise des MoMiG Rechnung getragen. Eine inhaltliche Änderung ist da-
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mit nicht verbunden. Damit bleibt offen, aus welchem Grund die Verfasser des
Gesetzentwurfs meinten, bislang sei das Auseinanderfallen der Summe der
Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile und des Stammkapitals zu-
lässig gewesen, mit dem Inkrafttreten des MoMiG sei es dagegen unzulässig
geworden.
cc) Die Gesetzessystematik spricht dagegen, aus § 5 Abs. 3 Satz 2
GmbHG die Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses herzuleiten. Das Gesetz
verweist bei der Kapitalerhöhung in § 55 Abs. 4 GmbHG ausdrücklich auf § 5
Abs. 3 GmbHG und verlangt bei der vereinfachten Kapitalherabsetzung in § 58a
Abs. 3 Satz 1 GmbHG ausdrücklich eine Anpassung der Nennbeträge der Ge-
schäftsanteile an das herabgesetzte Stammkapital. In § 34 GmbHG fehlt dage-
gen ein solcher Verweis, obwohl er bei der Einziehung zumindest ebenso nahe
gelegen hätte wie bei den Kapitalmaßnahmen.
dd) Die Interessen der Gläubiger gebieten keine Übereinstimmung der
Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile mit dem Stammkapital. Die für
die Gläubiger in diesem Zusammenhang wichtige Höhe des Stammkapitals
bleibt durch die Einziehung unberührt. Die Transparenz der Beteiligungsver-
hältnisse ist durch die Gesellschafterliste sichergestellt. Darin sind die noch
verbleibenden Gesellschafter mit den unverändert gebliebenen Nennbeträgen
ihrer Geschäftsanteile aufzuführen. Ob darüber hinaus auch die Einziehung in
der Liste zu vermerken ist (so etwa MünchKommGmbHG/Heidinger, § 40
Rn. 23; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 40 Rn. 14, je-
weils mwN), braucht aus Anlass des vorliegenden Falles ebenso wenig ent-
schieden zu werden wie die Frage, ob das Registergericht anlässlich eines spä-
teren Eintragungsantrags darauf bestehen kann, dass die Divergenz zwischen
der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile und dem Stammkapital be-
seitigt wird.
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ee) Auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Minderheitsgesell-
schafter kommt es auf eine Konvergenz in dem genannten Sinn nicht entschei-
dend an. Zumindest die Gewinnrechte der Gesellschafter hängen im Regelfall
nicht von den Nennbeträgen, sondern vom Verhältnis der Geschäftsanteile ab
(§ 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG).
ff) Im Übrigen gibt es gute Gründe dafür, die Entscheidung, wie weiter
verfahren werden soll, den Gesellschaftern zu überlassen. So kann es ange-
messen sein, zunächst den Ausgang eines Anfechtungsprozesses gegen den
Einziehungsbeschluss oder eines Rechtsstreits über die Höhe der Abfindung
abzuwarten, bis die Gesellschafter entscheiden, wie die Konvergenz zwischen
der Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile und dem Stammkapital
wiederhergestellt werden soll.
gg) Angesichts dessen besteht auch kein Bedürfnis für die vermittelnden
Lösungen - automatischer Erwerb des eingezogenen Geschäftsanteils durch
die Gesellschaft, automatische Aufstockung der anderen Geschäftsanteile oder
Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses nach fruchtlosem Ablauf einer be-
stimmten Frist.
3. Das Berufungsurteil kann jedoch nicht aufrechterhalten werden, weil
ausreichende Feststellungen dazu fehlen, ob der Geschäftsanteil der Klägerin
voll eingezahlt war.
Eine Einziehung ist nur zulässig, wenn die auf den einzuziehenden Ge-
schäftsanteil zu erbringende Einlageleistung voll erbracht ist (BGH, Urteil vom
1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 168 f.). Das ergibt sich aus § 19
Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Danach darf der Gesellschafter von seiner Pflicht zur
Leistung der Einlage nicht befreit werden. Das würde aber geschehen, wenn
ein Geschäftsanteil, auf den die Einlage noch nicht eingezahlt ist, eingezogen
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würde (Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 34
Rn. 19; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 34 Rn. 11).
Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Im Regel-
fall ist die Einlage als Bareinlage geschuldet. Die Klägerin hätte also eine Zah-
lung auf die Einlage leisten müssen. Davon kann nicht ausgegangen werden.
Denn das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass
die Klägerin keine "geldlichen" Mittel in die Beklagte eingebracht habe. Das
stimmt überein mit der Angabe der Beklagten in der Klageerwiderungsschrift,
die Klägerin habe keine "finanzielle" Einlage erbringen können.
Statt einer Bareinlage kann auch eine Sacheinlage vereinbart werden.
Aber auch eine solche Abrede kann aufgrund der vom Berufungsgericht bislang
getroffenen Feststellungen hier nicht angenommen werden. Die Beklagte hat
zwar vorgetragen, weil die Klägerin keine Barzahlung habe leisten können, sei
vereinbart worden, dass sie die exklusiven Merchandising-Rechte in die Beklag-
te habe einbringen sollen. Im Gegensatz dazu hat indes das Berufungsgericht
festgestellt, den "grundlegenden Vertrag" habe die Klägerin eingebracht, um
Frau A. als Gesellschafterin zu gewinnen.
Das Berufungsgericht hat die noch erforderlichen Feststellungen zur
Leistung der Einlage, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien,
in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen.
4. Dabei hat das Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den Ein-
wänden der Revisionsbegründung zu der Frage zu befassen, ob ein wichtiger
Grund für die Einziehung vorlag.
Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die
Lieferungen der Klägerin aus Anlass der Fußball-Europameisterschaft jeden-
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falls gegen das Wettbewerbsverbot aus § 17 des Gesellschaftsvertrags der Be-
klagten verstießen. Ob das unentgeltliche Verteilen von Werbematerial durch
die Klägerin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstellt, ist eine
Frage der Auslegung des Gesellschaftsvertrags, die dem Tatrichter obliegt. Die
Revision zeigt insoweit keinen Rechtsfehler auf.
Das Berufungsgericht wird aber erwägen müssen, ob, wie die Klägerin
vorgetragen hat, - wenn auch nicht die Gesellschafterversammlung, so doch -
der Mitgesellschafter und -geschäftsführer C. mit dem Verhalten der Klägerin
einverstanden war und ob diese Zustimmung das - ohnehin nur einmalige -
Fehlverhalten der Klägerin in einem derart "milderen Licht" erscheinen lässt,
dass eine Einziehung nicht gerechtfertigt wäre. Zu Bedenken ist auch, dass die
Einziehung eines Geschäftsanteils immer nur als "ultima ratio" in Betracht
kommt. Vorrangig ist zu versuchen, einen Missstand durch weniger einschnei-
dende Maßnahmen zu beheben (so für die vergleichbare Ausschließung BGH,
Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 30).
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III. Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer
Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt,
schriftlich Einspruch durch eine von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt
unterzeichnete
Einspruchsschrift
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einlegen.
Strohn Caliebe Reichart
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.11.2012 - 32 O 72/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.08.2013 - I-17 U 22/13 -
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