Urteil des BGH vom 03.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Tsg, Geschäftsführer, Nummer, Handbuch

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I I Z B 1 2 / 1 4
vom
3. Februar 2015
in der Registersache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
TSG § 5; GmbHG § 39
Aus § 5 Abs. 1 TSG folgt kein Anspruch der Geschäftsführerin einer GmbH auf voll-
ständige Löschung ihres vormals männlichen Vornamens im Handelsregister.
BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 - II ZB 12/14 - OLG Schleswig
AG Pinneberg
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die
Richterin Caliebe und die Richter Born und Sunder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss
des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Schleswig vom
17. April 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligte ist Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der E.
GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Pinne-
berg. Sie hat die Gesellschaft am 21. August 2009 gegründet; entsprechend
ihrem damaligen Sitz wurde die Gesellschaft am 2. Oktober 2009 im Handels-
register des Amtsgerichts Hamburg eingetragen. Die Beteiligte, die im männli-
chen Geschlecht geboren worden ist, wurde mit ihren Vornamen „Ja.
Ma.
“ nebst Geburtsdatum als Geschäftsführer der Gesellschaft verzeichnet.
Nachdem die Gesellschaft ihren Sitz nach B. verlegt hatte, wurde sie
am 16. Juli 2010 im Handelsregister des Amtsgerichts Pinneberg eingetragen.
Die Beteiligte wurde als Geschäftsführer in Spalte 4b des Handelsregisters un-
ter der laufenden Nummer 1 mit „K. , Ja. Ma. , * ,
B.
“ vermerkt.
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Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2012 wur-
de die Zugehörigkeit der Beteiligten zum weiblichen Geschlecht festgestellt und
ihr Vorname in „Ji. Ma. “ geändert. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012
teilte Notar R. dem Registergericht diese Änderung mit und beantragte die
Berichtigung des Namens des Geschäftsführers in Ji. Ma. K. von Amts
wegen. Daraufhin trug das Registergericht am 21. Dezember 2012 als „Ände-
rung zu Nr. 1“ in Spalte 4b unter laufender Nr. 2 ein: “Geschäftsführer: K. , Ji.
Ma. , * , B.
“. Die Eintragung unter der laufenden
Nummer 4b) 1. wurde gerötet. Die von Notar R. mit dem Antrag eingereichte
Ausfertigung des die Namensänderung herbeiführenden Beschlusses des
Amtsgerichts und eine ebenfalls eingereichte Geburtsurkunde stellte das Regis-
tergericht ebenso wie den Antrag selbst nicht in den zum elektronischen Regis-
terblatt geführten, online zugänglichen Registerordner ein.
Mit Schriftsatz vom 29. April 2013 beantragte die Beteiligte unter Verweis
auf § 5 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung
der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellenge-setz
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TSG) vom 10. September 1980 (BGBl. I S. 1654) die „Berichtigung der Eintra-
gung im Register dergestalt, dass nicht die Voreintragung von Ja.
Ma. K. als Geschäftsführer ersichtlich ist, sondern nur die Eintragung von
Frau Ji. Ma. K.
als Geschäftsführerin per 02.10.2009“. Es müsse
„Ja. Ma. K. “ vollständig aus dem Register gelöscht werden und statt
dessen müsse es „Ji. Ma. K. “ lauten, so dass diese Veränderung nicht
mehr als „neue Eintragung“ aus dem Register hervorgehe.
Das Registergericht hat den Antrag mit Beschluss vom 6. Januar 2014,
das Beschwerdegericht hat die von der Beteiligten dagegen eingelegte Be-
schwerde durch Beschluss vom 17. April 2014 zurückgewiesen. Mit der vom
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Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihr
Begehren weiter.
II.
