Urteil des BGH vom 14.07.2015

GASCADE Gastransport GmbH Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
E n V R 6 / 1 4
Verkündet am:
14. Juli 2015
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GASCADE Gastransport GmbH
ARegV § 23 Abs. 2a
Der in § 23 Abs. 2a ARegV vorgesehene Abzug ist stets vorzunehmen, wenn
die in den letzten drei Jahren der Genehmigungsdauer entstandenen Kosten
einer genehmigten Investitionsmaßnahme in der auf das Ende der Genehmi-
gungsdauer folgenden Regulierungsperiode als Kosten im Sinne von § 4 Abs. 1
ARegV zu berücksichtigen sind.
BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 - EnVR 6/14 - OLG Düsseldorf
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Raum und die Richter
Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 11. Dezember 2013 ver-
kündeten Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts
Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der
notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur werden der An-
tragstellerin auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
50.000 Euro festgesetzt.
- 3 -
Gründe:
A. Die Antragstellerin betreibt ein Gasfernleitungsnetz. Mit Schreiben
vom 30. Juni 2011 beantragte sie die Genehmigung eines Investitionsbudgets
für den Ausbau eines Netzkoppelungspunkts.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2012 erteilte die Bundesnetzagentur eine bis
31. Dezember 2017 befristete Genehmigung und lehnte den Antrag im Übrigen
ab. In den Gründen wird sinngemäß ausgeführt, die in den letzten drei Jahren
der Genehmigungsdauer entstandenen Kapital- und Betriebskosten seien ab
dem darauffolgenden Jahr nach Maßgabe von § 23 Abs. 2a ARegV in Abzug zu
bringen; die abweichende Interpretation der Antragstellerin sei nicht richtig.
Mit ihrer Beschwerde hat die Antragstellerin beantragt, den genannten
Bescheid insoweit aufzuheben, als darin der Abzug von drei Jahresscheiben für
die Jahre 2015, 2016 und 2017 angeordnet wird. Das Beschwerdegericht hat
das Rechtsmittel zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit
der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Bun-
desnetzagentur entgegentritt.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:
Die Beschwerde sei zulässig. Die Ausführungen in den Gründen des an-
gefochtenen Bescheids enthielten keinen bloßen Hinweis auf die Rechtslage,
sondern die Anordnung der Bundesnetzagentur, den in § 23 Abs. 2a ARegV
vorgesehenen Abzug im konkreten Fall vorzunehmen.
1
2
3
4
5
6
- 4 -
Die Beschwerde sei aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei
rechtmäßig. Aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 2a ARegV und aus der Begrün-
dung zu dem zugrunde liegenden Entwurf ergäben sich keine sicheren Anhalts-
punkte zum Verständnis der Regelung. Die Systematik und der Sinn und Zweck
der Regelung sprächen jedoch eindeutig gegen die von der Antragstellerin ver-
tretene Ansicht. § 23 Abs. 2a ARegV solle verhindern, dass die Kosten einer
Investitionsmaßnahme doppelt berücksichtigt würden, nämlich während des
Genehmigungszeitraums im Rahmen der Anpassung nach § 4 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 und § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 ARegV und danach als Kosten des Basis-
jahrs im Sinne von § 6 Abs. 1 ARegV. Das abweichende Verständnis der An-
tragstellerin, wonach ein Abzug nur dann vorzunehmen sei, wenn es hinsicht-
lich desselben Zeitraums zu einer doppelten Berücksichtigung komme, führte
demgegenüber dazu, dass die Vorschrift leer laufen würde, weil es nach der
Systematik der Anreizregulierungsverordnung und der Entscheidungspraxis der
Bundesnetzagentur zu einer Doppelberücksichtigung in diesem Sinne nie
kommen könne. Dass bestimmte Kosten schon nach der früheren Fassung von
§ 23 ARegV doppelt zu berücksichtigen gewesen seien, führe nicht zu einer
abweichenden Beurteilung. Nach der früheren Fassung habe dieser Effekt nur
für ein Jahr eintreten können. Durch die Neuregelung habe sich der betroffene
Zeitraum auf drei Jahre verlängert. Dies habe den Verordnungsgeber veran-
lasst, den in § 23 Abs. 2a ARegV vorgesehenen Abzug einzuführen. Die mit der
Neuregelung insgesamt verbundenen Vorteile überwögen den insoweit ent-
standenen Nachteil.
II. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
Das Beschwerdegericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die
für die Jahre 2015, 2016 und 2017 anfallenden Kosten der genehmigten Investi-
tionsmaßnahme bei der Festlegung der Erlösobergrenzen für die Zeit ab
1. Januar 2018 gemäß § 23 Abs. 2a ARegV in Abzug zu bringen sind.
7
8
9
- 5 -
1. Die Genehmigung von Investitionsmaßnahmen - nach der bis
21. März 2012 geltenden Fassung: von Investitionsbudgets - gemäß § 23
ARegV eröffnet dem Netzbetreiber die Möglichkeit, die Kosten bestimmter
Maßnahmen früher in die Festlegung der Erlösobergrenze einfließen zu lassen,
als dies nach den allgemeinen Bestimmungen in §§ 4 ff. ARegV möglich wäre.
Für die Festlegung der Erlösobergrenze sind grundsätzlich die Kosten
maßgeblich, die in dem nach § 6 Abs. 1 ARegV relevanten Basisjahr angefallen
sind. Dies ist, sofern sich das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr deckt, das
drittletzte Kalenderjahr vor Beginn der Regulierungsperiode. Danach könnten
die Kosten einer Investitionsmaßnahme frühestens in der jeweils nächsten Re-
gulierungsperiode berücksichtigt werden, und selbst dies wäre nur möglich, so-
weit die Kosten spätestens zwei Jahre vor Beginn dieser Periode angefallen
sind.
Um eine frühere Berücksichtigung zu ermöglichen, sieht § 4 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 ARegV vor, dass Kosten genehmigter Investitionsmaßnahmen - die
gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 ARegV als nicht beeinflussbare Kostenanteile
gelten - bei der jährlichen Anpassung der Erlösobergrenze zu berücksichtigen
sind. Nach der ursprünglichen Fassung von § 4 Abs. 3 Satz 1 ARegV war hier-
bei auf die jeweils im vorletzten Kalenderjahr entstandenen Kosten abzustellen.
Danach konnten die Kosten von genehmigten Investitionsbudgets zwar abwei-
chend von § 6 Abs. 1 ARegV innerhalb der laufenden Regulierungsperiode be-
rücksichtigt werden, aber nur mit einem zeitlichen Versatz von zwei Jahren.
Nach der seit 22. März 2012 geltenden, für den Streitfall maßgeblichen Fas-
sung ist hingegen das Kalenderjahr maßgeblich, auf das die Erlösobergrenze
Anwendung finden soll. Die Kosten können mithin - als Plankosten - bereits für
das Jahr angesetzt werden, in dem sie erstmals anfallen.
2. Nach der ebenfalls am 22. März 2012 in Kraft getretenen Regelung
in § 23 Abs. 2a ARegV sind die in den letzten drei Jahren der Genehmigungs-
10
11
12
13
- 6 -
dauer der Investitionsmaßnahme entstandenen Betriebs- und Kapitalkosten, die
auf Grund der Regelung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV sowohl im Rah-
men der genehmigten Investitionsmaßnahme als auch in der Erlösobergrenze
gemäß § 4 Abs. 1 ARegV der folgenden Regulierungsperiode berücksichtigt
werden, als Abzugsbetrag zu berücksichtigen, und zwar dergestalt, dass die
Kosten nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 3 ARegV aufgezinst werden und der
so ermittelte Betrag über zwanzig Jahre hinweg, beginnend mit dem Jahr nach
Ablauf der Genehmigungsdauer der Investitionsmaßnahme, gleichmäßig in Ab-
zug gebracht wird. Dieser Abzug ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend ent-
schieden hat, in allen Fällen vorzunehmen, in denen die betreffenden Kosten in
einer Regulierungsperiode als Kosten einer genehmigten Investitionsmaßnah-
me und in der darauffolgenden Regulierungsperiode als Kosten im Sinne von
§ 4 Abs. 1 ARegV zu berücksichtigen sind.
a) Schon der Wortlaut der Vorschrift spricht gegen die von der Antrag-
stellerin postulierte Auslegung.
