Urteil des BGH vom 02.12.2015

Eligard Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2015:021215UIZR239.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 239/14
Verkündet am:
2. Dezember 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Eligard
MarkenG § 24 Abs. 1 und 2; AMG §§ 25, 10
Gestattet ein Verwaltungsakt dem Parallelimporteur eine bestimmte Kennzeich-
nung des parallel zu importierenden Arzneimittels, kann der Markeninhaber vor
den Zivilgerichten grundsätzlich nicht geltend machen, diese Kennzeichnung
verstoße gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und sei deshalb
rechtswidrig. Ist der auf der Grundlage von § 25 AMG erlassene Zulassungsbe-
scheid nicht nichtig, ist er der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Markeninha-
ber sich aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG dem
Vertrieb der parallelimportierten Arzneimittel widersetzen kann.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2015 - I ZR 239/14 - OLG Hamburg
LG Hamburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Dezember 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die
Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin
Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesge-
richts Hamburg - 3. Zivilsenat - vom 25. September 2014 wird auf
Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie vertreibt in
Deutschland das Arzneimittel Eligard® in drei Wirkstärken. Das Arzneimittel,
das für die Behandlung des hormonabhängigen fortgeschrittenen Prostatakar-
zinoms eingesetzt wird, eignet sich ausschließlich zur subkutanen Anwendung.
Es besteht aus einer vorgefüllten Spritze mit Pulver zur Herstellung einer Injek-
tionslösung und einer weiteren Spritze mit einem Lösungsmittel. Die zur einma-
ligen Verwendung vorgesehenen Spritzen sind in einer Schalenverpackung mit
Tiefziehfolie verpackt und werden in einer Faltschachtel abgegeben. Nach dem
Öffnen der Schalenverpackung muss das Arzneimittel sofort verwendet werden.
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Die Marke Eligard ist eine international registrierte Marke, deren Schutz
auf Deutschland erstreckt worden ist. Markeninhaberin ist die Tolmar
Therapeutics Inc., die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässig ist. Ex-
klusive Lizenznehmerin ist die britische Schwestergesellschaft der Klägerin, die
A. P. E. Ltd., die die Klägerin mit dem Vertrieb des Arzneimit-
tels in Deutschland beauftragt hat. Die A. P. E. Ltd. hat die
Klägerin ermächtigt, Unterlassungsansprüche und Folgeansprüche gegen die
Beklagte in eigenem Namen geltend zu machen. Die Tolmar Therapeutics Inc.
hat der Geltendmachung ihrer Markenrechte im vorliegenden Verfahren zuge-
stimmt.
Die Beklagte betreibt den Parallelimport von Arzneimitteln. Sie zeigte der
Klägerin im Herbst 2011 an, dass sie das Arzneimittel Eligard® aus Norwegen
parallel importieren und auf dem deutschen Markt vertreiben wolle. Die Klägerin
widersprach dem nach Überlassung eines Musters mit Schreiben vom
4. November 2011 mit der Begründung, die Spritzen seien im Gegensatz zu der
Schalenverpackung und zu der Faltschachtel entgegen § 10 AMG nicht in deut-
scher, sondern nur in norwegischer und dänischer Sprache gekennzeichnet.
Die Beklagte lehnte die Abgabe der von der Klägerin deswegen geforderten
Unterlassungserklärung unter Hinweis darauf ab, dass für eine Änderung der
Kennzeichnung der Spritzen die Schalenverpackung geöffnet und die Lösung
danach sofort zubereitet und verwendet werden müsse.
Die Beklagte erhielt im Oktober 2011 Zulassungsbescheide des Bundes-
instituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für den Parallelimport des
Arzneimittels Eligard® aus Norwegen in allen drei Wirkstärken. In den Beschei-
den wird der Beklagten aufgegeben, die Schalenverpackung und die Falt-
schachtel in deutscher Sprache zu kennzeichnen. Vorgaben zur Kennzeich-
nung der Spritzen enthalten die Bescheide nicht.
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Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf markenrechtliche An-
sprüche gestützt. Hilfsweise hat sie wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend
gemacht.
Sie hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter
Ordnungsmittel zu verurteilen,
Arzneimittel unter der Marke Eligard® (Wirkstoff Leuprorelinacetat
7,5 mg, 22,5 mg und/oder 45 mg), nämlich Pulver und Lösungs-
mittel zur Herstellung einer Injektionslösung anzubieten, feilzuhal-
ten, zu bewerben und/oder zu vertreiben, bei denen die in den
Schalenverpackungen befindlichen Spritzen nicht gemäß § 10
Abs. 1 und Abs. 8 AMG in deutscher Sprache gekennzeichnet
sind.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Hamburg, PharmR 2014,
253). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-
weisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder ein
markenrechtlicher noch ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu.