Die nach Zulassung durch das Beschwerdegericht gem. § 70 Abs. 1
FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Betei-
ligten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Beschwerdegericht (OLG Schleswig, ZIP 2014, 1629) hat seine Ent-
scheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Durch die Möglichkeit der Ein-
sichtnahme in das Handelsregister würden zwar die früher geführten Vornamen
der Beteiligten durch staatliche Stellen offenbart. Gegenüber dem aus dem
Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgenden Offenbarungsverbot
gem. § 5 TSG überwiege aber das öffentliche Interesse daran, die Richtigkeit
und Vollständigkeit des Handelsregisters zu gewährleisten. Ein nachträglicher
Eingriff in eine abgeschlossene Eintragung des Registers stelle insgesamt die
Zuverlässigkeit des elektronischen Registers in Frage. Das Handelsregister ver-
liere seine Eignung für die Zwecke des sicheren elektronischen Rechtsver-
kehrs, wenn nachträgliche Änderungen abgeschlossener Eintragungen möglich
würden. Ob dem Anliegen der Beteiligten durch die Umschreibung auf ein neu-
es Registerblatt in entsprechender Anwendung des § 21 HRV Rechnung getra-
gen werden könne, könne dahinstehen, da die Beteiligte dies nicht beantragt
habe.
2. Der Beschluss hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren
stand.
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Die Beteiligte kann nicht verlangen, dass in den abgeschlossenen Regis-
tereinträgen ihre vormals männlichen Vornamen nachträglich gegen ihre nun-
mehr weiblichen Vornamen ausgetauscht werden. Der Schutz des Rechtsver-
kehrs und die besondere Integrität des Handelsregisters erfordern den Fortbe-
stand der Erkennbarkeit ihrer ursprünglich geführten Vornamen im Handelsre-
gister.
Anders als die Beteiligte und ihr folgend das Beschwerdegericht meinen,
erscheint es dem Senat schon zweifelhaft, ob in der Handelsregistereintragung
in der vorliegenden Form ein Offenbaren der früheren Vornamen der Beteiligten
im Sinne von § 5 Abs. 1 TSG zu sehen ist (a). Aber selbst wenn man das be-
jaht, erfordern, wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei entschieden hat,
besondere Gründe des öffentlichen Interesses die Nennung der früheren Vor-
namen (b-c). Da die Beteiligte ihr Begehren auf Nichterkennbarkeit ihrer frühe-
ren Vornamen wegen der Verweisungspflicht in § 21 Abs. 1 Satz 3 HRV auch
nicht durch die Anlegung eines neuen Registerblatts erreichen kann, kann da-
hingestellt bleiben, ob § 21 Abs. 1 Satz 1 HRV auf den vorliegenden Fall über-
haupt entsprechend anwendbar ist und ob das Beschwerdegericht diese Frage
im Hinblick auf § 24 FamFG zu Unrecht nicht entschieden hat (d).
a) Nach § 5 Abs. 1 TSG ist es staatlichen Organen wie Verwaltungsbe-
hörden und Gerichten verboten, die bis zur Entscheidung über die Namensän-
derung geführten Vornamen zu offenbaren. Einem Auskunftsersuchen, das zur
Preisgabe der ursprünglich geführten Vornamen führt, dürfen Verwaltungsbe-
hörden und Gerichte deshalb grundsätzlich nicht nachkommen (Spickhoff, Me-
dizinrecht, 2. Aufl., § 5 TSG Rn. 1; Coester in Massfeller/Böhmer, Das gesamte
Familienrecht, 92. Lieferung, Band 1.4, § 5 TSG Anm. 1). Sinn und Zweck des
Offenbarungsverbotes ist es, den von der Namensänderung Betroffenen vor
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einer grundlosen Aufdeckung der von ihm vor der Entscheidung geführten Vor-
namen zu schützen (BT-Drucks. 8/2947, S. 14).