Die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, § 23 Abs. 2a ARegV
greife nur, wenn sich der Genehmigungszeitraum über mehrere Regulierungs-
perioden erstrecke und ein Teil der Kosten in einer dieser Regulierungsperio-
den bereits als Kosten für Anlagen im Bau gemäß § 4 Abs. 1 ARegV berück-
sichtigungsfähig sei, setzte voraus, dass als "folgende" Regulierungsperiode
eine Regulierungsperiode angesehen wird, die auf den Beginn des Genehmi-
gungszeitraums folgt, sich mit diesem aber zumindest teilweise überschneidet.
Der Beginn des Genehmigungszeitraums ist in § 23 Abs. 2a ARegV aber nicht
erwähnt. Als einziger Zeitraum, der als Anknüpfungspunkt für einen darauf "fol-
genden" Zeitpunkt in Betracht kommt, werden vielmehr die letzten drei Jahre
der Genehmigungsdauer genannt. Nach dem Wortlaut ist als "folgende" Regu-
lierungsperiode folglich diejenige anzusehen, die sich an das Ende des Ge-
nehmigungszeitraums anschließt.
14
15
- 7 -
b) Mit dem Wortlaut vereinbar wäre allenfalls eine Auslegung dahin,
dass sich die Worte "der folgenden Regulierungsperiode" in § 23 Abs. 2a
ARegV nicht nur auf die Erlösobergrenze beziehen, sondern auch auf die Inves-
titionsmaßnahme. Gegen eine solche Auslegung sprechen indes systematische
Erwägungen.
aa) Die Kosten einer genehmigten Investitionsmaßnahme sind als solche
definitionsgemäß nur während des Genehmigungszeitraums berücksichtigungs-
fähig. Würde der Abzug davon abhängig gemacht, dass sie auch in einer daran
anschließenden Regulierungsperiode in derselben Weise berücksichtigungsfä-
hig sind, könnte § 23 Abs. 2a ARegV nie zur Anwendung kommen.
bb) Die von der Bundesnetzagentur vertretene Auffassung führt demge-
genüber zwar dazu, dass die Voraussetzungen für einen Abzug bei praktisch
jeder genehmigten Investitionsmaßnahme erfüllt sind. Dies ergibt sich jedoch
nicht schon aus dem Wortlaut von § 23 Abs. 2a ARegV, sondern aus der Ge-
nehmigungspraxis der Bundesnetzagentur, die den Genehmigungszeitraum so
festlegt, dass die Kosten der Investitionsmaßnahme in vollem Umfang in die
Kosten des Basisjahrs einfließen, das für die auf das Ende der Genehmigungs-
dauer folgende Regulierungsperiode maßgeblich ist. Entgegen der Auffassung
der Antragstellerin hat diese Auslegung mithin nicht zur Folge, dass einzelne
Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 2a ARegV von vornherein bedeutungslos
wären.
c) Für das vom Beschwerdegericht gefundene Ergebnis spricht auch
der Zweck des § 23 Abs. 2a ARegV.
aa) Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass eine doppel-
te Berücksichtigung der Kosten vermieden werden soll. In Übereinstimmung
damit wird in den Materialien zu der Vorschrift ausgeführt, es solle vermieden
16
17
18
19
20
- 8 -
werden, dass Teile der Investitionsmaßnahme von den Netznutzern mehrfach
finanziert werden (BR-Drs. 860/11, S. 9).