Dazu hat es ausgeführt:
Die Klage sei zulässig. Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt. Die
Klägerin sei nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft pro-
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zessführungsbefugt, auch wenn sie nicht Inhaberin des Markenrechts sei. Der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und
Abs. 5, § 107 MarkenG begründet. Zwar verwirkliche das von der Beklagten
beabsichtigte Verhalten den gesetzlichen Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG. Das Markenrecht sei jedoch nach § 24 Abs. 1 MarkenG erschöpft.
Die Markeninhaberin könne sich nicht gemäß § 24 Abs. 2 MarkenG aus berech-
tigten Gründen der Benutzung ihrer Marke im Zusammenhang mit dem weite-
ren Vertrieb der Ware durch die Beklagte widersetzen. Da die der Beklagten
erteilten Zulassungsbescheide den Parallelimport des Arzneimittels ohne Ein-
haltung der in § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG normierten Kennzeichnungspflicht ge-
statteten, könnten die Zivilgerichte der Beklagten das damit als rechtmäßig qua-
lifizierte Verhalten nicht verbieten. Auch ein Unterlassungsanspruch aus § 8
Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG sei nicht gegeben. Zwar diene die Kenn-
zeichnungspflicht für Fertigarzneimittel gemäß § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG dem
Schutz des Patienten und stelle damit eine Marktverhaltensregel im Sinne des
§ 4 Nr. 11 UWG dar. Da das BfArM der Beklagten den Parallelimport nach
Deutschland durch Zulassungsbescheide ausdrücklich gestattet habe, sei das
beanstandete Verhalten der Beklagten als rechtmäßig anzusehen, solange der
zugrunde liegende Verwaltungsakt Bestand habe.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsge-
richt die Klage als zulässig angesehen.
a) Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt und deshalb zulässig.
aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart un-
deutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefug-
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nis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der
Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entschei-
dung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht
überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00,
BGHZ 156, 1, 8 f. - Paperboy; Urteil vom 9. Juli 2009 - I ZR 13/07, GRUR 2009,
977 Rn. 21 = WRP 2009, 1076 - Brillenversorgung I; Urteil vom 29. April 2010
- I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 21 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswer-
bung im Internet; Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 196/13, GRUR 2015, 1235
Rn. 10 = WRP 2015, 1461 - Rückkehrpflicht V).
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, um zu präzisieren, welche
Angaben auf den Spritzen in deutscher Sprache fehlten, stelle der Klageantrag
einen Bezug zu den nach dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Angaben auf
kleinen Behältnissen her, die in § 10 Abs. 1 und 8 AMG niedergelegt seien. Be-
züglich der vorgeschriebenen Angaben sei der Gesetzeswortlaut eindeutig,
konkret und erschöpfend. Welche Angaben die Klägerin auf den Spritzen ver-
misse, sei dem Antrag ebenfalls zu entnehmen. Es gehe um alle in § 10 Abs. 1
und - richtig - Abs. 8 AMG vorgeschriebenen Angaben. Diese Beurteilung lässt
Rechtsfehler nicht erkennen.
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin sei im Wege der
gewillkürten Prozessstandschaft befugt, die Rechte der Markeninhaberin im
eigenen Namen geltend zu machen. Die Markeninhaberin habe ihrer Exklusivli-
zenzinhaberin für die Bundesrepublik Deutschland ihre Zustimmung zur Klage
wegen einer Markenrechtsverletzung gemäß § 30 Abs. 3 MarkenG erteilt. Diese
habe die Klägerin ermächtigt, Ansprüche gegen die Beklagte gerichtlich geltend
zu machen. Die Klägerin habe ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der
Geltendmachung der Ansprüche, da sie mit dem Vertrieb des Arzneimittels in
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der Bundesrepublik Deutschland betraut sei. Diese Beurteilung wird von der
Revisionserwiderung nicht angegriffen.
2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein markenrechtlicher Unter-
lassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5, § 107 MarkenG zu.
a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass die
Beklagte durch den von ihr beabsichtigten Parallelimport des Arzneimittels Eli-
gard® den gesetzlichen Tatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verwirklicht.