Es ist nach Überzeugung des Senats bereits zweifelhaft, ob in den aus
dem Handelsregister ersichtlichen Eintragungen ein Offenbaren im Sinne von
§
5 TSG liegt. Ein „Offenbaren“ der früheren Vornamen kann man nur anneh-
men, wenn sich aus den aus dem Handelsregister ersichtlichen Angaben ergibt,
dass es sich bei den eingetragenen Geschäftsführern um dieselbe Person han-
delt. Für den in das Handelsregister Einsehenden geht aus den Eintragungen
jedoch lediglich hervor, dass die Gesellschaft bis zum 20. Dezember 2012 ei-
nen Geschäftsführer mit dem Namen Ja. Ma. K. hatte, der am
geboren wurde, und ab dem 21. Dezember 2012 eine Ge-
schäftsführerin mit dem Namen Ji. Ma. K. , die an demselben Tag gebo-
ren wurde - die identische Ortsangabe ist insoweit ohne weitergehenden Aus-
sagewert. Ein Rückschluss darauf, dass es sich bei den Eingetragenen wegen
des identischen Geburtsdatums um dieselbe Person handelt, ist möglich, aber
keineswegs zwingend. Ebenso - und angesichts des nicht sehr hohen Anteils
von Transsexuellen an der Bevölkerung möglicherweise sogar eher - könnte es
sich bei der am 21. Dezember 2012 eingetragenen Person um die Ehefrau des
Ja. Ma. K. handeln, die zufällig am selben Tag geboren wurde, oder
um eine Zwillings- oder Mehrlingsschwester. Bei dieser Lesart irrt der Einse-
hende zwar darüber, dass die Gesellschaft keinen neuen, sondern denselben
Geschäftsführer hat, also kein Geschäftsführerwechsel stattgefunden hat. In
einem solchen Irrtum liegt aber kein grundloses Aufdecken der vor der Ent-
scheidung geführten Vornamen der Beteiligten, vor dem § 5 Abs. 1 TSG sie
schützen soll. Soweit die Beteiligte insoweit eingewendet hat, der Anschein ei-
nes Geschäftsführerwechsels sei für eine GmbH geschäftlich schädlich, kann
sich zum einen hierauf nur die GmbH, nicht die Beteiligte berufen, zum anderen
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fällt eine derart befürchtete Auswirkung auf das Ansehen der GmbH im Ge-
schäftsverkehr nicht in den Schutzbereich des § 5 Abs. 1 TSG.
b) Aber selbst wenn man einen weiten Anwendungsbereich des § 5
Abs. 1 TSG befürwortet und ein Offenbaren im Sinne von § 5 Abs. 1 TSG nicht
auf eine unmittelbare Erkennbarkeit der früheren Vornamen beschränkt, ist die
angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden. Wenn man es für ein Offenbaren iSd § 5 Abs. 1 TSG etwa
genügen lassen wollte, dass die Beteiligte, nachdem sie beispielsweise auf den
aus dem chronologischen Registerauszug ersichtlichen, vermeintlichen Ge-
schäftsführerwechsel angesprochen worden wäre, sich dann möglicherweise
veranlasst sehen könnte klarzustellen, dass kein Wechsel stattgefunden habe,
und sie selbst dadurch ihre früheren Vornamen offenbaren würde, führt das
noch nicht zur Begründetheit des Begehrens der Beteiligten. Der Anspruch, die
früheren Vornamen nicht zu offenbaren bzw. nicht offenbaren zu müssen, be-
steht nicht schrankenlos. Ein solches Verlangen stößt auch in verfassungs-
rechtlicher Hinsicht an seine Grenzen, wenn überwiegende Belange der Allge-
meinheit dem entgegenstehen, die den Regelungszweck präzise gefasster und
der Verhältnismäßigkeit entsprechender Normen bilden (vgl. zum Recht auf
informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 65, 1, 31 ff.; 130, 151 Rn. 121 ff.).
§ 5 Abs. 1 TSG konkretisiert diese Anforderungen dergestalt, dass die früheren
Vornamen (nur) dann ohne Zustimmung der Betroffenen offenbart oder ausge-
forscht werden dürfen, wenn besondere Gründe des öffentlichen Interesses
dies erfordern oder ein rechtliches Interesse daran glaubhaft gemacht wird.
Das Beschwerdegericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass besondere
Gründe des öffentlichen Interesses die Erkennbarkeit der früheren Vornamen
der Beteiligten im Handelsregister erfordern.