Zu einer mehrfachen Berücksichtigung von Kosten kommt es aufgrund
der oben aufgezeigten Unterschiede bei der zeitlichen Anknüpfung und auf-
grund der Genehmigungspraxis der Bundesnetzagentur nicht nur in der von der
Antragstellerin als allein einschlägig angesehenen Konstellation, dass bestimm-
te Kosten schon während des Genehmigungszeitraums als Kosten im Bau auch
nach § 4 Abs. 1 ARegV berücksichtigungsfähig sind. Eine mehrfache Berück-
sichtigung von Kosten tritt vielmehr schon dann ein, wenn die Investitionen spä-
testens zwei Jahre vor dem Ende einer Regulierungsperiode abgeschlossen
sind. Unter dieser Voraussetzung fließen die Investitionskosten in den letzten
drei Jahren der laufenden Regulierungsperiode in voller Höhe gemäß § 4
Abs. 2 ARegV in die Erlösobergrenze ein. Zugleich sind sie gemäß § 4 Abs. 1
ARegV in der darauffolgenden Regulierungsperiode zu berücksichtigen, weil sie
in dem gemäß § 6 Abs. 1 ARegV maßgeblichen Basisjahr bereits in vollem Um-
fang angefallen sind. Wegen des in § 6 Abs. 1 ARegV vorgesehenen Zeitver-
satzes führt dies im Ergebnis dazu, dass der Zeitraum, in dem die Kosten in die
Erlösobergrenze einfließen, in der Regel drei Jahre länger ist als die tatsächli-
che Abschreibungs- oder Nutzungsdauer. Damit würden Teile der Investitions-
maßnahme von den Nutzern mehrfach finanziert.
Dass § 23 Abs. 2a ARegV diesem Effekt entgegenwirken soll, ergibt sich
auch aus den Materialien zur Neufassung von § 11 Abs. 2 ARegV. Dort wird
ausgeführt, der Abzugsbetrag solle gewährleisten, dass Investitionskosten beim
Übergang der Investitionsmaßnahme ins Regelverfahren der Anreizregulierung
nicht mehrfach in der Erlösobergrenze Berücksichtigung finden (BR-
Drs. 860/11, S. 8). Genau diesen Übergangszeitraum betrifft § 23 Abs. 2a
ARegV nach der vom Beschwerdegericht vertretenen Auslegung.
21
22
- 9 -
bb) Dass es vor dem Inkrafttreten von § 23 Abs. 2a ARegV bereits zu
ähnlichen Effekten kommen konnte und der Verordnungsgeber mit der am
22. März 2012 in Kraft getretenen Vorschrift eine den Netzbetreibern günstigere
Regelung schaffen wollte, führt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwer-
de nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Mit der Änderungsverordnung vom 14. März 2012 (BGBl. I S. 489) sollte
im Interesse der Netzbetreiber der bisherige zeitliche Verzug von zwei Jahren
und eine damit als nachteilig empfundene Liquiditätslücke geschlossen werden
(BR-Drucks. 860/11, S. 5 und 7). Dieses Ziel wurde durch die Änderung des § 4
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV erreicht.
Davon zu unterscheiden ist die Zielsetzung des § 23 Abs. 2a ARegV. Der
dort geregelte Abzugsbetrag soll gewährleisten, dass Investitionskosten beim
Übergang der Investitionsmaßnahme ins Regelverfahren der Anreizregulierung
nicht mehrfach in der Erlösobergrenze Berücksichtigung finden (vgl. BR-Drucks.
860/11, S. 8). Zugleich hat der Verordnungsgeber mit der Neuregelung die in
der früheren Regelung angelegte Ungereimtheit der Mehrfachfinanzierung be-
hoben. Dies lag nahe, weil eine Beibehaltung der bisherigen Regeln unter dem
neuen System dazu geführt hätte, dass sich der Zeitraum, für den Kosten dop-
pelt zu berücksichtigen sind, verdreifacht hätte.