Auch soweit die Beklagte die streitgegenständlichen Produkte nicht selbst mit
der für die Markeninhaberin geschützten Marke versieht, sondern mit der Marke
versehene Originalware und Originalverpackungen mit zusätzlichen Aufklebern
vertreiben will, wird dieses Verhalten als zu unterlassende Benutzungshandlung
durch § 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG erfasst (zu § 19 MarkenG: BGH, Urteil vom
23. Februar 2006 - I ZR 27/03, BGHZ 166, 233 Rn. 33 - Parfümtestkäufe;
Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht
Medienrecht, 3. Aufl., § 14 MarkenG Rn. 570). Die Ankündigung der Beklagten
begründet die Erstbegehungsgefahr.
b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass Erschöpfung
eingetreten ist.
aa) Die Arzneimittel, die die Beklagte in den Original-Faltschachteln mit
deutschsprachigen Aufklebern in Deutschland vertreiben will, sind mit Zustim-
mung der Markeninhaberin in Norwegen im Europäischen Wirtschaftsraum in
Verkehr gebracht worden. Hinsichtlich der Markenrechte der Markeninhaberin
sind in Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach
§ 24 Abs. 1 MarkenG gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich - vorbehaltlich
der Anwendung des § 24 Abs. 2 MarkenG - auf alle Handlungen, die nach § 14
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Abs. 3 MarkenG eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die
Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Ver-
packung zu vertreiben (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 MarkenG), unterliegt der Er-
schöpfung (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - C-427/93, C-429/93 und
C-436/93, Slg. 1996, I-3545 = GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 34 bis 37, 49 f.
- Bristol-Myers Squibb; BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 173/04, GRUR
2007, 1075 Rn. 14 = WRP 2007, 1472 - Stilnox; Urteil vom 12. Juli 2007
- I ZR 147/04, BGHZ 173, 217 Rn. 15 - Aspirin II; Urteil vom 10. Februar 2011
- I ZR 172/09, GRUR 2011, 817 Rn. 11 = WRP 2011, 1164 - RENNIE).
bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin
sich dem Vertrieb nicht aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2
MarkenG widersetzen kann. Zwar verändert die Beklagte mit der Umetikettie-
rung das mit Zustimmung der Markeninhaberin in Norwegen in Verkehr ge-
brachte Arzneimittel. Dies muss die Klägerin jedoch in der vorgesehenen Form
hinnehmen.
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 7 der Marken-
rechtsrichtlinie, der der Regelung des § 24 MarkenG zugrunde liegt, könne sich
der Markeninhaber der Markenbenutzung im Hinblick auf die Warenverkehrs-
freiheit unter besonderen Voraussetzungen nicht widersetzen; unter diesen Vor-
aussetzungen könne sich der Importeur trotz Veränderung der Verpackung auf
die Erschöpfung des Markenrechts berufen. Diese Voraussetzungen lägen im
Streitfall vor. Der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware kön-
ne mittelbar dadurch beeinträchtigt sein, dass die äußere oder innere Verpa-
ckung der Ware verändert werde. Die neue Verpackung und der Beipackzettel
müssten die vorgeschriebenen Mindestangaben enthalten. Dies sei hier der
Fall. Das BfArM habe der Beklagten mit mehreren Zulassungsbescheiden den
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Parallelimport des Arzneimittels ohne Einhaltung der in § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG
normierten Kennzeichnungspflicht gestattet. Hieran seien die Zivilgerichte im
Umfang der Tatbestandswirkung der Zulassungsbescheide gebunden. Die Zu-
lassungsbescheide regelten die in Streit stehende Kennzeichnungspflicht be-
züglich der Spritzen und seien auch rechtswirksam. Gegen diese Beurteilung
wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.