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aa) Die fortwährende Erkennbarkeit der früheren Vornamen rechtfertigt
sich durch das besonders schützenswerte Interesse des Rechtsverkehrs, sich
über die Vertretungsverhältnisse der am geschäftlichen Verkehr teilnehmenden
Kapitalgesellschaften informieren und vergewissern zu können.
(1) Die Person des Geschäftsführers gehört zu den Grundinformationen
über eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, zu deren Offenlegung die Ge-
sellschaft gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 GmbHG schon bei ihrer erstmali-
gen Anmeldung zum Handelsregister verpflichtet ist (vgl. Riemenschneider/
Freitag in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, 4. Aufl., § 8 Rn. 48). Der Geschäftsführer ist das ver-
tretungsberechtigte Organ der Gesellschaft, das im Rechtsverkehr verbindlich
für die Gesellschaft als juristischer Person handeln darf. Zur Gewährung eines
elementaren Mindestmaßes an Sicherheit für diejenigen, die in rechtsgeschäft-
lichen Kontakt mit der Gesellschaft treten und die ein berechtigtes Interesse
daran haben, dass die für die Gesellschaft abgegebenen oder entgegenge-
nommenen Willenserklärungen einer vertretungsberechtigten Person mit Wir-
kung für und gegen die Gesellschaft zugerechnet werden, gehört die Möglich-
keit der zuverlässigen Kenntnisnahme der Person, die als Geschäftsführer die-
se Funktion für die Gesellschaft als gleichsam verlängerter „natürlicher“ Arm
nach außen wahrnimmt. Um das vertretungsberechtigte Organ im Rechtsver-
kehr identifizieren zu können, werden der Vor- und Familienname nebst Ge-
burtsdatum und Wohnort im Handelsregister eingetragen, vgl. § 43 Nr. 4b) der
Handelsregisterverordnung (HRV) vom 12. August 1937 (RMBl. S. 515), und
gem. § 10 HGB zusammen mit dem Gesamteintrag der Gesellschaft der Öffent-
lichkeit bekannt gemacht.
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Um die Aktualität des Registers sicherzustellen und damit die Sicherheit
des Rechtsverkehrs über die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft auch in
der Folgezeit zu gewährleisten, ist die Gesellschaft gem. § 39 Abs. 1 GmbHG
dazu verpflichtet, jede Änderung in der Person des Geschäftsführers zum Han-
delsregister anzumelden (vgl. Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG,
2. Aufl., § 39 Rn. 1; Koppensteiner/Gruber in Rohwedder/Schmidt-Leithoff,
GmbHG, 5. Aufl., § 39 Rn. 1; Michalski/Terlau, GmbHG, 2. Aufl., § 39 Rn. 1).
Da der Identifikation einer Person für Dritte durch die Namensgebung entschei-
dende Bedeutung zukommt, gehört zu den beim Handelsregister anmeldepflich-
tigen Umständen nach allgemeiner Meinung auch die Änderung des Vor- oder
Familiennamens des Geschäftsführers (Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe,
GmbHG, 2. Aufl., § 39 Rn. 29; Oetker in Henssler/Strohn, GesR, 2. Aufl., § 39
GmbHG Rn. 4; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 39
Rn. 4; Stephan/Tieves in MünchKommGmbHG, § 39 Rn. 5; Altmeppen in
Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 39 Rn. 2; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff,
GmbHG, 18. Aufl., § 39 Rn. 3; Schneider/Schneider in Scholz, GmbHG,
11. Aufl, § 39 Rn. 4).
(2) Der mit der Offenlegung verbundene Zweck, die gebotene Sicherheit
im Rechtsverkehr zu gewährleisten, erfordert, dass auch die früheren Eintra-
gungen weiterhin aus dem Handelsregister erkennbar bleiben. Sobald es darum
geht, Sachverhalte aus der Vergangenheit rechtlich zu bewerten, besteht ein
berechtigtes Interesse Dritter, sich über diese früheren Eintragungen zu infor-
mieren (vgl. Koch in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 35 zum histori-
schen Registerauszug). Dieses Bedürfnis kann etwa bei Zweifelsfällen über die
Wirksamkeit von in der Vergangenheit geschlossenen Verträgen mit der Ge-
sellschaft Bedeutung erlangen; dann dient die Nennung des früheren Namens
des Geschäftsführers der zweifelsfreien Klärung der Identität der damals Betei-
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ligten (vgl. Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personenge-
sellschaften, 60. Lieferung, § 7 Rn. 174c).