Die Regelung in § 23 Abs. 2a ARegV schränkt die mit § 4 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 ARegV verbundenen Vorteile der sofortigen Berücksichtigungsfähigkeit
der Kosten zwar in gewissem Umfang wieder ein. Diese Einschränkung hat auf
den im Mittelpunkt der Neuregelung stehenden Aspekt der Liquidität aber nur
begrenzten Einfluss, weil der Abzug der Kosten - die einen Zeitraum von drei
Jahren betreffen - auf einen Zeitraum von zwanzig Jahren verteilt wird. Die in
der Rechtsbeschwerdebegründung hierzu angestellte Beispielrechnung gibt,
wie die Bundesnetzagentur zu Recht ausführt, diesen Umstand nicht zutreffend
wieder, weil sie davon ausgeht, dass der vollständige Betrag in den ersten drei
23
24
25
26
- 10 -
Jahren der auf das Ende des Genehmigungszeitraums folgenden Regulie-
rungsperiode abgezogen wird.
Aus den Ausführungen in den Materialien, wonach § 23 Abs. 2a ARegV
"aufgrund des Wechsels auf die sofortige Kostenanerkennung" eingeführt wur-
de (BR-Drs. 860/11, S. 9), können keine abweichenden Schlussfolgerungen
gezogen werden. Aus dieser Passage ergibt sich lediglich, dass der Verord-
nungsgeber die Neuregelung zum Anlass genommen hat, die in der früheren
Regelung angelegte Ungereimtheit zu beheben. Ihr ist hingegen nicht zu ent-
nehmen, dass der Verordnungsgeber den Netzbetreibern zusätzlich zu den aus
der Neuregelung resultierenden Liquiditätsvorteilen alle Vorteile der früheren
Regelung erhalten wollte.
cc) Dass der Verordnungsgeber für Kosten, die in den Jahren 2010 und
2011 angefallen sind, in § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV eine Übergangsregelung
vorgesehen hat, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
Nach § 34 Abs. 6 Satz 1 ARegV sind Kosten von genehmigten Investiti-
onsbudgets, die in den Jahren 2010 oder 2011 entstanden sind, nach der bis
zum 21. März 2012 geltenden Fassung von § 4 Abs. 2 ARegV zu berücksichti-
gen. Dies hat zur Folge, dass diese Kosten im Rahmen von § 4 Abs. 2 ARegV
weiterhin mit einem zeitlichen Versatz von zwei Jahren in die Erlösobergrenze
einfließen (BR-Drs. 860/11, S. 11). Selbst wenn daraus zu folgern wäre, dass
es insoweit auch bei der nach früherem Recht eröffneten Möglichkeit einer
mehrfachen Berücksichtigung der Kosten für ein Jahr verbleibt (so OLG Düs-
seldorf, RdE 2014, 295, juris Rn. 36 ff.), spräche dies nicht gegen, sondern eher
für die vom Beschwerdegericht vertretene Auslegung des § 23 Abs. 2a ARegV.
Mit dem Wechsel von einer um zwei Jahre zeitversetzten zu einer sofor-
tigen Berücksichtigungsfähigkeit ist die Frage aufgeworfen worden, wie mit Kos-
ten aus den Jahren zu verfahren ist, die nach dem früheren Recht erst in späte-
27
28
29
30
- 11 -
ren Jahren berücksichtigungsfähig gewesen wären, nach dem neuen Recht
hingegen schon in der Vergangenheit hätten berücksichtigt werden müssen.