(2) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als sol-
ches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft
der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Der Widerspruch des Mar-
keninhabers gegen den Vertrieb umgepackter Arzneimittel ist jedoch nicht zu-
lässig, wenn die Ausübung dieses Rechts eine verschleierte Beschränkung des
Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV dar-
stellt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 2007 - C-348/04, Slg. 2007, I-3391 =
GRUR 2007, 586 Rn. 15 f. - Boehringer Ingelheim/Swingward II). Eine solche
verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Aus-
übung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Ab-
schottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und der Parallelim-
porteur das Umpacken unter Beachtung der berechtigten Interessen des Mar-
keninhabers vornimmt. Der Markeninhaber kann sich dem weiteren Vertrieb
eines Arzneimittels, das der Importeur umgepackt und wieder mit der Marke
versehen hat, nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL nicht widersetzen, wenn die fünf in
der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten
Erschöpfungsvoraussetzungen vorliegen, das heißt wenn eine künstliche Ab-
schottung der Märkte erfolgen würde, der Originalzustand der Verpackung nicht
beeinträchtigt ist, Hersteller und Umverpackender angegeben sind, keine Schä-
digung des guten Rufs der Marke zu befürchten ist und eine Vorabinformation
des Markeninhabers erfolgt (vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 79 - Bristol-
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Myers Squibb; GRUR 2007, 586 Rn. 21 - Boehringer Ingelheim/Swingward II;
BGH, GRUR 2011, 817 Rn. 16 - RENNIE; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013
- I ZR 99/12, MarkenR 2014, 265 Rn. 13 - Micardis). Diese vom Gerichtshof der
Europäischen Union ausformulierten Grundsätze beziehen sich nicht nur auf
das Umpacken, sondern schließen auch die Neuetikettierung mit ein (EuGH,
GRUR 2007, 586 Rn. 28 - Boehringer Ingelheim/Swingward II). Von diesen
Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen.
(3) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die auf der
Grundlage von § 25 AMG ergangenen Zulassungsbescheide des BfArM eine
Tatbestandswirkung des Inhalts erzeugen, dass das Inverkehrbringen des Arz-
neimittels mit den in den Zulassungsbescheiden von der Zulassungsbehörde
vorgegebenen Kennzeichnungen nach den Vorschriften des Arzneimittelgeset-
zes zulässig ist und aus diesem Grund eine Beeinträchtigung der Rechte der
Markeninhaberin ausscheidet.
Das BfArM hat in seinen Zulassungsbescheiden die Kennzeichnungser-
fordernisse festgelegt und dabei auch entschieden, dass die in den Tiefzieh-
schalen eingelegten Spritzen keiner Beschriftung in deutscher Sprache bedür-
fen. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist in entsprechender Anwen-
dung der §§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen, die auch für
die Auslegung von Willenserklärungen gelten. Danach ist der erklärte Wille der
erlassenden Behörde maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdi-
gung verstehen konnte (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP
2007, 1359 Rn. 16; Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 29/14, GRUR 2015, 1244
Rn. 33 = WRP 2016, 44 - Äquipotenzangaben in Fachinformation; BVerwGE
123, 292, 297; BVerwG, NJW 2013, 1832 Rn. 10). Bei der Ermittlung dieses
objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die
Begründung des Verwaltungsakts abzustellen; darüber hinaus ist das materielle
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Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuziehen (vgl. BVerwGE 126,
254 Rn. 78; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 43 Rn. 15).
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zulas-
sungsbescheide des BfArM die Kennzeichnung der Spritzen des Arzneimittels
regeln und insoweit als Verwaltungsakt einzustufen sind. Die Zulassungsbehör-
de hat zwar in den Zulassungsbescheiden nicht ausdrücklich angeordnet, dass
die eingelegten Spritzen nicht in deutscher Sprache zu etikettieren sind. Sie hat
jedoch in Kenntnis der fremdsprachigen Beschriftung der Spritzen die Zulas-
sungsbescheide erteilt und trotz des Entwurfs von für die Spritzen selbst be-
stimmten deutschsprachigen Beschriftungsentwürfen durch die Beklagte auf
Vorgaben zur Umetikettierung der Spritzen nach einer Einzelfallprüfung verzich-
tet, weil die sie enthaltenden Tiefziehschalen auf die Haltbarkeit des Arzneimit-
tels Einfluss haben und das Arzneimittel nach Öffnen der Tiefziehschale unver-
züglich zuzubereiten und zu verabreichen ist. Diese Erwägungen hat die Zulas-
sungsbehörde in Erfüllung des vom Landgericht erlassenen Beweisbeschlusses
in einer amtlichen Auskunft mitgeteilt.
Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin im Markenrechtsstreit grundsätz-
lich verwehrt, geltend zu machen, der Bescheid der Zulassungsbehörde sei
rechtswidrig. Gestattet ein Verwaltungsakt dem Parallelimporteur eine bestimm-
te Kennzeichnung des parallel zu importierenden Arzneimittels, kann der Mar-
keninhaber vor den Zivilgerichten nicht geltend machen, diese Kennzeichnung
verstoße gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und sei deshalb
rechtswidrig. Ist der auf der Grundlage von § 25 AMG erlassene Zulassungsbe-
scheid nicht nichtig, ist er der Prüfung zugrunde zu legen, ob der Markeninha-
ber sich aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG dem
Vertrieb widersetzen kann. Dabei gelten die vom Senat für das Wettbewerbs-
recht entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechend, nach denen der Tatbe-
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stand des § 4 Nr. 11 UWG nicht erfüllt ist, wenn ein Marktverhalten durch einen
Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht
nichtig ist (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269
- Atemtest I; Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405
Rn. 10 = WRP 2014, 428 - Atemtest II). Widersetzt sich der Markeninhaber dem
beabsichtigten Parallelimport ausschließlich mit der Begründung, der Parallel-
importeur verletze durch die Kennzeichnung des Produkts nationale Vorschrif-
ten des Arzneimittelrechts, besteht eine entsprechende Interessenlage. Der
Parallelimporteur, der alles Erforderliche unternommen hat, um die arzneimittel-
rechtlichen Erfordernisse des Parallelimports zu erfüllen, darf auf die Rechtmä-
ßigkeit des ihm erteilten Zulassungsbescheids der Zulassungsbehörde vertrau-
en. Es ist ihm nicht zumutbar, zur Abwendung eines Unterlassungsanspruchs
des Markeninhabers von den Vorgaben in dem ihm erteilten Zulassungsbe-
scheid abzuweichen und vom Markeninhaber für erforderlich gehaltene weiter-
gehende Kennzeichnungspflichten zu erfüllen. Dies gilt im Streitfall schon des-
halb, weil die Zulassungsbehörde sich aus Gründen der Arzneimittelsicherheit
entschieden hat, auf eine Umetikettierung der Spritzen zu verzichten. Die Be-
klagte liefe - wollte sie den Forderungen der Klägerin nach einer Umetikettie-
rung der Spritzen nachkommen - Gefahr, wegen einer Öffnung der Tiefzieh-
schalen von der Klägerin ebenfalls wegen einer Markenverletzung mit der Be-
gründung in Anspruch genommen zu werden, sie gefährde mit dem Öffnen der
Tiefziehschalen die Haltbarkeit des Arzneimittels.
(4) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Zulassungsbescheide
seien nichtig. Sie enthielten weder eine Regelung zur Kennzeichnung der Sprit-
zen noch eine Begründung, aus der die Beklagte als ihre Adressatin hätte
schließen können, dass und aus welchen Gründen von der Kennzeichnung der
Spritzen des Arzneimittels eine Ausnahme von der Vorschrift des § 10 Abs. 8
Satz 3 AMG gemacht werden sollte. Die Bescheide seien in diesem wesentli-
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chen Punkt unklar, widersprüchlich, unsinnig oder unverständlich, sie litten un-
ter fehlender Bestimmtheit und seien deshalb nicht nur rechtswidrig, sondern
nichtig.
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Zulas-
sungsbescheide seien nicht nichtig, sondern wirksam. Für die Beklagte als
Empfängerin der Zulassungsbescheide war erkennbar, dass nach den Vorga-
ben des BfArM eine Kennzeichnung der Spritzen, anders als eine Kennzeich-
nung der Verpackung und der Tiefziehschale, nicht erforderlich ist. Dies ergibt
sich aus der vom Landgericht eingeholten amtlichen Auskunft der Zulassungs-
behörde zum Inhalt der Anträge der Beklagten. Der Umstand, dass das Land-
gericht Beweis erhoben hat, rechtfertigt nicht die Annahme, der Inhalt der Zu-
lassungsbescheide sei unklar. Gegenstand der Beweiserhebung waren die Be-
hauptungen der Beklagten zum Inhalt ihres Zulassungsantrages, insbesondere
dazu, dass sie der Zulassungsbehörde Beschriftungsentwürfe für die Etikettie-
rung der Spritzen vorgelegt habe. Die Behauptungen hierzu sind maßgeblich
dafür, wie die Beklagte als Adressatin der Zulassungsbescheide diese verste-
hen musste. Hatte die Beklagte mit ihren Zulassungsanträgen deutschsprachi-
ge Beschriftungsentwürfe für die Spritzen vorgesehen, die Zulassungsbehörde
jedoch insoweit keine Vorgaben gemacht, konnte die Beklagte die Bescheide
nur so verstehen, dass insofern eine Umetikettierung nicht erforderlich ist.