bb) Das Handelsregister hat die Aufgabe, als technisches Medium für die
Verlautbarung dieser für den Rechtsverkehr wesentlichen Tatsachen und
Rechtsverhältnisse zu sorgen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 1997
- II ZB 6/97, ZIP 1998, 152). Es ist das Publizitätsmittel, das die offenzulegen-
den Informationen zu den zentralen Unternehmensdaten für den Rechtsverkehr
bereit hält und ihm zugänglich macht, sog. Informations- und Publizitätsfunktion
(vgl. Koch in Staub, Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 8 Rn. 1; Schaub in Eben-
roth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 8 Rn. 44; MünchKomm
HGB/Krafka, 3. Aufl., § 8 Rn. 3; K. Schmidt, Handelsrecht, Unternehmensrecht
I, 6. Aufl., § 13 Rn. 1, 4; Schmidt-Kessel, in Schmidt-Kessel/Leutner/Müther,
Handelsregisterrecht, Einleitung Rn. 5, 7). Die einzutragenden Angaben müs-
sen deshalb zuverlässig, vollständig und lückenlos beurkundet werden (vgl.
OLG Hamm, NJW-RR 1993, 807, 809; KG, NJW-RR 2000, 1704, 1705; Ries in
Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 8 Rn. 4; Krafka/Kühn,
Registerrecht, 9. Aufl., Rn. 1). Als öffentliches Register nimmt das Handelsre-
gister für sich in Anspruch, den darin enthaltenen Eintragungen eine solche Be-
deutung und Gewähr beizumessen, dass in gewissem Umfang materiell-
rechtliche Wirkungen an das darin gesetzte Vertrauen anknüpfen, vgl. § 15
HGB.
(1) Die Gewährleistung der Zuverlässigkeit, Vollständigkeit und Lücken-
losigkeit des Handelsregisters, die das Vertrauen des Rechtsverkehrs in das
Handelsregister rechtfertigen, erfordert den Ausschluss von Eingriffen in abge-
schlossene Eintragungen, wie die Beteiligte sie durch die vollständige Entfer-
nung ihrer früheren Vornamen erstrebt. Nur durch einen solchen Ausschluss
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wird die erforderliche Widerspruchsfreiheit der Registereintragungen gewähr-
leistet. Diese wird gefährdet, wenn durch einen Eingriff in abgeschlossene Ein-
tragungen deren Inhalt derart verändert wird, dass für ein- und dieselbe laufen-
de Nummer eines Registereintrags der Öffentlichkeit unterschiedliche Inhalte
zugänglich sind, deren Widersprüchlichkeit durch zu unterschiedlichen Zeit-
punkten erstellte Ausdrucke Eingang in den Rechtsverkehr findet. So läge der
Fall hier, wenn dem Begehren der Beteiligten stattgegeben würde: Ein vor dem
21. Dezember 2012 erstellter Ausdruck aus dem Handelsregister würde Ja.
Ma. K. als Geschäftsführer der GmbH seit dem 2. Oktober 2009 auswei-
sen, ein nach dem 21. Dezember 2012 erstellter Ausdruck würde als gesetzli-
che Vertreterin der GmbH ab dem 2. Oktober 2009 Ji. Ma. K. auswei-
sen.