Dass der Verordnungsgeber hierfür eine Übergangsregelung vorsieht, ist folge-
richtig. Gerade weil die Übergangsregelung eine besondere Konstellation be-
trifft, kann sie jedoch nicht auf Sachverhalte angewendet werden, die diese Be-
sonderheit nicht aufweisen.
dd) Der Umstand, dass in den Abzug nach § 23 Abs. 2a ARegV auch die
Betriebskosten einzubeziehen sind, vermag eine abweichende Beurteilung
ebenfalls nicht zu rechtfertigen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, welches Gewicht den Betriebskosten
im Vergleich zu den Kapitalkosten typischerweise zukommt. Die Einbeziehung
der Betriebskosten in den Abzug ist jedenfalls schon deshalb folgerichtig, weil
der nach dem Ende des Genehmigungszeitraums eintretende Übergang von
einer sofortigen zu einer zeitversetzten Berücksichtigung auch hinsichtlich
dieser Kosten dazu führen kann, dass der Zeitraum, für den sie angesetzt wer-
den können, den tatsächlichen Nutzungszeitraum um drei Jahre übersteigt.
ee) Keine ausschlaggebende Bedeutung kommt ferner dem Umstand zu,
dass nach § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 ARegV nicht die Kosten der letzten drei
Jahre des Genehmigungszeitraums, sondern nur die Kosten des Basisjahrs, im
vorliegenden Zusammenhang also des drittletzten Jahrs des Genehmigungs-
zeitraums in die Erlösobergrenze einfließen.
Die in § 6 Abs. 1 ARegV vorgesehene Anknüpfung an das Basisjahr führt
zwar dazu, dass die in den beiden nachfolgenden Jahren angefallenen Investi-
tionskosten für die Berechnung nach § 4 Abs. 1 ARegV nicht herangezogen
werden. Diese Kosten fließen wirtschaftlich gesehen dennoch in die Erlösober-
grenze ein, weil die Kosten des Basisjahres für jedes einzelne Jahr der Regulie-
rungsperiode herangezogen werden, für die ersten drei Jahre der Regulie-
31
32
33
34
- 12 -
rungsperiode also dreifach berücksichtigt werden. Im vorliegenden Zusammen-
hang führt dies im Vergleich zu einer an die einzelnen Jahreswerte anknüpfen-
den Betrachtung sogar zu einem Vorteil für den Netzbetreiber, weil die Kosten
einer genehmigten Investitionsmaßnahme nach Fertigstellung der Maßnahme
von Jahr zu Jahr geringer werden. Die kalkulatorischen Abschreibungen sind
zwar für jedes Jahr gleich, weil sie gemäß § 6 Abs. 4 ARegV nach der linearen
Abschreibungsmethode vorzunehmen sind. Die auf die Investitionsmaßnahme
entfallenden Kapitalkosten und die anteilige Gewerbesteuer werden jedoch von
Jahr zu Jahr geringer, weil die dafür maßgebliche Berechnungsgrundlage auf-
grund der Abschreibungen kleiner wird.
Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Be-
schwerdegericht in der von ihm angestellten Beispielsrechnung von jährlich sin-
kenden Kosten ausgegangen ist. Auf die im Einzelnen angesetzten Beträge
kommt es in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht an, weil das Be-
schwerdegericht die Berechnung nur zur Verdeutlichung des § 23 Abs. 2a
ARegV zugrunde liegenden Regelungsprinzips herangezogen und ihr - zu
Recht - keinen darüber hinausgehenden Erkenntniswert beigemessen hat.
3. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt § 23
Abs. 2a ARegV mit diesem Inhalt nicht gegen höherrangiges Recht.
Sowohl nach europäischem Recht als auch nach § 21 EnWG müssen die
festgelegten Netzentgelte die tatsächlichen Kosten eines effizienten und struk-
turell vergleichbaren Netzbetreibers widerspiegeln und eine angemessene Ver-
zinsung des eingesetzten Kapitals ermöglichen. Diesen Anforderungen wird
§ 23 Abs. 2a ARegV gerecht. Die Regelung verhindert lediglich, dass die ange-
setzten Kosten die tatsächlich entstandenen Kosten übersteigen. Dem stehen
weder die von der Rechtsbeschwerde angeführten Vorschriften noch sonstiges
höherrangiges Recht entgegen.
35
36
37
- 13 -
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Festset-
zung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 GKG und § 3 ZPO.
Raum
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.12.2013 - VI-3 Kart 249/12 (V) -
38