(5) Vor den Zivilgerichten ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Ent-
scheidung der Zulassungsbehörde, auf eine Kennzeichnung der Spritzen ge-
mäß § 10 Abs. 8 Satz 3 AMG zu verzichten, möglicherweise rechtswidrig ist,
oder ob die Zulassungsbehörde zu Recht zur Gewährleistung der Haltbarkeit
des Arzneimittels auf eine Auflage zu einer deutschsprachigen Etikettierung der
Spritzen verzichtet hat, die ohne ein Öffnen der Tiefziehschalen nicht möglich
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ist. Auf die insoweit von der Revision erhobenen Rügen kommt es deshalb nicht
an.
Der Markeninhaber muss die Rechtswidrigkeit des dem Parallelimporteur
erteilten Zulassungsbescheids im verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg geltend
machen. Eine vom Markeninhaber dagegen erhobene Anfechtungsklage setzt
- da er nicht selbst Adressat des angegriffenen Bescheides ist - allerdings nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass er die
Verletzung einer Vorschrift behauptet, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt
ist (vgl. NVwZ 2012, 639 Rn. 11 mwN). Die Kennzeichnungsvorschriften des
Arzneimittelgesetzes dienen zwar grundsätzlich nicht dem Schutz des Marken-
inhabers, sondern dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Verbrau-
cher. Für den Parallelimport von Arzneimitteln gelten allerdings Besonderheiten.
Der den Parallelimport genehmigende Zulassungsbescheid beeinträchtigt den
Markeninhaber und Arzneimittelhersteller unmittelbar sowohl im Hinblick auf
sein Markenrecht als auch in seiner Stellung auf dem Markt. Gegen einen dem
Parallelimporteur erteilten rechtswidrigen Zulassungsbescheid muss er deshalb
gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Für die Überprüfung der Recht-
mäßigkeit der Bescheide ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1
Satz 1 VwGO). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BfArM erlasse-
nen Bescheide im markenrechtlichen Rechtsstreit kommt nur in Betracht, wenn
die Verwaltungsgerichte dem Markeninhaber und Arzneimittelhersteller eine
eigene Klagebefugnis absprechen sollten. In diesem Fall müsste eine Überprü-
fung der Bescheide im markenrechtlichen Rechtsstreit erfolgen. Der Markenin-
haber und Arzneimittelhersteller muss im Fall des Umpackens von Arzneimitteln
wegen des Eingriffs in sein durch Art. 17 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta und
Art. 14 GG als Recht des geistigen Eigentums geschütztes Markenrecht (vgl.
BGH, Urteil vom 2. April 2015 - I ZR 59/13, BGHZ 205, 22 Rn. 41 - Springender
Pudel) die Möglichkeit haben, die Frage der Rechtmäßigkeit der die Umpa-
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ckung gestattenden Verwaltungsakte einer gerichtlichen Prüfung unterziehen zu
lassen, weil davon die Zulässigkeit des Umpackens durch den Parallelimporteur
in der vorliegenden Fallkonstellation abhängt.
(6) Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, dass bei einem europa-
weit nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 vom 31. März 2004 zur Festle-
gung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von
Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimit-
tel-Agentur zugelassenen Arzneimittel kein entsprechender Bescheid ergeht,
sondern lediglich eine Anzeige bei der European Medicines Agency erforderlich
ist (§ 67 Abs. 7 Satz 2 AMG in der seit dem 26. Oktober 2012 geltenden Fas-
sung). Der Umstand, dass in einem derartigen Fall kein Bescheid der Zulas-
sungsbehörde ergeht, der die Frage der Kennzeichnung nach § 10 AMG regelt,
und dass der Markeninhaber dann möglicherweise nicht gehindert ist, im Rah-
men des § 24 Abs. 2 MarkenG eine unzureichende Kennzeichnung in deut-
scher Sprache geltend zu machen, verhilft der Klage im Streitfall nicht zum Er-
folg. Wenn wie hier die für die Erteilung von Zulassungsbescheiden und für die
Überwachung der Einhaltung der Kennzeichnungspflichten zuständige nationa-
le Behörde zum Umfang der Kennzeichnungspflicht eine Entscheidung trifft,
entfaltet diese Entscheidung zugunsten des Parallelimporteurs grundsätzlich
Tatbestandswirkung.
3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch der von
der Klägerin hilfsweise geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlas-
sungsanspruch gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 Abs. 8
Satz 3 AMG nicht besteht. Auch insoweit gilt die Tatbestandswirkung der vom
BfArM erlassenen Bescheide.
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III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff
Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 01.11.2013 - 327 O 570/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 25.09.2014 - 3 U 190/13 -
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