(2) Das Registerrecht gewährleistet die erforderliche Widerspruchsfrei-
heit des Handelsregisters - unabhängig davon, ob es wie vormals in Papierform
oder wie heute in elektronischer Form geführt wird - durch eine Vielzahl von
Regelungen: Nach § 12 Satz 1 HRV darf nichts durch technische Eingriffe oder
sonstige Maßnahmen aus dem Register entfernt werden, entsprechend dem
vormaligen Verbot des Radierens und des unleserlich Machens. Abgeschlosse-
ne Eintragungen können wegen der damit eingetretenen Offenlegung der darin
enthaltenen Tatsachen bzw. Rechtsverhältnisse nicht mehr mit der Beschwerde
angegriffen werden. Was einmal publik gemacht wurde, kann insoweit nicht
mehr rückgängig gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1988
- II ZB 69/87, BGHZ 104, 61, 63), wie § 383 Abs. 3 FamFG seit dem FGG-
Reformgesetz ausdrücklich klarstellt (vgl. Keidel/Heinemann, FamFG, 18. Aufl.,
§ 383 Rn. 22; MünchKommFamFG/Krafka, 2. Aufl., § 383 Rn. 10; Nedden-
Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Aufl., § 383 Rn. 31). Zwar lässt
sich eine dennoch eingelegte Beschwerde in der Regel in eine Anregung auf
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Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens umdeuten (Keidel/Heinemann,
FamFG, 18. Aufl., § 383 Rn. 23). Doch auch die Löschung einer Eintragung
gem. §§ 393 ff. FamFG vollzieht sich ihrerseits als Eintragung, die gem. § 14
HRV mit einer laufenden Nummer zu versehen und durch einen Querstrich von
der folgenden Eintragung räumlich zu trennen ist, um den Vorgang der Lö-
schung als solchen im Register für Dritte nachvollziehbar zu machen. Selbst
wenn die ursprüngliche Eintragung unzulässig war, wird diese nicht etwa im
Nachhinein aus dem Register (technisch) entfernt; die Löschung erfolgt gem.
§ 395 Abs. 1 Satz 2 FamFG vielmehr durch Eintragung eines Vermerks unter
einer neuen laufenden Nummer sowie Rötung der unzulässigen Eintragung,
vgl. §§ 16, 19 HRV (vgl. Keidel/Heinemann, FamFG, 18. Aufl., § 395 Rn. 49
mwN). Auch bloße Berichtigungen, insbesondere bei Schreibfehlern, sind als
solche im Register kenntlich zu machen, § 17 Abs. 1 Satz 2 HRV.
c) Das schützenswerte Interesse des Rechtsverkehrs an der Verlässlich-
keit der Eintragungen im Handelsregister einschließlich der Unveränderbarkeit
früherer Eintragungen überwiegt das Interesse der Beteiligten, die sich aus der
Rötung ihrer früheren Vornamen - ohnehin nicht zwingend - ergebende Mög-
lichkeit des Rückschlusses eines Einsicht Nehmenden, es handele sich um
denselben Geschäftsführer, zu verhindern oder selbst auf eine - ebenfalls nicht
sehr wahrscheinliche - Nachfrage im Geschäftsverkehr ihre früheren Vornamen
möglicherweise offenbaren zu müssen.
aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein aktueller Ausdruck aus dem
Registerblatt nur den letzten Stand der Eintragungen enthält, vgl. § 30a Abs. 4
Satz 3 HRV, so dass aus ihm die früheren Vornamen der Beteiligten nicht er-
sichtlich werden. Als gelöschter Registereintrag lassen sich die früheren Vor-
namen nur dem chronologischen Ausdruck entnehmen, der alle Eintragungen
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des Registerblatts wiedergibt, vgl. § 30a Abs. 4 Satz 2 HRV. Dieser Ausdruck
ist nur gegen eine Gebühr von mind
estens 4,50 € erhältlich, so dass in tatsäch-
licher Hinsicht eine gewisse Hürde gegen die Einsichtnahme durch jedermann
besteht. Die kostenfreie Einsicht erhält ein Dritter nur durch Einsichtnahme in
den Räumen des Registergerichts.
bb) Mit der Offenlegungspflicht zur Person des Geschäftsführers bewegt
sich das nationale deutsche Recht im zentralen Anwendungsbereich der Richt-
linie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. September 2009 (folgend: Publizitätsrichtlinie 2009), die ihrerseits schon auf
die Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinie-
rung der Schutzbestimmungen zurückgeht, die in den Mitgliedstaaten den Ge-
sellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der
Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen
gleichwertig zu gestalten (vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unter-
nehmens- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 1 ff.; zur 1. Richtlinie als
„Eckstein für das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht“
Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., § 8 Rn. 227 ff.).
(1) Bereits letzterer lag die Erwägung zugrunde, dass diejenigen Gesell-
schaften, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit zum Schutze Dritter
nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stellen, wesentliche Urkunden
der Gesellschaft sowie einige sie betreffende Angaben, zu denen auch die Ver-
tretungsverhältnisse im Rechtsverkehr gehören, offenzulegen haben, damit sich
Dritte darüber unterrichten können. Nach Art. 2 Buchst. d Unterpunkt i) der Pub-
lizitätsrichtlinie 2009 sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung mindestens auf
die Personalien derjenigen erstreckt, die als gesetzlich vorgesehenes Gesell-
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schaftsorgan befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu
vertreten. Nach Art. 2a der Publizitätsrichtlinie 2009 müssen die Mitgliedstaaten
überdies sicherstellen, dass auch jede Änderung an diesen der Offenlegungs-
pflicht unterliegenden Angaben in das zuständige Register eingetragen und of-
fengelegt wird. Die Angaben zur Person des Geschäftsführers gehören damit
zum Grundstock der europarechtlichen Publizitätsobjekte einer GmbH (vgl.
Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht,
5. Aufl., § 19 Rn. 28). Die Offenlegung im Sinne der europäischen Richtlinien
bedeutet zugleich, dass die im Register enthaltenen Informationen jedermann
zugänglich zu machen sind, ohne ein schutzwürdiges Recht oder Interesse be-
legen zu müssen (vgl. EuGH, NZG 1998, 116, 117; EuGH, NZG 2005, 39, 40).
(2) Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die Normen zur register-
rechtlichen Offenlegung der Person des Geschäftsführers einer GmbH, die sich
im aufgezeigten Anwendungsbereich europäischer Richtlinien bewegen, über-
haupt noch an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen werden kön-
nen (vgl. BVerfGE 130, 151 Rn. 105; BVerfGE 121, 1 Rn. 134 f.; Koch in Staub,
Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 9 Rn. 4 mwN).
d) Dahingestellt bleiben kann weiter, ob das Beschwerdegericht, anders
als es gemeint hat, den Antrag der Beteiligten nicht gemäß § 24 FamFG dahin
hätte auslegen müssen, dass er auch den Antrag auf Anlegung eines neuen
Registerblatts in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 HRV ent-
hielt (vgl. hierzu Heinemann, FamRB 2014, 341). Selbst wenn man den Antrag
so auslegen wollte und die analoge Anwendbarkeit von § 21 Abs. 1 Satz 1 HRV
auf einen Fall wie den vorliegenden, wie es das Beschwerdegericht erwogen
hat, bejahen wollte, würde damit dem Anliegen der Beteiligten nicht genügt (vgl.
hierzu Wertenbruch in Westermann/Wertenbruch, Handbuch Personengesell-
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schaften, 60. Lieferung, § 7 Rn. 174c). Auch in diesem Fall wäre durch den ge-
mäß § 21 Abs. 1 Satz 3 HRV erforderlichen Verweis auf das frühere Registerb-
latt aus dem Handelsregister ersichtlich, dass Geschäftsführer ab dem
2. Oktober 2009 bis zum 20. Dezember 2012 Ja. Ma. K. war (a.A.
Heinemann, FamRB 2014, 341).
Bergmann
Strohn
Caliebe
Born
Sunder
Vorinstanzen:
AG Pinneberg, Entscheidung vom 06.01.2014 - HRB 8749 PI -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 17.04.2014 - 2 W 25/14 -